Der Autor stellt Ansätze der quantifizierenden historischen Forschung in den USA vor, die einen Fortschritt auf dem Weg zu einer sozialwissenschaftlichen Geschichtswissenschaft darstellen. Auch bei der Übernahme sozialwissenschaftlicher Methoden bleiben die ursprünglichen Ziele der Historiographie erhalten. Für die Anfänge dieser Entwicklung konstatiert der Autor eine Vernachlässigung konzeptioneller Fragen zugunsten der reinen Datenerhebung. Für ihn ist die Entwicklung in der neuen ökonomischen Geschichte am weitesten fortgeschritten, die von einem neoklassischen Ansatz ausgeht. (BG)
Der Autor will unter Anwendung des sogenannten Verbreitungs-Ansatzes den Rekrutierungsprozeß der norwegischen "Nasjonal Samling" (SN) analysieren, dabei gleichzeitig die Probleme aufzeigen, die sich bei der Anwendung quantifizierender Analyse ergeben. Er gibt einen Überblick über die Entwicklung des norwegischen Nationalismus und Staatsbildung, sowie die Geschichte der NS bis zu ihrer Auflösung 1945. Dann wird das Konzept der Verbreitungsanalyse und seine Relevanz für die Analyse der Ausbreitung des Nazismus vorgestellt. Der Autor gibt eine Zusammenfassung der elementaren mathematischen Implikationen und stellt einige Beispiele für Verbreitungsmodelle vor. Verbreitungsmodelle werden anhand eines Vergleichs von Rekrutierungsmustern in verschiedenen Berufszweigen und unter regionalen Aspekten durchgeführt. (BG)
"In diesem Beitrag soll versucht werden, die jährlichen Wachstumsraten der Arbeitsproduktivität in der belgischen Industrie für die Zeitspanne von 1846 bis 1910 zu messen. Grundlagen dafür bilden die physischen Produktionsindices der belgischen Industrie von 1831 bis 1913 sowie vier Schätzwerte über die Verteilung der Beschäftigten auf die verschiedenen Industriezweige. Sie basieren auf Angaben aus den Jahren 1846, 1896 und 1910, in denen Betriebszählungen durchgeführt wurden. Die Wachstumsrate der Produktivität insgesamt wurde nach acht Industriezweigen und 53 Untergruppen aufgegliedert. Mit ihnen ist der Großteil des Bergbaus und der Industrie erfaßt. In dieser Studie wird zum erstenmal eine umfassende Statistik über die Arbeitsproduktivität in der belgischen Industrie während des 19. Jahrhunderts vorgelegt. Wenngleich diese Ergebnisse auch nur als vorläufig zu gelten haben, so lassen sich doch methodologische wie auch ökonomische Schlußfolgerungen daraus ziehen. So weisen die Daten zum Beispiel nach, daß sich die Arbeitsproduktivität in den wichtigsten Industriezweigen recht unterschiedlich entwickelte, und zwar entsprechend der jeweiligen technischen Entwicklung. Sodann belegen die Daten, daß sich die Große Depression von 1875 bis 1895 als 'strukturelle Diskontinuität' in der Geschichte der belgischen Industrie zeigte." (Autorenreferat)
"Das Forschungsinteresse westeuropäischer Wirtschaftshistoriker hat sich den jeweiligen ökonomischen Problemen der Zeit flexibel angepaßt. Nachdem es sich zunächst auf die Wirtschaftskonjunkturen gerichtet hatte, verlagerte es sich auf das Wirtschaftswachstum. Gegen Ende der euphorischen 1960er Jahre widmete man sich allerdings erneut der Untersuchung langer Wellen. Zu einem großen Teil befaßte sich die quantitative Wirtschaftsgeschichte mit der Erstellung einer Datenbasis. Daneben gab es bedeutende empirische Untersuchungen, die Auswirkungen auf die Wirtschaftstheorie ausübten. Die aus Amerika stammende New Economic History School zeigte keine allzu lang anhaltende Wirkung in Westeuropa. Gründe dafür wurden ausführlich an anderer Stelle dargelegt. Wichtiger ist allerdings wohl, daß westeuropäische Wirtschaftshistoriker neben dem Aufbau stärker abgesicherter Datensammlungen bedeutsame Änderungen in der Wirtschaftstheorie herbeiführten. Mit