In: Zur Psychoanalyse der nuklearen Drohung: Vorträge einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (1984), S. 154-167
H.-E. Richter beschreibt in diesem Beitrag sein persönliches Erleben, wie er "im Zusammenspiel innerer und äußerer Erfahrungen als Psychoanalytiker zum Engagement in der alternativen Bewegung gelangt" ist, in der er "heute den wesentlichen Kern der Friedensbewegung" erblickt. (KO2)
"Inmitten der erbitterten Auseinandersetzungen innerhalb der NATO-Staaten um den Doppelbeschluß des nordatlantischen Bündnisses wird in Frankreich der Sozialist Francois Mitterand Staatspräsident und bildet eine sozialistisch-kommunistische Regierung. Die Friedensbewegung unseres Nachbarlandes bleibt schwach und ist überdies gespalten. Mit drei Friedensorganisationen stehen sich - vereinfacht - zwei politische Strömungen gegenüber. Das 'Mouvement de la Paix' und der 'Appel des Cent' als die dominierenden Kräfte lehnen sich stark an kommunistische und linkssozialistische Kreise an und haben bis zum Bruch der Linksregierung aus PS und PCF im Sommer 1984 die Militärpolitik Mitterands in ihrem zentralen Punkt, der 'Force de frappe' nicht angegriffen. Das linksradikale friedenspolitische Bündnis C.O.D.E.N.E. hingegen erklärt die französische Atombewaffnung für disponibel; gleichzeitig greift es scharf die Politik des PCF wie auch der Sowjetunion an. Ob die heutige Oppositionspolitik des PCF Bewegung in die französische Friedensbewegung bringen wird, bleibt abzuwarten." (Autorenreferat)
Ausgehend von der historischen Entwicklung der Friedensbewegung von 1939 bis 1982 in Europa und in den USA, beschreibt der Autor ihre Situation, Struktur und Bedeutung unter besonderer Berücksichtigung des kirchlichen Einflusses auf die Friedenspolitik. Die Friedensbewegung ist als Zusammenschluß von verschiedenartigen Gruppen mit hohem Jugendlichenanteil zu verstehen, denen alternative Politikvorstellungen zur politischen Praxis auf unterschiedlichen Ebenen gemeinsam sind und die eine differenzierte Reaktion der etablierten politischen Richtungen erfordern, um die Krisenursachen zu beheben. (HD)
Rückblickend auf die Erfolge der Friedensbewegung im Herbst 1983 trotz der erfolgten Raketenstationierung hebt der Verfasser vor allem die Verankerung der Forderung nach Beeindigung des Rüstungswettlaufes in breiten Teilen der Bevölkerung hervor. Angesichts der inzwischen veränderten Situation müßten nun aber auch weitergehende inhaltliche Strategien von der Friedensbewegung konzipiert werden. Ihr Ende sei solange nicht zu erwarten, wie der Rüstungskonflikt nicht beendet sei. Czempiel geht im weiteren auf die Problematik und Durchsetzbarkeit einer sicherheitspolitischen Lösung für Westeuropa ein; nur eine national übergreifende Lösung aber kann seiner Meinung nach problemlösend sein, wobei mehrere Machtzentren in einen kooperativen Zusammenhang gebracht werden müssen. (KS)
"Die DDR befindet sich mitten in einer der interessantesten politisch-kulturellen Umbruchphasen ihrer Nachkriegsgeschichte. Unter dem für diesen Wandel notwendigen Schirm von Stabilität und Kontinuität in ihren politischen Kernbereichen hat mit Beginn der achtziger Jahre im Innern ein Wandel begonnen, dessen politische Bedeutung im Westen noch ungenügend erkannt wird. Wie die neue Dynamik zwischen Partei und Gesellschaft verlaufen kann, ist besonders gut am Beispiel der neuen "Friedensbewegung" zu verdeutlichen. Für die SED war die "Friedensbewegung" bisher schlicht entweder die ganze DDR oder alle von ihr ins Leben gerufenen Vereinigungen, die seit Jahrzehnten autonome Aktivitäten überflüssig erscheinen lassen sollten. Heute gibt es aber einige zehntausend vorwiegend junge Leute, die eigene Vorstellungen haben. Sie sind ein Faktor geworden, mit dem die SED lernen muß umzugehen. Neben der staatlichen Friedenspolitik hat es eigene Friedensideen im Raum der evangelischen Kirche schon seit Jahrzehnten gegeben. Die evangelischen Kirchen in der DDR sind die einzigen Organisationen des Landes, die ihre Autonomie gegenüber dem faktischen Alleinvertretungsanspruch der SED bewahrt haben. Hinzu kommt eine besondere deutschlandpolitische Rolle von EKD und DDR-Kirchenbund, die in Friedensfragen besonders wichtig geworden ist. Wenn man nach der Ursache für das Entstehen der Friedensbewegung in der