Vor dem Beitritt - nach dem Beitritt: Hat sich das polnische Europabild gewandelt?
In: Von welchem Europa reden wir?: Reichweiten nationaler Europadiskurse, S. 77-94
Die Verfasserin argumentiert, dass sich die Europavorstellung Polens mit dessen Beitritt zur EU verändert hat. Als immer wiederkehrende Narrative in der von Politikern und Intellektuellen geführten Diskussion über Europa prägen die Verantwortung für ein christliches Europa sowie die Forderung nach einem solidarischen Europa den polnischen Diskurs. Letzteres wird vor dem Hintergrund eines wirtschaftlich schwachen Polens gefordert, um als gleichberechtigter Staat in der EU anerkannt zu sein und nicht aufgrund noch zu bewältigender politischer und wirtschaftlicher Transformationsprozesse zu einem Mitgliedsstaat zweiter Klasse zu werden. Dementsprechend wehrt sich Polen gegen jegliche Möglichkeit der Dominanz durch große Staaten, wie dies in der EU-Verfassungsdebatte gegenüber Deutschland und Frankreich zum Ausdruck kam. Wenngleich Polen seine Sicherheit weiterhin von den USA und durch die NATO garantiert sieht, setzt es sich für eine Weiterentwicklung der GASP und ESVP ein, um Europa global handlungsfähig zu machen. Wie dies in der orangenen Revolution in der Ukraine sichtbar wurde, begreift sich Polen als eine Brücke zwischen der EU und seinen östlichen Nachbarstaaten und steht nicht nur Erweiterungen um diese Ländern, sondern auch einer Aufnahme der Türkei in die EU positiv gegenüber. Somit hat sich das Europabild Polens im Vergleich zu dem von vor dem Beitritt inhaltlich nicht verändert, sondern nur punktuell verfeinert, wie das Beispiel der Erweiterungsfrage zeigt. Es wird gezeigt, dass sich seit dem Beitritt Polens zur EU weniger die Inhalte polnischer Außen- und Europapolitik sondern vielmehr die Tonlage, in der diese betrieben wird, verändert hat. Die Verteidigung nationaler Interessen unter Wahrung der Unabhängigkeit Polens steht, so die These, mit der Frage nach der Solidarität und damit einer Vertiefung der EU in einem gewissen Spannungsverhältnis innerhalb des polnischen Europabildes, welches darin begründet ist, dass Polen sich auf der einen Seite entsprechend seiner Bevölkerungszahl als einen großen Mitgliedsstaat ansieht und somit eine politisch starke Rolle in der EU einnehmen möchte und sich andererseits seiner wirtschaftlichen Schwäche bewusst ist und somit, aus Furcht vor einer EU-Mitgliedschaft zweiter Klasse, auf die europäische Solidarität hofft. (ICF2)