Informelle Politik im internationalen Vergleich
In: Nord-Süd aktuell: Vierteljahreszeitschrift für Nord-Süd und Süd-Süd-Entwicklungen, Band 13, Heft 2, S. 217-228
ISSN: 0933-1743
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In: Nord-Süd aktuell: Vierteljahreszeitschrift für Nord-Süd und Süd-Süd-Entwicklungen, Band 13, Heft 2, S. 217-228
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In: SAIS review / the Johns Hopkins Foreign Policy Institute of the Paul H. Nitze School of Advanced International Studies (SAIS): a journal of international affairs, Band 16, Heft 1, S. 167-178
ISSN: 1946-4444
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Müssen Lehrkräfte und Wissenschaftler schon jetzt täglich ihre Arbeitszeit erfassen? Geht es nach dem Ministerium von Hubertus Heil, lautet die Antwort ja – unabhängig davon, wie es mit der feststeckenden Novelle des Arbeitszeitgesetzes weitergeht.
ES WAREN ARBEITSRECHTLICHE PAUKENSCHLÄGE. 2019 urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die
gesamte geleistete Arbeitszeit von Arbeitnehmern stets aktuell aufzuzeichnen ist. Im September 2022 konkretisierte das Bundesarbeitsgericht für Deutschland: Das EuGH-Urteil gelte nicht irgendwann in
der Zukunft, sondern bereits heute. Grundlage sei das geltende Arbeitsschutzgesetz: Alle Arbeitgeber seien verpflichtet, umgehend ein entsprechendes System zur Zeiterfassung einzurichten und zu
nutzen.
Seitdem läuft auf der politischen Bühne das Gerangel um mögliche Ausnahmen. Für die Wissenschaft hatte etwa der damalige Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Peter-André Alt, schon vor
vier Jahren eine Sonderregelung gefordert, direkt nach Bekanntwerden des EuGH-Urteils.
Um Rechtssicherheit zu schaffen, arbeitet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) seit Monaten an einer Reform des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG). Ein Referentenentwurf kursierte
bereits – und verursachte gerade in der Wissenschaft neue Aufregung, weil sie offenbar doch wie andere Branchen auch behandelt werden soll. Die Kultusminister sorgen sich ebenso: Müssen
künftig sogar die Lehrkräfte jede Arbeitsstunde akribisch dokumentieren? Wie soll das überhaupt gehen? Und was würde das für die Attraktivität des Berufs in Zeiten des Pädagogenmangels
bedeuten?
KMK-Präsidentin Günther-Wünsch: Pflicht zur
Zeiterfassung gefährdet Attraktivität des Lehrerberufs
Grund für Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU), zurzeit Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), einen Brief an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zu schreiben,
in dem sie doch noch gesetzliche Sonderregelungen für Lehrkräfte und für die Wissenschaft einfordert. Die Antwort, die sie kürzlich aus Heils Ministerium erhalten hat und die mir ebenfalls
vorliegt, dürfte Günther-Wünsch freilich nicht gefallen. Kurz gefasst lautet sie: Bei der Pflicht zur Zeiterfassung kann es nach Meinung des BMAS keine grundsätzliche Ausnahme geben, weder
für Schulen noch für Hochschulen oder sonstige Wissenschaftseinrichtungen, und auch Beamte fallen unter die Regelung. Folgt man der Logik des Ministeriums, hieße das sogar: Lehrkräfte könnten
theoretisch schon jetzt jederzeit eine Zeiterfassung einklagen.
In ihrem Schreiben vom 11. Juli hatte KMK-Präsidentin Günther-Wünsch kritisiert, der gegenwärtige Referentenentwurf zum Arbeitszeitgesetz trage der "besondere(n) Situation der Lehrkräfte" nicht
Rechnung. Diese bestehe darin, dass die Arbeitszeit von Lehrkräften, ob Beamte oder nicht, nur zu einem Teil messbar sei, und zwar in Form der erteilten Unterrichtsstunden, "während sie im
Übrigen hinsichtlich der zahlreichen außenunterrichtlichen Tätigkeiten (Unterrichtsvorteil- und Nachbereitung, Korrekturen, Eltern- und Schülerbesprechungen, Verwaltungsarbeiten, Vertretungen,
Aufsichten, Konferenzen, Schulausflüge, Klassenfahrten etc.) nicht im Einzelnen im Vorfeld prognostiziert und auch nicht arbeitgeberseitig überprüft werden kann." Es gehöre zum Berufsbild der
Lehrkraft, "dass diese ihre Aufgaben eigenverantwortlich und selbstständig ausübt".
Außerdem, führte Günther-Wünsch aus, drohe eine Ungleichbehandlung, weil die geplante Novelle des Arbeitszeitgesetzes die Erfassungspflicht nur für tarifbeschäftigte Lehrkräfte festlegen
würde. Eine solche Ungleichbehandlung widerspreche aber dem europäischen Arbeitnehmerbegriff. Und die KMK-Präsidentin warnte: Inmitten des Lehrkräftemangels hänge die Attraktivität des
Lehrerberufs "maßgeblich mit der Flexibilität der zeitlichen Arbeitseinteilung zusammen".
