Das Auslaufmodell
In: Schweizerische Ärztezeitung: SÄZ ; offizielles Organ der FMH und der FMH Services = Bulletin des médecins suisses : BMS = Bollettino dei medici svizzeri, Band 81, Heft 43, S. 2447-2447
ISSN: 1424-4004
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In: Schweizerische Ärztezeitung: SÄZ ; offizielles Organ der FMH und der FMH Services = Bulletin des médecins suisses : BMS = Bollettino dei medici svizzeri, Band 81, Heft 43, S. 2447-2447
ISSN: 1424-4004
In: Sales excellence: Magazin für Vertriebspraxis und Vertriebsmanagement, Band 30, Heft 12, S. 21-21
ISSN: 2522-5979
Die Finanzpolitik orientiert sich zunehmend an mechanistischen Regeln wie der Schuldenbremse. Damit werden ihre Gestaltungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Das Instrument der Schuldenbremse gibt den Entscheidungsträgern jedoch keine Hilfe bei der Umsetzung und Ausgestaltung der politischen Entscheidungen. Die Einführung einer Schuldenbremse gewährleistet noch nicht, dass diese Entscheidungen auch gesamtwirtschaftlich sinnvoll sind.
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Da mache er sich überhaupt keine Sorgen, kommentiert der Bildungsforscher Olaf Köller Forderungen, aus dem internationalen Schulvergleich auszusteigen: "Nicht wissen zu wollen, was ist, passt nicht in die heutige Zeit." Zur Kritik von Lehrerverbänden an Andreas Schleicher sagt Köller, in der Substanz liege der OECD-Bildungsdirektor "oft gar nicht falsch".
Olaf Köller ist Geschäftsführender Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der
Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) in Kiel und Ko-Vorsitzender der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz. Foto: IPN/Davids/Sven Darmer.
Herr Köller, der Lehrerverband wirft OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher nach dessen Interviews in der Stuttgarter Zeitung und anderswo Unwissenschaftlichkeit vor, der Philologenverband fordert die Aussetzung von PISA, solange Schleicher internationaler PISA-Koordinator
ist. Die FAZ will sogar unabhängig von Schleicher den Ausstieg Deutschlands aus der weltweit größten Bildungsstudie. Was ist da los?
Es gab in Deutschland schon häufiger Empörung von Lehrerverbänden und Politikern über Aussagen von Andreas Schleicher. Doch auch wenn diese im Ton manchmal überzogen und im aktuellen Fall sicher
mit Absicht provokant formuliert waren, in der Substanz liegt er oft gar nicht so falsch.
Zum Beispiel?
Dass wir in Deutschland im internationalen Vergleich sehr hohe Lehrergehälter haben. Nehmen Sie eine 50 Jahre alte Studienrätin, verheiratet, zwei Kinder, privat krankenversichert, mit einem
Nettogehalt von über 5000 Euro im Monat. Wenn sie krank ist, bekommt sie schnell einen Arzttermin, und wenn sie in Ruhestand geht, kann sie mit 3500 Euro und mehr Pension rechnen. Damit steht sie
im Vergleich zu fast allen ihren internationalen Kolleginnen und Kollegen extrem gut da. Und wenn Andreas Schleicher sagt, wir hätten in Deutschland ein Problem mit der Unterrichtsqualität, muss
man das nicht so drastisch ausdrücken wie er, aber für die Feststellung an sich gibt es empirische Evidenz, auch in der aktuellen Pisastudie.
"Wenn wir sehen, dass die mathematikbezogene Motivation erneut heruntergegangen ist, kann man schon mit einiger Plausibilität die Hypothese ableiten, dass das
mit der Qualität das Unterrichts zu tun hat."
Evidenz welcher Art?
Rund 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland, die ein Gymnasium besuchen, berichten davon, dass ihr Mathematikunterricht wenig unterstützend und kaum kognitiv aktivierend sei. Und
bei Pisa 2022 haben wir eine Ergänzungsstudie durchgeführt, die Aufschluss über die Qualität der Klassenarbeiten gibt: meist relativ triviale mathematische Routine und kaum Aufgaben, die zur
Problemlösung herausfordern.
Die Philologenverband-Bundesvorsitzende Susanne Lin-Klitzing wirft Schleicher vor, mit seinem fortgesetzten Lob der Schulsysteme undemokratischer Staaten wie China "könnte man zudem
annehmen, dass der PISA-Koordinator dem Missbrauch schulischer Bildung durch totalitäre Systeme nachgerade das Wort rede".
