This book follows a new path of describing the Alps from the years 500 to 800. Instead of running through this mountain range from east to west (or reverse) and writing one local history after the other, relevant patterns were captured: patterns of control, borders, communication routes, Christendom, settlement, economy, local methods to establish power and traces of local identity. Comparing theses structures on an interregional level made it possible to establish a new view on the early medieval alpine regions. By the year 500 the inhabitants of this central European mountain range were typically roman-provincial. Some regional differences existed, yet the main factors were quite similar: language, laws, religion (Christendom) and social structures. From the 6th c. on this changed. New political developments made a large part of the alpine provinces turn northwards to the Frankish realms. As a consequence borders were created within the Alps. Many hilltop settlements and strongholds in the valleys were built to guarantee the security both of population and borders. Militia was installed to control these boundaries; they were either recruited from the local population or got especially settled for these means. This change of view made some Roman topoi disappear: the Alps were no longer regarded as hostile and as the walls of Italy. The routes through the Alps changed. One reason for this was the growing number of pilgrims from the British Isles made the passage through Maurienne and over the Mont Cenis more important than the ancient route via Montgenèvre. The central Alps in Curia remained a highly important point to cross the mountains, whereas more eastwards the once important crossing points became mere backroads. Farther east the Avarian-Slavic conquest caused the sources to silence, nevertheless the communication routes remained visible through archaeological findings and place names. A big change for the alpine population was the transformations in settlement patterns, first of all the diminishing importance of Roman cities. Some of them disappeared completely, such as Teurnia, Aguntum and Octodurum. Nevertheless, the wider settlement areas around these former towns always remained important. New centres emerged. Some had roman roots, for example Iuvavum/Salzburg, others were new foundations, like the numerous cloisters from the 8th c. The church played a significant role in this transformation, as a bishop's see or the burial church of a saint constituted a point of attraction for the local population. The antique transalpine and alpine networks of trade underwent some transitions. Goods like olive oil, high quality pottery and sea salt were no longer brought over the Alps. The eastern alpine ore deposits were not exploited on a grand scale anymore. New natural resources became important, for example the salt deposits in the northern Alps. There are some traces of exported products. The vineyards of the Southern Alps produced vine for export to the north-alpine regions and the central alpine soapstone production supplied the population of the whole mountain range with high quality cookware. In addition to this, products like cheese, wool, honey and lumber might have been exported. Alpine agriculture did not change much. Farming was based on subsistence and the surplus was sold locally to travellers or given to the owners of the land. The use of alpine pastures roots in pre-roman times and was practised continually, although the intensity of the pastoralism is difficult to estimate. Local power structures emerged out of late antique roots. In the 8th and beginning of the 9th c. the population of these parts of the Alps still spoke a roman language, were Christian and lived in a very differentiated social structure whose legal habits were based on roman law. Contrary to that, the eastern Alps saw a major cultural shift that resulted in the Slavic reign of Carantania. - Diese Arbeit wählte einen neuen Ansatz, um die Alpen in den Jahren 500 bis 800 zu beschreiben: Anstatt die einzelnen Regionen von Ost nach West - oder umgekehrt - durchzugehen und eine Herrschaftsgeschichte nach der anderen zu schreiben, wurden die relevanten Strukturen erfasst - also Zugriff, Grenzen, Verkehrsrouten, Christentum, Besiedlung, Wirtschaft, regionale Methoden der Machtentfaltung und Identitätsspuren der Bevölkerung. Diese Strukturen wurden miteinander verglichen. Dadurch war es möglich, einen neuen Zugang zu der Transformation der römischen Welt in eine frühmittelalterliche auf alpinem Gebiet zu erlangen. Um das Jahr 500 war die Bevölkerung der Alpen noch eine typisch provinzialrömische, die zwar regionale Unterschiede aufwies, sich aber in wesentlichen Punkten ähnelte: Sprache, Recht, Religion (Christentum) und Sozialstruktur. Ab dem 6. Jh. änderten sich diese Verhältnisse. Zunächst schufen die neuen politischen Bedingungen neue Zugehörigkeiten, die die Alpenprovinzen ab dem 6. Jh. an den Norden, an die Reiche fränkischer Herrschaft angliederten. Es entstanden zahlreiche Grenzpunkte Richtung Süden und später auch Osten, wo sich ab etwa 600 das awarisch-slawische Reich erstreckte. Zeuge der nun entstandenen Grenzen sind zahlreiche Höhenfestungen, eigens eingesetzte Grenztruppen und Talsperren zur Sicherung des Territoriums und der Bevölkerung. Der geänderte Blick brachte auch einige römische Alpen-Topoi zum Verschwinden, etwa den Topos der lebensfeindlichen Alpen oder von dem Gebirge als Mauern Italiens. Weitere Änderungen betrafen die Übergänge. Aus unterschiedlichsten Gründen entstanden neue Wege und alte verloren an Wichtigkeit. Ein Beispiel ist der Mont Cenis, der vor allem aufgrund der wachsenden Pilgerströme von den britischen Inseln den wichtigen römischen Alpenübergang Montgenèvre ersetzte. In den zentralen Alpen erfreute sich Churrätien, nicht zuletzt durch die stabilen politischen Verhältnisse, einer großen Beliebtheit, während Übergänge östlich davon lediglich als Nebenwege wahrgenommen wurden. Ein großer Bruch für die alpinen Menschen bedeuteten die spätantiken Veränderungen der Siedlungsstrukturen, die in allen Provinzen des ehemaligen römischen Reiches stattfanden und auch in den Alpen beobachtet werden können: die alten römischen Städte verloren ihre Substanz und verschwanden teilweise ganz, währenddessen neue Zentren erschaffen wurden, allen voran die Klöster. Einst weniger wichtige Siedlungen, wie das antike Iuvavum/Salzburg, gewannen massiv an Bedeutung, während andere römische Städte wie Teurnia, Aguntum aber auch Octodurum vergingen. Allerdings blieben die jeweiligen Siedlungskammern stets bedeutend - es ging nur die antike Stadtstruktur unter. Eine große Rolle in der Veränderung dieser Siedlungsmuster spielte die Kirche, da Bischofssitze und Kirchen von bedeutenderen Heiligen einen Anziehungspunkt für die lokale Bevölkerung darstellten. Die großen Umwälzungen der spätantiken Wirtschaft betrafen vor allem den transalpinen Handel, da viele Produkte, wie Olivenöl, hochwertige Keramik, Salz und Getreide kaum mehr über die Alpen gebracht wurden. Die lokale Landwirtschaft hingegen, die nur wenig Überschuss für Grundbesitzer und Reisende produzierte, änderte sich zunächst noch wenig. Die Bewirtschaftung mehrerer Höhenstufen bis hin zu den Almen oberhalb der Baumgrenze wurzelt in römischer und vorrömischer Zeit und blieb auch im frühen Mittelalter bestehen. Eine Spezialisierung betraf nur ganz wenige landwirtschaftliche Produkte, beispielsweise Wein und vielleicht Käse oder Wolle. Die lokalen Herrschaftsstrukturen konnten sich in den West- und Zentralalpen kontinuierlich aus ihren spätantiken Wurzeln weiterentwickeln. Im 8. und beginnenden 9. Jh. sprachen die Menschen aus diesem Teil der Alpen immer noch eine romanische Sprache, waren christlich und lebten in einer stark geschichteten Gesellschaftsstruktur, die sich laut Quellen nach spätantiken Rechtsgewohnheiten richtete. Im Gegensatz dazu erlebten
Meine Arbeit reflektiert die Auseinandersetzung von Fotografen mit der Großstadt Berlin innerhalb des Zeitraumes 1871 bis 1914. Ich untersuche anhand der Fotografien die Aussagen, die sich über die Stadtwahrnehmung ihrer Zeit machen lassen. Der Wahrnehmungsrahmen der Epoche, die durch den Wilhelmismus einerseits und den Anbruch der Moderne in der Welt der Medien andererseits charakterisierbar ist, führt zu Konditionierungen von Fotografen und Rezipienten der Fotografien. Die gegenseitige Abhängigkeit dieser Elemente wird anhand ihrer fotografischen Äußerungen gezeigt und Thesen zu deren Aussagen über ästhetische Fragen, Großstadtwahrnehmung und Moderne aufgestellt. Die spezifischen Möglichkeiten des Mediums werden dabei berücksichtigt. Voraussetzung dieser Beobachtungen ist die Grundannahme, daß die Fotografen zum einen ihr eigenes Verhältnis zur Welt durch die Fotografien strukturieren (aufgrund tradierter Darstellungskanones oder aufgrund eigener Inventionen), zum anderen aber auch Welten schaffen, für die sie selbst noch keine Begriffe haben. Auf diese Weise greifen sie in die Zukunft und schaffen Bildwelten, deren Gehalte sich erst späteren Generationen eröffnen. In der Gesamtheit der betrachteten Bilder ergibt sich ein Ausschnitt der visuellen, aber daraus abgeleitet auch des kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Kosmos der Berliner Kaiserzeit. Die Arbeit nimmt erstmals eine umfassende Bestandsaufnahme Berliner Stadt- und Architekturfotografie vor und hat zum Ziel, die Schwerpunkte des medial erfaßten Goßstadtbildes zu zeigen. Sie verweist sowohl auf die allgemein für Großstadtphotographien typischen Pheonomene (beispielsweise das für den Tourismus bestimmte, idealisierende Photo) als auch auf die zwar literarisch behandelte, jedoch nur spärlich photographisch berücksichtigte Realität der Metropole, die Armut, die Randgebiete und das nächtliche Leben. Die Gliederung der Arbeit ist thematisch und ergibt sich anhand der Untersuchung überwiegend unveröffentlichter Stadt- und Architekturfotografien (von der eleganten Lichtdruck-Mappe über die Postkarte und das Pressefoto zum privaten Schnappschuß) der acht bedeutendsten Berliner fotografischen Sammlungen. Die methodische Einführung erläutert den grundsätzlich kunsthistorischen, aufgrund des Betrachtungsgegenstandes jedoch multidisziplinären Ansatz der Arbeit. Ihr schließen sich vier Kapitel an, die folgende Schwerpunkte behandeln: 1. Die Verbreitung des Berlin-Bildes durch moderne Reproduktionsverfahren, insbesondere dem Lichtdruck und der Illustrierten Presse (Bilder des Großstadtlebens); 2. Die fotografische Verarbeitung der massiven Abbruch- und Neubauvorgänge in Berlin (Die Stadt als Palimpsest); 3. Die amateurhafte und künstlerische Reflektion von Stadtrand und Fauna im städtischen Raum (Stadt, Natur, Stadtlandschaft); und schließlich 4. Die Auseinandersetzung mit Wohnungselend in Berliner Mietskasernen durch Fotodokumentation (Das steinerne Berlin – Die andere Seite der Gesellschaft). Der Erkenntnisgewinn ergibt sich anhand von formalen, sachlichen und inhaltlichen Vergleichen des Berliner Materials mit Beispielen aus der Malerei (Natur-Kapitel), aus anderen Städten (Die andere Seite der Gesellschaft), unterschiedlicher Reproduktionsverfahren (Großstadtleben) und verschiedener Herangehensweisen (dokumentarisch/künstlerisch) von Fotografen (Palimpsest). Das Ergebnis besteht nicht allein in einer zeithistorischen Erkenntins zum So-sein von Stadt der Wilhelminischen Ära, sondern auch in der Entdeckung der Manifestation von Raumverlust und wachsender Beschleunigung im modernen urbanen Raum anhand der Bildorganisation und der Bildinhalte. ; In this study, photography is interpreted as a parameter within a cultural context and a reflector of the dramatic changes in society stirred by urbanization and industrialization in the modern age. Berlin city photographs, whether an image of a monumental landmark or of the urban periphery, equally reveal changes in the city, in its formal depiction, and in modes of visual perception. Evidence of these changes varies, looked at them as a whole body, from motion captured in images to the lost depth of space they employ in abstracting their subject. The doctoral dissertation approaches city photography based upon certain cultural and political premises. During the period following the German Empire's founding in 1871, the nation was subject to massive cultural, political, and