DDR fragt, dann wird man sie zuerst in der innenpolitischen Entwicklung der letzten Jahre suchen müssen. Sie ist weniger eine Reaktion auf das Vorbild westlicher Friedensbewegungen als vielmehr eine "hausgemachte" Erscheinung. Die Themen der Auseinandersetzung sind bestimmt von persönlicher Konfrontation mit dem Militärischen: Wehrunterricht, Kriegsspielzeug, Zivilschutzübungen, Armeedienst usw. Friedens- und Ökologieengagement gehören dabei oft zusammen. Spannungen zwischen drängender Basis, Kirchenleitungen und dem Staat bleiben da nicht aus. In ihrer Mittlerrolle gerät die Kirche schnell aus der Sicht von beiden Seiten ins Zwielicht. Vorwürfe wie Opportunismus auf der einen und Oppositionspartei auf der anderen Seite wechseln sich ab. Auch in der DDR gibt es unter Jugendlichen so etwas wie eine zweite Kultur. Einige zehntausend junge Leute in den großen Städten leben in einer Art innerer Emigration mit einem Lebensgefühl, das in vielem etwa der westlichen Jugendszene entspricht. Es existiert ein ähnlicher Bruch zwischen den Generationen. Ein Blick in die neuere Literatur, die letzten DDR-Filme oder die "Szene" der urbanen Metropolen, die von Punks angefangen alle Arten von Aussteigern umfaßt, zeigt, daß es sich bereits um eine ernst zu nehmende gesellschaftliche Minderheitenströmung handelt. Einen Dialog des Staates mit diesem Teil seiner Jugend gibt es jedoch bislang nicht. Die ausdauernde Existenz solcher Bewegungen ist etwas vollkommen Neues in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Sie bedeuten auch eine Herausforderung, neue Wege in der Entspannungspolitik zu beschreiten." (Autorenreferat)
Die Autorin diskutiert die Beziehung der Friedenbewegung zu den Massenmedien und zur Kriegsberichterstattung. Im Umfeld der Friedensbewegung, die als Gegenöffentlichkeit den Anspruch verfolgt, unterdrückte Nachrichten zu verbreiten und den Austausch friedenspolitischer Ideen zu befördern, entstand in den vergangenen 35 Jahren eine Vielfalt alternativer Presseerzeugnisse für ein Fachpublikum, die durch zahlreiche politische Aufklärungskampagnen begleitet wurden. Die Stärke alternativer Presseerzeugnisse liegt vor allem in der Vernetzung bereits politisch aktiver Menschen, im Austausch von Ideen, Konzepten und Erfahrungen. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Weiterverbreitung von Einschätzungen und Handlungsstrategien. Es bedarf jedoch nach Meinung der Autorin auch anderer Medien, um Ziele, Kampagnen oder Aktionen einer breiteren Öffentlichkeit nahe zu bringen. Friedensgruppen bedienen sich deswegen meist einer gemischten Strategie, bestehend aus herkömmlicher Pressearbeit, professioneller Öffentlichkeitsarbeit sowie dem Einsatz von alternativen und elektronischen Medien. Die Autorin skizziert vor diesem Hintergrund die Einsatzmöglichkeiten von Internet und E-Mail für die Friedensbewegung und weist u.a. auf das neue Internetportal "PeaceLink" hin. (ICI2)
Der Autor stellt ein Konzept für die Friedensbewegung im welt- und bundespolitischen Zusammenhang vor und bezeichnet einige konkrete Aktionen. Neben der Absage an die Raketenstationierung befürwortet er die Schaffung atomwaffenfreier Zonen und die Aktion des "Einfrierens aller Atomwaffen", um so zu konkreten Abrüstungsverhandlungen zu kommen. Er weist auf den Zusammenhang zwischen der Entwicklung in Zentraleuropa und der Dritten Welt hin, wobei er die Stationierung der Atomraketen in Westeuropa als Drohgebärde der USA an die UdSSR sieht, sich nicht in die Interessen der USA in der Dritten Welt einzumischen. Die Forderung nach einem Plebiszit über die Frage der Raketenstationierung und einer Zusammenarbeit von Friedens- und Arbeiterbewegung wird aufgestellt. Außerdem verdeutlicht der Autor den Zusammenhang zwischen Wettrüsten, Sozialabbau und Ausbeutung der Dritten Welt, zeigt die wirtschaftlichen Konsequenzen auf und begründet damit seine Hoffnung, daß die Gewerkschaften mit der Friedensbewegung zusammenarbeiten, da "beide nach Wegen aus einer und derselben Gefahr" suchen. Abschließend geht der Autor noch auf die politische Willensbildung vor Wahlen ein und macht deutlich, daß die Friedensbewegung den Wählern die von ihm angeführten bestehenden Zusammenhänge klarmachen muß, damit sich für die Zukunft "konstruktive neue Mehrheiten" herausschälen können. (RE)