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Christliche und islamische Religion haben vieles gemeinsam, aber unterschiedliche Entwicklungen genommen, ebenso Abendland und Morgenland. Darüber nachzudenken ist wichtig, auch […] The post Abendland – Morgenland. Christentum – Islam first appeared on Blog der Republik.
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The new issue of "Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie" (vol. 69, no. 2) features articles on Jürgen Habermas' "Auch eine Geschichte der Philosophie" (Suhrkamp, 2019):* Georg Kohler – "Vernunftinteresse, Religion und Philosophie. Zu Jürgen Habermas' grossem Diskurs über Glauben und Wissen" [Abstract]* Samuel Vollenweider – "Ein achsenzeitlicher Booster: Das frühe Christentum in der Sicht von Jürgen Habermas" [Abstract]* Theo Kobusch – "Die "Hellenisierung des Christentums" – ein Irrweg. Zur Begegnung von Christentum und Hellenismus in J. Habermas' Philosophiegeschichte" [Abstract]* Peter Schulthess – "Eine Auseinandersetzung mit Habermas' pragmatischer Sicht auf Augustin" [Abstract]* Martin Bondeli – "Kant und Hegel in Habermas' Genealogie nachmetaphysischen Denkens" [Abstract]* Jean-Claude Wolf – "Habermas liest Kierkegaard" [Abstract]
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Europa redet gern über seine Werte, beruft sich auf das Christentum, Toleranz, Solidarität, Menschlichkeit, Nächstenliebe. Ich könnte noch manches in diesem Zusammenhang anfügen, es würde es nicht besser machen. Gemeint das Bild, das Europa, der Westen gerade wieder mal abgibt. Wir streiten über den richtigen Kurs bei der Migrationspolitik, dabei liegen die dafür nötigen Regeln... The post Migration wird als Wahlkampf missbraucht first appeared on Blog der Republik.
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New book: Okzidentale Konstellationen zwischen Glauben und Wissen. Beiträge zu Jürgen Habermas' "Auch eine Geschichte der Philosophie" Ed. by Rudolf Langthaler & Hans Schelkshorn (Darmstadt: WBG Academic, forthcoming). Open access.The book is available as a PDF file. Prof. Hans Schelkshorn (University of Vienna) has published a link on his website. It contains a comprehensive response from Jürgen Habermas with comments on the individual chapters (pp. 363-411).ContentsVorwortFriedrich Wilhelm Graf - Was Theologen von Jürgen Habermas lernen können Hans Schelkshorn - Von den Weltbildern der Achsenzeit zum nachmetaphysischen Denken der Moderne? Zu Habermas' genealogischer Verteidigung des Projekts der AufklärungHeiner Roetz - Auch eine Geschichte der Philosophie Chinas? Zu Jürgen Habermas' "Auch eine Geschichte der Philosophie"Christoph Markschies - Auch eine Geschichte der Philosophie oder: das antike Christentum bei Jürgen HabermasLeo Kobusch - Achsenzeit, Spätantike, Spätmittelalter – sind sie notwendige Elemente der Genealogie des nachmetaphysischen Denkens?Maximilian Forschner - Die Provokation des Aristotelismus – Jürgen Habermas über Thomas von AquinLudger Honnefelder - Paradigmenwechsel im philosophischen Denken: Johannes Duns Scotus. Zu Jürgen Habermas' Deutung der Wende in der mittelalterlichen PhilosophieNotger Slenczka - Die Verselbständigung des Glaubens und ihre Folgen – Luther in der Philosophiegeschichte Gerardo Cunico - Habermas' Auseinandersetzung mit Hume und KantRudolf Langthaler - "… dass der Kredit, den Kant der Postulatenlehre einräumt, nicht gedeckt ist": Zu Habermas' Kritik der kantischen PostulatenlehreMaureen Junker-Kenny - Der Ort Friedrich Schleiermachers als Sprachtheoretiker und als Theologe der Moderne im nachmetaphysischen Denken. Eine subjektivitätstheoretische AnalyseJoachim Ringleben - Der Blick auf die neuere Theologie: Schleiermacher und KierkegaardThomas M. Schmidt - Geist, Sprache, Leiblichkeit. Hegel, Herder und Feuerbach über die Verkörperung der Vernunft Ludwig Nagl - Erwägungen zur Pragmatismusrezeption bei Habermas: Religion bei Peirce, Royce, James und Putnam Eduardo Mendieta - Postmetaphysical + Postsecular = Post-Christian? On Habermas and the "Querelle" on SecularizationJürgen Habermas - Eine Antwort auf die Kommentare.
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In diesem Beitrag stellt Fiona Hamann folgenden Aufsatz vor:Bauer, Christian (2019): Heimat im Offenen? - Rechtspopulismus als theologische Herausforderung; in: International Journal of Practical Theology, 23 (1), S. 78-97, online unter: https://doi.org/10.1515/ijpt-2018-0031.Der vorliegende Habilitationsvortrag von Christian Bauer thematisiert zu Beginn den Begriff und das Gefühl von "Heimat". Es ist ein "schwer zu definierender" (S. 79) Ort der Sehnsucht, der Erinnerung, der vor allem im Blick zurück zu finden ist und nicht im Unmittelbaren erlebbar zu sein scheint. Einige Menschen verlieren heute das Gefühl von Heimat. Sie sind "auf der Suche nach identitätsstiftenden Narrativen des Eigenen im Gegenüber zum herandrängenden Fremden" (S. 80). Rechtspopulisten können mit ihren Ideologien einfach an dieses Gefühl anknüpfen. Da Heimat die Sehnsucht aller Menschen sei, kommt "die Frage nach entsprechenden Ressourcen einer nichtexkludierenden, aber dennoch heimatgebenden Identität im offenen Raum unserer Gesellschaft auf" (S. 80).Nach diesem Einstieg hat Bauer seinen Vortrag in vier Teile gegliedert. Er beginnt mit dem Blick in das "gesellschaftliche Praxisfeld", berichtet anschließend über "Recherchen im kulturwissenschaftlichen Diskursarchiv" und dem "praxistheologischen Diskursarchiv" bevor er sein "Resümee" zieht. Unter der Überschrift "Spurensuche im gesellschaftlichen Praxisfeld" fasst Bauer sowohl Beobachtungen der heutigen Zeit als auch der Vergangenheit zusammen und gibt erste Hinweise, wie sich eine Gesellschaft verhalten sollte.Es werden unterschiedliche Möglichkeiten aufgezeigt, auf Rechtspopulismus, der "heimatliches Brauchtum" (S. 83) vereinnahmt, zu reagieren. Man könnte dem Verhalten etwas entgegensetzen indem man auf den "kompromittierten Heimatbegriff" (S. 83) verzichtet. Bauer beobachtet allerdings, dass die meisten Menschen einen anderen Weg wählen. Sie wollen nach Vorfällen möglichst schnell zum "business as usual" (S. 83) zurückkehren, indem sie die Umstände akzeptieren und sich in ihr "heimatliches Nest" (S. 83) zurückziehen. Von SoziologInnen wird dieses Verhalten als "Cocooning" bezeichnet. Menschen machen sich ihr Leben möglichst behaglich, ohne die Schwierigkeiten der Zeit zu betrachten.In der Zeit zwischen den Kriegen konnte in Frankreich Ähnliches beobachtet werden. Das "Collége de Sociologie" versuchte, eine 'Sakralsoziologie' entstehen zu lassen, um dem Faschismus "mit Hilfe von gemeinschaftsbildenden Mythen" (S. 84) entgegenzutreten. Diese Art des Umgangs wurde damals wie heute auch kritisiert. Man sollte "nicht das politische Framing eines totalitären oder faschistoiden Denkens übernehmen, sondern […] den 'Diskursrahmen wechseln" (S. 84). Das bedeutet im theologischen Zusammenhang, "für die unteilbare Würde aller Menschen in einer offenen Welt" (S. 84) einzutreten.Der Auftrag geht weiter mit den "Recherchen im kulturwissenschaftlichen Diskursarchiv". Bauer untersucht, inwiefern die Untersuchungen der Gesundheit von Holocaustüberlebenden des Medizinsoziologen Aaron Antonovsky auf den heutigen Zuwachs des Rechtspopulismus zu übertragen sind. Dieser hielt fest, dass es ein 'Kohärenzgefühl' (S. 85) gibt. Er beschreibt es als 'eine globale Orientierung, die ausdrückt, in welchem Ausmaß man ein […] Gefühl des Vertrauens hat' (S. 85), dass Dinge verständlich, bedeutsam und handhabbar sind. Wenn in der heutigen Zeit der Alltag undurchsichtig wird, kann dieses Lebensgefühl verloren gehen.Es gibt unterschiedliche Reaktionen auf eine komplexe Welt. Entweder "im Aufbruch in den heterogenen Freiraum einer offenen Gesellschaft oder aber in der Flucht in den homogenen Schutzraum einer geschlossenen Gemeinschaft" (S. 86). Bauer beobachtet, dass sich die Gesellschaft momentan immer weiter in Richtung der zweiten Möglichkeit entwickelt. Gleichzeitig wird die Wichtigkeit betont, sich dem beispielsweise durch ein "alternatives 'Framing' der politischen Debatte" (S. 86) entgegenzustellen.Thematisiert wird daraufhin der Begriff 'Narrativ' (S. 86). Bauer widerspricht teilweise dem französischem Philosophen Jean-François Lyotard, der behauptet, dass es heutzutage zu einer 'Dekomposition der großen Erzählungen' (S. 87) kommt. Aufkommender "religiöser Fundamentalismus und politischer Populismus" (S. 88) sprechen zwar gegen diese These, jedoch gibt es tatsächlich viele 'kleine Erzählungen', die sich stets erneuern und