social changes. Drastic alterations to the city's shape began to appear during the first half of the 19th century and reached a peak at its end. Berlin's face and structure changed from that of a provincial capital of the Prussian kingdom into a heavily industrialized metropolis. Photography was invented in 1839 and developed within thirty years. It moved from being a means of and subject to mostly technical experimentation and entrepreneurism to being a serious means of image-making, rivaling painting and other media. Not only for painters and etchers, but also for the press and a new group of amateur image-makers, photography became an important tool and means of expression. It provided a forum for diverse ways of city presentation, from the postcard to the snapshot to the pictorialist platinum print. This phenomenon challenged concepts of authorship and representation. From these general premises that typify transformations of European capitals into modern, industrialized places, the dissertation focuses on Berlin's situation. After an introduction to the methodological grounds for the study, Berlin city photographs are discussed in four thematic chapters that each evidence the working premises in different ways. Images of the Modern Metropolis discusses the city as a subject of commercial photographic imagery; the form and strategies of distribution of the city image; and the lively, mostly technically and scientifically oriented photography community in Berlin during the end of the 19th century. The City as Palimpsest examines the destruction and new construction of Berlin's architectural and urban fabric as how it was reflected in the photograph. It focuses on the artistic and sentimental treatment of the historic city by pictorialists and preservationists. In this chapter, the city presents itself not as a new metropolis, but as a "palimpsest", a ground for several layers of past "cities" that get destroyed and rebuilt over and over again. Photography in this context performs a stretch between serving as an objective tool of documentation and a means for idealization. An important issue of Berlin's photographic imagery is the periphery and the parks of the city. City, Nature, Cityscape reflects the presentation of nature in an urban context and the ambiguity of its representation as artistic "landscape" or mere "nature". Berlin's periphery turns out to be the playground for the most experimental approach to city photography. Photography and painting both prove to be witnesses and voices to a new artistic development which is best described as the growing importance of the banal, the random. A second subject discussed in this chapter is the increasing popularity of snapshot photography that is created during weekend excursions to Berlin's outskirts. Industrialization brought new social issues to the city's agenda. More modest than a work such as Jacob Riis' book "How the other half lives," which documented the conditions in New York's tenements, a local health insurance company in Berlin initiated a research project to bring light to the interconnection between illnesses and living conditions in that city's tenements. Stony Berlin – How the Other Half Lives compares the insurance company's study with Jacob Riis' effort and similar work in Vienna by Hermann Drawe. The approach in the Berlin case can best be described as comparatively fact-oriented and by all means "objective", whereas Riis and Drawe both used the medium from a rather editorial stance. For each of these four chapters, a small selection of photographs was made from the totality of eight major Berlin photo collections. The photographs are understood as rooted in the recognition of their complex cultural webbing; and as subjects in a dialogue with the observer. The dissertation's methodology is cultural historical, recognizing the importance of a comprehensive understanding of the medium instead of limiting its history to single individuals and their oeuvre.
Die Annexion der Krim und Russlands Krieg gegen die Ukraine haben eine Diskussion darüber entfacht, ob der Westen eine Mitverantwortung für die militärische Eskalation trägt. Eine Position lautet, Russlands Elite fühle sich durch die Osterweiterung der NATO bedroht. Der Westen habe gegenüber Moskau die Zusage aus den "2+4"-Verhandlungen gebrochen, die NATO nicht nach Osten zu erweitern. Diese Interpretation entbehrt jeder Grundlage: Eine derartige Zusage gab es nicht. (Osteuropa (Berlin) / SWP)
Was sind also die Perspektiven, nachdem die Beitrittsverhandlungen mit der EU begonnen haben, und die Raketenstationierung angekündigt ist? Wenn es die Absicht der griechisch-zyprischen Seite gewesen sein sollte, mit der Rüstungsmaßnahme die internationale Öffentlichkeit dazu zu bewegen, die Vermittlungsbemühungen im Zypernkonflikt zu intensivieren, so ist zunächst einmal das Gegenteil der Fall. Der Staatengemeinschaft ist bewußt geworden, wie konfliktträchtig das Zypernproblem ist. Das hat sicherlich dazu beigetragen, daß sich in der Europäischen Union die Stimmen mehren, die gegen den EU-Beitritt einer geteilten Insel sind. In diesem Sinne ist wiederholt Außenminister Kinkel zu vernehmen gewesen. Ebenso hat Frankreich anläßlich der Ratstagung von Edinburgh im März 1998 versucht, auf ein Junktim für die weiteren Beitrittsverhandlungen mit Zypern zu setzen: Es solle keine Verhandlungen mehr geben, wenn die türkischen Zyprer nicht teilnähmen. Frankreich hat seine Bedenken anläßlich der Ratstagung am 5. Oktober 1998 wiederholt. Bis auf Griechenland wurde es von den übrigen EU-Staaten unterstützt. Es steht also ein Verhandlungsmarathon mit ungewissem Ausgang bevor. Griechenland kann zwar im Rat bzw. Europäischen Rat Druck ausüben, um die Beitrittsverhandlungen zu forcieren. Ein solcher Einfluß auf die nationalen Parlamente ist indessen nicht gegeben. Es ist daran zu erinnern, daß der Beitritt neuer Mitgliedsstaaten der Ratifikation des Beitrittsvertrages in allen fünfzehn Parlamenten der EU-Staaten bedarf. (SOI : SOEU: S. 501f.)
In: Integration: Vierteljahreszeitschrift des Instituts für Europäische Politik in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Europäische Integration, Band 28, Heft 2, S. 150-161
Bemühungen zur Integration der Patientenperspektive im Gesundheitswesen haben in Anbetracht des Spannungsfeldes zwischen medizinischer Kompetenzhoheit und der Rolle des Betroffenen als Koproduzent seiner Gesundheit eine Vorgeschichte, die so alt erscheint, wie die Medizin selbst. Jüngst wird die Integration der Patientenperspektive in Deutschland dem Jahr 2003 zugeordnet, in dem zum ersten Mal Informations-, Aufklärungs- und Integrationspflichten gegenüber Patienten gesetzlich vorgegeben wurden. So unterstützt die politische Verankerung der Patientenintegration die Effektivität des Gesundheitssystems im Sinne einer patientenorientierten Versorgung. Der Begriff der seltenen Erkrankungen subsumiert eine Vielzahl an Erkrankungen. Ausschlaggebend ist hier das Kriterium der teils landesspezifisch definierten Prävalenz. In der Europäischen Union spricht man von einer seltenen Erkrankung ab weniger als fünf Betroffenen je 10.000 Einwohner. In Deutschland sind demnach circa vier Millionen Menschen betroffen. Diese leiden meist unter chronischen Leiden mit genetischem Ursprung und schwerwiegendem Verlauf, deren Symptome und alltägliche Herausforderungen je nach Subpopulation variieren. Aus diesen Gründen wurden politische Maßnahmen implementiert, wie beispielsweise der Deutsche Nationale Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen oder gesonderte Zulassungsverfahren für medizinische Interventionen, mit dem Ziel, der Unterdeckung wissenschaftlich belegter Versorgungsbedarfe entgegen zu wirken. Neue Versorgungsstrukturen bergen die Chance unter Berücksichtigung knapper Ressourcen eine besonders bedarfsgerechte Versorgung mit Hilfe der Integration der Patientenperspektive zu entwerfen. Gerade hier gilt es die Berücksichtigung der Patientenperspektive sowie die Verwendung angemessener Methoden wissenschaftlich zu begleiten und zu unterstützen. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist daher, aktuelle Entwicklungen zu untersuchen und fundierte, praxisorientierte Methoden der direkten und systematischen Integration von Patientenperspektiven aus Sicht der Gesundheitsökonomie exemplarisch für den Bereich der seltenen Erkrankungen aufzuzeigen. Diese kumulative Doktorarbeit umfasst neun Module. Modul 1 zeigt zunächst aktuelle Entwicklungen und methodische Alternativen der Integration der Patientenperspektive anhand des frühen Nutzenbewertungsverfahrens bei Arzneimitteln für seltene Erkrankungen. Im Anschluss werden Potentiale der Anwendung verschiedener Methoden der direkten und systematischen Integration der Patientenperspektive aus Sicht der drei gesundheitsökonomischen Ebenen, Mikro-, Meso- und Makroebene, vertiefend dargestellt. So zeigt Modul 2 zunächst auf Mikroebene die Bedeutung verschiedener Informationszugangswege für Betroffene seltener Erkrankungen und dass als erste Anlaufstelle die Internetinformation genutzt wird. Hier wird deutlich, dass die Berücksichtigung des in Modul 3 aufgezeigten Qualitätskriterienkataloges zur Einschätzung der Informationsqualität bei dürftiger Informationsbasis im Kontext seltener Erkrankungen als besonders relevant einzustufen ist. Im folgenden Schritt tritt die Interaktion mit dem Arzt in den Vordergrund. Mit Hilfe des Konzeptes der partizipativen Entscheidungsfindung können die durch Betroffene gesammelten Informationen im Versorgungskontext miteinfließen (Modul 4). Auf Mesoebene erweist sich das Analytic Hierarchy Process Konzept als besonders geeignet, um patientengetragene, transparente Entscheidungen im Versorgungskontext zu integrieren (Modul 5, 7). Bei der Wahl des Verfahrens ist insbesondere die Schwere der Krankheitslast zu berücksichtigen, da bei einem chronischen und schwerwiegenden Verlauf der seltenen Erkrankung die Zumutbarkeit des Verfahrens relevant ist (Modul 6). Auf Makroebene bestätigt sich am Beispiel eines Informationstelefons zu seltenen Erkrankungen der Nutzen qualitativer Verfahren zur Integration der Patientenperspektive bei der Konzeptionierung neuer Versorgungsstrukturen (Modul 8). Modul 9 zeigt wie quantitative Präferenzmessmethoden und qualitative Methoden ineinandergreifen können, um innovative Versorgungsstrukturen nahe am Bedarf der Betroffenen zu etablieren. Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass bei der Integration der Patientenperspektive im Bereich der seltenen Erkrankungen gerade Patientenpräferenzen sowie die Patientenzufriedenheit bereits jetzt deutlicher Berücksichtigung finden könnten. Forschungsbemühungen können den politischen Verankerungsprozess weiter unterstützen. Bei der Zusammenfassung aufgezeigter Methoden als Teil von Methodenkatalogen gilt es, auch auf weitere Erhebungsmöglichkeiten und deren Vor- und Nachteile zu achten sowie prävalenzabhängiger Empfehlungen für den sinnvollen und zielorientierten Einsatz im Bereich seltener Erkrankungen zu etablieren. Die indikationsübergreifende Aktualität der Thematik der Integration der Patientenperspektive zeigt sich bei der Entwicklung und Implementierung neuer Versorgungsstrukturen unter Berücksichtigung steigender Finanzierungsbedarfe unter der Prämisse konstanter Beitragssätze. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Begleitung und gesundheitsökonomischen Evaluation scheint es demnach von höchster Relevanz stets zu hinterfragen, ob die zielgerichtete Versorgungsstrukturausrichtung am Bedarf, der direkt am Patienten erhobenen wird, die Chance birgt, das Gesundheitssystem noch effizienter zu gestalten. ; Efforts to integrate patient perspectives into health care have a long history, seemingly as old as medicine itself, and include striking a balance between medical sovereignty and patients as co-producers of their own health. In Germany, a law was passed in 2003, requiring for the first time the integration of patient perspectives, including patient information, medical enlightenment and integration requirements. In this regard, the political anchorage of integrating the patient's perspective seeks to endorse the affectivity of health care systems in the sense of patient-centred care. The terminology of rare diseases summarizes a variety of diseases. The decisive criterion is the prevalence rate, partly defined at a country level according to a set prevalence standard. In the European Union, a disease is defined as rare when it affects less than five in 10,000 people. Therefore, in Germany, approximately four million people are affected by a rare disease. Those affected predominately suffer from chronic and severe diseases with a genetic origin, whose symptoms and daily challenges vary depending on the subpopulation. Thus, policy measures have been implemented; for example, the German National Action Plan for Rare Diseases, or specific approval procedures for medical interventions, which aim to counteract the deficit in scientifically revealed health care service needs. For this very reason, new health care structures provide the opportunity to conceptualize a particularly needs-oriented health care system with the help of patient integration. As such, the integration of patient perspectives and the utilization of appropriate methods need to be scientifically monitored and endorsed. Therefore, the aim of the underlying thesis is to examine recent developments and to point out profound, practice-oriented methods for the direct and systematic integration of patient perspectives from the perspective of health economics exemplary in the field of rare diseases. This cumulative doctoral thesis comprises nine modules. Module 1 highlights the recent developments and methodological alternatives regarding the integration of patient perspectives based on the example of the early benefit assessment process for pharmaceuticals used in the treatment of rare diseases. Further, the potential of different methodologies for the direct and systematic integration of patient perspectives are outlined in-depth from the standpoint of the three health economic levels, micro, meso, and macro level. In this regard, Module 2 presents the different information-access points for people affected by rare diseases, with information from the Internet as the first point of contact. It is at this point that the rendered quality criteria catalogue for the assessment of information quality, presented in Module 3, proves to be of particular relevance in the context of rare diseases. In the next step interactions with physicians come to the fore. With the help of the shared decision-making concept, the information collected from patients can be fed into the context of health care services (Module 4). At a meso level, the concept of the analytic hierarchy process shows to be particularly suitable for the direct integration of patient-supported transparent decisions (Modules 5, 7). When choosing a methodology, it is of particular importance to consider the severity of the disease, as in the case of a chronic and severe course of the rare disease the reasonableness of the approach is of relevance (Module 6). At a macro level, the example of a helpline for rare diseases validates the benefits of qualitative methods for the integration of patient perspectives into the development of innovative health care concepts (Module 8). Module 9 demonstrates how quantitative preference measurement methods and qualitative methodologies can engage with each other to establish innovative health care structures that are close to the needs of patients. In conclusion, it can be determined, that patient preferences and patient satisfaction as part of the integration of patient perspectives within the field of rare diseases could be integrated already clearer. Comprising the shown methods during the development of best practice handbooks, further survey methods and their pros and cons shall be examined, as well as prevalence-related recommendations for reasonable and targeted application in the field of rare diseases. The actuality of the topic indications of patient perspectives integration across various indications can be observed in the development of innovative health care structures, such as for example the latest online health coaches or health apps, while also considering the increasing financial requirements under the premise of retaining constant health insurance contribution rates. Within the scope of scientific monitoring and health economic evaluation, it therefore seems to be of highest relevance to always challenge whether the targeted health care structure alignment with the needs directly expressed by patients bears the chance to organize the health care system even more efficiently.
Die Dissertation widmet sich der Eisenbahninfrastruktur des Raumes Saarland-Lothringen-Luxemburg mit ihrer hohen Netzdichte sowie der Frage, wie diese Bahnstrecken besser genutzt werden können. Möglichkeiten, wie diese Strecken durch innovative, insbesondere aber durch grenzüberschreitende Angebote im Schienen-¬verkehr besser genutzt werden können, werden aufgezeigt. Ziel ist es zu zeigen, welche Potenziale der Schienenverkehr auf Basis der vorhandenen Bahninfrastruktur als Alternative zum dominierenden Straßenverkehr bieten könnte. Der Grenzraum SaarLorLux wird dazu porträtiert, einschließlich einer historischen Genese des Bahnsystems. Dieser historische Rückblick ist kartographisch aufbereitet. Die wechselhafte politische und wirtschaftliche Geschichte des Grenzraumes, insbesondere seine Montanindustrie haben den Untersuchungsraum und die Entwicklung seiner Eisenbahnen entscheidend geprägt. Neben den neuen und schnellen Korridor-Verbindungen nach Paris und Frankfurt wird auch eine gegenläufige Entwicklung aufgezeigt, die zu einem Einbruch der Fernverkehrsqualität für SaarLorLux geführt hat. Auch beim Güterverkehr ist ein Niedergang zu beobachten, gerade im Bereich der Güter in der Montanindustrie. Die Analyse des Bestandsnetzes der gesamten Verkehrsinfrastruktur einschließlich Luftfahrt, Schifffahrt und Straßenverkehr im SaarLorLux-Raum zeigt auf, welche Standards und Verbindungsqualitäten hier vorhanden sind. Ein Schwerpunkt der Betrachtung ist der Frage gewidmet, wie durch angebotsorientierte, aber auch durch organisatorische Maßnahmen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Schienenregionalverkehr optimiert werden kann. Am Beispiel eines Ringverkehrs Luxemburg-Metz-Saarbrücken-Trier-Luxemburg (Q_Intracity) zeigt der Autor, welche Chancen sich ergäben, wenn die grenzüberschreitende Kooperation ausgeweitet würde. Weitere Vorschläge betreffen die Reaktivierung von derzeit kaum genutzten oder stillgelegten Bahnstrecken sowie die Verlängerung des bestehenden Nahverkehrs über die Grenze hinweg. Für den Saar-Rossel-Raum im Eurodistrikt Saarbrücken-Forbach erläutert die Abhandlung beispielhaft, wie ein neues Stadtbahnangebot die grenzüberschreitende und umwelt-¬freundliche Mobilität stärken kann. Dabei spielt die Wiedernutzung stillgelegter Bahnstrecken der ehemaligen lothringischen Kohlebahn HBL und des Bahnnetzes links der Saar eine große Rolle. Die vorgelegte Arbeit skizziert auch Verbesserungen für den Fernverkehr: Die Abhandlung umreißt die technischen Möglichkeiten, um vorhandene Bahnstrecken zeitgemäß auszurüsten. Die Elektromobilität spielt hierbei eine besondere Rolle Das Schließen von Lücken bei der Elektrifizierung vermag die Kapazitäten der Bahnstrecken deutlich auszudehnen und gerade auch dem Güterverkehr neue und günstigere Wege zu erschließen. Die ermittelte Elektrifizierung von rund dreihundert Kilometern an bestehenden Strecken im Unter-¬suchungsraum ermöglichte beispielsweise, den regelmäßigen Dieselbetrieb auf einem Netz von fast 500 Kilometern durch elektrische Traktion zu ersetzen. Ausgehend von der Analyse der Organisationsstruktur im Schienenverkehr und mit Blick auf die heterogene Struktur der Aufgabenträger im Schienenpersonennahverkehr schlägt der Autor vor, eine grenzüberschreitend agierende Instanz mit Verantwortung für den regionalen Nahverkehr zu schaffen. Diese sollte sich an dem Rechtsrahmen eines Europäischen Verbundes für Territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) ausrichten und dazu beitragen, dass Angebote im bestellten Schienen-¬personennahverkehr nicht mehr an den Grenzen der Zuständigkeitsbereiche von Aufgabenträgern enden. Ein weiterer Vorschlag umfasst die Schaffung einer Infrastruktur-Sicherungs- und Entwicklungs-¬gesellschaft für den Schienen-verkehr. Ihre Aufgabe sollte die akteursüber-¬greifende Initiative sein mit dem Ziel, vorhandene aber aus der Nutzung genommene Bahnstrecken vor dem Verfall zu retten und für eine spätere Nutzung aufzuwerten. Die Abhandlung beinhaltet eine erste Kostenschätzung und eine erste Priorisierung der vorgeschlagenen technischen, infrastrukturellen und administrativen Maßnahmen. Das Leitmotiv ist dabei Erhalt vor Neubau. Neubaustrecken sind nur in geringem Umfang von 32 Kilometern vorgesehen, wohingegen auf rund 165 Kilometern bestehender Trassen ein Personen-¬verkehrsangebot wieder aufgenommen werden sollte und mindestens 50 neue Bahnhöfe und Haltestellen zu errichten sind. Der Autor ermittelt einen Bedarf von rund 500 Kilometern, um Strecken mit moderner Leit- und Sicherungstechnik, Funkbetrieb und Gleiswechselbetrieb zu modernisieren. Die Dissertation versteht sich als ersten Beitrag, um für den SaarLorLux-Raum einen Masterplan Schiene zu verwirklichen. Die Abhandlung beinhaltet 147 überwiegend kartographische Abbildungen und 23 Tabellen. Im Anhang greift ein Kartendossier im Format DIN A 3 15 Karten aus der Abhandlung großformatig auf. ; The principal focus of this thesis is the railway infrastructure of the Saarland-Lorraine-Luxemburg region (SaarLorLux), with its remarkably high network density, and also the consideration of how better to use this infrastructure. The author demonstrates the need to safeguard these assets while also describing how to maximise the use of this infrastructure by means of innovative and cross-border structured train offers. The thesis begins with a theoretical approach highlighting the need for a multifunctional urban agglomeration for good railway infrastructure and attractive train offers. The author then verifies the degree of realisation of this theoretical conception within the chosen study region of the SaarLorLux area, comparing it with other metropolitan regions in Europe structured by equal properties. A historical review of the study area describes the genesis of its railway system. The changing political history of the border area and its coal, iron and steel industries play a decisive role in this historical abstract. The introduction of electric powered railway vehicles, from the 1950s, offered new opportunities for railway services but could not halt the decline and marginalization of the railway, in contrast to rising individual motor traffic. Since 2007, high speed services linked to the new TGV Est railway line, brought a new dimension of long distance train services to the study region and changed its positioning in Europe. The thesis also demonstrates how the quality of train offer in long distance services has deteriorated in spite of new and fast corridors to Paris and Frankfurt. Freight haulage also deteriorated following the decline of the coal, iron and steel industry and especially the transport of coal and iron ore called Minette. A further analysis of the transport network, including air traffic, inland water transportation and road traffic, demonstrates the standard and quality of transport services in the SaarLorLux area. It is the basis for the study of the potential for better use of the existing railway infrastructure. The study considers the question of how cross-border cooperation and new train offers would optimise the quality of regional cross-border railway services. The author highlights the example of the circular Luxemburg-Metz-Saarbrucken-Trier-Luxemburg line (Q_Intracity), whose benefits are realised by improved cross-border collaboration. Other proposals contain the reactivation of railway lines which have been abandoned or are now less used, the extension of regional train services beyond existing borders and into neighbouring countries. Consequently, this thesis proposes another circular rail service for the Saar-Rossel area inside the Eurodistrict of Saarbrucken-Forbach in order to sustain cross-border and eco-friendly mobility. For this project, it is important to reuse abandoned lines from the former coal mining rail network and a number of lines along the Saar River. This thesis also considers long distance traffic. The reorganisation of