Arbeitsministerium: Nachteil einer Aufteilungspflicht
in Schulen und Hochschulen "nicht ersichtlich"
Die Antwort aus dem BMAS wurde von Heils beamteter Staatssekretärin Lilian Tschan verfasst, und sie gibt Günther-Wünsch Recht – aber mit anderen Konsequenzen als von dieser erhofft: "Wie Sie
richtig darstellen", schrieb Tschan Anfang August, schließe der europäische Arbeitnehmerbegriff Beamte ein. Daher müssten auch die für das Beamtenrecht zuständigen Innenministerien des Bundes
under Länder die Auswirkungen der EuGH-Entscheidung von 2019 prüfen.
Soll heißen: Die von Günther-Wünsch geforderte Gleichbehandlung besteht nach BMAS-Auffassung darin, dass wahrscheinlich auch Beamte ihre Arbeitszeit erfassen müssten, womit es
tatsächlich zwischen angestellten und verbeamteten Lehrern keinen Unterschied mehr gäbe. Tschan macht das mit Verweis auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2022 nochmal explizit:
"Auch das vom BAG in Bezug genommene Arbeitsschutzgesetz findet auf Beamtinnen und Beamte Anwendung."
Bleibt der Streitpunkt Wissenschaft. Auch hierauf war KMK-Präsidentin Günther-Wünsch in ihrem Brief an Heil eingegangen und hatte gefordert, dass "die Besonderheiten eines Arbeitnehmers im
Bereich der Forschung und Lehre" in der geplanten Novelle Berücksichtigung finden sollten. Andernfalls drohe hier eine weitere Ungleichbehandlung: Zum einen seien da die Professoren, die auch
unabhängig von einer Verbeamtung wegen der Besonderheit und Eigenständigkeit ihrer Tätigkeit nicht unter die Arbeitszeiterfassung fielen, zum anderen gebe es den Akademische Mittelbau, für
den sich "künftig Fragen insbesondere in Bezug auf die einzelnen Personalkategorien" ergeben könnten.
Deshalb bitte sie um Prüfung, ob für die Wissenschaft die Ausnahmevorschrift der Europäische Arbeitszeitrichtlinie angewandt werden könne. Diese nehme Personen von der Zeiterfassung aus, "deren
Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und/oder nicht im Voraus festgelegt werden kann, sowie Personen mit selbstständiger Entscheidungsbefugnis".
Doch auch hier lautet die Antwort auf dem BMAS: Njet. Tschan schrieb: "Die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zu Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten sind heute schon für Arbeitnehmerinnen
in Schulen und Hochschulen einzuhalten und werden durch die Arbeitszeiterfassung nicht verändert. Daher sind für mich nachteilige Auswirkungen der Aufzeichnungspflicht nicht ersichtlich."
Pocht das Arbeitsministerium so auf der geltenden Rechtslage, weil die Novelle nicht vorankommt?
Außerdem werde die von Günther-Wünsch erwähnte Ausnahmeregelung der EU-Arbeitszeitrichtlinie vom EuGH "eng ausgelegt", ergänzt Tschan. "Die Vorschrift kann daher nur in Bezug auf
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genutzt werden, bei denen die gesamte Arbeitszeit (Dauer und Lage) wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus
festgelegt wird oder von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann." Sie finde hingegen keine Anwendung, wenn die Arbeitszeit nur teilweise nicht gemessen oder nicht
im Voraus festlegt oder nur zum Teil selbst festgelegt werden könne. "Der Umstand, dass der konkrete Umfang der Arbeitszeit nicht in jedem Fall im Voraus feststeht, steht einer nachträglichen
Dokumentation am Ende des Arbeitstages nicht entgegen."
Die Botschaft aus dem BMAS scheint damit klar: Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt nach Auffassung des Ministeriums schon heute umfassend für alle Lehrkräfte in den Schulen, die
Kultusministerien müssten sie jetzt umsetzen. Ob Gerichte das genauso sehen, bleibt abzuwarten. Doch erste entsprechende Klagen könnten jederzeit kommen.
In der Wissenschaft ist die Lage ähnlich: Auch für sie lehnt das BMAS eine Bereichsausnahme ab. Wie die Hochschulen und Forschungsorganisationen darauf reagieren, die seit Jahren genau eine solche Regelung fordern, wird
spannend. Zumal die Unsicherheiten an der Stelle bleiben – verweigert das Arbeitsministerium in seiner sonst so klaren Antwort doch eine eindeutige Positionierung, ob zumindest Profs auch
künftig nicht ihre Arbeitszeit erfassen müssen.
Vielleicht pocht man im BMAS ja deshalb so auf die vermeintlich bereits geltende Rechtslage, weil die Gesetzesnovelle festzustecken scheint. Nach Bekanntwerden des Referentenentwurfs ist nicht
mehr viel passiert, weil die Bundesministerien untereinander im Clinch liegen sollen. Vor allem die FDP stehe auf der Bremse, heißt es in der Ampel-Koalition. Offiziell teilt das
Arbeitsministerium auf Anfrage lediglich mit, dass der Gesetzentwurf sich "derzeit in der regierungsinternen Abstimmung befindet. Alles Weitere bleibt abzuwarten."
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'Der Beitrag beschreibt und analysiert die vertikale geschlechtsspezifische Segregation in wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der medizinischen Fächer (vertikale Segregation: mit aufsteigender Qualifikations- und Gehaltsstufe sinkt der Frauenanteil in dem Fach). Ausgehend von den wichtigsten Erklärungsansätzen werden beispielhaft bestehende Strukturen und Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene vorgestellt, die dem erklärten Ziel dienen, die geschlechtergerechte Teilhabe in Forschung und Lehre nachhaltig voranzutreiben.' (Autorenreferat)
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