dem Wunsch nach der einen Erzählung entgegenstehen (vgl. S. 87 f.).Problematisch ist, dass diese "großen Erzählungen" (S. 88) für einige Menschen immer noch wichtig sind. "Es gibt ein Grundbedürfnis nach narrativen Deutungsrahmen" (S. 88). Solange diese eine "freiheitliche Form" (S. 88) aufweisen, sind sie weniger gefährlich, als wenn sie eine "geschlossene, potentiell totalitäre" (S. 88) Form aufweisen. Nach dem Soziologen Bruno Latour "gibt es eine narrative Konstruktion von Heimat, deren nie voll auserzählte Geschichten diachron Geschichte und synchron Gesellschaft formieren" (S. 88). Armin Nassehi spricht von einer "'Unmöglichkeit einer gemeinsamen Welt' für alle Menschen" (S. 89). Erzählungen, die Gemeinsamkeiten erzeugen, sind daher ausschließlich "mit einem lokal begrenzten Geltungsanspruch möglich" (S. 89).Rechtspopulisten versuchen, die aufgekommene Komplexität auf ein möglichst verständliches und haltgebendes Narrativ zu beschränken. Um die offene Gesellschaft zu erhalten, muss es deshalb in einschließender Weise gelingen, "wieder Geschichten zu erzählen, die Identität stiften und Heimat geben" (S. 89). Das erreichen könnten Frames, die die Möglichkeit einer 'Weltoffenheit ohne Selbstverneinung' (S. 89) darstellen. Es muss also eine 'Erfahrungswelt' geschaffen werden, deren Bewohnbarkeit in offener Weise gesichert werden kann (vgl. S. 90).Bauer zitiert verschiedene Politiker und Historiker, die alle der Meinung sind, dass das aufgezeigt werden muss, was alle Menschen verbindet. Eine "'mitreißende Gegenerzählung' weltoffener Heimatlichkeit" (S. 90 f.) kann aber nur dann erfolgreich erzählt werden, wenn Menschen respektvoll aufeinander zugehen, sich austauschen und ein positiver Begriff von Heimat nicht tabuisiert wird (vgl. S. 90 f.).Im nächsten Abschnitt beschreibt Bauer "Erkundungen im praxistheologischen Diskursarchiv". Die Theologie und Kirche muss rechtspopulistischen Frames mit "eigene(n) Narrative(n) einer gelingenden Existenz im Offenen" (S. 91) entgegenwirken. Warum das gerade dem Christentum gut gelingen kann, beschreibt Lieven Boeve. "Durch die eigene Struktur ist [das christliche Narrativ] dazu bestimmt, sich selbst als einen offenen Diskurs zu rekontextualisieren" (S. 91).Das Zweite Vatikanische Konzil bietet für die Rekonstruktion eine gute Grundlage, weil die Texte "aus den heilsgeschichtlichen Erzählungen der Bibel gespeist sind und daher über weite Strecken auch selbst "den Charakter von Gottesgeschichten" tragen" (S. 92). Gewollt wurde "die 'Corporate identity' der Kirche in dieser Weise narrativ als eine heiluniversal entgrenzte, pastoral weltoffene Identität zu bestimmen" (S. 92). Nach der transzendentalen Anthropologie von Karl Rahner "ist ein Mensch durch seine 'Transzendenz ins Offene gesetzt' und führt folglich eine 'Existenz in das Unvorhergesehene hinein', sich selbst in die unendliche Offenheit der Zukunft entwerfend" (S. 92), was natürlich auch den 'Mut zum Wagnis ins Offene' (S. 92) erfordert.Dieser Mut ist vor allem heutzutage wichtig, weil das "Weltganze" (S. 93) laut Jean-Luc Nancy nur noch als 'in sich selbst offen' (S. 93) denkbar ist. Das Christentum beschreibt er 'als Öffnung – Selbst-Öffnung und Selbst als Öffnung' (S. 93). Die Kirche hat daher die Aufgabe, das, was in der Welt passiert, bewusst wahrzunehmen. Damit dies gelingen kann, muss sie eigene Schutzvorrichtungen abbauen und dann in ihrer Verletzlichkeit allen den Dialog anbieten (vgl. S. 93 f.).Pastorale Orte können aber auch "Orte eines 'hearing of speech'" (S. 94) werden. Hier könnte ein offener, gesellschaftlicher Austausch stattfinden, der die "milieuspezifische Selbstbeschränkung" (S. 94) auflöst und stattdessen verständnisvolle Gespräche auf Augenhöhe ermöglicht. Es geht darum, die eigene Geschichte zu erzählen, anderen zuzuhören und Gefühle mit in das Gespräch miteinzubeziehen, anstatt nur mit "Kopfargumenten" (S. 94) zu entgegnen (vgl. S. 94).Es können Orte entstehen, an denen Menschen die "Abenteuer des existenziell Offenen angstfrei erprob(en)" (S. 95) können, ohne Angst haben zu müssen, für Fehler verurteilt zu werden. Ohne die Homogenisierung vieler kleiner Geschichten kann ein "offenes Narrativ von Solidarität und Freiheit (entstehen, was) so etwas wie Heimat ermöglichen" (S. 95) kann. Bauer ermutigt "mehr Demokratie (zu) wagen" (S. 94), "denn man kann eine offene Gesellschaft nicht mit einem geschlossenen Geist verteidigen" (S. 94).Zum Abschluss des Vortrages zieht Bauer noch ein Resümee. Er definiert Heimat als "ein 'Horizont intersubjektiver Erzählungen' im Kontext einer 'offenen Gesellschaft', in der heterogene Elemente 'ineinander greifen und sich vermischen'" (S. 95 f.). Da sich das Leben und die Lebensumstände ständig verändern, müssen alle lernen, in diesem Wandel Heimat zu finden (vgl. S. 96). Christen sollten damit keine Schwierigkeiten haben und sich für die Offenheit einsetzen, da sie ihrem Glauben nach selbst "Heimatlose" (S. 96) und Gäste auf Erden sind.Heimat wird von Rolf Zerfaß als "Ausdruck für das Paradies" (S. 96) beschrieben, das es momentan nur verloren gibt. Da Heimat also etwas "prinzipiell Entzogenes" (S. 97) ist, ist sie sowohl "Sehnsucht" als auch "Vorgeschmack" auf "die Vollendung der Schöpfung" (S. 97). "Pastoraler Auftrag von Kirche" ist es, daran zu erinnern, dass auch schon "hier und heute situativ erfahrbare Heimat im Offenen einer noch nicht vollendeten guten Zukunft" (S. 97) erfahrbar werden kann (vgl. S. 97).
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In diesem Beitrag stellt Rubina Di Stefano folgenden Text vor: Perintfalvi, Rita (2021): LGBTIQ-Menschen als Zielscheiben aggressiver rechtspopulistischer und religiös-fundamentalistischer Angriffe und deren Kritik; in: LIMINA - Grazer theologische Perspektiven 4.1 (17.4.2021): S. 158-176, online unter: https://limina-graz.eu/index.php/limina/article/view/109. Der Text von Rita Perintfalvi thematisiert das Feindbild, das die LGBTIQ-Menschen sowohl für fundamentale Christen als auch für Rechtspopulisten darstellen. LGBTIQ-Menschen, wie beispielsweise homosexuelle oder transsexuelle Menschen, haben es in Ungarn nicht einfach. In Ungarn gibt es einen rechtspopulistischen Gesellschaftsentwurf und somit eine konkrete Vorstellung des Geschlechts und geschlechtlicher Identitäten sowie auch sexueller Orientierungen, die sich nicht mit den Vorstellungen der LGBTIQ-Community vereinbaren lässt. Sie schreibt darüber, wie der politische Autoritarismus die Religiosität als Manipulationsstrategie in der Politik instrumentalisiert. Denn religiöse Fundamentalisten beeinflussen die Politik und sowohl sie als auch politische Fundamentalist*innen bedrohen LGBTIQ-Menschen.Im Grunde bedeutet dies, dass Ungarns rechtspopulistische Ideologie eine illiberale christliche Demokratie zum Ziel hat, eine Gesellschaft, in der die Identitäten homogen, heterosexuell, weiß und christlich sind (vgl. S. 160). Deren Auffassung des Gesellschaftsentwurfs wird also von Rechtspopulisten aus religiöser Sicht begründet und verletzt die Menschenwürde der betroffenen Personen. Wie Perintfalvi in ihrem Text sagt, spricht "der ungarische Politikwissenschaftler András Bozóki im Fall von Ungarn über eine politische Fusion zwischen Nationalismus und Christentum" (S. 160). Nur auf diese Weise erzielen die Rechtspopulisten ihre christlich-nationale Identität.In Anbetracht der Situation wird deutlich, dass Menschen der LGBTIQ-Community also nicht als Teil der Gesellschaft gesehen werden. Auch Migrant*innen oder Obdachlose sind nicht willkommen, ein Teil der Gesellschaft darzustellen. Perintfalvi zeigt auf, dass auf diese Weise eine Spaltung des Volkes in die Gemeinschaft "Wir" und in "die Anderen" (welche nicht dazugehören) entsteht (vgl. S. 160). "Die Anderen" stellen ein Feindbild dar, welches bekämpft werden muss, um die ängstliche Gemeinschaft, die "Wir"-Gesellschaft, zu schützen und sie stabil zu halten. Denn was den Vorstellungen der Rechtspopulist*innen nicht entspricht, gilt als Bedrohung, und eine Bedrohung muss nun mal durch ein manipulatives Machtspiel bekämpft werden. Statt sich mit den wirklich wichtigen Themen der Politik auseinanderzusetzen, wird ein Feindbild gesucht, dessen Bekämpfung keine große Mühe erfordert. Seit 2020 gelten LGBTIQ-Menschen als gutes Feindbild in Ungarn, da sie eine Minderheit darstellen. Für Rechtspopulist*innen stellen sie in der Politik ein perfektes Opfer zum Attackieren dar.Schon 2010 gab es von den neuen rechtskonservativen Koalitionen in Ungarn eine Anti-Gender-Debatte. Es kam zu der Aufhebung der Geschlechtergleichstellung