diesen wichtigen Änderungen der Theorie ist der Historiker aus der Zwangslage befreit, nun jedes wirtschaftshistorische Phänomen dem neoklassischen Rahmen einfügen zu müssen. Bei stärkerem Einsatz statistisch-ökonomischer Methoden werden die Wirtschaftshistoriker noch weiteren Einfluß auf die Wirtschaftstheorie nehmen können. So müßten die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, die bisher aufgestellt wurden, gründlich überprüft werden, selbst wenn sie einst in der Nachkriegszeit einen Meilenstein der Forschung darstellten. Die konstanten durchschnittlichen Wachstumsraten, die in diese volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen eingingen, müssen abgeändert werden. Man kann erwarten, daß das Forschungsprojekt zur Produktivitätsentwicklung, an dem jetzt gearbeitet wird, einen wichtigen Beitrag sowohl zu empirischen als auch zu theoretischen Aspekten zu leisten vermag. Bei der Forschung über die langen Wellen muß sicher mehr Gewicht auf die entscheidenden Komponenten des wirtschaftlichen Fortschritts gelegt werden, nämlich auf Vorgänge der Faktorsubstitution und der Faktorverwendung. Größere Aufmerksamkeit sollte auch den Länder- und Sektorenvergleichen zukommen, mit denen man jeweils ein Führen oder Nachhinken ('leads' und 'lags') aufspüren könnte." (Autorenreferat)
"Hiermit werden einige Aspekte des Forschungsprojektes über 'Einkommen, Output und Produktivität in Spanien vom achtzehnten Jahrhundert bis in die Gegenwart' vorgestellt. Eine Gruppe von Wirtschaftshistorikern arbeitet an diesem Projekt, das von der spanischen Zentralbank gefördert wird. In diesem Beitrag wird versucht, die möglichen wie auch die bereits erreichten Resultate darzulegen, die bei der Aufstellung einer Zeitreihe über das spanische Volkseinkommen auf der Grundlage von monetären Variablen zu erzielen sind. Monetäre Angaben sind recht leicht zusammenzustellen und liegen jährlich bereits seit 1874 vor. Milton Friedman hat dieses Schätzverfahren erstmals angewandt. Es geht von der grundlegenden Voraussetzung aus, daß die Geldumlaufgeschwindigkeit (der Koeffizient von Volkseinkommen zu Geldmenge) eine ziemlich stabile Größe ist. Und tatsächlich wird diese Annahme durch empirische Angaben aus einer Vielzahl von Ländern bestätigt: Bei nur geringen Abweichungen von Jahr zu Jahr weist die Umlaufgeschwindigkeit eine langfristige Tendenz zur Verlangsamung auf. In weit fortgeschrittenen Volkswirtschaften kehrt sich dieser Trend jedoch um, d. h., die Umlaufgeschwindigkeit hat die Tendenz, sich zu erhöhen, und auch dieses nur mit geringen Schwankungen. Die Umlaufgeschwindigkeit in Spanien scheint sich in dieses Muster einzufügen. Unsere Zahlen belegen, daß die Umlaufgeschwindigkeit hier einen Trend zur Verminderung aufweist. In den Zeitspannen von 1901 bis 1908, von 1914 bis 1917 und von 1946 bis 1951 jedoch kehrte sich als Folge von Kriegseinflüssen dieser allgemeine Trend um: Der kubanische Unabhängigkeitskrieg, der Erste Weltkrieg sowie der spanische Bürgerkrieg waren für diese Trendumschwünge verantwortlich. Doch sieht man von diesen Störungen einmal ab, so erweist die relative Stabilität der Umlaufgeschwindigkeit, daß die vorgesehene Schätzmethode durchaus anwendbar ist. Am Ende des Artikels werden einige Probleme umrissen, die dabei auftauchen, wenn man die Methode auf das frühe neunzehnte Jahrhundert anwenden will; denn für diesen Zeitraum sind Schätzungen der Geldmenge nur schwer zu erstellen." (Autorenreferat)
