Wie nehmen Familien ihren Wohnort im Suburbanen wahr, wie gebrauchen und gestalten sie diesen durch ihre Routinen? Basierend auf einer qualitativ-ethnographischen Studie in zwei suburbanen Räumen der Region Hannover werden Alltagssituierungen von Kindern aus der Perspektive von vier Müttern beschrieben und analysiert. Dafür geht der Beitrag auf familienbezogene Wahrnehmungs-, Aktions- und Aneignungsräume in der Suburbia ein. Neben der vergleichsweise guten Infrastrukturausstattung für Kinder, deren Nähe und Erreichbarkeit, ist es die sozialräumliche Überschaubarkeit mit der Möglichkeit zur lokalen Zentrierung, die das Familienleben am Stadtrand komfortabel macht. Zwischen Isolation und Integration spannt sich der Kinderalltag auf, der verhäuslicht, institutionell verinselt oder frei bespielbar erfahren, (un-)selbstständig bewältigt werden kann.
Was bedeutet Digitalisierung in der Planung, wie verändern sich dadurch das Planen und der Blick auf Städte? In einer vergleichenden ethnografischen Studie untersucht der Autor aus einer raumsoziologischen Perspektive die Arbeitswelten von Stadtplaner*innen im Umgang mit digitalen Technologien. Dabei zeigt er, wie die Nutzung dieser Werkzeuge mit dem Tun der Planer*innen, der Organisation von Planungsprozessen und der Weise, wie Raumwissen konstruiert wird, zusammenhängen. Digitalisierung versteht sich so als technisiertes räumliches Anordnen sozialer Beziehungen. Sie materialisiert sich in den Orten des Planens und darin, wie Planer*innen Städte und Räume sehen, verstehen und gestalten.
Wie wird Care jenseits heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit entworfen? Wie werden Fürsorge und Selbstsorge in nicht-binären und trans Räumen organisiert und gelebt - abseits medizinischer und familiärer Versorgungskontexte? Dazu gibt es bislang kaum Forschung. Francis Seeck wendet sich dieser Leerstelle zu und interviewte und begleitete Personen, die Sorgearbeit für andere trans und nicht-binäre Personen leisten. Die ethnographische Studie vertieft das Verständnis des komplexen Verhältnisses von Gender und Care. Zudem macht sie auf die Bedeutung der Kategorie Klasse in Sorgebeziehungen aufmerksam. Sie zeigt, wie Klassenunterschiede und Klassismus den Zugang zu Für_Sorge erschweren, dass in den Zonen der Prekarität aber auch neue Formen der Fürsorge entstehen. Die hier entwickelte Forschungsstrategie der Sorgenden Ethnographie ermöglicht, Care-Praktiken als zentralen Bestandteil ethnographischer Forschung produktiv zu machen.
Wie wird Care jenseits heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit entworfen? Wie werden Fürsorge und Selbstsorge in nicht-binären und trans Räumen organisiert und gelebt - abseits medizinischer und familiärer Versorgungskontexte? Dazu gibt es bislang kaum Forschung. Francis Seeck wendet sich dieser Leerstelle zu und interviewte und begleitete Personen, die Sorgearbeit für andere trans und nicht-binäre Personen leisten. Die ethnographische Studie vertieft das Verständnis des komplexen Verhältnisses von Gender und Care. Zudem macht sie auf die Bedeutung der Kategorie Klasse in Sorgebeziehungen aufmerksam. Sie zeigt, wie Klassenunterschiede und Klassismus den Zugang zu Für_Sorge erschweren, dass in den Zonen der Prekarität aber auch neue Formen der Fürsorge entstehen. Die hier entwickelte Forschungsstrategie der Sorgenden Ethnographie ermöglicht, Care-Praktiken als zentralen Bestandteil ethnographischer Forschung produktiv zu machen.