und ein Jahr später folgte eine Schutzpflicht für die Ehe, unter der nur die Ehen eines heterosexuellen Paares akzeptiert werden. Jedoch fokussierte sich die Regierung die darauffolgenden Jahre recht schnell auf ein neues Feindbild, das der Flüchtlinge, welches der Gesellschaft mehr "Angst" machte. Ab 2017 begann die Regierung wieder mit der Anti-Gender Attacke (vgl. S. 161-162) und 2020 hatten sie das neue Feindbild der LGBTIQ-Menschen und Communitys.2020 wurde in Ungarn das Pandemie-Notstandsgesetz verabschiedet, mit diesem kann der Präsident Orban ohne das Parlament regieren. Die rechtspopulistische Regierung setzte in dieser Zeit (des Ausnahmezustands) auch Beschlüsse durch, die nichts mit dem Corona-Virus zu tun hatten. Um das Feindbild der LGBTIQ-Menschen zu "bekämpfen", sorgen zwei Änderungen der Verfassung dafür, dass ihre Rechte und Freiheiten eingeschränkt werden. Argumente, die diese Änderungen bestärken sollen, sind dabei rein religiös-fundamentalistisch. Beispielsweise wurden spätere Änderungen des Geschlechts als illegal erklärt (vgl. S. 165). Außerdem stimmte das Parlament einem Änderungsvorschlag zu, der "die Bewahrung und den Schutz der Selbstidentität des Kindes, die von Geburt an unveränderbar besteht, garantiert" (S. 165). Dies richtet sich deutlich gegen die Rechte transsexueller Menschen.In all diesen politischen wie auch religiös fundamentalistischen Debatten geht es nur darum, das veraltete und klischeehafte "Gesellschafts-, Familien-, Frauen- und Männerbild" (S. 162) beizubehalten. Es scheint, als würde die Veränderung in eine "moderne/neue" Gesellschaft Angst machen, weswegen sie eine radikale Gegenposition gegen sexuelle Minderheiten und die Emanzipation der Frau einnehmen (vgl. S. 162).Sie glauben beispielsweise daran, dass Homosexualität etwas Sündhaftes beziehungsweise eine Art Krankheit ist, und dass es unbestreitbar ist, dass es nur das von Gott gemachte und gewollte binäre Geschlecht gibt. Selbst wenn die Wissenschaft das Gegenteil beweist, scheint dies nicht relevant zu sein. Nicht nur fundamentalistisch-religiöse Gruppen, sondern auch die rechtspopulistische Politik leugnen jegliche wissenschaftliche Positionen sowie beispielsweise auch die Existenz intersexueller Menschen und die Tatsache, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt (vgl. S. 167). Es scheint, als wäre die Wissenschaft ebenfalls der Feind.Es zeigt sich in Perintfalvis Text sehr deutlich, dass in Ungarn wirklich eine Art Fusion von Nationalismus und Religion herrscht, in der sich Fundamentalisten und Rechtspopulisten gegenseitig stützen und die Menschenwürde bestimmter Personen verletzen.
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Haltung und Handeln: Wie sich die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften konkret für die Beförderung und Befestigung einer offenen, demokratischen Gesellschaft einsetzt. Eine Replik von Christoph Markschies.
Christoph Markschies ist Professor für Antikes Christentum an der Humboldt-Universität zu Berlin und Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Foto: BBAW, Pablo Castagnola.
UNTER DER ÜBERSCHRIFT "Bekenntnisse sind gut, Taten sind besser", hat Kristin Eichhorn, Literaturwissenschaftlerin an der Universität Stuttgart und eine der Initiatorinnen von "#IchbinHanna", am vergangenen Donnerstag in diesem Blog die Wissenschaft dazu aufgefordert, sich für die Demokratie und die offene Gesellschaft nicht nur mit Erklärungen einzusetzen, sondern sich ihrer Gefährdung und Aushöhlung auch aktiv entgegenzustellen. Sie schreibt: "Um effektiv für den Erhalt unserer Demokratie einzustehen, muss man sich der schleichenden Normalisierung von sie unterwandernden Tendenzen im Alltagshandeln aktiv und ständig entgegenstellen. Das ist unbequem und etwas völlig anderes als der übliche wissenschaftliche Diskurs. Es braucht also ein verändertes Auftreten, um nicht von den Ereignissen überrannt zu werden."
Wer wollte da widersprechen? Längst wird nicht mehr nur gegen eine offene Gesellschaft gehetzt, vielmehr werden konkrete Schritte gegen sie vorbereitet, und man muss befürchten, dass solche Positionen in unserem Land parlamentarische Mehrheiten gewinnen können. Es braucht also ohne Zweifel ein verändertes Auftreten. So wichtig die verschiedenen Erklärungen der Wissenschaftsorganisationen sind (unter dem Hashtag "#LauteWissenschaft" gesammelt), um sich immer wieder der eigenen Haltung zu versichern und sie öffentlich zu machen – auf die Taten kommt es in der gegenwärtigen Situation an, und an ihren Taten kann man die Haltung von Institutionen am besten erkennen.
Genau in diesem Sinne versucht die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften zu handeln: Gerade hat sie gemeinsam mit zahlreichen Menschen aus Politik und Wissenschaft, die zudem aus vielen europäischen Ländern stammen, ein Manifest "Reclaiming Europe" veröffentlicht, in dem nicht nur dazu aufgerufen wird, gemeinsam Europa aus den Händen derer zurückzuholen, die es in eine lose Gemeinschaft antiliberaler oder gar autoritärer Nationalstaaten verwandeln wollen. Vielmehr wird die Gründung eines transnationalen Netzwerks jüngerer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bekannt gemacht, in dem gemeinsam agiert und ein verbreiteter Westzentrismus der Wissenschaft überwunden werden soll. Außerdem werden gemeinsame Forschungsprojekte angestoßen und finanziert. So sollen die demokratischen Kräfte durch konkrete wissenschaftliche Arbeit gestärkt werden.
Die Idee des Netzwerks entstand, weil die Trägerinstitutionen deutliche Konsequenzen aus ihrem Erschrecken über den Angriff Russlands auf die Ukraine, dem allgemeinen Entsetzen über autoritäre Tendenzen in Europa und dem oftmals mangelnden Wissen über unsere Nachbarn ziehen wollten. Das Netzwerk wird "Junges Netzwerk TransEuropa" heißen, weil es bei der Ukraine, den baltischen Staaten, Polen oder Ungarn nicht um "den Osten" geht. Diese Länder liegen, wie es im Manifest heißt, "im Norden, Süden und in der Mitte Europas und gehören allesamt zum Kern der europäischen Landschaft. Ihre komplexe Geschichte ist voller Verflechtungen".
Wissenschaft auf die Marktplätze und in die Fußgängerzonen
Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften wirbt aber mit ihren Partnern nicht nur für den weiteren Aufbau des Jungen Netzwerks TransEuropa um möglichst viel Unterstützung, sondern organisiert gemeinsam mit anderen Wissenschaftsorganisationen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Hochschulrektorenkonferenz ein Programm, Wissenschaft auf die Marktplätze und in die Fußgängerzonen zu bringen, zunächst in den drei Bundesländern, in denen im Spätsommer Landtagswahlen anstehen. Mit dem "Salon Sophie Charlotte", einer jährlichen Großveranstaltung im Akademiegebäude, die mit ihren vielfältigen Formaten in diesem Januar erneut viele hundert Gäste angezogen hat, wurden wieder zentrale Fragen aufgegriffen, die nicht zuletzt auch Menschen bewegen, die dem gegenwärtigen demokratischen System bzw. der Wissenschaft skeptisch gegenüber stehen: der Klimawandel, die Transformationen der Gesellschaft, das Schicksal der Arbeitsgesellschaft. Ich halte das alles für konkrete Taten zur Beförderung und Befestigung einer offenen, demokratischen Gesellschaft.
Zu den genannten Aktivitäten gehört auch das Nachdenken über unterschiedliche Versuche der Diskurskontrolle im deutschen Wissenschaftssystem, über das an der Akademie geforscht wird. Solche Forschung ist sicher kein Teil der "Diskurse der Undemokraten", die das Narrativ einer Cancel Culture nutzen, um den Raum des Sagbaren gegen die offene Gesellschaft schleichend oder offen zu erweitern. Es ist allerdings auch kein vorauseilender Gehorsam gegenüber problematischen Argumenten oder Strategien, wenn man den Debattenraum auch für Positionen innerhalb des demokratischen Spektrums offenhält, die man selbst so nicht oder nur partiell teilt, die aber diskutiert werden müssen. Und es ist schließlich auch kein kommunikativer Missgriff ins falsche Register, wenn man Menschen, die man als Teil der Wissenschafts-Community prinzipiell für diskussionsfähig hält, auf wissenschaftliche Publikationen hinweist. Es geht im Blick auf die Diskussion um die sogenannte Cancel Culture weniger um bekenntnishafte Abgrenzungen, als um wissenschaftliche Argumentation. Dazu hat eine Arbeitsgruppe der Akademie publiziert, und es wäre eher verwunderlich, wenn die Akademie nicht auf diesen eigenen Beitrag zur Debatte verweist, und dies in vorlaufender Sorge, dass ihre Kommunikation möglicherweise nicht jeden und jede erreicht.
