Der Verfasser plädiert für eine gründliche, ernsthafte und radikale Entmilitarisierungsforschung. Eine solche Forschung kann an die Militär- und Militarismuskritik der letzten 100 Jahre anknüpfen, die die früher selbstverständliche Legitimität von Krieg und Militär zumindest teilweise zu Fall gebracht hat. Der Verfasser sieht vor allem den historisch gewachsenen Zusammenhang von Staat und Krieg als Gegenstand einer Entmilitarisierungsforschung, die systematisch und kausal die Vieldimensionalität der Institution Militär im Geschichte und Gesellschaft, im kulturellen Selbstverständnis und in der Politik untersucht. (ICE2)
"Friedensforschung entwickelt sich zunehmend als interdisziplinäres Tätigkeitsfeld. Kompetenzen aus den verschiedensten Bereichen sind je nach konkret verfolgter Themenstellung notwendig für eine erfolgreiche Projektbearbeitung. Dabei spielen politische, gesellschaftswissenschaftliche, sozialpsychologische, zeitgeschichtliche, pädagogische, sozioökonomische, völkerrechtliche, naturwissenschaftliche, technische und ethische Aspekte eine wesentliche Rolle. Die Forschenden müssen eine entsprechend vielfältige Wahrnehmungsfähigkeit und Sensibilität entwickeln. Bei der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit (IANUS) an der TU Darmstadt hat das Problemfeld nukleare Nichtverbreitung und Abrüstung seit Jahren einen hohen Stellenwert bei der Auswahl von eigenen Projekten. Hier konnten reichhaltige interdisziplinäre Erfahrungen gesammelt werden. Wolfgang Liebert geht das Thema interdisziplinäre Friedensforschung vor allem aus der Perspektive naturwissenschaftlich orientierter, interdisziplinärer Friedensforschung an und zeigt am Beispiel 'Umrüstung von Forschungsreaktoren' wie eine zunächst distanziert wissenschaftliche Betrachtung von grundsätzlichen Proliferationsgefahren im Bereich ziviler Nukleartechnologienutzung notwendig zu einer teilnehmenden Perspektive und einer Einsicht in die Notwendigkeit politischen Handelns bei Wissenschaftlern führte." (Autorenreferat)
Kurz nach ihrem Wahlsieg im Herbst 1998 verständigten sich die neuen Regierungsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Rahmen der Koalitionsverhandlungen darauf, die Friedens- und Konfliktforschung verstärkt zu fördern. Die Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998 formulierte im Kapitel Außenpolitik die Absicht der designierten Bundesregierung, sich "für den Aufbau einer Infrastruktur zur Krisenprävention und zivilen Konfliktbearbeitung" einzusetzen, wozu unter anderem die "finanzielle Förderung der Friedens- und Konfliktforschung" gehören sollte.
Der Autor beschreibt die neuen Ziele und Untersuchungsfelder der Friedens- und Konfliktforschung in der Bundesrepublik, die gemäß dem Koalitionsabkommen der rot-grünen Bundesregierung vor allem dem "Aufbau einer Infrastruktur zur Krisenprävention und zivilen Konfliktbearbeitung" dienen sollte. Er gibt zunächst einen Überblick über die personelle Zusammensetzung des Stiftungsrates als neuem Förderorgan der Friedensforschung, welcher mit seiner "SPD-Lastigkeit" offenbar ein deutliches rot-grünes Signal bei den Personalentscheidungen setzen wollte. Er skizziert ferner den Paradigmenwandel in der Friedens- und Konfliktforschung, welche nach Beendigung des Rüstungswettlaufs und des Ost-West-Konflikts nunmehr "neue Kriege" untersucht, die regional entstehen und ethnische, soziale und politische Probleme umfassen. Die neuen, übergreifenden Ansätze beziehen sich auch auf das Verhältnis von Umweltbelastungen und Ressourcenknappheit einerseits und auf die Möglichkeiten und Kooperationen der internationalen Politik andererseits. Da der Politikberatung ein großer Stellenwert bei der neu zu fördernden Friedensforschung beigemessen wird, formuliert der Autor abschließend einige grundsätzliche Anmerkungen zum Verhältnis von wissenschaftlicher Forschung und Politikberatung. (ICI)
Die Politikwissenschaft gehört mit der Thematisierung von Krieg und Frieden zu den Anfängen wissenschaftlichen Arbeitens in Europa. Einerseits ist dieser Gegenstand einer ihrer ältesten und konstantesten Bestandteile, andererseits unterliegt dieses Thema wie kaum ein anderes den kontextuellen gesellschaftlichen Bedingungen, hat Konjunktur oder auch nicht, wechselt Fragestellungen, Methodologie und erkenntnisleitendes Interesse. Die Frage nach Krieg und Frieden tangiert die Gestaltung der Außenbeziehungen einer politischen Ordnung. Der vorliegende Beitrag zeigt durch einen historischen Abriss der Thematik, dass die Sicherung nach außen immer funktional für die Gesamtsicherheit gesehen wurde, die ein politisches System seinen Bürgern als wesentliches Qualitätsmerkmal gewährleisten konnte. Sowohl die begriffsgeschichtlichen wie die begriffssystematischen Überlegungen zeigen, dass der Auffassung von Frieden immer zu eigen ist, dass es sich dabei um Orientierungswissen handelt, dass es jedoch als solches in vielfältiger Weise kontextabhängig ist: vom Welt- und Menschenbild des Autors, von politischen Einstellungen und biografischen Erfahrungen. Als ein Beispiel für die skizzierte Problematik wird der Begriff des "Bellum Justum" erörtert, der durchgängiger Bestandteil auch des wissenschaftlichen Bemühens um Frieden war und hier am Beispiel Hugo Grotius' skizziert wird. (ICA2)