"'Goldbroiler' und 'Verkaufsstelle': zwei Wörter aus dem Alltag der DDR. Belegen sie, daß sich eine eigene 'Sprache der DDR' entwickelte? Oder stehen diese Neuschöpfungen für eine 'deutsche Sprache in der DDR'? Diese Debatten, die die DDR jahrzehntelang begleiteten, können freilich in die Irre führen. Denn ist nicht wichtiger, wie Herrschaft in und durch Sprache gestützt oder gar produziert wurde - wie Menschen Zumutungen oder Anforderung 'von oben' sprachlich aufnahmen oder auch ausmanövrierten? Wie weit reichten Sprachregelungen? Welche Bedeutung hatten 'öde Phrasen'? Welche Rolle spielten Schriftsteller - wie balancierten sie Engagement mit jener Distanz, die für kritische Sprache und Sprache der Kritik unerläßlich scheint?" (Autorenreferat)
"Nach der revolutionären 'Wende' von 1989/9O stehen - bis auf geringe Ausnahmen - die Texte der DDR ebenso wie ihre Akteure für beinahe unbegrenzte Lektüre und Nachfragen zur Verfügung. Mit dieser einzigartigen Zugänglichkeit kontrastiert ein hohes Maß von Neo-Traditionalismus der Forschungsperspektiven. Fragen nach politischer Kontrolle durch Mächtige, zumal nach Profil und Ausmaß der Diktatur, bestimmen die Debatte. Politikgeschichtliche Zugänge dominieren. Es geht um Machtstrukturen und Herrschaftsapparate, um Funktionseliten und Ideologie; Gesellschaft gilt als effektiv 'durchherrscht'. Demgegenüber käme es darauf an, die Verhaltensweisen der vielen und ihre sozial-kulturellen Selbstdeutungen, zumal jenseits der 'Kommandohöhen' von Staatsapparat und SED, zu erkunden. Wird Herrschaft als soziale Praxis begriffen, rücken die Formen der Aneignung ins Zentrum: Wie haben die Menschen die Zwänge und Anreize des Alltags genutzt oder umgedeutet, attackiert oder vermieden? Neben den Interessen der Menschen gewinnen dann ihre Emotionen an Bedeutung (z. B. Angst vor, aber auch Zuneigung zu den Autoritäten). Diese Perspektive erlaubt, die anhaltende relative Stabilität ebenso wie deren unblutige Implosion im Herbst/Winter 1989/9O zu erklären. Die spezifische Bedeutung von Arbeit, die Eigenarten der Zeiterfahrung und Zeitverwendung, die Bedeutung des Lokalen oder Betrieblichen, aber auch der Verlust öffentlicher Ästhetik erweisen sich als wichtige Elemente beim massenhaften Mitmachen - aber auch für das massenhafte Abrücken von der DDR." (Autorenreferat)
Ausgehend vom Versuch, systemübergreifende Definitionsmerkmale von Jugendalter/Adoleszens aufzustellen, werden die Bemühungen der DDR-Gesellschaft beschrieben, Integration und Konformität der Jugendgeneration zu erreichen. Das in den Jugendgesetzen der DDR entworfene Wunschbild der "sozialistischen Persönlichkeit" wird skizziert und die Versuche, diese Zielvorstellungen durch Schulerziehung und in Jugendorganisationen zu verwirklichen, werden dargestellt. Die dysfunktionalen Momente dieser ständigen ideologischen Berieselung und umfassenden Verplanung und Kontrolle dokumentieren sich in zunehmenden Autonomiebestrebungen der Jugendlichen (Alternativ- und Aussteigerbewegung, Friedensbewegung). Das Verhalten des Staates ist durch Beunruhigung gekennzeichnet, da die üblichen Mittel der Einschüchterung aufgrund der wachsenden Öffentlichkeit der Bewegung versagen. (MB)
Untersucht werden soll der erreichte Grad der Demokratie in einer Wirtschaft eines Übergangssystems (DDR), das perspektivisch die freie kommunistische Gesellschaft ansteuert. Dabei muß diese Gesellschaftsformation an ihrem eigenen Anspruch gemessen werden, wobei wesentlich die Überwindung der materiellen Knappheit zählt. Doch nicht nur der Entwicklungsstand der Produktivkräfte darf Gradmesser eines solchen Systems sein, auch die Frage nach der beim gegebenen Stand der Entwicklung möglichen Freiheiten für den einzelnen sollte bei der Bewertung mitentscheiden. Im weiteren folgt eine Analyse des Wirtschaftssystems einer Übergangsgesellschaft, in der drei Grundprobleme zentrale Bedeutung erlangen: 1. Planung. Sie trägt den Doppelcharakter einerseits darauf aufgerichtet zu sein, die noch aus dem Kapitalismus vorhandenen Warenverhältnisse durchbrechen zu müssen, womit sie auf Emanzipation gerichtet ist, andererseits erhält sie als Funktionsmechanismus der Wirtschaft einen instrumentellen Charakter, womit Planung als repressives Instrument bürokratischer Herrschaft eingesetzt werden kann. 2. Überwindung der Warenverhältnisse. Die Problematik einer Übergangsgesellschaft, also auch der DDR-Gesellschaft, besteht in der gleichzeitigen Existenz von Waren- und Planverhältnissen, wobei der Planung in einer tendenziell sozialistischen Gesellschaft die Aufgabe zufällt, als wirtschaftlicher Regulator die Warenverhältnisse zurückzudrängen. 