Mir widerstrebt, diese Aufzählung von Aktivitäten unserer Akademie fortzusetzen, weil man sich für die Verteidigung der Demokratie natürlich nie genug einsetzen kann und trotz aller sorgfältigen Vorbereitung eigenen Handelns nicht ausgeschlossen ist, dass man die falsche Strategie gewählt hat und das, was man will, nicht richtig kommuniziert. Ich habe beispielsweise sehr viel für die Vorbereitung der Einsätze auf den Marktplätzen und in den Fußgängerzonen von Menschen gelernt, die ähnliche Initiativen teilweise seit Jahren unternehmen. Sie bewahren einen vor der Vorstellung, dass es allein mit dem Aussprechen einer wissenschaftlichen Wahrheit oder dem Bekenntnis zu bestimmten Grundprinzipien getan ist. Kommunikation ist der Ernstfall. Und diese Kommunikation sollte man nicht zu früh abbrechen, solange – wie die Fachleute sagen – noch über zwanzig Prozent unentschlossen sind, ob sie antidemokratisch wählen sollen oder nicht.
Am Ende liegt mir noch einmal daran, eine zentrale Übereinstimmung mit Kristin Eichhorn festzuhalten: Gerade, weil wir nicht vorsorglich in Deckung gehen wollen, ist es notwendig, sicherzustellen, dass die eigenen Taten von größtmöglicher Effektivität im Blick auf Strategie und Kommunikation geprägt sind, und nicht nur von Haltung und Bekenntnis. Letzteres sollte selbstverständlich sein, an erstem müssen wir alle noch arbeiten. Möglichst gemeinsam.
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In eigener Sache: Blog-Finanzierung
Welche guten Nachrichten ich in Sachen Blogfinanzierung habe, warum ich weiter dringend Ihre Unterstützung brauche – und welche Artikel im Dezember am meisten gelesen wurden.
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Abb. 1: Simon Kozhin, by wikimediaAls Mittsommerfest werden die Feierlichkeiten zur Sommersonnenwende bezeichnet. In Deutschland kennt man sie als Johannistag bzw. Johannisnacht. An diesem Tag, also am 24. Juni, wird die Geburt des heiligen Johannes des Täufers (auf Polnisch św. Jan Chrzciciel) gefeiert. In der Johannisnacht finden wiederum Feierlichkeiten zur Sommersonnenwende statt. Ursprünglich wollte die katholische Kirche an diesem Tag das heidnische Brauchtum der Sommersonnenwende mit dem Christentum zusammenzuführen.Die eigentliche Sonnensommerwende fällt auf der Nordhalbkugel immer auf den 21. Juni. Nur in einem Schaltjahr fällt das Datum auf den 20. Juni. Es ist der längste Tag bzw. die kürzeste Nacht des Jahres umgekehrt zur Wintersommerwende am 20. Dezember.Zu Beginn der Christenheit fiel nach dem julianischen Kalender die Sonnensommerwende auf den 24. Juni. An diesem Datum wurde (und wird) das Hochfest Johannes' des Täufers gefeiert, mit dem sich Teile des vorchristlichen Sonnenwendbrauchtums verbanden. Dass beide Ereignisse nicht mehr am selben Datum stattfinden, ist dadurch bedingt, dass der julianische Kalender zu einem immer stärkeren Auseinanderdriften von Sonnen- und Kalenderjahr führt; mit der Einführung des gregorianischen Kalenders im 16. Jahrhundert, den wir heute nutzen, wird durch eine genauere Schaltjahresregelung eine weitere Abweichung ausgeglichen.Die Sommersonnenwendfeier ist ein Fest des Feuers, des Wassers, der Sonne und des Mondes, der Ernte, Fruchtbarkeit, Freude und Liebe und zählt zu den ältesten und meistverbreiteten Bräuchen, die man nicht nur in ganz Europa, sondern auch auf der Südhalbkugel (dort allerdings als Wintersonnenwende) feiert. In Skandinavien und im Baltikum ist sie einer der wichtigsten Feiertage des Jahres. In Lettland gilt sie sogar als gesetzlicher Feiertag.Die meisten Bräuche sind mit den Elementen Wasser und Feuer verbunden, nehmen Bezug auf erhoffte magische Kräfte von Pflanzen und sollen den Menschen zur Selbstreinigung dienen. Zur NamensgebungDie Sommersonnenwende wird in allen Ländern und Kulturen etwas anders genannt. In Deutschland nennt man sie Johannistag / -nacht oder Mittsommerfest. In östlichen Ländern findet man mehrere Namen. In Litauen heißt das Mittsommerfest "Joninės". Verwendet werden aber auch noch andere Namen wie Rasos oder Kupolės. In Estland heißt es Jaanipäev, in Tschechien sagt man Letní slunovrat. In Polen ist das Fest als Noc Świętojańska oder Wigilia św. Jana bekannt – Sankt-Johannis-Nacht. In Ostpolen findet man noch einen anderen Namen – Noc Kupały, Noc Iwana Kupały, auch Noc kupalna, Kupała oder Kupalnocka genannt, was man am besten als Iwan-Kupała-Nacht ins Deutsche überträgt. Der Name des Festes leitet sich von dem russischen Namen für Johannes und dem Wort für Baden/Taufen ab (Iwan Kupala = Johannes der Täufer). In Masuren heißt das Fest Palinocka oder Kupalnocka, im südlichen Polen, in der Region Oberschlesien sowie in der Slowakei "Sobótka" (Feuer, hier Johannisfeuer), "Sobótki" oder "Noc Sobótkowa" und in Krakau "Wianki" – "Kränzchen".BrauchtumJohannisfeuer, Tanz um das JohannisfeuerDas Johannis- oder Würzfeuer findet man in verschiedenen Varianten in Deutschland, Polen und fast über ganz Europa verbreitet, es wird zumeist in der Nacht vor dem Johannistag entzündet. Die Symbolik des Feuers steht für die Sonne und damit auch für Christus. Das Johannisfeuer sollte Dämonen abwehren und so vor Krankheiten oder Viehschaden bewahren. Mancherorts werden auch Strohpuppen verbrannt. Der Rauch des brennenden Johannisfeuers hat dabei die Aufgabe, für gutes Wetter während der nächsten Erntezeit zu sorgen.Bei Anbruch der Nacht fangen Jungs und Mädchen an, um das Johannisfeuer zu tanzen und drüber zu springen. Der Brauch besagt, je mehr Personen gleichzeitig darüber springen, desto größer soll die Wirkung sein. An dem Spiel nehmen meistens alle Dorfbewohner teil, doch die Johannisnacht war in den meisten Fällen besonders für die jüngere Generation, die ihre andere Hälfte noch nicht gefunden hat, wichtig. Abb. 2: Henryk Siemiradzki – Johannistag – Noc Świętojańska, 1892, by wikimedia Einer der bedeutendsten polnischen Dichter der Renaissance-Zeit, Jan Kochanowski (1530-1584), hat der Johannisnacht eins seiner berühmtesten Gedichte gewidmet:"St. Johannislied zum Sonnwendefeuer"Sonne im Kreis des Krebses steht,Der Nachtigall Lied ist verweht,Johannisfeuer leuchten baldIn Czarnolas, im schwarzen Wald. Heimische stellten dort sich ein,Gäste saßen im Feuerschein,Sackpfeifer spielten die Lieder;Die Obstgärten hallten wider. Im Grase lagerte die Schar,Aufstanden Mädchen, Paar um Paar,Gleich trugen Kleider sie und Haar,Ein Beifußband ihr Gürtel war. Allesamt lieblich anzusehn,Bereit, im Tanze sich zu drehn,Gesangeskundig; und sodannDie erste Maid ihr Lied begann: 1.Jungfrau Längst, Schwestern, flammten die Funken,Schon ist die Sonne gesunken;Laßt uns nun länger nicht schweigen,Reicht euch die Hände zum Reigen. Nacht, wehr dem Wind und dem Regen,Stell dich den Wolken entgegen,Wenn wir im nächtlichen Garten,Heut bis zum Morgenrot warten. So ists seit alters verkündet,Daß man die Lohe entzündet,In des heiligen Johannes NachtDie Sonnenwendfeuer entfacht. Hört meinen Rat, laßt euch bitten,Wahrt, Kinder, der Väter Sitten,Wo Feste als Feste galten ;So ward es damals gehalten.(…)Laßt uns die Feier begehenUnd um die Feuer uns drehen,Bis uns das Morgenrot sieht:Spielt Musik und singt und ein Lied… (…) (Die ungekürzte Fassung auf Polnisch finden Sie hier)Das über 60 Zeilen lange Gedicht beschreibt die volle Schönheit der Johannisnacht mit all dem Glanz des Feuers und dem Tanz der weiß gekleideten und mit Beifuß gegürteten Jungfrauen. Mit der Sommersonnenwende ist in Polen und in anderen slawischen Ländern noch ein anderes sehr schönes Ritual verbunden, und zwar die sogenannten "Blumenkränze" (Polnisch: Wianki). Slawische "Wianki"Laut der alten heidnischen Tradition eignet sich die Johannisnacht für jüngere Menschen besonders gut, um die ideale Partnerin oder den idealen Partner fürs Leben zu finden. In früheren Zeiten haben die Eltern oder extra zu diesem Zweck engagierte Heiratsvermittler nach einer passenden Hälfte für den jeweiligen Jungen oder Mädchen gesucht. Abb.3: Andrey Shishkin – Na Kupalu, by wikimediaIn dieser Nacht bot sich denjenigen, die bisher noch niemandem versprochen waren, die Möglichkeit, von dem für sie bestimmten Weg abzuweichen und ihr eigenes Glück zu suchen. Teil des vorchristlichen Brauchs war es, dass die Mädchen sogenannte "Wianki", Kränzchen, flochten. Dafür verwendeten sie alle möglichen Materialien. Meistens waren es Blumen, Schleifen und magische Kräuter, die ihnen zuvor