train services could help improve connections between the study region and other metropolitan areas in Europe. The thesis therefore outlines the technical capabilities of upgrading the existing railway lines to modern standards. Electrification plays an important role. Closing the remaining gaps in electrification would considerably strengthen the capacity of the railway network and make new routes accessible, especially for freight transport. The electrification of about three hundred kilometres of existing railway would allow, for example, the replacement of diesel powered traction on approximately five hundred kilometres of the network. With regard to the organisational structure of rail transport, and especially the heterogenous authorities in charge of regional train transport, the author proposes establishing a cross-border institution with responsibility for regional public transport. This agency would be based on the judicial framework of a European Grouping of Territorial Cooperation (EGTC) with the objective to ensure that public railway services do not stop at regional boundaries. Another proposal concerns the creation of a railway infrastructure safeguarding and development company. Its aim should be the involvement of all stakeholders in halting the deterioration of less used or abandoned railway lines, with the aim of developing and preparing these lines for future use. The study includes an initial estimate of costs and a prioritization of the proposed technical, infrastructural and administrative measures. The objective is "preservation before reconstruction". The author proposes the construction of just 32 kilometres of new track, whereas the reopening of train services could be realised on about 165 kilometres of track ,with the construction of 50 new stations. The upgrading of railway lines is necessary along approximately 500 kilometres of track, including the installation of modern train control and signalling technology, new radio standards and tracks that can be used in both directions without restrictions. This study aims to contribute some first basic principles dedicated to the SaarLorLux area for a railway master plan for the Greater Region (Grande Région/Großregion). How this master plan could be organised is shown at the end of the thesis by making ten cases concerning the future development of the railway in the study area as core space of the wider region. The thesis includes 147 mostly cartographic figures and 23 tables. 15 maps are also reproduced in a higher resolution in the appendix.
Die vorliegende Arbeit ist ein Beitrag zum Studium der Beziehung zwischen Tradition und Moderne in der 1. Hälfte des 20. Jh. am Beispiel des Lebenswerkes des rumänischen Architekten und Intellektuellen George Matei Cantacuzino (geb. 1899 in Wien, gest. 1960 in Jassy). G. M. Cantacuzino (im Text GMC genannt) gilt in Rumänien als Doyen der Moderne und als bedeutendster Architekturtheoretiker des Landes. Leben GMC studiert Architektur an der Pariser École des Beaux-Arts (1920-1929), zuerst beim erzkonservativen Gustave Umbdenstock. Doch es sind zwei liberal eingestellte Professoren, die GMC am stärksten prägen: der Bauhistoriker und Theoretiker Georges Gromort sowie der Praktiker Roger-Henri Expert. In Rumänien entfaltet GMC eine reichhaltige schöpferische Tätigkeit als Architekt, Theoretiker, Kritiker, Übersetzer, Maler, Kurator, Pädagoge und Politiker. Seine Bauten, Schriften und das Konzept der klassischen Haltung begründen GMCs Autorität als unangefochtene integrative Leitfigur der jungen rumänischen Architekturszene der 1930er Jahre. 1928 legt er einen Palladio-Essay vor (in Französisch), 1947 stellt er die erste Vitruv-Übersetzung ins Rumänische fertig. 1934-1936 ist GMC erster rumänischer Korrespondent der L´Architecture d´aujourd´hui, 1937-1940 Chefarchitekt der rumänischen Eisenbahngesellschaft CFR, 1942-1948 Professor für Geschichte und Theorie der Architektur in Bukarest. 1920-1940 unternimmt er zahlreiche Studien- und Arbeitsreisen in Europa, nach Vorderasien und in die USA. 1939-1947 entwickelt sich GMCs Kulturzeitschrift Simetria zu einer Zentrale des "ästhetischen Widerstandes" gegen Faschismus und Kommunismus. Nach seiner Inhaftierung als Regimegegner (1948-1954) lebt und arbeitet er meist am Rande der Gesellschaft (1954-1957 beim Denkmalschutzamt) bis zum frühen Tod (1960). Architektur GMC-Bauten sind gekennzeichnet von kompositorischer Ausgewogenheit und Dichte, von ruhiger, diskret ornamentierter Baumassenästhetik und von Materialethik. Dabei nimmt GMC als Epochenskeptiker, der dem «élan vital» Henri Bergsons verpflichtet ist, Abstand davon, den Stilbegriff auf die Dynamik zeitgenössischer Architektur zu übertragen. In der Folge weist GMCs thematisch breit gefächerte Architektur durch seine gesamte Laufbahn hindurch zwei formalästhetische Konstanten auf: den historischen Palladianismus und Syntheseversuche zwischen früher Moderne, spätbyzantinisch-rumänischen und klassizistischen Traditionssträngen. Beeinflusst ist GMC auch von Le Corbusier, v. a. aber von der Groupe des Architectes Modernes um Perret, Garnier, Sauvage und Expert sowie von der Schinkel-Semper-Wagner-Loos-Schule. Eine klassische Haltung GMCs Schaffen wird von einer linksliberalen politischen Überzeugung getragen und von freimaurerischem Gedankengut inspiriert. Ihnen liegt das Konzept einer klassischen Haltung zugrunde, die Tradition mit Moderne verknüpft und Ästhetik an Ethik bindet. Damit belebt GMC zwei antike Begriffe wieder: die aristotelische Auffassung von Architektur als eine pragmatischen Kunst und den vitruvianischen Symmetriebegriff als geglückte Proportion und dynamisches Gleichgewicht. Als baugeschichtlich-philosophischer Interpretationsansatz (in Bezug auf das Studium von Klassikern und die anthropologisch gebundenen formalästhetischen Kompositionsprinzipien wie Proportion, Rhythmus und Harmonie) bildet die klassische Haltung eine Grundlage für den Architekturentwurf. Dieser gründet auch auf der Architektenpersönlichkeit und dem Aufgabenkontext (u.a. Landschaft, Kultur, Stadttextur, Baustoffe). Kulturpolitisch erscheint die klassische Haltung als eine Strategie zur architekturkulturellen Erneuerung und als ein Versuch, die Vision eines plurikulturellen Rumäniens architekturkulturell zu gestalten. Dabei löst GMC den Konflikt zwischen rumänischem Heimatstil und Internationalismus, indem er sie nicht als festgefügte Stile, sondern als Strömungen behandelt. Darüber hinaus sind für ihn Tradition und Moderne nicht gegensätzlich, sondern gegenseitig, da wesensverschieden. Mit der klassischen Haltung bietet GMC einen Beitrag zur Klassik-Debatte (Wölfflin, Klopfer) und zur Diskussion des "Rappel à lordre" (Cocteau). In Bezug auf die theoretische Auseinandersetzung mit Leitbegriffen der Architektur lässt sich auch eine bemerkenswerte Nähe zu Rudolf Wittkower ausmachen. Als Erneuerungsstrategie kann die klassische Haltung verglichen werden mit Schinkels Theorie der Verschmelzung zwischen Antike und Gotik, der "Theorie widerstreitender Kräfte" von Colin Rowe und Fred Koetter, dem Kritischen Regionalismus oder mit Gerd de Bruyns Klassizismus-Begriff. Ein bemerkenswertes kulturpolitisches Echo findet GMCs transformatorische Rückbesinnung auf die vitruvianische Symmetrie auch im Begriff der "Dialogik" (Edgar Morin 1988) als ein Kennzeichen der europäischen Kultur: "Europa symmetrisiert" (GMC 1947). ; This study of the work of the Romanian architect and intellectual George Matei Cantacuzino (b. 1899 in Vienna, d. 1960 in Jassy) aims at deepening the insight into the relationship between Tradition and Modernism during the first half of the 20th century. G. M. Cantacuzino (referred to as GMC in the text) is acknowledged for being one of the doyens of Modernism in Romania and the pre-eminent architectural theoretician in that country up to the present day. Life GMC studied architecture at the Parisian École des Beaux-Arts (1920-1929), starting as an élève in the class of the arch-conservative Gustave Umbdenstock. But GMCs way of thinking about architecture was in large measure shaped by two liberal professors: the historian and theoretician Georges Gromort, and the practising architect Roger-Henri Expert. Back in Romania, GMC performed a fruitful diversity of creative activities as an architect, theoretician, critic, translator, teacher, painter and politician. It is by virtue of his buildings, writings and Classical attitude, that he earned his reputation as unchallenged integrative leader of the young Romanian architectural scene of the 1930s. In 1928, he published a critical essay on Palladio (in French), in 1947 he accomplished the first translation into Romanian of Vitruvius. With L´Architecture d´aujourd´hui, he became the first Romanian correspondent of the magazine (1934-1936). He also went on numerous study journeys through Europe, the Middle East and the USA (1920-1940). Additionally, GMC was chief architect of the Romanian Railway Company CFR (1937-1940), and professor of history and theory of architecture in Bucharest (1942-1948). His cultural magazine Simetria (1939-1947) became a sort of centre of the "Aesthetics of Resistance" (Peter Weiss) against Fascism and Communism. After his imprisonment due to his opposition to the regime (1948-1954), GMC first worked for the Commission of Historic Monuments (1954-1957) and then experienced social exclusion until his untimely death (1960). Architecture GMC´s projects are marked by compositional balance and density, the aesthetic principle of discreetly ornamented, simplified mass, and the material ethics. At the same time, GMC proved sceptical towards epoch labels. Very much affected by the "élan vital" coined by French philosopher Henri Bergson, GMC refused to apply the term "style" to the dynamism of contemporary architecture. Actually, his wide-ranging architecture aroused particular interest with Palladianism and various attempts at a synthesis between Modernism, late Byzantine-Romanian traditions and Classicism. Although being impressed by Le Corbusier, GMC was rather influenced by two other mouvements: the Groupe des Architectes Modernes with Perret, Garnier, Sauvage and Expert, and the school of Schinkel-Semper-Wagner-Loos. A Classical attitude GMC´s wide range of activities was inspired by a liberal polical attitude and freemasonic thinking. These were backed by the concept of a Classical attitude, which links modernism to tradition, and binds aesthetics to ethics. Thus GMC revived two antique ideas: the Aristotelian notion of architecture as a pragmatic art, and the Vitruvian symmetry as happy proportion and dynamic balance. As a concept of historical and philosophical interpretation (referring to the study of classics and aesthetic principles of composition as proportion, rhythm and harmony) the Classical attitude contributes to the act of designing which is further based on the personality of the architect and on the context of the project (i.e. landscape, culture, urban fabric, materials). In terms of cultural and educational policy, the Classical attitude might be interpreted as a strategy for an architectural and cultural rejuvenation, and as an architectural cultural attempt at designing the vision of a pluricultural Romania. For GMC offered a solution to the conflict between neo-Romanian Heimatstil and Internationalism: He considered them not as already fixed styles, but as movements. Tradition and Modernism, as GMC saw them, were not at all opposed to each other, but were, being different in nature, rather complementary to each other. With the Classical attitude GMC contributed to the debates on Classicism (Wölfflin, Klopfer) and on the "Rappel à l´ordre" (Cocteau). In terms of architectural theory, there is an astonishing closeness to Rudolf Wittkower. As a strategy for an architectural and cultural rejuvenation, the Classical attitude might be related to Schinkel´s theory of fusing of Greek Antiquity and Gothic, to the "theory of contending powers" of Colin Rowe and Fred Koetter, to Critical Regionalism or to Gerd de Bruyn´s notion of Classicism. Eventually, in a cultural and political sense, GMC´s recollection of the antique notion of symmetry astonishingly echos the notion of "dialogic" coined by French philosopher Edgar Morin (1988) as a character trait of European culture: "Europe symmetrisizes" (GMC 1947).