"Walther G. Hoffmanns Daten zum Wachstum der deutschen Wirtschaft seit 1850 sind bisher in vielfältiger Weise von Wachstumstheoretikern und Wirtschaftshistorikern zur Überprüfung von Wachstumstheorien und wirtschaftshistorischen Interpretationen des Industrialisierungsprozesses in Deutschland herangezogen worden. Die Daten selbst, ihre Quellen, ihre Zusammenstellung und die dabei benutzten Annahmen und Schätzverfahren haben bisher jedoch noch keine umfassende kritische Bearbeitung erfahren. In diesem Beitrag wird die Methode, die Hoffmann für die Aggregation des Produktionsindizes von neun Sektoren der Wirtschaft zu einer Zeitreihe für das Wachstum des realen Nettoinlandsprodukts zu Faktorkosten in Deutschland 1850-1913 verwendet hat, kritisch vorgestellt. Sodann wird der Hoffmannschen Zeitreihe eine nach einem anderen Verfahren geschätzte gegenübergestellt, um die Größenordnung festzustellen, in der die Wachstumsrate des realen Nettoinlandsprodukts zu Faktorkosten in Deutschland in jener Periode von jeweils gewählten statistischen Verfahren der Indexberechnung abhängt. Während Hoffmann die Struktur der Wertschöpfung seiner neun Wirtschaftssektoren aus dem Jahr 1913 als konstante Gewichtung für die Aggregation der Sektorindizes zum Index für die Produktion der Gesamtwirtschaft in Deutschland benutzt, verwendet der Autor in seinem Berechnungsverfahren eine jährlich über die Gesamtperiode 1850-1913 angepaßte Wertschöpfungsstruktur für die Gewichtung der Wachstumsrate der Gesamtwirtschaft. Im Ergebnis liegen die vom Autor berechneten Wachstumsraten des deutschen Nettoinlandsprodukt höher als die von Hoffmann ermittelten. Die Unterschiede nehmen bis 1913 jedoch tendenziell ab, da sich die Gewichtungsstrukturen beider Verfahren im Zeitablauf einander annähern. Die Unterschiede sind für die Periode des sog. take-off der deutschen Industrialisierung bis 1874 am größten und machen in dieser Periode im mehrjährigen Durchschnitt bis zu 0,4 Prozentpunkte aus. Dadurch werden die Hoffmannschen jährlichen Wachstumsraten um bis zu 13 v. H. nach oben korrigiert." (Autorenreferat)
In: Soziologie in der Gesellschaft: Referate aus den Veranstaltungen der Sektionen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, der Ad-hoc-Gruppen und des Berufsverbandes Deutscher Soziologen beim 20. Deutschen Soziologentag in Bremen 1980, S. 805-809
"This paper attempts to explain the coming and going of the Great Depression purely in real-economic terms by exhibiting some long-run regularities in the evolutionary interplay between innovation and Stagnation. This interplay seems to go through long-range cycles of structural change. According to our propositions, Stagnation is the result of imbalanced technological change: for too many years there were too many rationalizing (R) innovations and too few expansionary (E) innovations. As the E/R ratio becomes too low, the socio-economic system becomes structurally unstable (crisis) and structurally ready (recovery) for a new spurt of basic innovations and a good many expansionary changes." (author's abstract)
"Dieser Aufsatz ist Teil eines umfassenderen Projektes, in dem die Diffusion des Koksschmelzens und des Puddelverfahrens in Belgien, Frankreich und Deutschland von den 1820er Jahren bis in die 1860er Jahre untersucht wird. Großbritannien als wirtschaftlich führendes Land in der Eisenindustrie ist darin vorrangig in seiner Modellfunktion sowie als Exporteur primärer Eisenprodukte (Roh- und Stabeisen) einbezogen. Wesentliches Anliegen der Arbeit ist, den Diffusionsprozeß aus ökonomischen Erwägungen zu erklären. Damit soll der gängige Fehler vermieden werden, technische Fortschritte verkürzt mit wirtschaftlichen gleichzusetzen. Traditionelle Verfahren oder teilweise modernisierte Techniken waren nämlich lange Zeit den jeweils 'modernsten' Techniken unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten (d. h. hinsichtlich der Produktionskosten) durchaus ebenbürtig. Aus