"Founding Elections" der erweiterten EU und europäische Integration
In: Europas Osterweiterung: Das Ende der Vertiefung?, S. 231-251
"Der Autor untersucht die Beteiligung an Wahlen zum Europäischen Parlament. Sein vielleicht wichtigster Befund ist, dass die Wahlbeteiligung in den alten Mitgliedstaaten seit Jahren zurückgeht. Obwohl sie bei den jüngsten Europawahlen ihren historischen Tiefpunkt erreichte, ist sie in den neuen Mitgliedsländern aber noch deutlich niedriger ausgefallen als in den alten. In Mittel- und Osteuropa gingen nur weniger als ein Drittel der Stimmberechtigten zu ihrer ersten europäischen Wahl. Auf der Suche nach den Bestimmungsgründen des Wahlverhaltens findet Weßels im Westen und im neuen Osten der Union die gleichen Muster. In beiden Kontexten prägen instrumentelle Motive die Wahlbeteiligung wesentlich stärker als affektive Wertbindungen. Auch das Übergewicht der rationalen Interessenkalküle gegenüber den gefühlten Bindungen an Europa ist in den alten und neuen EU-Mitgliedsländern gleich stark. Selbst im alten Europa ist es also noch nicht zur Bildung einer supranationalen Gemeinschaft mit affektiven Bindungen der Bürger an die Union gekommen. Weßels schließt daraus, dass der Entscheidung, zur Wahl zu gehen, in beiden Regionen die gleichen Mechanismen zugrunde liegen und dass das niedrigere Niveau der Wahlbeteiligung in den neuen Mitgliedsländern auf das einstweilen noch geringere Maß der Orientierung an europäischen Themen zurückgeht, die in den alten Mitgliedsländern im Lauf der Zeit wachsen konnte. Das starke Übergewicht der instrumentellen Erwägungen in beiden Regionen zeigt aber, dass die Europäer noch weit davon entfernt sind, die Europäische Union als eine politische Gemeinschaft zu erleben." (Autorenreferat)