In: L' homme: European review of feminist history : revue europénne d'histoire féministe : europäische Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft, Band 5, Heft 2
Zur Systematisierung des weitverzweigten Sozialrechts wird zwischen Versicherung, Versorgung und Fürsorge unterschieden. Relativ unproblematisch von anderen Rechtsgebieten sind die Versorgungsleistungen (z.B. Entschädigungen aus Steuermitteln) und Fürsorgeleistungen (z.B. Sozialhilfe, Kindergeld, Wohngeld) abzugrenzen. Wesentlich schwieriger abzugrenzen sind jene Sozialleistungen, für die das Prinzip der Versicherung kennzeichnend ist. Eingegangen wird auf das Versicherungsprinzip in der Sozialversicherung, auf die Rentenversicherung, die Krankenversicherung, die Unfallversicherung und die Arbeitslosenversicherung. Sie alle weisen gegenüber der Privatversicherung eine Reihe von Besonderheiten auf. Diese beruhen darauf, daß die Sozialversicherung nicht nur einen beitragsfinanzierten, versicherungsmäßigen Risikoausgleich bewirken soll, sondern in erster Linie eine sozialpolitische Zielsetzung verfolgt. (GF)
"Die zu Ende gehende Industriegesellschaft hat auch zur Ablösung traditioneller Familienmodelle geführt, die zu ihrer Erhaltung beigetragen haben: des Modells der Versorgerehe, mit dem alleinverdienenden Vater und der von ihm abhängigen Hausfrau und Mutter sowie den gemeinsamen Kindern, und des Modells der Zweiverdiener-Familie mit institutioneller Kinderbetreuung: Die gegenwärtigen ökonomischen, kulturellen und politischen Strukturbedingungen der Gesellschaft lassen die Chancen des Weiterbestehens dieser Modelle immer mehr sinken. Der Staat ist nur begrenzt in der Lage, die Folgen dieses Wandlungsprozesses aufzufangen. Zu wenig reflektiert werden in diesem Zusammenhang die Folgewirkungen für die Schwächeren der Gesellschaft - die Kinder und die Älteren -, das heißt die Wirkungen einer einschneidenden Reduktion der familiären Schutzfunktion. Die veränderten familiären Lebensformen haben zu einer dramatischen ökonomischen Benachteiligung der Kinder aus Einelternfamilien geführt. Diese Effekte lassen sich im Vergleich der Bundesländer in höchst unterschiedlicher Weise demonstrieren, wobei es sich keinesfalls um Ost-West-Differenzen handelt. Und paradoxerweise wird in einer Zeit der abnehmenden Industrialisierung der Berufswelt die institutionelle Betreuung zunehmend nach industriellem Vorbild organisiert. Darüber hinaus wird verkannt, daß das traditionelle Versorgerehemodell einen großen Teil der ökonomischen Absicherung der nicht von Erwerbsarbeit lebenden Personen erbrachte und auch heute noch erbringt. Hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen den westlichen und östlichen Bundesländern." (Autorenreferat)
In dem Beitrag wird die Entwicklung der Erwerbslosenfürsorge in der Weimarer Republik bis zur Verabschiedung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16.7.1927 dargestellt. Mit dem Ende der Inflationskonjunktur, der Währungsumstellung, der Stabilisierungskrise und den anhaltenden Arbeitsmarktproblemen, nicht zuletzt auch durch die Reform der Arbeitslosenfürsorge trat die Diskussion um Form und Umfang der Arbeitslosenunterstützung in ein neues Stadium. Die Kritik an der Erwerbslosenfürsorge, die zu keinem Zeitpunkt die konzeptionell längst erarbeiteten Anforderungen an einen modernen Arbeitslosenschutz erfüllte, war allgemein. Der Verfassser stellt die jeweilige Position der Unternehmer, der organisierten Arbeiterbewegung und der Verwaltung zur Reform der Arbeitsmarktpolitik und die schließliche Verabschiedung des AVAVG als Ergebnis eines Kompromisses dar, analysiert die Bestimmungen des Gesetzes und schildert die gesellschaftliche Reaktion auf das neue Gesetz. Daß es über die sozioökonomische Funktion des Gesetzes keine wirkliche Verständigung gegeben hatte, zeigte die in der Weltwirtschaftskrise erfolgte Aufkündigung des Weimarer Sozialstaatskompromisses durch die Unternehmerschaft. (KS)