Wie wirkt sich der aktuelle Islamdiskurs auf Bildungsbiografien junger Secondas aus? Wie beeinflussen unterschiedliche Differenzkategorien wie beispielsweise Gender und Religion die Bildungsbiografien? Und wirken diese Kategorien intersektionell? Die Autorin zeigt auf, wie unterschiedlich junge Secondas aus der Schweiz mit der Herausforderung umgehen, als religiös orientierte muslimische Frauen in einem tendenziell islamkritischen Umfeld bildungsbiografisch zu bestehen. Sie verdeutlicht die bestehenden Bildungsbarrieren samt den unterschiedlichen Taktiken, diese zu umgehen. Auf dieser Grundlage diskutiert sie, inwiefern Religion dabei als intersektionale, interdependente Analysekategorie gefasst werden kann.
Der vorliegende Beitrag widmet sich der Analyse von Prozessen der Wissenskonstruktion in der qualitativen Sozialforschung im transatlantischen Vergleich. Basierend auf explorativen Forschungsergebnissen stellen wir mit den Idealtypen engaging und observing zwei Forschungsstile vor, die sich in den Praktiken der Konstruktion von Nähe und Distanz zum Gegenstand deutlich unterscheiden. Beides, Nähe und Distanz, wird dabei nicht als innere Haltung von Forschenden oder als rigoros nationaler Stil verstanden, sondern als Produkte konkreter Arbeitspraktiken, die in Zusammenhang mit nationalen Forschungskonventionen, Rahmenbedingungen und Epistemologien stehen. Gemeinsam ist beiden Interaktionsmustern die zentrale Fundierung im amerikanischen Pragmatismus, wobei die These einer auffallend unterschiedlichen Bezugnahme auf den amerikanischen Pragmatismus in den beiden Länderkontexten diskutiert wird: Stehen in Deutschland vorwiegend dessen erkenntnistheoretische Prämissen im Mittelpunkt, sieht sich die gegenwärtige US-amerikanische Methodenlandschaft eher dessen gesellschaftspolitischen Traditionen verpflichtet. Ausgehend von diesen Beobachtungen wird abschließend die Forderung formuliert, Reflexivität in der qualitativen Sozialforschung stärker auf den Boden empirischer Analysen zu stellen. (Autorenreferat)
"Dieser Beitrag analysiert die alltägliche häusliche Internetnutzung und diskutiert in diesem Kontext Doing-Gender-Muster von heterosexuellen Paaren. Es wird der Frage nachgegangen, ob sich im Zuge der Domestizierung des Internets eine Entwicklung von Gender- Demokratisierungsprozessen abzeichnet, die über eine verstärkte Partizipation von Frauen an der Internetnutzung hinausgehen. Untersucht wurde dies anhand einer ethnographischen Studie mit 48 ProbandInnen in Australien und Deutschland. In der zugrunde liegenden Studie, aus der hier Ergebnisse präsentiert werden, wurde Deutschland mit einer weiteren westlichen Industrienation verglichen, die sich in einer bereits fortgeschrittenen Diffusionsphase des Internets befand. Zum Zeitpunkt der Untersuchung nutzten mehr Prozent der Bevölkerung in Australien seit längerer Zeit das Internet, zudem gab es mehr Haushalte mit Internetzugang und die Zugangszahlen zwischen Männern und Frauen glichen sich in Australien früher an als in Deutschland. Werden über die Internetnutzung im Haushalt traditionelle Geschlechterverhältnisse fortgeführt oder zeigt sich ein Rückgang? Sind geschlechtsgebundene Kodierungen des Internets erkennbar?" (Autorenreferat)
Netnographie ist ein Forschungsansatz, die in den Sozialwissenschaften entwickelten Methoden der Ethnographie auf die Möglichkeiten der Informationsgewinnung im Internet anzuwenden. Der Begriff wurde 1996 von Robert Kozinets im Zuge einer ethnographischen Studie zur Star-Trek-Fankultur geprägt. Als qualitative, interpretierende Methode adaptiert die Netnographie die ethnographischen Forschungstechniken der Anthropologie bei der Studie von Online-Kulturen bzw. -Communities: Teilnehmende Beobachtung, Sammlung und Erfassung von Daten. Seit das Internet als Web 2.0 (Social web) von weiten Bevölkerungskreisen genutzt werden, stellt die Kommunikation im Internet einen mit der Offline-Welt verbundenen Raum dar und hat kaum noch den Charakter experimenteller virtueller Beziehungen früherer Jahre. Für die Marktforschung stellt der "user generated content" im Web 2.0 eine nahezu unerschöpfliche Quelle von Informationen dar. Netnographie basiert auf der Analyse von Textdokumenten des Web. Forschungsfeld und damit Gegenstand von Netnographie sind Online-Communities, also Gemeinschaften von Menschen, die sich um Themen gruppieren, wobei das Internet die technischen Voraussetzungen für Datenaustausch und social networking bietet. Beweggründe zur Teilnahme an solchen Gemeinschaften sind meist sozialer oder ökonomischer Natur, wobei es vorrangig um den Austausch von Informationen geht. Als Methode in der Konsum- und Marktforschung wird Netnographie zur Erforschung des Konsumverhaltens der im Internet präsenten Communities entwickelt, wobei die Methoden der Kulturanthropologie der computervermittelten Kommunikation angepasst wurden.