1. Kapitel: Einleitung Das Kapitel der Einleitung erläutert die Zielsetzung und Fragestellung dieser Arbeit unter Angabe der verwendeten Primärquellen, zu denen die Zeitungsartikel, Archivdokumente, die Transkriptionen der qualitativen Interviews gehören sowie den aktuellen Forschungsstand. Ziel dieser Arbeit ist es zum einen, auf inhaltlicher Ebene die Auto- und Heterobilder sowie Stereotype in der westdeutschen und britischen überregionalen Presse herauszuarbeiten und diese vor dem Hintergrund des außenpolitischen bilateralen Verhältnisses zu interpretieren. Zum anderen sollen jene Eigen- und Fremdbilder strukturell in die Argumentationen der jeweils nationalen Pressetexte eingeordnet werden und auf ihre Funktion hin überprüft werden. In der vorliegenden Dissertation wird angenommen, dass Stereotype und Bilder "des Anderen" gezielt in die Argumentationen der nationalen Pressetexte eingebettet sind und dort argumentative Funktionen erfüllen, wie etwa die Verstärkung eines Arguments oder die Herstellung von Plausibilität, Interpretation und Einordnung eines Ereignisses oder dessen gesellschaftliche Legitimation. Daher verbindet diese Arbeit die Methodik der "Kritischen Diskursanalyse" (KDA) mit der "Imagologie". Das Forschungsparadigma der KDA lautet nach Siegfried Jäger, den Diskurs auf seine ikonographischen Mittel hin zu untersuchen. Manfred Beller und Joep Leerssen definieren den Forschungsanspruch der Imagologie wie folgt: "Imagology aims to understand a discourse rather than a society". Weder die KDA gelangt zu einer näheren Klassifizierung der zu untersuchenden "ikonographischen Mittel", noch unternimmt die "Imagologie" den Versuch, den Begriff "discourse" näher zu bestimmen. Daher wird in dieser Arbeit diese Lücke geschlossen und beide Methodiken an ihrer Schnittstelle miteinander verbunden. Es ist das Hauptanliegen dieser Arbeit, die diskursive Konstruktion des deutsch-britischen Verhältnis im jeweiligen Pressediskurs beider Länder im Untersuchungszeitraum dieser Arbeit tiefgreifend zu analysieren und die dem jeweiligen Diskurs zugrundeliegenden "Aussagen" im Sinne Foucaults herauszuarbeiten. Zudem sollen allgemein-gültige Ergebnisse zur Tradierung von Stereotypen und dem positiven und negativen Tenor der überregionalen Berichterstattung unter Berücksichtigung des außenpolitischen Kontextes in Betracht gezogen werden. Die Auswirkungen des Pressediskurses auf das öffentliche Denken soll anhand von Archivdokumenten bzw. von qualitativen Interviews punktuell gezeigt werden. 2. Kapitel: Diskurs und Kritische Diskursanalyse Im zweiten Kapitel wird zunächst der Diskursbegriff nach Michel Foucault mit den Wirkmechanismen und Strukturen von Diskursen begründet. Wichtig dabei ist der "Wissen/Macht-Komplex", der die diskursive Aushandlung von "allgemein gültigem Wissen" innerhalb einer Gesellschaft beschreibt. Dieses "Wissen" enthält die Tradierung gültiger Argumentationsformen inklusive Eigen- und Fremdbilder in der Presse. Der Begriff "Aushandlung" impliziert dabei, dass es sich um einen diffizilen diskursiven Prozess handelt. "Wissen und Macht" sind laut Foucault intrinsisch miteinander verbunden. Macht generiert Wissen, Wissen impliziert Macht. Demnach haben die als gültig ausgehandelten Argumentationsformen und Bilder in den Pressetexten eine Wirkungsmacht, Bewusstsein innerhalb einer Gesellschaft formen. In Foucaults diskursanalytische Theorien, die selbst keine konkreten Analyseschemata zur Untersuchung von (Medien-) Diskursen beinhalten, fließen die Weiterführungen von Sara Mills, Ruth Wodak und Norman Fairclough mit ein. Konkrete Vorgaben zur praktischen Analyse von Mediendiskursen legte der Linguist Sigfried Jäger des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung vor. Jäger definiert verschiedene Diskursebenen innerhalb einer Gesellschaft, bei denen der Mediendiskurs zwischen der Politiker- und Alltagsebene angesiedelt ist. Jäger beschreibt, dass der Mediendiskurs in sich relativ homogen ist, da die großen Leitmedien ihre Informationen von wenigen offiziellen Presseagenturen beziehen. Dies bedeutet, dass die Nachrichten zur Aktualität im Fernsehen relativ gleich denen im Radio oder den Zeitungen sind. Im Fall dieser Arbeit ist bestätigt, dass die Presse den dominanten Mediendiskurs sowohl in der BRD als auch in GB zur politischen Information darstellt. Die Pressetexte mit ihren Argumenten, ihrem Tenor und den Selbst- und Fremdbildern zu den Ereignissen der zweiten Berlin-Krise hatten demnach eine große Wirkung auf ihre Leser, zu denen nachweislich auch die Regierungsoberhäupter Adenauer und Macmillan zählen. Trotz der angenommen Homogenität des Mediendiskurses besitzt jede Presse- und Medieninstitution eine eigene "diskursive Position" gemäß ihrer Ausrichtung, die nachhaltig den Tenor ihrer Nachrichten bestimmen. Grundsätzlich teilt man in einer Gesellschaft Wissen darüber, welche Ausrichtung die "großen Zeitungen" haben. So ist etwa der Guardian und die SZ sozialliberal, die Times, FAZ, Die Welt und der Daily Telegraph konservativ eingestellt. Darüber hinaus teilt Jäger die Presseberichterstattung in ihre Bestandteile. Diese sind etwa die Berichterstattung über ein bestimmtes Thema, den "Diskursstrang". Pressetexte, die ein bestimmtes Thema behandeln, nennt er "Diskursfragmente". Demnach bilden alle Diskursfragmente zu einem Thema den Diskursstrang, der sich diachron gemäß der (außen-)politischen Situation entwickelt. Jäger bezeichnet ihn metaphorisch als "Fluss von Wissen durch die Zeit". Analysiert man ein Ereignis, über das in den Medien viel berichtet wird, stellt dies ein "diskursives Ereignis" dar. Für Jäger stellen diese Orientierungspunkte dar, da sie eine "Momentaufnahme" des Diskursstranges abbilden und zeigen, welche Bilder, Argumente und diskursiven Mechanismen zu einem bestimmten Zeitpunkt tradiert wurden bzw. "gültig" waren. Die diachrone Aneinanderreihung von Ergebnissen aus mehreren diskursiven Ereignissen zeigt dann Entwicklungen und Veränderungen in einem Diskursstrang auf, dessen Einwirkungen vor dem Hintergrund der politischen Ebene interpretiert werden können. 3. Kapitel: Imagologie und Stereotypenforschung Das Kapitel behandelt die Bildung, Funktionen und Tradierung von Eigen- und Fremdbildkonstruktionen als kulturelle Konstrukte im öffentlichen Diskurs, dem die Berichterstattung angehört. Ursprünglich in der vergleichenden Literaturwissenschaft situiert, weiten Beller & Leerssen das Untersuchungsfeld der Imagologie von literarischen Texten auf Texte "as forms of cultural representation" aus. Dem sind Zeitungsartikel überregionaler Qualitätszeitungen ebenso zuzuordnen. In diesem Kapitel werden die "Images" als Oberbegriff erläutert, aus denen sich das Bild, Stereotyp, Vorurteil und Feindbild ableiten. Zudem wird das Nationenbild behandelt. Der Schwerpunkt der Darstellungen in dieser Arbeit liegt dabei auf dem Stereotypenbegriff. Eingehend erläutert dieses Kapitel die identitätsstiftende Funktion von Eigen- und Fremdbildern, wobei ebenso die Aspekte des Wandels und der Beständigkeit von Stereotypen beleuchtet werden. Die Eigen- und Fremdbildkonstruktionen werden in den Kontext der Presseberichterstattung, insbesondere der Auslandsberichterstattung, eingebettet und deren Merkmale skizziert. Demnach wird die Struktur der Presseberichterstattung erläutert, in dem die Stereotype und Bilder eingebettet werden. Ebenso wird die Relation zwischen verbalem Ausdruck eines Stereotyps und dessen kognitive Assoziierung behandelt, wobei der konturierte Charakter eines Stereotyps gezeigt werden soll. 4. Kapitel: Methodische Vorgehensweise Dieses Kapitel fasst, basierend auf der erläuterten Methodik der Kritischen Diskursanalyse aus Kapitel 2 und den Grundlagen der Stereotypenforschung in Kapitel 3 die konkrete Vorgehensweise und methodische Anwendung dieser Arbeit zusammen. Behandelt wird die konkrete Auswahl relevanter Pressetexte für die quantitative und qualitative Analyse von westdeutschen und britischen Zeitungsartikeln der jeweils drei großen überregionalen Tageszeitungen, die das Korpus dieser Dissertation bilden (Times, Daily Telegraph, Manchester Guardian, FAZ, SZ und Die Welt). Die diskursiven Ereignisse des Untersuchungszeitraumes werden erläutert, ebenso wie die Klassifizierung der drei untersuchten Diskursstränge, die das deutsch-britische Verhältnis zur Zeit der zweiten Berlin-Krise von 1958 bis 1962 diskursiv aushandeln. Die konkrete Vorgehensweise aus Struktur- und Feinanalyse, die auf die drei Diskursstränge angewandt wird, wird geschildert. Dabei wird bereits der "Tenor der Berichterstattung" geschildert, der die drei untersuchten Diskursstränge dominiert. Neben der Tradierung von negativen, neutralen oder positiven Stereotypen im überregionalen Pressediskurs eines Landes entscheidet auch die subtilere "Stimmung" im Pressetext über die Formulierung eines positiven oder negativen Fremdbildes. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen in Abgleich mit den Archivdokumenten zum politischen Hintergrund, dass der Tenor der Berichterstattung eines Landes über die fremde Nation an das außenpolitische Verhältnis gebunden ist – zur Zeit von Macmillans Moskau-Reise im Februar 1959 stellt die britische Außenpolitik eine Bedrohung für den Kurs Adenauers dar mit der Konsequenz, dass in beiden Pressediskursen ein negativer Tenor mit einer großen Anzahl negativer Fremdbilder zirkulierte. Als Macmillan 1960 von seiner Entspannungspolitik in Zentraleuropa Abstand nimmt und sich der kontinentaleuropäischen Wirtschaftsbeziehungen zuwendet, verbessert sich sowohl der Tenor als auch die wechselseitigen Heterobilder über den Anderen in beiden Pressediskursen. Demnach hängt die negative Tradierung von Fremdbildern von der diskursiven Konstellation ab, die in den überregionalen Leitmedien dem außenpolitischen Kurs der jeweiligen Regierung folgt. 