Ich würde wirklich allen Seiten raten, die Polemik herauszunehmen. Wir wissen seit der ersten Timms-Studie Mitte der 90er Jahre, dass viele asiatische Länder sehr, sehr guten und aktivierenden
Unterricht anbieten. Und das nicht nur in Mathematik. Auch in den Naturwissenschaften oder in Englisch folgt der Unterricht einer anderen Choreographie als bei uns. Das betrifft die Volksrepublik
China, das betrifft aber auch demokratische Staaten wie Japan oder Taiwan. Überall gibt es einen klaren Blick dafür, welche Aufgaben ich als Lehrkraft wählen muss, um in 45 oder 60 Minuten das
Unterrichtsziel zu erreichen, das ich mir selbst gesteckt habe. Klar bekommen wir bei Besuchen zum Teil einstudierte Vorführstunden gezeigt, aber auch wenn wir das einpreisen, bleibt die
Feststellung: Viele asiatische Schulsysteme wissen, was guten Unterricht ausmacht, und wir können einiges von ihnen lernen.
Auch die FAZ kommentierte, Schleicher
nutze jede Gelegenheit, Kausalitäten aus PISA-Daten abzuleiten, die es überhaupt nicht gebe.
Den Vorwurf halte ich für überzogen. Natürlich wissen wir, dass Pisa-Daten in der Regel keine kausalen Schlüsse zulassen. Aber Hinweise geben sie schon. Wenn wir etwa sehen, dass die
mathematikbezogene Motivation zwischen 2018 und 2022 in Deutschland erneut deutlich heruntergegangen ist, kann man daraus schon mit einiger Plausibilität die Hypothese ableiten, dass das etwas
mit der Qualität das Unterrichts zu tun hat. Natürlich ist das dann nur eine Hypothese, die man weiter untersuchen muss. Und das tun wir. Das Quamath-Programm, das über zehn Jahre hinweg die
Qualität mathematischen Unterrichts in Deutschland verbessern soll, hat die Kultusministerkonferenz übrigens auch nicht gestartet, weil wir hierzulande so einen Bombenunterricht haben.
"Herr Schleicher trägt zur
Bildungsforschung in Deutschland nichts
bei. Er schadet ihr aber auch nicht."
Der Philologenverband befindet: "Ob sich die seriöse empirische Bildungsforschung von dem Schaden und Vertrauensverlust erholt, den Andreas Schleicher ihr in Deutschland zufügt,
bezweifeln wir."
Wenn Sie in Deutschland herumfragen, wer die Protagonisten der empirischen Bildungsforschung sind, würde der Name Andreas Schleicher gar nicht fallen. Er ist als Leiter des OECD-Direktorats für
Bildung primär dafür verantwortlich, dass PISA weltweit administrativ klappt. Sogar er selbst hat, glaube ich, nicht den Anspruch, Bildungsforscher im engeren Sinne zu sein. Wenn Sie nach
Deutschland schauen, Tina Seidel von der TU München, die ist eine Bildungsforscherin, oder Nele McElvany von der TU Dortmund. Soll heißen: Die deutsche Bildungsforschung ist viel breiter
aufgestellt als nur mit PISA, wobei ich ich persönlich auch die deutschen PISA-Koordinatorinnen dazu zählen würde. Herr Schleicher aber trägt zur Bildungsforschung in Deutschland nichts bei. Er
schadet ihr aber auch nicht.
Der Lehrerverband fragt trotzdem: "Wenn man den PISA-Macher nicht mehr ernstnehmen kann, kann man dann noch PISA ernstnehmen?"
Andreas Schleicher ist nicht verantwortlich für die Feldarbeit in den Ländern, nicht für die Erhebung der Daten. Er schreibt auch nicht den PISA-Bericht. Er zieht Schlussfolgerungen aus den
Ergebnissen wie viele andere auch. Der frühere Hamburger Bildungssenator Ties Rabe zum Beispiel. Oder Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger. PISA spielt in der Gesamtstrategie der
Kultusministerkonferenz (KMK) eine zentrale Rolle, weil diese Studie über die Jahre hinweg immer wieder verlässliche Information über die Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems liefert.
Aber wie verlässlich sind die? Es gebe gute Gründe, an der Aussagefähigkeit der Daten zu zweifeln, schreibt die FAZ. Deutschland sei das einzige Teilnehmerland, das eine
Zielpopulation von über 99 Prozent im Jahr 2018 und über 90 Prozent im Jahr 2022 hatte. "Das bedeutet, dass auch Förderschüler dabei sind. Andere Länder haben deutlich niedrigere Zielpopulationen
und deshalb bessere Ergebnisse."
