Wohlfahrtsstaatliche Alternative oder Alternative zum Wohlfahrtsstaat?: Entwicklung, Ideologie und Zukunft des Liberalismus in Skandinavien
In: Verfall oder Renaissance des Liberalismus?: Beiträge zum deutschen und internationalen Liberalismus, S. 155-172
Vor dem Hintergrund recht unterschiedlicher Wahlerfolge in der Gegenwart skizziert der Aufsatz die sehr ähnliche Entwicklung, Ideologie und Situation des skandinavischen Liberalismus und fragt nach seiner Zukunft. Seit der Jahrhundertwende ist die Geschichte des organisierten Liberalismus in Dänemark, Norwegen und Schweden gekennzeichnet von einer Reihe von Spaltungen, die entlang von zwei Trennungslinien erfolgten: dem Gegensatz zwischen Stadt und Land und zwischen lutherischer Staatskirche und Freikirchen. Nach 1910 verloren die liberalen Parteien zunehmend an Wählern und wurden zu Minderheitsparteien, die gemeinsam mit Christdemokraten und Bauernparteien um die politische Mitte kämpften. In programmatischer Hinsicht waren die skandinavischen Liberalen eher sozialliberal, sie zielten auf die Entfaltung des Individuums innerhalb des Wohlfahrtsstaats-Systems und unterschieden sich deshalb wohl ideologisch, nicht aber in der Praxis von den Sozialdemokraten. In der Gegenwart besteht das Hauptproblem aller liberalen Parteien darin, von den anderen, besser organisierten und ideologisch geschlosseneren Parteien genügend Wechselwähler zu gewinnen, um das politische Überleben zu sichern. Ob diese auf Dauer zu Stammwählern gemacht werden können, hängt von einer Weiterentwicklung des Sozialliberalismus zu einer "kohärenten Ideologie der Mitte" ab, wie dies ansatzweise bereits in Schweden geschehen ist und zu beachtlichen Wahlerfolgen der Liberalen geführt hat. (JF)