der umfangreicheren Themenstellung werden hier zwei Teilbereiche herausgegriffen, und zwar: 1. Strukturwandlungen des Außenhandels, 2. Produktivitätsentwicklungen im Vergleich von Regionen bzw. Ländern. Die Strukturwandlungen des Außenhandels (Punkt 1) wurden zwischen Frankreich und Deutschland verglichen. Als ausgeprägte Unterschiede erwiesen sich dabei die Zollpolitik und die Rolle von Importen. In Frankreich ermöglichten hohe Zolltarife einen verzögerten, langgezogenen Übergang zur Steinkohlentechnologie, wobei man stärker auf vorhandene inländische Ressourcen zurückgriff. In Deutschland dagegen bewirkten die niedrigen Zolltarife einen schnellen und eher abrupten Wechsel, wobei in beträchtlichem Ausmaß Zwischenprodukte (Roheisen) von außerhalb eingesetzt wurden. In den späten 1850er Jahren hatten beide Länder in der primären Eisenindustrie ungefähr den gleichen technischen Standard erreicht. Die Produktionskosten waren dann so weit gesenkt, daß man sich die niedrigen Zolltarife im Rahmen des Cobden-Chevalier-Vertrages leisten konnte. Unter Punkt 2 wurde versucht, die Produktivitätsentwicklung bei der Herstellung von Roheisen und Stabeisen zu messen, indem die Outputpreise dem Preis des wichtigsten Inputs (nämlich Steinkohle für das Roheisen und Roheisen für das Stabeisen) im Trend gegenübergestellt wurden. In der Roheisenerzeugung zeigten die kontinentaleuropäischen Länder in der Zeit zwischen 1845/1850 und 1870 deutlich höhere Produktivitätsfortschritte als Großbritannien. In der Stabeisenherstellung dagegen, d. h. beim Puddel- und Walzprozeß, wiesen alle Länder kaum Produktivitätsfortschritte auf. All die Kosten- und Preisvergleiche zeigen aber, daß Großbritannien in den 1860er Jahren immer noch der Anbieter zu niedrigsten Preisen war, wenngleich kontinentaleuropäische Eisenproduzenten inzwischen so weit aufgeholt hatten, daß sie unter dem Schutz der noch immer existierenden Zolltarife und der Transportkosten ihr Eisen in ihren Ländern ebenso billig, wenn nicht gar billiger anzubieten vermochten." (Autorenreferat)
Der Autor stellt die Frage, welchen wissenschaftlichen Nutzen die Verwendung computerisierten Daten für die Soziologie haben. Einerseits vermitteln sie ein vollständigeres Bild des Untersuchungsgegenstandes, andererseits ist dieses Verfahren bisher nicht geeignet, tiefere theoretische Einsichten zu erlangen. Die grundlegenden theoretischen Konzeptionen der Soziologie stammen aus der Zeit vor der Einführung des Computers und nach Ansicht des Autors verführt die Anwendung dieser Technik dazu, theoretische Reflexionen gegenüber der Materialsammlung und Bearbeitung zu vernachlässigen. (BG)
"German industrial expansion in the period 1880-1913 was significantly more rapid than that of the United Kingdom, and substantially less volatile than that of the United States. A partial explanation for the relatively stable growth path of the German economy during these years may be found in the greater relative importance and volatility of the railroad construction component of net investment in the United States. By 1880 only a little over one-third of the U.S. final rail net was in place, compared with over half in the case of Germany. Compared to Germany, railroad investment in the United States between 1880 and World War I was, on average, much larger absolutely. It was also much larger in comparison to total population, total industrial output, and in comparison to expenditures on residential construction. In addition, it was more volatile. The lesser importance and volatility of this component of autonomous expenditure in the German case partially accounts for the relative nonvolatility of the German industrial Output series." (author's abstract)