Diesem FAZ-Kommentar liegt ein Missverständnis zugrunde, eine Verwechslung zwischen Zielpopulation und Teilnahmequoten. Die meisten PISA-Staaten haben eine Zielpopulation von über 90
Prozent, das ist der Anteil der 15jährigen Schülerinnen und Schüler, der potenziell getestet wird. Bei den tatsächlich getesteten liegt Deutschland wie viele andere Staaten zwischen 85 und 90
Prozent. Man kann sich also nicht einfach damit herausreden, dass in Deutschland andere Schülerpopulationsanteile getestet würden. Und selbst wenn wir sagen würden, wir lassen einfach alle
internationalen Vergleiche weg, müssten wir immer noch konstatieren: Das deutsche Gymnasium hat in Mathematik zwischen 2012 und 2022 im Vergleich mit sich selbst rund 50 Punkte verloren, das
entspricht dem Lernzuwachs von mehr als anderthalb Schuljahren.
Genau das fordert die FAZ ja: Deutschland soll aus PISA und weiteren internationalen Studien wie IGLU und Timss aussteigen und dafür den nationalen Vergleich des
IQB-Bildungstrends ausweiten.
Dann hätten wir aber nicht mehr den Benchmark mit Ländern, die ganz ähnliche Bildungssysteme haben wie wir: Österreich, die Schweiz, Luxemburg. Und wenn wir den Blick etwas weiten, sehen wir
viele EU-Länder, die bei PISA ähnlich hohe Teilnahmequoten erreichen wie wir und wo trotzdem immer wieder interessante Reformen stattfinden. Polen oder Estland, um nur zwei zu nennen. Insofern
würden uns ohne PISA-Teilnahme viele Erkenntnisse entgehen: etwa auch, dass es in den vergangenen Jahren in vielen Ländern abwärts ging, aber in Deutschland eben stärker als im internationalen
Durchschnitt. Das sind Informationen, die man hinsichtlich ihrer Bedeutung nicht unterschätzen sollte, auch zur Einordnung bildungspolitischer Weichenstellungen in Deutschland.
"Es verlangt auch keiner von den Wirtschaftsweisen, keine Prognosen mehr zum Wirtschaftswachstum abzugeben, weil wir uns in einer Konjunkturkrise
befinden."
Die heftige Kritik an PISA erinnert an Grundsatzdebatten in den ersten Jahren nach Einführung der Studie in den Nullerjahren. Kommen die jetzt wieder?
Wir haben schon nach dem IQB-Bildungstrends 2021 und 2022 erlebt, dass die Rolle der Lehrkräfte und die Qualität des Unterrichts in den Fokus rückte. Was nicht wundert bei einem solchen
Leistungsrückgang auch an den Gymnasien. Was mich wundert ist, dass die Lehrerverbände sich in Reaktion darauf gleich in solch eine defensive Haltung begeben haben. Man kann ja über einzelne
Punkte und Methodiken diskutieren, aber jetzt einfach den Ausstieg aus PISA zu fordern, und das dann noch mit Äußerungen von Andreas Schleicher zu begründen, erscheint mir nicht zielführend. Es
verlangt auch keiner von den Wirtschaftsweisen, keine Prognosen mehr zum Wirtschaftswachstum abzugeben, weil wir uns in einer Konjunkturkrise befinden. Nicht wissen zu wollen, was ist, passt
nicht in die heutige Zeit. In keinen Politikbereich. Ohne Informationen über Problemlagen, etwa dass in Mathematik in Deutschland 30 Prozent zur Risikogruppe zählen, ziehen wir den Karren nicht
aus dem Dreck. Das muss auch den Lehrerverbänden klar sein.
Der Deutsche Lehrerverband nutzt die Informationen aus den Studien selbst durchaus für seine Argumentation. So stellt er fest, dass der steigernde Leistungsabfall in den PISA-Studien
parallel zur Implementierung zu "Änderungen in Pädagogik, Methodik und Didaktik" gelaufen sei, wobei als Beispiele "Kompetenzorientierung, selbstgesteuertes Lernen, Absage an Leistungsprinzip,
Gründung neuer Gesamt- und Gemeinschaftsschulen" genannt werden. Diese Änderungen müsse die deutsche Bildungspolitik daher überprüfen, fordert der Lehrerverband.
