"Wenn die Fische immer noch ihr Wasser suchen": die Auswirkungen des Elften Septembers auf den herkömmlichen Terrorismus
In: Konflikt, Macht und Gewalt aus politökonomischer Perspektive, S. 127-159
"Gewaltsoziologische Analysen auf der Basis der verstehenden Soziologie geraten stets sehr schnell unter den Generalverdacht, durch die Praxis des 'deutenden Verstehens' Gewaltanschläge zu rechtfertigen - denn man hat sie 'verstanden' -, oder gar verdeckte Sympathien für sie auszudrücken. Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall: Fundierte gewaltsoziologische Erkenntnisse sind notwendige Bedingung, um effektive Interventionsstrategien gegen Gewalt zu entwickeln. Dieser Beitrag stellt in diesem Sinne die Frage nach den Effekten und Konsequenzen des al-Qaida-Anschlages vom 11. September 2001 ('Elfter September') auf die Strategien und Taktiken der nationalen, bewaffneten Gruppen: Welche Auswirkungen hat der neue internationale Terrorismus auf den herkömmlichen, nationalen Terrorismus, die Gewaltstrategien der ETA, der IRA und anderer bewaffneter Gruppen? Die zentrale These lautet, dass der Elfte September eine negative Dynamik auf die Legitimationsstrategien der Gewaltkampagnen "ethnisch-nationalistisch" orientierter Gruppen ausgelöst hat. Die ETA und die IRA stehen seit dem Elften September unter noch größerem Rechtfertigungsdruck, sowohl was ihre Aktionen als auch ihre bloße Existenzberechtigung betrifft. Ein gutes Beispiel, an dem sich diese neue Dynamik illustrieren lässt, liefern die Anschläge auf Personenzüge am 11. März 2004 in Madrid, die zu 'Spaniens Elften September' wurden. Die Analyse wird dann mit dem Versuch einer tiefer gehenden Soziologie der neuen Gewaltstrategien in der Welt nach dem Elften September abgerundet." (Autorenreferat)