Liberalismus und Handwerk in Frankreich und Deutschland um die Mitte des 19. Jahrhunderts
In: Liberalismus im 19. Jahrhundert: Deutschland im europäischen Vergleich, S. 305-331
"Phasenverschoben" wird das Verhalten der Liberalen im Frankreich der Julimonarchie und im Deutschland der Reichsgründungszeit gegenüber der Handwerker- und Arbeiterfrage miteinander verglichen und nach den Ursachen für die unterschiedliche Entwicklung gefragt. Gegenstand der Untersuchung sind die Einschätzung und Bewertung des Handwerks durch den Liberalismus sowie die liberalen Initiativen zur Überwindung der sozialen Probleme des Handwerks. Dabei lassen sich für Deutschland in Form der Genossenschaftsbewegung Ansätze zu einer genuin liberalen Sozialpolitik feststellen, die dafür sorgten, daß sich die Handwerker dort mehrheitlich mit dem Liberalismus und seinen Zielen identifizierten und ihn bis weit in die 60er Jahre politisch unterstützten. Dagegen trennten sich in Frankreich, wo die Liberalen den Handwerkern weder beim Wahlrecht noch sozialpolitisch entgegenkamen, schon vor 1840 die Wege von Liberalismus und Handwerkern, die in der republikanischen Partei einen neuen politischen Ansprechpartner fanden. Die Autoren führen die sehr unterschiedliche "Integrationskraft" des Liberalismus nicht auf verschiedene sozialpolitische Orientierungen als vielmehr auf Differenzen in den politischen Rahmenbedingungen zurück: In Deutschland existierte für die Liberalen keine Konkurrenz auf der Linken, zudem verfügten sie vor 1871 mit ihren nationalpolitischen Zielen über ein sehr attraktives und integrierendes politisches Programm. (JF)