Die Kompetenzorientierung war vielen schon immer ein Dorn im Auge. Da liegt es natürlich nahe zu sagen: Die Ergebnisse sind deshalb schlecht, weil wir die Dinge nicht mehr so machen, wie wir sie
früher gemacht haben. Aber wie ich schon erwähnte: Wenn wir uns den tatsächlichen Unterricht anschauen, wie er vielerorts an deutschen Schulen läuft, lautet die Diagnose eher, dass dort noch
ziemlich viel so gemacht wird wie immer. Wir Bildungsforscher wären richtig glücklich, wenn wir im Matheunterricht beobachten könnten, dass dort eine stärkere Ausrichtung am Leben außerhalb der
Schule erfolgen würde. In Englisch ist das der Fall, der Englischunterricht hat Antworten gegeben auf die sich verändernde Welt, und die Leistungen der Schülerinnen und Schüler im
IQB-Bildungstrend sind zwischen 2016 und 2022 gestiegen.
Ist PISA in Deutschland ein Auslaufmodell, Herr Köller?
Nein, da mache ich mir gar keine Sorgen. Die nächste Erhebungsrunde für PISA 2025 ist in Vorbereitung, die KMK bekennt sich zur Qualitätssicherung im Bildungssystem, bei dem PISA, Timss und CO
eine ebenso wichtige Rolle spielen wie der IQB-Bildungstrend. Im Übrigen steht PISA nicht nur in Deutschland auf festem Boden, sondern ist international eine Riesen-Erfolgsgeschichte. 2000 sind
wir mit 32 Staaten gestartet, inzwischen sind wir bei fast 90 Ländern und Regionen weltweit angelangt. Überall herrscht der Eindruck, dass PISA keinen Blödsinn produziert, sondern ein wichtiger
Indikator ist zur Feststellung der Leistungsfähigkeit der Bildungssysteme.
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In: Schweizerische Ärztezeitung: SÄZ ; offizielles Organ der FMH und der FMH Services = Bulletin des médecins suisses : BMS = Bollettino dei medici svizzeri, Band 94, Heft 3132, S. 1157-1158
ISSN: 1424-4004
In: Schriften der Juristischen Studiengesellschaft Regensburg e.V. Band 45
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In: Nomos eLibrary
In: Arbeits- und Sozialrecht
Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Rechtsbegriff der abhängigen Beschäftigung, welcher als Anknüpfungspunkt für die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen dient. Dessen Konkretisierung durch die Gerichte bewegt sich in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel der Rechtssicherheit und einer sich rasant wandelnden Arbeitswelt, in der Arbeitsformen und herkömmliche Abgrenzungskriterien an Kontur verlieren. Außerdem entsteht für die Sozialversicherung insgesamt ein Akzeptanzproblem, wenn vom Staat eine vergleichbare soziale Sicherung gewährt wird, ohne dass hierfür überhaupt Beiträge entrichtet worden sind. Als Lösungsansätze kommen unter anderem Abstandsgebote für beitragsfinanzierte Sozialleistungen sowie die Einführung einer Erwerbstätigenversicherung unter Einschluss der Selbstständigen in Betracht. Zugleich gilt es aber auch, das Verhältnis zwischen Bürger und Staat neu zu ordnen und die Eigenverantwortung des Einzelnen zu stärken.
In: Schweizerische Ärztezeitung: SÄZ ; offizielles Organ der FMH und der FMH Services = Bulletin des médecins suisses : BMS = Bollettino dei medici svizzeri
ISSN: 1424-4004
In: Die Sozialgerichtsbarkeit: SGb : Zeitschrift für das aktuelle Sozialrecht, Heft 10
ISSN: 1864-8029
In: kma: das Gesundheitswirtschaftsmagazin, Band 19, Heft 12, S. 52-53
ISSN: 2197-621X
In Zeiten knapper Kassen konzentrieren sich Krankenhäuser auf ihr Kerngeschäft. Die eigene Wäscherei fällt vielen als erstes ins Auge, wenn es um die Frage des Outsourcings geht. Kliniken sollten allerdings genau kalkulieren und nicht nur auf die Personalkosten schauen, bevor sie auslagern.
In: kma: das Gesundheitswirtschaftsmagazin, Band 17, Heft 1, S. 32-35
ISSN: 2197-621X
Bis vor kurzem haben viele Krankenhäuser ein KTQ-Zertifikat noch als Ritterschlag empfunden. Doch nun wechseln immer mehr Kliniken zu ISO, weil sie diese prozessorientierte Zertifizierung für effektiver, effizienter und anspruchsvoller halten.
