Van Gogh und die Folgen: die soziopolitischen Folgen eines Mordes
In: Macht - Religion - Politik: zur Renaissance religiöser Praktiken und Mentalitäten, S. 231-241
"Die Autorin beschäftigt sich mit den politischen und diskursiven Folgen, die der Mord an Theo van Gogh in den Niederlanden hatte. Ihre soziopolitische Kontextanalyse der Situation in den Niederlanden vor dem Mord zeigt, dass seit Ende der 80er Jahre eine Renaissance einer jahrhundertealten Negativ-Sicht auf Muslime und den Islam zu konstatieren ist. Am Beispiel der Zeitung 'De Volkskrant' zeichnet sie nach, wie im massenmedialen Diskurs Migrantinnen durch eine negative und vereinheitlichende Sichtweise der eigenen positiv gezeichneten Wir-Gruppe gegenübergestellt werden. Dabei werde 'das Andere' vor allem im Islam gesehen und als eine Bedrohung wahrgenommen. Vor dem Hintergrund dieses geistigen Klimas ließen sich die gewalttätigen Übergriffe auf Personen und Brandanschläge auf Moscheen von v. a. rechten Jugendgruppen nach den Terroranschlägen des 11. September sowie nach dem Mord an van Gogh 'verstehen' und erklären. Die von der Autorin durchgeführte diskursanalytische Studie zeigt, dass die Negativcharakterisierungen von Muslimen nicht immer offen zutage treten. So könne für die 90er Jahre in den Niederlanden konstatiert werden, dass im Bereich des offiziellen politischen Diskurses eine Sensibilität bezüglich dieses Themenkomplexes herrschte und auf offene Negativdarstellungen verzichtet wurde. Dennoch werde die eigene Wir-Gruppe positiv betrachtet und von 'den Anderen' abgegrenzt. Themen wie Rassismus und Diskriminierung seien vermieden worden. Im Bereich der extremen Rechten lasse sich für diese Zeit eine offen negative Repräsentation von Migrantinnen mit vornehmlich islamischem Hintergrund erkennen. Mittlerweile habe die neurechte Sicht in Bruchteilen Eingang in den Gesamtdiskurs der Niederlande gefunden: Eine Transformation vom 'Rassismus-Tabu' hin zur Betonung des Rechts auf Meinungsfreiheit und der Vorwurf des Kulturrelativismus an alle Verfechter einer multikulturellen Gesellschaft seien hier markante Punkte. Hinzu kämen negative Bewertungen des gesamten Islams und ein apokalyptisches Denken. Die negativen Folgen dieser Wahrnehmungen schlügen sich auch in Einwanderungs- und Sozialgesetzen nieder, die in den letzten Jahren verabschiedet wurden." (Autorenreferat)