von älteren weisen Frauen angeraten worden waren. Sobald das Kränzchen fertig war, befestigte man darin eine Kerze oder eine Fackel, um es dann von der Strömung des Wassers forttreiben zu lassen. Dabei war es wichtig, dass die Kerze nicht ausging, denn dann würde es für ein Mädchen die Jungfernschaft bedeuten. Ähnlich wäre es gewesen, wenn der Kranz auf dem Weg im Buschwerk am Flussufer stecken bleiben würde und damit keinen auf ihn wartenden Jungen erreichte. Die Jungen platzierten sich dann in einer gewissen Entfernung entlang des Flusses, um die Kränze abzufangen. Diejenigen, denen es gelang, machten sich anschließend auf den Weg zum Dorf, um nach der Besitzerin des jeweiligen Kränzchens zu suchen. Natürlich war es oft kein Zufall, dass der jeweilige Kranz ausgerechnet diesem einen Jungen in die Hände fiel. Die heimlich verliebten Pärchen hatten sich vor dem Spiel abgesprochen und konnten es kaum erwarten, nach dem glücklich gewonnenen Finale offiziell ihre Liebe vor der Dorfgemeinschaft, ohne Angst vor der Reglementierung der Ältesten, zeigen zu können.Die zusätzliche Belohnung für das vom Schicksal beglückte Paar war dann ein gemeinsamer Spaziergang im Wald, womit eine sehr schöne altslawische Legende über die "Farnblüte" (Polnisch: Kwiat Paproci) verbunden ist.Farnblüte – Kwiat PaprociGemäß der volkstümlichen Überlieferung wird bestimmten Pflanzen in der Mittsommernacht zauberkräftige Wirkung zugeschrieben. Vom Farn nahm man an, dass sich seine stark leuchtende Blüte nur zu Mitternacht am längsten Tag des Jahres für einen kurzen Augenblick öffnete.Die verliebten Paare, die an Johannisnacht, bzw. Wianki, zueinander gefunden hatten, durften dann gemeinsam in den Wald gehen in der Hoffnung die magische Farnblüte zu finden.Abb. 4: Farn im Wald, by K. Walczyk-RosarDie Suche nach der Farnblüte war der beste Vorwand und die Gelegenheit für alle verliebten Paare sich während der magischen Nacht zur Sommersonnenwende zu treffen und frei ihre Liebe zu genießen, ohne die Konsequenzen der Gemeinschaft befürchten zu müssen. Kinder die neun Monate nach dieser Nacht geboren wurden, wurde nachgesagt "sie stammten vom Johannes". Die mit der Sommersonnenwende verbundenen heidnischen Praktiken waren lange stark präsent. Noch im 20. Jahrhundert haben in der Region Oppeln echte heidnische Festlichkeiten stattgefunden.Bis heute haben viele dieser alten Bräuche und Zeremonien überlebt, sie werden allerdings nur noch als Spiel betrachtet und von manchen als ein Vorläufer des aktuellen Valentinstages gesehen. In größeren polnischen Städten, z. B. in Warschau und in Krakau, werden um die Sommersonnenwende heutzutage große Festlichkeiten organisiert, die sogenannten "Wianki". Es finden Kunst- und Musikfestivals an der Weichsel oder an der Oder statt und man kann zu dieser Zeit eine bunte Vielfalt an Kränzen auf dem Wasser sehen. Manche sind eher klein und gewöhnlich und werden von jungen Frauen aufs Wasser gesetzt, manche sind aber ganz groß und auf den ersten Blick sieht man, dass sie von reichen Firmen gesponsert worden sind.Die Tradition der Johannisnacht wird heutzutage in verschiedenen, manchmal ganz neuen Formen immer wiederbelebt. Es werden nächtliche Kreuzfahrten mit Feuerwerk organisiert, Konzerte und Veranstaltungen an denen Inszenierungen von alten Bräuchen gezeigt werden. Mancherorts werden folkloristische Events von Kulturhäusern, Ethnografischen Museen, oder regionalen Vereinigungen meistens in der Nähe des Wassers organisiert. Krakau, 22.6.2022, Fotos by K. Walczyk-RosarQuellen: Jan Kochanowski : Ausgewählte Dichtungen/ Hrsg. Von Willi Hoepp. Aus dem Poln. von H. Bereska u.a. Leipzig: Reclam, 1980. S. 133-135.Barbara Ogrodowska : Polskie obrzędy i zwyczaje doroczne. Warszawa: Muza SA, 2006. S. 204-210. Zum Weiterlesen:Die Farnblüte. Märchen aus Polen / Hrsg. von Stefania Wortman. Aus d. Poln. übertragen von Henryk Bereska. Berlin: Kinderbuchverlag, 1973https://pl.wikipedia.org/wiki/Noc_Kupa%C5%82yhttps://de.wikipedia.org/wiki/Mittsommerfesthttps://de.wikipedia.org/wiki/Iwan-Kupala-Taghttps://de.wikipedia.org/wiki/Notfeuerhttps://de.wikipedia.org/wiki/Johannistaghttps://www.nachrichten.at/kultur/Hanslverbrennen-wenn-sich-die-Sonne-wendet;art16,910263https://bonclok.pl/slaskie-tradycje/obrzedy-zwyczaje-i-wierzenia/323-noc-swietojanska-czyli-polskie-walentynki.htmlhttps://biblioteka.teatrnn.pl/dlibra/publication/49396/edition/46414/contenthttps://teatrnn.pl/leksykon/artykuly/obrzedy-okres-letni/#sobotka-dzien-sw-jana-noc-swietojanska-kupalnocka-23-24-czerwcahttps://teatrnn.pl/leksykon/artykuly/etnografia-lubelszczyzny-cykl-roczny-w-zyciu-wsi-czerwiec/
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Immer, wenn der PiS-Parteivorsitzende und seit Herbst auch stellvertretende Ministerpräsident Jarosław Kaczyński ein Interview gibt – und das kommt nicht so oft vor –, hört die politisch interessierte Öffentlichkeit in Polen sehr genau hin. Denn daraus, welche Themen er aufwirft, welche Namen er nennt, lässt sich in der Regel viel über die Entwicklung der polnischen Politik in den nächsten Wochen und Monaten schließen.Im Internet-Fernsehsender wpolsce.pl, der zum Medienhaus der Brüder Karnowski gehört, einem wichtigen Sprachrohr und Unterstützer regierungsnaher Kreise, hat sich Kaczyński nun von Michał Karnowski interviewen lassen. Das Gespräch, bei dem der Journalist nur als Stichwortgeber fungiert, wurde am 28. Januar ausgestrahlt und sofort von allen wichtigen Medien in Polen aufgegriffen. Im Folgenden werden wichtige Aussagen vorgestellt und kommentiert. Die langen Zitate aus dem originalen Wortlaut sollen auch eine Möglichkeit bieten, die Denkweise Kaczyński nachzuvollziehen.Anlass für das Interview war der Preis "Mensch der Freiheit" der Karnowski-Zeitschrift Sieci, der für das Jahr 2020 Daniel Obajtek verliehen wird, dem Vorstandsvorsitzenden des staatlichen Energiekonzerns Orlen. Die Preisträger der vergangenen Jahre spiegelten die jeweiligen Hoffnungsträger des Regierungslagers wider – für 2019 erhielt der heutige Ministerpräsident Mateusz Morawiecki den Preis, für 2018 Kulturminister Piotr Gliński, im Jahr davor war es die Verfassungsgerichtspräsidentin Julia Przyłębska, 2016 Jarosław Kaczyński selbst und 2015 der frisch gewählte Staatspräsident Andrzej Duda. Die gefährdete FreiheitDie erste Frage gilt – dem Preis geschuldet – der Freiheit in Polen. "Es gibt sehr viele Beispiele für eine Einschränkung der Freiheit", beginnt Kaczyński und verweist auf die USA und die Tatsache, dass "dem amtierenden Präsidenten die Stimme entzogen worden ist". Trumps Verlust seines Twitter-Kontos stellt Kaczyński dann in den Kontext "verschiedener Vorgehensweisen, die darauf abzielen, dass Menschen mit konservativen Ansichten (…) sich nicht sicher äußern können, dass sie negative Konsequenzen (…) ihrer Äußerungen, ihrer Ansichten erfahren." Und dann erläutert er, vor welchen Herausforderungen auch Polen stehe:"Die Begriffe, derer sich hier die Gegner, die Feinde der Freiheit – denn so muss man das bezeichnen – bedienen, sind meist irreführend. Das ist eine gezielt eingesetzte Soziotechnik. Hier steht 'Hassrede' an der Spitze dieser Begriffe und 'Toleranz' an zweiter Stelle. Wobei das Wort 'Toleranz' auf eine Weise verwendet wird, die die ursprüngliche und eigentliche Bedeutung dieses Ausdrucks völlig verdreht. Das hat vielerorts nicht mehr nur den Charakter von Praktiken, besonders Praktiken der Massenmedien, sondern das wird auch in Rechtsnormen mit repressivem Charakter gefasst, und diese Repressionen werden schon angewendet."Kaczyński greift hier eine weithin gebräuchliche Denkfigur rechtspopulistischer Kreise auf, dass nämlich die mediale Vorherrschaft "linksliberaler" Meinungsführer den Raum des Sagbaren unzulässig einschränke. Das ist also kein origineller Gedanke, aber er gewinnt im Kontext der folgenden Passagen des Interviews eine deutlich auf die politische Situation in Polen gemünzte Aussage. Kaczyński erinnert daran, dass er schon vor langem Polen als "eine Art Oase der Freiheit" in Europa bezeichnet habe, was heute umso wahrer sei. "Es gibt Kräfte, die völlig offen danach streben, dass es keine solche Oase mehr ist, dass auch in Polen diese Beschränkungen gelten, und zwar immer offensiver. (…) Das wird direkt durch die Linken erklärt. Wobei heute die 'Linke' ein Begriff ist, der nicht nur die umfasst, die sich selbst so bezeichnen, sondern