5. Kapitel: Das britische und westdeutsche Pressewesen Im 5. Kapitel wird das westdeutsche Pressewesen dem britischen gegenübergestellt. Zunächst soll gezeigt werden, dass die Zeitungen im Untersuchungszeitraum dieser Arbeit das dominante Leitmedium zur politischen Information darstellen, da die "ephemeren" Medien wie Radio und Fernsehen zwar in beiden Ländern zahlenmäßig (bereits) weit verbreitet waren, sich zur intensiven politischen Information jedoch (noch) nicht durchgesetzt hatten. Dies hat zur Folge, dass der Presseberichterstattung über die britische und westdeutsche Außenpolitik zur zweiten Berlin-Krise eine noch größere Wirkungsmacht zukommt, deren inhaltliche Analyse sich eignet, dominante Grundaussagen des britischen und westdeutschen Pressediskurses in Form von Argumentationsmustern und der Tradierung von Fremdbildern zu Legitimierungszwecken herauszuarbeiten. Von diesen kann angenommen werden, dass sie eine sehr starke Wirkmacht zur Bewusstseinsbildung über die jeweils fremde Nation bei den Lesern hatten, zu denen nachweislich auch die führenden Politiker beider Länder zählten. Danach werden die sechs überregionalen Zeitungen in ihrer Pressegeschichte sowie ihrer zahlenmäßigen Verbreitung vorgestellt und ihre "Diskursposition", d.h. in ihrer (politischen) Ausrichtung im gesellschaftlichen Diskurs, genannt. Da diese Arbeit eine relative Homogenität der überregionalen Leitmedien annimmt, wird die Diskursposition der einzelnen Tageszeitungen in dieser Untersuchung vernachlässigt. Es werden zudem wesentliche Unterschiede des westdeutschen und britischen Pressewesens erläutert und die Kriterien einer "überregionalen Tageszeitungen" definiert. Abschließend werden beide Pressewesen miteinander verglichen und in den historischen Kontext der zweiten Berlin-Krise eingeordnet. 6. Kapitel: Die zweite Berlin-Krise als diskursiver Kontext Dieses Kapitel erläutert die außen- und weltpolitischen Hintergründe des längsten Konfliktes des Kalten Krieges, die im August 1961 zur sichtbaren Teilung Deutschlands in Ost- und West führte. Der historische Hintergrund wird mit Archivdokumenten aus dem Bundesarchiv Koblenz sowie dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes gestützt. Gezeigt werden die Rollen und Verantwortlichkeiten der alliierten Siegermächte Großbritannien, den USA und Frankreich gegenüber den sowjetischen Forderungen Chruschtschows, das Viermächteabkommen aufzukündigen und die alliierten Truppen aus Westberlin abzuziehen. Mit der Schilderung des historischen Hintergrundes wird zudem der Untersuchungszeitraum dieser Arbeit festgelegt, der mit dem Chruschtschow-Ultimatum vom 27.11.1958 beginnt und mit dem Beginn der Kuba-Krise im Oktober 1962 endet. Neben der Schilderung des Verlaufes der zweiten Berlin-Krise wird das deutsch-britische Verhältnis in diesem Zeitraum eingehend geschildert. Betont werden die Rolle Großbritanniens in der Außenpolitik Adenauers sowie umgekehrt, Deutschland bzw. Berlin in der britischen Außenpolitik. Darüber hinaus behandelt dieses Kapitel dominante Deutschlandbilder der britischen Öffentlichkeit sowie die Englandbilder der westdeutschen Bevölkerung. Inhalte politischer Dokumente stützen vorherrschende Haltungen beider Regierungen zueinander, die dem Zweck dienen, Einflüsse auf den jeweiligen Pressediskurs eines Landes zu erkennen, bzw. aus diskursanalytischer Sicht, die Politikerebene von der Medienebene zu trennen. 7. Kapitel: Kategorisierung der Diskursstränge Hier werden die drei in dieser Arbeit analysierten Diskursstränge inhaltlich umrissen. Diskursstränge, die Bilder des Anderen enthalten, jedoch nicht wechselseitig in beiden auftreten, werden in Punkt 7.4 genannt. Dabei handelt es sich um Diskursstränge, die spezifisch für ein Land stehen, die fremde Nation jedoch thematisieren. So behandelt Großbritannien verstärkt das Thema "NS-Prozesse" im eigenen spezifischen Diskurs anders als dies in der westdeutschen Presse geschieht. 8. Kapitel: Diskursstrang 1: Der Staatsbesuch von Theodor Heuss: Oktober 1958 Mehrere Faktoren begründen den Staatsbesuch von Theodor Heuss als ersten offiziellen Empfang eines deutschen Regierungsoberhauptes durch die britische Monarchin seit 1907 als diskursives Event zu behandeln und in die Analyse miteinzubeziehen, obwohl er Ende Oktober 1958, knapp einen Monat vor dem Beginn der zweiten Berlin-Krise, durch das Chruschtschow-Ultimatum stattfand. Erstens repräsentieren sowohl der Bundespräsident als auch die britische Monarchin die Bevölkerung ihres Landes und nicht die außenpolitische Linie. Demnach steht das Verhältnis beider Bevölkerungen zueinander im Mittelpunkt der Berichterstattung. Zweitens bestätigen mehrere Quellen, dass der Heuss-Besuch das Ende der Nachkriegsära im deutsch-britischen Verhältnis einläutete. Demnach stand dem Besuch eine große diskursive Aushandlung über die Presse beider Länder bevor, das deutsch-britische Verhältnis, das sich insbesondere durch den Zweiten Weltkrieg zu einer Feindschaft wandelte, neu auszuhandeln. Von britischer Seite bestand eine große Reserviertheit und Kühle gegenüber dem westdeutschen Gast, die die britische Presse dominierte. Die westdeutschen Zeitungen berichteten ausführlich über die Ehrung und Würde des königlichen Empfangs und bezogen sich anschließend auf das negative Echo der britischen Zeitungen. Die britische Presse zeichnete dabei das Bild des "deutschen Charakters" als obrigkeitshörigen, gefügigen, materialistischen und unmoralischen Deutschen, der seine Vergangenheit mit dem Konsum des Wirtschaftswunders verdrängt. Heuss dagegen sei "not this kind of German". Von deutscher Seite seien "Engländer auch keine Italiener". Nationale Bilder des Anderen dienen der Legitimierung und Einordnung in den eigenen diskursiven Kontext, die Haltung und Reaktion des Anderen logisch zu interpretieren. Sowohl die qualitative als auch quantitative Analyse der Presseartikel in den westdeutschen und britischen Zeitungen ergeben, dass das Bild vom Anderen in seiner Anzahl negativ ist, was auf ein vorherrschend negatives Bild und Grundaussauge insbesondere im britischen Diskurs gegenüber den Deutschen schließen lässt. Es zeigt sich zudem, dass die dominanten Unterthemen der britischen und westdeutschen Presse analog zu der Hierarchie der am meisten verwendeten negativen Fremdbildern sind. Demnach überwiegt zahlenmäßig in der britischen Presse das Bild des unmoralischen und militanten Deutschen, das in Analogie zum am meisten vorhandenen Unterthema der NS-Vergangenheit steht. Von deutscher Seite ist das Bild der kühlen, reservierten und unhöflichen Briten dominant, das am gewichtigsten das Unterthema der "Reaktion der britischen Bevölkerung und der britischen Presse" interpretierend unterstützt. Heterobilder und -stereotype sind demnach in die Struktur der Presseberichterstattung eingebettet und erfüllen bestimmte Funktionen, meist die der Verstärkung der Argumentationen zur Herstellung von Plausibilität und Logik. Indem die westdeutsche Presse die Briten als "arrogant allem Fremden gegenüber" charakterisiert, dient dies der Einordnung und Erklärung für die berichtete kühle Reaktion der britischen Bevölkerung auf den deutschen Gast. Indem die britische Presse ein Kontinuitätsbild der Deutschen als "militant und unmoralisch" tradiert, ist die reservierte Haltung der eigenen Bevölkerung gegenüber den unmoralischen Deutschen gerechtfertigt. Zugleich stilisieren sich die Briten selbst als "moralisch" im Hinblick auf ihre politische Tradition und Konstitution. Die diskursive Aushandlung des deutsch-britischen Verhältnis zum Heuss-Staatsbesuch dient der "Aktualisierung" des jeweiligen Fremdbildes, wodurch aus diskursanalytischer Sichtweise "viel Wissen produziert wird". Die mediale Neuaushandlung der deutsch-britischen Beziehungen wird durch Berichte etwa des deutschen Botschafters in London sowie von Heuss selbst ergänzt, die erläutern, dass es sich um eine berichtete kühle Reserviertheit der britischen Bevölkerung gegenüber dem deutschen Staatsgast handelt und nicht um eine tatsächlich erlebte Ablehnung aus Sicht beider Politiker. Theodor Heuss berichtigte diese Tatsache sogar in seiner Neuansprache an das deutsche Volk vom 31.01.1958, bei der er sagte, dass er viel Wärme erfahren habe und dass verantwortliche Journalisten einberufen wurden. Trotz der überwiegend negativen Tradierung der Bilder des Anderen während des Heuss-Besuchs ist eine Verbesserung des Tenors in beiden nationalen Pressediskursen zu erkennen, die etwa im Januar bei den wohlwollenden Berichten über die Assoziierung Großbritanniens an den europäischen Markt deutlich erkennbar ist, jedoch durch die Herausforderungen der zweiten Berlin-Krise ab Januar 1959 deutlich in den Hintergrund rückt. 