Grand Theft Auto, Battlefield, Counterstrike - more and more, violence in computer games is becoming the subject of heated discussion. But what emotional experiences does the playful use of virtual violence make possible? Through participato observation in online games and at LAN parties and analyses of interviews, magazines, and videos, Christopher Bareither presents in detail how millions of people can take pleasure from that which would shock others. By refraining from judgmental cliches, this ethnographic study is able to provide a decisive contribution to a debate at the crossroads of popular culture, politics, and the public sphere.
Wie kann ein Umbau technischer Geräte, von Prozessen und Infrastrukturen aus einer Postwachstumsperspektive aussehen? Mit dem Ansatz der konvivialen Technik stellt die Autorin eine empirische Technikethik vor, die sie durch ethnographische Erkundungen in der Technikproduktion sowie die Sichtung historischer Quellen zu "alternativer" Technik entwickelt hat. Anhand der Beispiele Komposttoilette und Lastenfahrrad arbeitet sie die zentralen Kriterien für eine postwachstumstaugliche Technikbewertung aus: Verbundenheit, Zugänglichkeit, Anpassungsfähigkeit, Bio-Interaktivität und Angemessenheit.
Der Beitrag befasst sich mit einer Form der Marktforschung, die sich Methoden der Beobachtung und Alltagsforschung, wie sie aus Ethnologie und qualitativer Sozialforschung bekannt sind, zunutze macht. Bei der ethnografischen Marktforschung geht es um das Verständnis des realen Konsumentenalltags und der ihm inhärenten Logiken. Dies umfasst sowohl die Frage, wie Menschen mit Produkten und Dienstleistungen interagieren, als auch die Freilegung der Alltagsroutinen, Wissensstrukturen und Relevanzmuster, die ihrem Alltagshandeln zugrunde liegen. Dokumentarische Videoaufzeichnungen spielen dabei in enger Verzahnung mit ethnographischen Methodensettings eine immer bedeutendere Rolle. Vor diesem Hintergrund beleuchtet der Beitrag zum einen die Gründe für die Popularität dieser Methoden, da dies die Grundlage ist, um ihren potenziellen Nutzen und ihre Einsatzmöglichkeiten zu beurteilen. Zum anderen wird ein systematischer Überblick über die Methoden, die in der ethnographischen und video-gestützten Marktforschung zum Einsatz kommen, gegeben. Neben der Analyse ihrer jeweiligen Einsatzfelder werden die damit verbundenen forschungspraktischen Implikationen diskutiert, um abschließend ihren Nutzen und ihre Grenzen vor dem Hintergrund kommerzieller Forschungslogiken darzustellen. (ICG2)
Dargestellt wird die Konzeption einer um ethnographische Vorgehensweisen erweiterten Konversationsanalyse. Sie soll zum einen den methodisch kontrollierten Zugang zu "inhaltlicheren" Aspekten natürlicher Alltagsgespräche eröffnen. Zum anderen soll sie die Grundlage für die Konzeption der Konversationsanalyse als einer allgemeinen Methodologie zur Untersuchung sprachlicher Phänomene legen. In gegenstandsbezogener Hinsicht wird der methodische Ansatz umgesetzt in Untersuchungen zur Konstitution der Semantik von Wörtern im Gespräch, zum Argumentieren in konfliktären Interaktionssituationen und zur Gruppenkonstitution und sozialen Kategorisierung in verbalen Interaktionen zwischen Jugendlichen.