auch diejenigen, die sich nicht so bezeichnen, die aber in Wahrheit schon so stark auf diese linke Seite übergelaufen sind, dass man nicht mehr von 'Linken' sprechen kann, sondern von (…) extremen Linken. Ich meine die Bürgerplattform." Auch hier bedient Kaczyński eine verbreitete Sichtweise nationalkonservativer Kreise in Polen, die das Land als Bollwerk der wahren europäischen Werte bezeichnet, während ein großer Teil des Kontinents sich von Christentum oder nationalen Identitäten abkehre. Gleichzeitig argumentiert er wie schon häufig in der Vergangenheit: Wer seine (rechte) Meinung nicht teilt, steht im Lager der Bösen (Linken), zu denen er hier auch die größte Oppositionspartei zählt. Dabei lässt sich die Bürgerplattform gewiss nicht als linksradikal bezeichnen – sie versteht sich als gemäßigt liberal und besitzt einen konservativen wie auch einen progressiven Flügel. Einschränkung von Autonomie"Ich möchte daran erinnern, dass die Bürgerplattform, entgegen dem, was sie über die Unterdrückung erzählt, die sie erleide, in Polen einen sehr erheblichen Teil der Macht hat. Ich spreche nicht von ihrem Einfluss auf die Judikative, ich spreche ganz klar von der [kommunalen und regionalen] Selbstverwaltung, aber auch von den selbstverwalteten Berufsständen, insbesondere von der Selbstverwaltung der Hochschulen. Hier gibt es schon sehr viele Schritte, die sich gegen die Freiheit richten."Der Parteivorsitzende benennt hier wesentliche Handlungsfelder, auf denen er in der nächsten Zukunft Handlungsbedarf zu sehen scheint. Während die Koalitionsregierung der PiS die öffentlich-rechtlichen Medien auf Parteilinie gebracht hat und schon seit einigen Jahren bestrebt ist, die Autonomie der gerichtlichen Institutionen zu beschneiden und die Gerichte durch von oben gesteuerte Personalpolitik, die Politisierung des Landesrichterrates, Verfahren gegen einzelne Richter oder öffentliche Verleumdung zu beschneiden, rücken die Verwaltungen der Regionen und Kommunen stärker in den Mittelpunkt: Gerade die Verwaltungen der liberalen, zumeist von der Bürgerplattform dominierten Großstädte haben sich zu den wichtigsten Zentren politischen Widerstands gegen die rechte Zentralregierung entwickelt. Diese Macht hat die PiS bislang nicht brechen können, ebenso wenig wie es ihr gelungen ist, die Universitäten mundtot zu machen. Im Gegenteil, die autonomen Organe zahlreicher Hochschulen (Senate, Fakultätsräte, Hochschulleitungen) haben sich sowohl dezidiert kritisch zu den Justizreformen der Regierung als auch zur Verschärfung der Abtreibungsgesetzgebung geäußert, was gerade in den letzten Monaten den katholisch-fundamentalistischen Gruppierungen verbundenen Bildungsminister zu der Drohung veranlasste, aufmüpfige Hochschulen finanziell zu bestrafen. Auch hier spiegelt sich der nicht nur in Polen, sondern etwa auch in den USA immer wieder erhobene Vorwurf wider, konservative bzw. rechte Meinungen würden vom (links-) liberalen Mainstream ausgegrenzt und marginalisiert. Kaczyński bekräftigt in seinem Interview dann noch einmal: "Es muss so sein, dass jeder, der seine Hand gegen die Freiheit erhebt, zum Beispiel an den Hochschulen, weiß, dass er die Konsequenzen dafür tragen muss". Die Meinungsfreiheit, so Kaczyński weiter, müsse ganz besonders verteidigt werden. Wenn man berücksichtigt, dass Polen auf der Rangliste der Pressefreiheit in den vergangenen Jahren von Platz 18 (2015) auf Platz 62 (2020) gefallen ist, wird offensichtlich, dass der Freiheitsbegriff vom polnischen Regierungslager völlig anders interpretiert wird als von der Organisation "Reporter ohne Grenzen", die diese Rangliste erstellt – Freiheit scheint als die Möglichkeit verstanden zu werden, marginale, kontrafaktische oder ideologisch motivierte Äußerungen ungefiltert und ungebremst veröffentlichen zu können. Der Kampf um die Medien Angesichts dessen gewinnen auch die jüngsten Schritte der Regierung, um größeren Einfluss auf den einheimischen Medienmarkt zu gewinnen, neue Bedeutung. Im Dezember hatte der im Staatsbesitz befindliche, politisch kontrollierte Mineralölkonzern Orlen erklärt, der Passauer Mediengruppe ein großes Netz polnischer Regionalzeitungen und regionaler Internetseiten abzukaufen. Verantwortlich hierfür war niemand anderes als der nun zum "Menschen der Freiheit" gekürte Firmenchef Daniel Obajtek. Kaczyński hierzu:"Ich finde, dass das eine der besten Nachrichten ist, die ich in den letzten Jahren gehört habe. Das ist der erste Schritt in die andere Richtung. Wir hatten in hohem Maße Medien zugunsten von nicht-polnischen, hauptsächlich deutschen Akteuren abgestoßen, mit einem riesigen Verlust für unsere Souveränität, nicht nur für uns als Staat, sondern als Volk". Die Medien in deutschem Besitz hätten in den vergangenen Jahrzehnten "eine gewaltige Rolle bei der Demoralisierung der Jugend gespielt, einer – könnte man sagen – überaus vulgären, primitiven Demoralisierung". Durch die Entscheidung von Obajtek sei nun eine Möglichkeit entstanden, "diese in nationalem Sinne fatale Situation" "gesunden" zu lassen.Ob die von einer überalterten Leserschaft und mit sinkenden Auflagenzahlen kämpfenden Regionalzeitungen tatsächlich die polnische Jugend demoralisiert haben, ist arg zu bezweifeln. Aber schon seit vielen Jahren hat Kaczyński gegen den ausländischen Einfluss auf dem polnischen Medienmarkt gewettert, und zahlreiche Politiker der Rechten haben es ihm nachgemacht. Zuletzt hatte Andrzej Duda im Präsidentschaftswahlkampf die These aufgestellt, deutsche Zeitungen würden die politischen Entscheidungen in Polen beeinflussen wollen.Polen, so Kaczyński weiter, brauche eigene Medien, "nichtpolnische Medien sollten in unserem Land die Ausnahme sein". Der Weg dorthin sei nicht einfach, doch "es ist der einzige Weg zur Verteidigung unserer Freiheit, unserer Souveränität, da die Medien etwas sind, was man mit wichtigen Teilen des Gehirns und des menschlichen Nervensystems vergleichen kann. Wem dies genommen würde, wäre kein Mensch im vollen Wortsinn. Und auch ein Volk, dem dies genommen wird, ist tatsächlich in einer sehr schwierigen Situation."In seiner Argumentation verbindet Kaczyński dies mit der historischen Entwicklung Polens, die den Aufbau einheimischen Kapitals stark erschwert habe, und erklärt, dass Kapital durchaus eine Nationalität besitze. Wenn gesagt werde, dass Beziehungen zwischen Staaten und Nationen nicht mehr wichtig seien, "so sind das Märchen, und zwar Märchen, die ganz absichtlich von den Stärksten erzählt werden, die ganz einfach immer noch eine sehr starke Tendenz haben, die Schwächeren zu dominieren, sie zu beherrschen". Auch wenn er in diesem Abschnitt Deutschland nicht beim Namen nennt, so deckt sich diese Bemerkung doch völlig mit den häufigen Vorwürfen von der rechten Seite in Polen, Deutschland setze als führende Macht in der Europäischen Union alles daran, Polen erneut zu kolonisieren. Angesichts dieser Dämonisierung des Nachbarn sind Schritte wie die "Repolonisierung" der im deutschen Besitz befindlichen Zeitungen wichtige symbolische Handlungen, mit denen die PiS ihrer Wählerschaft gegenüber demonstrieren kann, wie konsequent und erfolgreich man agiert (nach dem Motto: "und wieder haben wir es den Deutschen gezeigt"). Über die "Repolonisierung" bzw. "Dekonzentrierung" weiterer unabhängiger Medien in Polen wird bereits seit Monaten spekuliert. Ein neuer Ministerpräsident?Sehr stark kommentiert wurde in den polnischen Medien Kaczyńskis Lob für Orlen-Chef Daniel Obajtek. Dieser langjährige Bürgermeister der kleinpolnischen Gemeinde Pcim nimmt seit Regierungsantritt der PiS 2015 wichtige Funktionen im Bereich der staatlich kontrollierten Wirtschaftsunternehmen ein. Kaczyński sagt über Obajtek, er habe "Organisationstalent", er sei im Personenreservoir der PiS "eine hervorstechende Persönlichkeit", er habe das Unternehmen Orlen so gut entwickelt, dass es trotz Widerstand gegen den Zusammenschluss mit der Konkurrenzfirma Lotos nun auch von der Europäischen Union ernst genommen werden müsse. "Wer dagegen war, das waren nicht nur Schwergewichte in europäischem Maßstab, sondern globale Schwergewichte". Und schließlich folgt noch ein großes Lob: "Er [Obajtek] ist eine Hoffnung. Eine Hoffnung nicht nur unseres politischen Lagers, nicht nur einer partikularen Gruppe, sondern Polens und aller Polen, die nur das Wohl unserer Nation möchten."Ein unverdrossener Kämpfer gegen die Interessen