9. Kapitel: Bilaterale Krise zwischen Adenauer und Macmillan: 1959 Der Diskursstrang der bilateralen Krise zwischen Adenauer und Macmillan im Jahr 1959 bildet den "Kern" der in dieser Arbeit durchgeführten Diskursanalyse. Dies ist damit zu begründen, dass der Diskursstrang von Oktober 1958 bis Januar 1959 eine positive Entwicklung aufzeigt, die durch das zunächst relativ harmonische persönliche Verhältnis zwischen Adenauer und Macmillan aufgrund außenpolitischer Übereinstimmung gekennzeichnet ist. Adenauers Position als Befürworter des britischen Anliegens, sich wirtschaftlich in Europa nicht zu isolieren durch die Schaffung einer Freihandelszone als Gegengewicht zur 1957 gegründeten EWG der Kontinentaleuropäer stößt zunächst auf Wohlwollen der außenpolitischen Interessen Macmillans und Adenauers, der stets eine engere Einbindung Großbritannien an Europa anstrebte. Durch das Chruschtschow-Ultimatum Ende November 1958 und der sich Mitte Januar 1959 herauskristallisierenden entgegengesetzten Positionen im Ost-West-Konflikt verschlechterte sich das bilaterale Verhältnis um ein Vielfaches, das nach der unilateralen Moskau-Reise Macmillans Ende Februar 1959 im April 1959 seinen Höhepunkt nimmt. Der bilaterale Konflikt wird auf den polarisierenden Charakterisierungen des weichen Macmillans gegenüber eines starren Adenauers auf die Personen des britischen und westdeutschen Regierungsoberhauptes übertragen. Von westdeutscher Seite wird dem Misstrauen gegenüber der britischen Außenpolitik mit Beschwichtigungen reagiert. Zugleich tritt Amerika als "Beschützer" vor den Russen ins Zentrum der westdeutschen Argumentation. Macmillans ergebnislose Moskau-Reise wird in der westdeutschen und britischen Presse unterschiedlich interpretiert: die Briten sehen sie weitestgehend als Erfolg, da Chruschtschow gegen Ende doch noch einer Außenministerkonferenz zustimmte, die ab Mai in Genf stattfand. Die Zeitungen der BRD werten sie einschlägig als "Fehlschlag". Macmillans einseitige Initiative wirft zugleich die Frage einer "Paris-Bonn-Achse" auf, da die Moskau-Reise noch stärker zu einer Polarisierung innerhalb der westlichen Allianz führt: de Gaulle steht entschieden zur starren Haltung Adenauers gegenüber der UdSSR, Amerika befürwortet eher Verhandlungen wobei die britische Regierung vollkommen auf Verhandlungen mit Chruschtschow setzt, um die Berlin-Frage zu lösen. Die Begriffe "schwach" in der westdeutschen Presse und "suspicious" in der britischen sind die im Verlauf des Jahres 1959 am häufigsten tradierten Bilder des Anderen. Die deutschen Zeitungen stilisieren Macmillans Außenpolitik und Großbritannien als schwächste Alliierte wohingegen die britische Presse Adenauer als "misstrauisch" gegenüber britischen Motiven charakterisiert. Im April äußerte sich Adenauer im Rundfunk über "Drahtzieher", die bewusst das deutsch-britische Verhältnis in Großbritannien verschlechtern. Ohne direkt die "Wire-Pullers" zu nennen, bezieht die britische Presse Adenauers Anschuldigungen Mitte April 1959 auf sich. Es kommt zum Times-Artikel: "Anglo-German relations at low ebb" sowie zur Bemerkung im Daily Telegraph: "No conspiracy is needed since anti-German feelings exist without being artificially inspired". Adenauers kritische Äußerungen halten von Juni bis September 1959 an. Während der ersten Phase der Genfer Außenministerkonferenz bleibt ein negativer Tenor in der westdeutschen Presse gegenüber britischen Motiven bestehen, wobei Adenauers Kritik an der britischen Außenpolitik in Zusammenhang mit der (ergebnislosen) Genfer Konferenz zu sehen ist. Ab September ist eine eindeutige Distanzierung sowohl der britischen als auch deutschen Presse zu Adenauers Äußerungen zu bemerken. Dies liegt in der quantitativen Anzahl von Artikeln begründet als auch in der qualitativen Analyse der Presseartikel. Über die dritte Adenauer-Kritik an Großbritannien wird verhältnismäßig wenig und sehr "nüchtern" berichtet. Daher ist eine Einflussnahme der Regierungen auf eine Verbesserung des bilateralen Verhältnisses in der Presseberichterstattung zu verzeichnen. Als Adenauer im Oktober 1959 bekannt gibt, Ende November 1959 zu bilateralen Gesprächen mit Macmillan nach London zu reisen, richtet sich der Tenor beider Pressediskurse auf die Hoffnung und Zuversicht, dass beide Staatsmänner ihre Differenzen beseitigten. Insbesondere in der britischen Presse ist eine stark betonte Verbesserung des Tenors gegenüber Deutschland zu vermerken, die etwa in Berichten wie "the prospects for next week's talks are excellent" zum Ausdruck kommt. Die deutsche Presse bezeichnet die Verschlechterung des deutsch-britischen Verhältnis als "unnötigen Hader". Auch die Nachbereitung der bilateralen Gespräche hinterlässt einen positiven Einschlag. Die öffentliche Haltung des westdeutschen Außenministers sowie Adenauers selbst, eine Assoziierung der neu gegründeten EFTA mit der EWG zu befürworten, sowie Macmillans Distanzierung von einem Disengagement in Zentraleuropa führt zu jener bilateralen Verbesserung. Die Analyse ergab, dass die britische Presse Adenauer negativ als "old, suspicious, rigid und authoritarian" im April, Juni und September im Rahmen seiner Kritik an Macmillan charakterisiert. Britische Außenpolitik wird in der zweiten Hälfte von 1959 als "nüchtern" und "pragmatisch" stereotypisiert, in der ersten als "weich, schwach und flexibel". Auffallend ist, dass, je mehr über die verschlechterten deutsch-britischen Beziehungen berichtet wird, desto stärker das deutsch-französische hervortritt. Die Dominanz der Unterthemen in beiden Pressediskursen im Jahr 1959 zeigt, dass das Gewicht vom außenpolitischen Prinzip bestimmt ist. Für die deutsche Presse sind dies die deutsch-französischen Beziehungen und die außenpolitische Haltung Großbritanniens im Ost-West-Konflikt, für die britische Presse sind dies die Thematik um die Freihandelszone bzw. EFTA sowie die erstarkende Position der BRD als ("gleichberechtigter", "dominanter") NATO-Partner. Die überregionalen Leitmedien folgen demnach den außenpolitischen Kurs der jeweiligen Regierung. 10. Kapitel: Hinwendung zu Europa? Großbritannien und die EWG ab 1960 Der dritte Diskursstrang behandelt schwerpunktmäßig die diskursive Aushandlung des britischen Selbstbildes in seiner Hinwendung zu Europa gemäß der britischen Außenpolitik. Mit der zunehmenden und schnell wachsenden Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die zur politischen Union werden soll, verliert die von Großbritannien gegründete EFTA an Kraft. Neben Kennedys Wunsch nach einer Europäischen Integration, die Großbritannien als Mitglied der EWG sehen will, wird die Einheit der westlichen Allianz gegenüber der Sowjetunion auf die Wirtschaft übertragen. Bei Macmillans Besuch in Washington im April 1961 wird dieser Prozess beschleunigt, als der britische Premier am 31.07.1961 im Unterhaus verkündet, ein Beitrittsgesuch zur EWG in Brüssel zustellen. Der Diskursstrang ist zunächst in drei Phasen zu teilen: 1) Deutsch-britische Annäherung zwischen EWG und EFTA von Januar 1960 bis Februar 1961, 2) Erwägung und Beschluss des britischen EWG-Beitrittes: März bis Dezember 1961, 3) Wachsende Skepsis und Distanz Adenauers zum britischen EWG-Beitritt: Januar bis Oktober 1962. Das der Diskursstrang eine starke Fokussierung auf dem britischen Selbstbild besitzt und das Verhältnis Großbritannien vermehrt gegenüber den EWG-Staaten und weniger bilateral behandelt wird, wurde hier auf eine Feinanalyse verzichtet. Ziel der Strukturanalyse ist es, vor dem Hintergrund der zeitweiligen Abwesenheit außenpolitischer Differenzen zwischen beiden Ländern eine starke Verbesserung des Tenors in der britischen und westdeutschen Presseberichterstattung festzustellen, wobei es im Februar 1961 zu einem berichteten "Höhepunkt" im deutsch-britischen Verhältnis beim bilateralen Treffen zwischen Adenauer und Macmillan in London kommt, der neben dem positiven Tenor auch gerade in der positiven Darstellung Adenauers in der britischen Presse zeigt. Die positive Darstellung Adenauers ist mit seiner Befürwortung eines britischen EWG-Beitrittes verbunden. Auch hier kommt das deutsch-französische Verhältnis zum Tragen: die britische Presse erhofft sich mit Adenauer einen Fürsprecher gegenüber de Gaulle zu haben bzw. die deutsch-französische Achse aufzuweichen. Adenauer dagegen ist über die positive Haltung der Briten gegenüber einer Europäischen Integration positiv gestimmt. Während sich in der zweiten Phase des Diskursstrangs die bilaterale Aushandlung der deutsch-britischen Beziehungen entfernt, da die britischen Zeitungen etwa das Selbstbild um den Verlust der eigenen Souveränität aushandeln und die Berlin-Krise mit dem zweiten Chruschtschow-Ultimatum vom Juni 1961 und der darauf folgenden Abriegelung des Ost-Sektors von Berlin im August 1961 die Aufmerksamkeit der westdeutschen Zeitungen auf den Ost-West-Konflikt richten. Die dritte Phase ab Januar 1962 wird eingeleitet durch Macmillans Besuch in Bonn Anfang Januar 1962. Dabei werden erste Verschlechterungen in der beiderseitigen Berichterstattung deutlich, die sich um die Stationierungskosten der britischen Rhein-Armee ranken, die aufgrund der Teilung Deutschlands im Rahmen der NATO aufgestockt werden muss. Im März äußert sich Adenauer erstmals öffentlich gegenüber einem französischen Journalisten kritisch dem britischen EWG-Beitritt gegenüber. Politische Dokumente vom Dezember 1961 belegen, wie sehr Adenauer de Gaulles distanzierter Haltung zu einem britischen EWG-Beitritt zustimmt, da sonst das politische Konzept der EWG nicht umgesetzt werden könne. Im Juni 1962 äußerte sich der Bundeskanzler erneut konkret kritisch, indem er behauptet, dass eine wirtschaftliche Assoziierung Großbritanniens zur EWG nicht gleich eine Vollmitgliedschaft des Vereinigten Königreiches bedeuten muss. Die westdeutsche Presse distanziert sich zunehmest von Adenauers kritischen Äußerungen wohingegen die britischen Zeitungen Ludwig Erhards und von Brentanos Zustimmung zitieren. Mit Adenauers Staatsbesuch in Paris Anfang Juli und der zelebrierten deutsch-französischen Aussöhnung in der Kathedrale von Reims kommen Feindbilder gegenüber den militanten Deutschen in der britischen Presse erneut hervor. Adenauer wird für die britische Europapolitik zur Bedrohung, da eine demonstrierte Aussöhnung mit de Gaulle gleichbedeutend sei mit einer Distanzierung Bonns vom britischen Anliegen und von einer Fürsprache Adenauers bei de Gaulle für die britische Sonderstellung. Weitere kritische Äußerungen Adenauers im August 1962 verstärken diese Haltung. Die westdeutsche Presse distanziert sich dabei nachweislich von den Äußerungen des "alten Herrn" und folgen dem Konsens der Bonner Außenpolitik. Mit dem Beginn der Commonwealth-Konferenz in London im September und dem aufkommenden Konflikt der Kuba-Krise endet der Untersuchungszeitraum dieser Arbeit. 