3. Die Position der Betriebe. Erhalten die Beziehungen der Arbeiter zum Betrieb die Gestalt von Lohnverhältnissen und die der Betriebe zueinander den Charakter von Marktbeziehungen, so reproduzieren sie die Warenverhältnisse ständig. Erst eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf unterster Ebene könnte, gesamtwirtschaftlich organisiert, Herrschaftsstrukturen abbauen. Abschließend werden drei Aufsätze untersucht, die sich mit dem Wirtschaftssystem der DDR auseinandersetzen. Die zwei erstgenannten Arbeiten liefern eine DDR-offizielle Selbstdarstellung bzw eine immanente Kritik der bestehenden Verhältnisse. Die dritte Arbeit kommt dagegen zur Erkenntnis, daß die in der DDR noch vorhandenen Warenverhältnisse nicht nur wirtschaftliche Funktionsmechanismen widerspiegeln, sondern Ausdruck existierender gesellschaftlicher Verhältnisse seien. Materielle Anreize auf Betriebsebene haben die Arbeiter zwangsläufig voneinander isoliert, Konkurrenzsituationen produziert und die Restauration des Kapitalismus tendenziell ermöglicht. Allerdings sind die Rezentralisationstendenzen in der DDR seit 1967 langfristig in der Lage, die Warenverhältnisse zurückzudrängen. Eine positiv zu bewertende Entwicklung, die aber nur vollendet werden kann durch die Rekonstruktion des revolutionären Subjekts. (MM)
In: Informationen zur politischen Bildung: izpb, Heft 205, S. 1-40
ISSN: 0046-9408
Die Darstellung der DDR umfasst die folgenden Themen: die Rolle der Ideologie, die gesellschaftliche Entwicklung von 1945 bis heute, die Sozialstruktur, Jugend und Familie, Parteien und Massenorganisationen, die Funktion des Staates, das Bildungssystem, Alltag in der DDR, Kirchen, Opposition, innerdeutsche Beziehungen. Im Anhang finden sich u. a. je eine skizzierte Unterrichtseinheit fuer die Sek. I und die Sek. II sowie ein Verzeichnis lieferbarer Unterrichtsmaterialien zum Thema. Unterrichtsgegenstand: Die DDR.
Einblicke in neuere, bisher unzugängliche und auch jetzt noch "nicht ins kapitalistische Ausland" verleihbare DDR-Dissertationen lassen auf Diskrepanzen "zwischen der offiziösen Darstellung der Studierenden und deren realem Selbstverständnis" schließen. Umfassende Unterweisung im marxistisch-leninistischen Grundstudium führt bestenfalls zur "Erweiterung des Faktenwissens", nicht aber zu einer "Vertiefung der Erkenntnis"! "Die dirigistische staatliche Lenkung der Studierenden auf weniger gefragte Studienfächer wird erkennbar an der hohen Zahl von Studenten, die ursprünglich ein anderes Fach studieren wollten." Eine Untersuchung des elterlichen Sozialstatus ergibt "bemerkenswerte Abweichungen vom propagandistischen Klischee der studentischen Herkunft aus der 'Arbeiterklasse'". (WI)
Untersucht werden Dissertationen aus der DDR als nützliche und zugängliche Forschungsquelle, der Verteilungsweg der Dissertationen wird rekonstruiert und in idealtypischer Weise das in dieser Schriftgattung steckende Informationspotential aufgezeigt. (BIOst)
"Jeder DDR-Bürger kannte es, doch im 'DDR-Handbuch' und in der gängigen Literatur über den SED-Staat spielt das 'Reisebüro der DDR' keine Rolle. Wenn überhaupt, findet sich der Ost-Berliner Staatsbetrieb nur im Zusammenhang mit Rückblenden über das Thema Urlaub in der DDR - meist mit ostalgischem Augenzwinkern. Dabei hätte das Unternehmen weitaus mehr Aufmerksamkeit verdient, fungierte es doch jahrzehntelang als eine Art getarnter Filialbetrieb des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Die im Ausland eingesetzten inoffiziellen Mitarbeiter des MfS werden vom Verfasser in verschiedene Kategorien eingeteilt, die zukünftig eine genauere Erforschung der Auslandsaktivitäten des MfS erlauben. Diese Auslandsaktivitäten werden in diesem Aufsatz am Beispiel der Volksrepublik Bulgarien erläutert." (Autorenreferat)
Der Verfasser beschäftigt sich in diesem Beitrag mit Fragen der Familienplanung und Geburtenkontrolle in der DDR. Es werden die gesetzlichen Richtlinien zum Schwangerschaftsabbruch, die Anwendung von hormonellen Antikonzeptiva sowie verschiedene Ansichten zum Gebrauch dieser Empfängnisverhütungsmethode diskutiert.