des Westens, des internationalen Kapitals, ein treuer Parteisoldat – diese Hinweise veranlassten zahlreiche politische Beobachter in Polen, eine baldige Auswechslung von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki gegen niemand anderen als Daniel Obajtek zu vermuten. Während Morawiecki im Kampf gegen die Pandemie Schwächen gezeigt hat und auch im PiS-Lager viele Gegner besitzt, die ihm zum Beispiel vorwerfen, nicht gart genug gegen die Brüsseler Bemühungen gekämpft zu haben, Polens Rechtstaatlichkeit kritisch überprüfen und gegebenenfalls sanktionieren zu lassen, ist Obajtek ein relativ junger, bislang politisch wenig profilierter, aber in der PiS ausgezeichnet vernetzter Manager. Er könnte Kaczyński auch eine große Sorge abnehmen, die ihn seit längerer Zeit umtreibt – wer nämlich nach ihm die Führung der PiS übernimmt. FazitEs dürfte wie oft beim Handeln Kaczyńskis sein: Einige der von ihm angesprochenen Themen werden das politische Geschehen der nächsten Zeit bestimmen, andere weniger. Vieles liegt daran, was von den ihm nahestehenden Akteuren aufgegriffen und zu konkreten Projekten umgeformt wird. Auch die Unwägbarkeiten der Corona-Krise werden eine Rolle spielen. So könnte Mateusz Morawiecki, den Kaczyński Ende 2017 aus dem Ärmel zog, um der Regierung neues Leben einzuflößen, solange noch als Aushängeschild der Regierung dienen, solange die Krise nicht ausgestanden ist, um erst dann einem neuen As aus dem Ärmel Platz zu machen. Die Krise könnte aber auch dazu dienen, unpopuläre oder problematische Vorhaben umzusetzen, etwa weitere Veränderungen auf dem Medienmarkt oder die Beschränkung bestimmter Bereiche der universitären oder berufsständischen Selbstverwaltung. Festzuhalten ist jedenfalls die nach wie vor starke ideologische Fundierung von Kaczyńskis politischen Plänen, die jedoch letztlich – und das ist auch nichts Neues – in erster Linie wie eine Absicherung seines unbedingten Machterhaltungswillens wirken. * Quelle: Das Interview wurde am 28.1.2021 auf wPolsce.pl ausgestrahlt und mehrfach wiederholt. Der vorliegende Text basiert auf einem ausführlichen Bericht der staatlichen Presseagentur PAP, hier in einer vom Internetportal Onet.pl übernommenen Fassung (https://www.onet.pl/informacje/onetwiadomosci/jaroslaw-kaczynski-o-nagrodzie-czlowieka-wolnosci-dla-daniela-obajtka/08ytf65,79cfc278). Die Zitate wurden mit dem Originalinterview verglichen.
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Im diesem Beitrag stellt Bella Grosman folgenden Text vor:Cornejo-Valle, Monica; Ramme, Jennifer (2022): "We Don't Want Rainbow Terror": Religious and Far-Right Sexual Politics in Poland and Spain. In: Paradoxical Right-Wing Sexual Politics in Europe: Palgrave Macmillan, Cham, S. 25–60. Online verfügbar unter https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-030-81341-3_2.Dieser Aufsatz untersucht, wie in der Ideologie der extremen und radikalen Rechte (im Folgenden als Rechtsaußen bezeichnet) "Regenbogenterrorismus" als Bedrohung erschaffen wird und warum sie in Polen existiert, aber nicht in Spanien. Framing paradoxer PanikDieser Abschnitt beschäftigt sich mit den Mechanismen, die durch eine Politik kognitiver Dissonanz moralische Panik auslösen. Es handelt sich um eine moralische Panik, wenn eine Gefahr wahrgenommen wird, die die Ordnung der Gesellschaft oder eines idealisierten Teils der Gesellschaft bedroht. Polen und Spanien bilden hier ein Beispiel der "Sex Panik" als eine moralische Panik. Bestandteil sind reproduktive und sexuelle Rechte sowie alle, die für sie einstehen.Diese Panik wird zu einer moralischen Panik im Kontext von Religion und Nationalismus. Die Darstellung als Gefahr benötigt einen Prozess, bei dem Realität sozial konstruiert wird, was mit Paradoxa einhergeht. Ein typisches Paradoxon der Rechtsaußen (Sexual-)Politik ist das Einnehmen der Opferrolle unter Anwendung der "DARVO"-Taktik. Diese besteht aus dem Leugnen der Beschuldigungen, Zurückangreifen und Umkehren des Opfers in den Täter. Die moralischen Paniken der Rechtsaußen sind das Ergebnis von frames, die verschiedene Themen im gleichen framework in Verbindung bringen und zusätzlicher Untersuchung verschiedener politischer Chancen (in Polen und Spanien). (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 28–29)Akteure der Rechtsaußen SexualpolitikDie katholische Kirche spielt in beiden Staaten eine wichtige, aber unterschiedliche Rolle in der Leitung des ideologischen Diskurses über kulturelle Fragen, Werte und nationaler Identität. In Polen propagiert sie vor allem Patriotismus. Durch die Wahl eines polnischen Papstes wurde das weiter gestärkt. Außerdem war sie die führende moralische Autorität während des politischen Systemwandels in den 90ern und danach.Eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigte einen deutlich höheren Anteil an Katholiken in der Bevölkerung als in Spanien. Die sinkende Zustimmung und Unterstützung der katholischen Kirche in Polen ist eine neue Entwicklung der letzten Jahre. Die Kirche ist in Spanien weniger beliebt und wird wegen ihrer Zusammenarbeit mit den Faschisten im Zweiten Weltkrieg nicht als politischer Akteur gewertet. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 30)Obwohl in beiden Staaten die Kirche nicht sehr streng in Bezug auf außerehelichen Sex, Scheidung und Verhütung ist, ist sie in Polen gegen gleichgeschlechtliche Ehe und Adoption, während sie in Spanien dafür ist. Dennoch haben "anti-gender" Aktivist*innen in beiden Staaten einen katholischen Hintergrund, dogmatische Sprache, Anti-LGBTQ* Agenda, nationalistische familienorientierte "pro-life" Rhetorik und rechtspopulistische Zugehörigkeit. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 30)Bereits vorhandene Vereinigungen gegen Abtreibungen wandelten sich oft zu Anti-LGBTQ* Parteien. In Spanien drängten sich kleine Gruppen auf Plattformen zusammen. Alle davon mit direktem oder indirektem religiösem Hintergrund, der in deren Argumentationslinien und Rhetorik deutlich wird. Daraus bildete sich CitizenGo als einflussreichster Verband heraus und war Teil des globalen anti-gender Netzwerks 2012. Mit anderen Organisationen verbunden, verfolgen sie entsprechende Ziele als Teil der EU-weiten Anti-Abtreibungslobby. Hauptmitglieder dieser Organisationen sind oft auch in der spanischen Volkspartei (Partido Popular). (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 31)In Polen ist die Anti-LGBTQ* Agenda hinzugekommen, steht aber immer noch der Lebensrechtsbewegung (gegen Abtreibung) nach. Die polnischen Gruppen "Jeden z Nas" (Einer von Uns) und die Polish Association of Human Life Defenders gehören ebenfalls zur europäischen Lobby. Außerdem haben beide Verbindungen zur Kirche (über Stiftungen). Radikale anti-feministische und -LGBTQ* Aktionen wurden durch rechtspopulistische Fraktionen, wie die 2019 Teil des Parlaments werdende Partei Konfederacja, organisiert.Sie vertreten ein Weltbild aus einer Zeit vor dem National-Katholizismus und Faschismus des Zweiten Weltkriegs. Es werden Vereinigungen mit Organisationen und Aktivist*innen, die gegen Abtreibung sind, sowie Rechtsaußen veranlagte Repräsentanten der katholischen Kirche eingegangen. Sexualpolitik wird hierbei an Ideen weißer Vorherrschaft, Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie geknüpft. Ihre Konkurrenzpartei PiS wurde 2015 zur Regierungspartei. Das hatte zur Folge, dass Mitglieder der bereits benannten Organisationen höhergestellte Positionen in Ministerien und staatlichen Rollen einnahmen, so auch Sitze im Obersten Gericht. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 31–33)Rhetorik von welcher Krise? "Kultur des Todes", "Gender Ideologie" und die dogmatische Sprache der AngstAnalysen von Sprache und einem transnationalem ideologischen framework zeigten die weltweite Rolle der katholischen Kirche in der Systematisierung von Argumenten. Besonders wichtig war das Zusammenbringen und die Ausrichtung von Stammzellforschung, gleichgeschlechtlicher Ehe, Euthanasie, Transgender-Themen, Abtreibungen, künstlicher Befruchtung und Marxismus. Aus dieser Ausrichtung heraus sind alle diese Themen ein Irrglaube der "Gender-Ideologie", die durch marxistischen Feminismus inspiriert wurde.Gleichzeitig spiegelt der frame "Kultur des Todes" den Versuch wider, menschliches Leben auf der Erde auszulöschen, was gegen das Gebot der Vermehrung in der Bibel ist. Somit wird die "Kultur des Todes" zur einem "master frame", der erlaubt, über kirchliche Belange hinauszugehen und einen ideologischen Zusammenschluss mit anderen pro-nationalistischen Agenden einzugehen. Außerdem können dadurch Ideen, Fakten und Gefühle in einem frame untergebracht werden, der Schuldzuweisung zu marxistischen Feminist*innen, der "gay lobby" und Machiavellismus beinhaltet. Des Weiteren ist eine lokale Anpassung der Krisen an kollektive Emotionen und Erinnerungen möglich, sodass die moralischen Paniken lokal Sinn ergeben. