Europawahlkampf in Großbritannien oder: die Kampagne, die es nicht gab
In: Wahl-Kampf um Europa: Analysen aus Anlass der Wahlen zum Europäischen Parlament 2004, S. 252-268
Im Vergleich zu früheren nationalen wie europäischen Wahlen in Großbritannien überraschten die Europawahlen von 2004 vor allen Dingen in zweierlei Hinsicht: Erstens war die Wahlbeteiligung wesentlich höher als bei den vorangegangenen des Jahres 1999. Zweitens konnte die United Kingdom Independence Party (UKIP) einen unerwarteten Wahlerfolg verbuchen, während die Konservativen und die Labour-Partei relativ hohe Wahlverluste hinnehmen mussten. Der vorliegende Beitrag fragt nach Gründen für diese Besonderheiten und legt dabei besonderes Augenmerk auf die Rolle des Wahlkampfes sowie der von den konkurrierenden Parteien jeweils favorisierten Strategien. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass die beiden Großparteien (Conservative und Labour Party) ihr eigentliches Wahlkampfpotenzial nur unzureichend ausschöpften und kein besonderes Interesse am Wahlkampf zeigten, da sie den Wahlen zum Europäischen Parlament, entsprechend der "Second-Order Election"-These, nur eine untergeordnete Bedeutung zumaßen. Hauptfokus des Wahlkampfes war die britische EU-Mitgliedschaft. Ihre bestenfalls als ambivalent zu bezeichnende Einstellungen zur Europäischen Union (EU) führten Labour und Conservatives in eine Sackgasse, wovon letztlich vor allem die UKIP profitierte. Dies und eine starke mediale Präsenz mündeten, wie die Ausführungen zeigen, in einem vorher nicht für möglich gehaltenen Wahlerfolg der UKIP. (ICA2)