"Der Beitrag behandelt aus einer interaktionistischen Perspektive Prozesse transnationaler Vernetzung im Kontext juveniler Szenen. Am Beispiel zweier Graffiti-Crews wird dargestellt, wie sich trotz scheinbar vorhandener kultureller Barrieren relativ etablierte und auf Freiwilligkeit beruhende soziale Beziehungen entwickeln können. Dabei wird herausgearbeitet, dass soziale Unterschiede vor dem Hintergrund einer szenebezogenen Handlungsorientierung für die am sozialen Geschehen beteiligten Akteure an Bedeutung verlieren. Stattdessen erfolgt ein kontinuierlicher Erwerb sowie die Entwicklung vielfältiger interkultureller Kompetenzen, die als wichtige Ressourcen kooperativen Handelns zu deuten sind. Schlussendlich wird diskutiert, ob und in wie weit damit verbundene soziale Praxen als 'jugendkulturell' interpretiert werden können." (Autorenreferat)
Ist Russland ein Teil Europas? Die Antworten auf diese Frage fallen höchst unterschiedlich aus und markieren die Gräben zwischen geopolitischen Überzeugungen. In konstruktivistischer Forschung wird dieser Frage traditionell entweder anhand der Analyse von privilegierten Repräsentationen – Reden, politischen Pamphleten und Essays, massenmedialen Darstellungen – oder anhand von Meinungsumfragen in der Bevölkerung nachgegangen, um ein möglichst umfassendes, gesamtgesellschaftliches Bild zu erhalten. Im Gegensatz dazu nimmt der vorliegende Beitrag eine Mikroperspektive ein. Mit Material aus neunmonatiger ethnographischer Feldforschung versucht er unterschiedliche Artikulationen des Verhältnisses zwischen Europa und Russland am Beispiel des Moskauer Staatlichen Instituts für Internationale Beziehungen (MGIMO) nachzuzeichnen. Das MGIMO nimmt eine exponierte Stellung in der russischen Gesellschaft ein: Als mit dem russischen Außenministerium verbundene Eliteuniversität gilt es als das akademische Zentrum für den Bereich Internationale Beziehungen im postsowjetischen Raum und bildet den Nachwuchs für den russischen Staatsdienst aus. Die Positionierung Russlands vis-à-vis Europa findet am MGIMO in ganz unterschiedlicher Weise statt: Grundsätzlich werden die Affinität Russlands zu Europa sowie die gemeinsamen Interessen, gerade im wirtschaftlichen Bereich, betont. Jedoch ist auch ein Gefühl der Ausgeschlossenheit von Europa festzustellen, das sich unter anderem aus der Enttäuschung über die Erweiterung von EU und NATO unter Missachtung russischer Interessen speist. Europa, so der Eindruck, sei an Russland als starkem und vollwertigem Partner nicht interessiert und nehme eine überhebliche Haltung ein: es wolle Russland das Attribut "europäisch" nur dann zusprechen, wenn Russland seine Souveränität aufgebe und sich dem europäischen Ordnungsmodell beuge. Demgegenüber wird die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit Russlands von Europa herausgestellt. Russland benötige Europa nicht unbedingt, sondern könne sehr wohl für sich alleine stehen. Wenn Russland sich entschließe, engere Bindungen mit Europa einzugehen, dann von sich aus und nur unter Wahrung der russischen Interessen, nicht jedoch als Bittsteller oder weil man sich davon die Anerkennung als europäischer Staat erhoffe. Am MGIMO sind die Vorstellungen von Russlands Platz in Europa also eher Vorstellungen von Russlands Platz neben Europa, bei dem Russland sich unabhängig und selbstbewusst entscheidet, bis zu welchem Grad es als europäisch gelten will.