In: Versicherungsmagazin, Band 51, Heft 11, S. 14-19
ISSN: 2192-8622
In: Mitteilungsblatt des Instituts für Soziale Bewegungen, Heft 32, S. 159-173
Die Beteiligung der zuvor strikt auf die Landesverteidigung beschränkten "Selbstverteidigungsstreitkräfte" (SVS) an UN-Friedensmissionen markiert für den Autor den Beginn einer Militarisierung der Außenpolitik Japans, die in der Besetzung des Irak in der Folge eines völkerrechtlich zumindest fragwürdigen Krieges der USA und ihrer "Koalition der Willigen" gegen das irakische Regime ihren vorläufigen Höhepunkt fand. Obwohl Japans Friedensbewegungen auf eine mehr als 50jährige Tradition der Mobilisierung gegen Militarisierungstendenzen zurückblicken können, erreichten die Proteste gegen den Irak-Krieg und den die USA unterstützenden Regierungskurs im internationalen Vergleich nur geringe Ausmaße und verpufften innenpolitisch völlig wirkungslos. Der vorliegende Beitrag versucht, sich diesem Phänomen aus der zeithistorischen Perspektive zu nähern. Dabei werden die wichtigsten Rahmenbedingungen, Anliegen, Strategien und Charakteristika der japanischen Friedensbewegungen in ihrer Blütezeit von den 1940er bis zu den 1960er Jahren herausgearbeitet. Gründe für die geringe Einflusskraft von Friedensbewegungen im heutigen Japan sieht der Autor in Faktoren und Rahmenbedingungen, die sich aus Entwicklungen und Mechanismen der japanischen Gesellschaft seit den 1970er Jahren ergeben, wie die zunehmende Konsumorientierung, politisches Desinteresse und der sogenannte "Alltagskonservatismus". (ICA2)
In: Schweizerische Ärztezeitung: SÄZ ; offizielles Organ der FMH und der FMH Services = Bulletin des médecins suisses : BMS = Bollettino dei medici svizzeri
ISSN: 1424-4004
Angesichts der Ausweitung des Niedriglohnsektors und einer abnehmenden Tarifbindung erhält die Einführung von Mindestlöhnen eine zunehmende Bedeutung hinsichtlich der Eindämmung dieser Tendenzen. Gleichwohl werden in der bisherigen Forschung vornehmlich Veränderungen der Lohnstruktur, Beschäftigungseffekte und gelegentlich auch fiskalische Effekte von Mindestlöhnen diskutiert. Dabei fehlt zum einen die Berücksichtigung der Einbettung des Mindestlohns in alternative Regelungssysteme (Tariftreue- und Vergabegesetzgebung). Zum anderen mangelt es an empirischen Studien, die die Umsetzung von Mindestlohnregelungen und speziell von Landesmindestlohnregelungen untersuchen. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes dokumentieren daher erstens die Ausgestaltung der Mindestlohn- und Tariftreueregelungen im Zusammenhang mit den länderspezifischen Vergabegesetzen. Zweitens wird der Implementationsprozess von Landesmindestlohnregelungen anhand von Fallstudien zu den Tariftreue-, Vergabe- und Landesmindestlohnregelungen in den Bundesländern Bremen, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Berlin mit Hilfe von Dokumentenanalysen und Experteninterviews analysiert. Ein weiteres Ziel ist es, die Ergebnisse für die Analyse der Genese und Implementation des im Januar 2015 eingeführten bundesweiten Mindestlohns fruchtbar zu machen. Zentrale Ergebnisse sind, dass sich die jeweiligen gesetzlichen Regulierungen, die Implementation und vor allem auch die konkrete Kontrolle der Landesmindestlöhne z. T. erheblich unterscheiden. Angesichts einer generell geringen Kontrolldichte in allen untersuchten Bundesländern scheinen zentral koordinierten Kontrollinstitutionen gleichwohl effizienter zu sein. Einschätzungen zentraler Akteure hinsichtlich der Praktikabilität und (zukünftigen) Wirksamkeit von Landesmindestlöhnen divergieren stark: So werden die Landesmindestlohnregelungen neben anderen Mindestlohnregelungen als zentrale Wegebereiter mit Blick auf den bundesweiten gesetzlichen Mindestlohns gesehen. In den untersuchten Branchen der Gebäudereinigung und der Sozialwirtschaft zeigen einzelne Arbeitgeber Sympathien gegenüber der Einführung von Mindestlöhnen, während deren Verbandsvertreter sich eher ablehnend verhalten. Äußerst kontrovers ist zudem der weitere Umgang mit den bestehenden Landesmindestlohnregelungen: Neben der Abschaffung der Landesmindestlohnregelungen, werden ein Verharren im Status quo aber auch die Weiterentwicklung der bestehenden Regelungen diskutiert. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die einzelnen Landesregierungen die Einführung von Landesmindestlöhnen "als politisches Projekt" verstanden, um letztlich die Verwirklichung eines bundesweiten Mindestlohns zu unterstützen.
BASE
In: Der Ordnungspolitische Kommentar (IWP Köln), Band 9/2013