11. Kapitel: Ergebnisse und diskursanalytische Schlussfolgerungen Zu den zentralen Schlussfolgerungen zählt die Aussage, dass die britische und westdeutsche überregionale Presse den allgemeinen Konsens der Außenpolitik verfolgt. Abweichende Haltungen einzelner Personen, auch gerade die der Regierungsoberhäupter, werden gegebenenfalls ausgegrenzt. Somit hält der überregionale Pressediskurs die Funktion einer Korrektur inne. Einflussnahmen der Politikerebene auf den Tenor der überregionalen Berichterstattung wurden kenntlich gemacht, etwa ab September 1959 vor dem Adenauer-Besuch in London. Die Formulierung negativer Fremdbilder und Stereotype ist in den Zeiten des außenpolitischen Konfliktes quantitativ erhöht. Ein interessantes Ergebnis ist die Dichotomie der tradierten Bilder von Adenauer und Macmillan: im April 1959 stilisiert die westdeutsche Presse Macmillan als "weich" und "flexibel" wohingegen die britischen Zeitungen Adenauer als "rigid" und "authoritarian" charakterisieren. Die Herausbildung negativer Stereotype ist damit zu begründen, dass die fremde Nation zur Bedrohung für die eigenen Interessen wird, wie im Fall von Macmillans Moskau-Reise oder Adenauers zunehmender Distanzierung zum britischen EWG-Beitritt. In Zeiten der akuten Bedrohung ist zusätzlich eine quantitative wie qualitative Abhängigkeit der britischen und westdeutschen Presseartikel festzustellen. So verlaufen beide Diskursstränge parallel zueinander. Aus qualitativer Sicht finden zahlreiche direkte und indirekte Bezüge der westdeutschen Presse zu britischen Artikeln sowie umgekehrt statt. Im dritten Diskursstrang, der vor dem Hintergrund der vorläufigen Abwesenheit von bilateralen Spannungen artikuliert wurde, treten die direkten Bezugnahmen zwischen der britischen und westdeutschen Presse zurück. Darüber hinaus verbessert sich der Tenor nachhaltig. In dem Moment, als erneut Spannungen auftraten, wie ab Juni 1962, tritt sogar das Bild des militanten Deutschen erneut in der britischen Presse auf. Somit hängen negative Fremdbilder vom außenpolitischen Kurs der Regierung und der Position der anderen Nation im bilateralen Verhältnis in den überregionalen Zeitungen ab. Zudem werden Forschungsausblicke vorgelegt, die sich auf einen Vergleich etwa des dritten Diskursstrangs mit dem gegenwärtigen EU-Austritt Großbritanniens beziehen oder sich mit den Dynamiken des deutsch-französischen Verhältnisses beschäftigen. 12. Kapitel: Ausblick: Wandel der Stereotype in der deutsch-britischen Presseberichterstattung(?) Das Kapitel möchte einen Ausblick zum Wandel bzw. zur Beständigkeit von den hier untersuchten Bildern des Anderen im gegenwärtigen deutsch-britischen Verhältnis liefern. Dazu werden einerseits Parallelen zum gegenwärtigen EU-Austritt Großbritanniens gezogen. Andererseits werden mittels der Aussagen von Interviewpartnern aus dem deutsch-britischen Verhältnis Ergebnisse und Ausblicke vorgelegt, die zur weiteren Erforschung der deutsch-britischen Pressebeziehungen einladen sollen. ; This doctoral dissertation examines the use of national stereotypes used in British and West German quality newspapers during the second Berlin Wall Crisis (1958 to 1962). As the Berlin Wall Crisis represents the tensest controversy within Cold War history, the national press coverage of West Germany and Great Britain is highly defined by reports on the political events. These are temporarily characterised by the direct confrontation between the West German chancellor Konrad Adenauer and the British Premier Harold Macmillan. The density and acuteness of this Cold War crisis, however, reduces the respective press releases on German and British affairs to a mere political coverage; thus, the analysis of the prevailing British and German newspapers can be regarded as a political discourse analysis. The methodological approach employed in this work follows the Critical Discourse Analysis according to Ruth Wodak [1], Norman Fairclough [2] and Sara Mills [3] with the aim of displaying the mutual use of auto- and hetero-images of "the Germans" and "the British" in the respective national media and consequently, the discursive construction of national identity. The discourse analysts' view is supplemented here by the imagologist approach of Manfred Beller [4], which concerns the construction of national images of the Self and the Other in public national discourse. Referring to the above-mentioned dominance of politically related reports in past national press coverage, Critical Discourse Analysis represents a highly suitable methodological approach as it aims at examining the discursive mechanisms of power and ideology in which a text is set. Considering this, Sara Mills defines Critical Discourse Analysis as a "political analysis of text" [5]. The time period examined in this work does not only mark the peak of the East-West conflict but also implements the substantial formation and structure of the European Union as it is still prevalent today. Major negotiations in the national press of that time, such as the entrance of Great Britain into the European Economic Community (EEC) beginning in the late 1950s, reveal arguments, attitudes and images in national press coverage about European affiliation of which many are still valid today. This can be currently noticed in British demands for a European reform as well as in a possible exit from the European Union in 2017. Accordingly, the diachronic view from the news coverage between Germany and Britain during the Berlin Wall Crisis is accomplished by this present outlook on German-British relations. This double-tracked approach allows both a complex portrayal of the historical development of German-British relationship and a definition of the mechanisms of auto- and hetero-images as they occur and change in trans-national media discourse. References: [1] Ruth Wodak and Michael Meyer (Eds.). Methods of Critical Discourse Studies. London: Sage, 32016. [2] Norman Fairclough. Critical Discourse Analysis. The Critical Study of Language. Edinburgh: Longman, 22010. [3] Sara Mills. Discourse. London: Routledge, 1997. [4] Manfred Beller and Joep Leerssen (Eds.). Imagology. The Cultural Construction and Literary Representation of National Characters. A Critical Survey. New York: Rodopi, 2007. [5] Mills: Discourse, p. 131. ; Arrogante und nüchterne Briten, ein Bundespräsident, der nicht deutsch sein kann, da er den Briten sympathisch ist oder militante Deutsche, die gemocht werden wollen - so schreiben die überregionalen britischen und westdeutschen Tageszeitungen während einer der brisantesten Krisen des Kalten Krieges übereinander. Die zweite Berlin-Krise (1958 bis 62) repräsentiert dabei eine schicksalhafte Zeit sowohl für die Bundesrepublik als auch für das Vereinigte Königreich. Themen wie die Suche nach einer gemeinsamen westlichen Strategie als Antwort auf sowjetische Ultimaten und die Teilung Deutschlands, die ambivalente britische Außenpolitik gegenüber Berlin, die deutsch-französischen Annäherungen und die Einbindung des Vereinigten Königreiches in die kontinentaleuropäische Wirtschaft dominieren die Pressediskurse beider Nationen. Diese Studie untersucht die diskursiven Mittel, mit denen die überregionale Presse außenpolitische Ereignisse in den eigenen nationalen Referenzrahmen integriert, und welche Rolle dabei textuelle Stereotype und Charakterisierungen spielen. Mithilfe der Methode der Kritischen Diskursanalyse will diese Arbeit anhand qualitativer und quantitativer Darstellungen jeweils diskursive Mechanismen der westdeutschen und britischen Tagespresse aufzeigen und damit ein kleines Stückchen Licht in die mediale Tradierung eines komplexen deutsch-britischen Verhältnisses bringen.
Die islamische Partei Ennahda stellt 69 Abgeordnete im tunesischen Parlament, zu denen Sayida Ounissi und Nafouel Ejammali gehören. Sie erläutern, wie ihre Partei nach Jahrzehnten im Untergrund zu einer politischen Kraft wurde, die den demokratischen Übergang mitgestaltet - jedoch nicht unter Bezugnahme auf den Koran, sondern durch Kompromissfähigkeit. (IP)