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 33–34)Während in Polen ein offen homophobes und misogynes Vokabular von Politiker*innen, Aktivist*innen etc. verwendet wird, wollen diese in Spanien nicht als homophob wahrgenommen werden. Obwohl sich die frames dadurch unterschiedlich darstellen, ist dennoch auch in Spanien von einer "LGBT-Doktrin" und einem "falschen Recht auf Homosexualität" die Rede. Auch transphobe Kampagnen werden trotzdem umgesetzt. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 34)Insgesamt folgen einzelne Akteure in beiden Staaten dem Skript der globalen Rechtsaußen. In Polen kommt jedoch hinzu, dass Repräsentanten der katholischen Kirche Ideologien der Rechtsaußen offen ausdrücken, indem sie zum Beispiel vom "Tod der Zivilisation" primär als Bedrohung des Überlebens der "Weißen Rasse" formulieren. Außerdem sind Kommunismus und Staatssozialismus als wichtiger meta frame einzigartig für Polen. Somit werden egalitäre Werte als totalitär gewertet, sexuelle und Geschlechter-Diversität zu Staatssozialismus und Rechtsaußen-Positionen die einzige unschuldige und native Alternative dazu. Das wird durch das historische Verständnis von Nazismus als Deutscher Nationalsozialismus verstärkt und hat seinen Ursprung in Polens Geschichte als Satellitenstaat. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 36–38)Die Tradition des Diskurses wurzelt im Ersten Weltkrieg, als "das Judentum" und Marxismus die Feinde darstellten. Heute haben gender und LGBTQ*-Ideologien die Feindrolle abgelöst, werden jedoch immer noch an Judentum und Marxismus geknüpft. In Polen war das so erfolgreich, dass in einer Umfrage 31% der Männer die "LGBT Bewegung" als aktuell größte Gefahr für Polen angaben. Außerdem kam in Polen 2015 das frame der "muslimischen Invasion" hinzu, in dem Geflüchtete eine "sexuelle Bedrohung" für polnische Frauen und ein Anschlag auf das Christentum sind (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 38)Verflechtung von Ideologien: Nationale Souveränität, Familismus und christliche VorherrschaftIm Vergleich fällt auf, dass obwohl spanische anti-gender und -LGBTQ* Akteure die gleichen Taktiken und Rhetoriken verwenden wie in Polen, der Diskurs nicht in die Mitte der Gesellschaft rückte und lange Zeit keinen Fortschritt machte. Schlüsselfaktor ist ein unterschiedliches Profil von Nationalismus. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 38)Nationalismus in Spanien wird als pluralistisches und säkulares Konzept in einem extrovertierten Stil beschrieben, den verschiedene Nationen gemeinsam haben. Im Gegensatz dazu hat der Nationalismus in Polen einen introvertierten Stil und ist auf Märtyrertum und einem Wiederbeleben nationaler Traumata aufgebaut. Sie werden politisch instrumentalisiert, um ein Gefühl nationaler Isolation und ethnischer Diskriminierung zu schüren.Die Rhetorik greift immer wieder auf, dass sich Polen in akuter Gefahr befindet und sich gegen diese "feindlichen Mächte von außen" verteidigen muss. Der einzige Unterschied dieser Rhetorik zu der im 20. Jahrhundert, ist, dass "der Jude" als Bedrohung durch "den Homosexuellen" ersetzt wurde und der "Jüdische Masterplan" (Weltverschwörung) durch eine "Lobby der Homosexuellen". Es ist also eine transnationale Wiederkehr und Fortführung antisemitischer Rhetorik zu beobachten. Jüdische Menschen bleiben weiterhin schuldig, denn sie stellen die überstehende Gefahr dar, zusammen mit Marxisten*innen, Feminist*innen und queeren Menschen.Eine Besonderheit der Rhetorik in Polen ist die Strategie der PiS, Polen als weiterhin unabhängiges Land darzustellen. Dadurch rechtfertigte die Partei während ihrer Regierungszeit ab 2015 "dobra zmiana" (gute Veränderungen) als Heilmittel für diese, zuvor durch sie etablierten, Krisen. Sie äußerten sich in Familismus bzw. der katholischen Familie als Grundbaustein der Nation, die die Souveränität von Polen aufrechterhält.Die katholische Kirche bietet zugunsten dieser strengen Sexualpolitik eine Unterstützung während des Wahlkampfes. Des Weiteren wurde 2020 die Pandemie und damit einhergehende mangelnde Protestmöglichkeiten genutzt, um demokratische Strukturen weiter zu schwächen. So wurde beispielsweise eine dreijährige Haftstrafe für sexuelle Aufklärung, die LGBTQ*-Themen enthält, eingeführt. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 38–40)Im Vergleich dazu wurden in Spanien durch einen Wertewandel Anti-Sexismus und sexuelle Diversität zu neuen Symbolen eines progressiven Spaniens. Zwar waren auch hier Nationalismus und Sexismus während der Diktatur bis 1975 miteinander verflochten, jedoch ist das heute nicht mehr der Fall. Dennoch rief das Gesetz zu gleichgeschlechtlicher Ehe eine nationalistisch motivierte anti-gender Antwort im Jahr 2005 hervor. Dieser ging zwischenzeitlich zurück und machte 2018 eine Rückkehr, die Nationalismus wieder mit sexuellen und reproduktiven Rechten verknüpfte. Viele Rechtsaußen Parteien erlebten dadurch ein schnelles Aufstreben.Die Zunahme der Diskussion um Kataloniens Unabhängigkeit im Jahr 2018 unterstützte das, da die Einigkeit Spaniens bedroht war. Davon profitierte die rechte Partei Vox. Sobald Vox im regionalen Parlament vertreten war, versuchte sie, die Forderung nach Souveränität wieder fallenzulassen und rückte Anti-Gender an erste Stelle. Vox gelang es innerhalb kürzester Zeit, ein nationaler Akteur zu werden und durch gewollt provokative Aussagen und Proteste eine starke mediale Aufmerksamkeit zu generieren. Elemente waren unter anderem Teil einer Wahlkampagne, und die Medienberichterstattung, die darauf einging, verstärkte den Einfluss von Vox in der Bevölkerung und verhalf ihnen zu 15% der Stimmen in der Wahl 2019.Auch Vox nutzte, wie die Volkspartei, die Covid-19 Pandemie als eine Chance, um xenophobe Argumente in Spanien weiterzuentwickeln. Im Gegensatz zu Polen diskutierte die katholische Kirche, das Wählen einer bestimmten Partei an ihre Anhänger zu empfehlen, kam jedoch zu keiner Einigung, da viele kritisierten, dass die Haltung gegen Geflüchtete und Migrant*innen unkatholisch sei. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 40–44)Schlussfolgerung: Paradoxe Paniken und transnationale frames für nationalistische AgendenObwohl polnische und spanische Konservative und Rechte versuchten, "moralische Paniken" herzustellen, gab es unterschiedliche Erfolgsraten. Um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu beobachten, wurden drei Aspekte betrachtet: Totalitäre und autoritäre Vergangenheit, Katholizismus und Nationalismus. Sie setzen sich in Spanien und Polen auf unterschiedliche Art zusammen, dennoch wird auf der gleichen Rhetorik von Krisen gebaut.Solche Krisen und Gefahren sind Feminist*innen, Linke und Marxist*innen, die "gay-lobby", Nicht-Katholiken, Geflüchtete in Polen und Migrant*innen in Spanien. Diese globale Ansammlung nationalistischer und Rechtsaußen-Argumente sowie die Verwendung der DARVO-Taktik bilden die wichtigsten Paradoxa ihres Vorgehens. Das Ziel der Rechtsextremen, Einfluss über Staat und Bevölkerung zu gewinnen sowie eine Homogenität zu erringen, ist eindeutig. (vgl. Cornejo-Valle und Ramme 2022, S. 44–46)LiteraturCornejo-Valle, Monica; Ramme, Jennifer (2022): "We Don't Want Rainbow Terror": Religious and Far-Right Sexual Politics in Poland and Spain. In: Paradoxical Right-Wing Sexual Politics in Europe: Palgrave Macmillan, Cham, S. 25–60. Online verfügbar unter https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-030-81341-3_2.Möser, Cornelia; Ramme, Jennifer; Takács, Judit (Hg.) (2022): Paradoxical Right-Wing Sexual Politics in Europe. 1st ed. 2022. Cham: Springer International Publishing; Imprint Palgrave Macmillan (Springer eBook Collection). Online verfügbar unter https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/978-3-030-81341-3.pdf, zuletzt geprüft am 22.06.2022.