Berufliche und allgemeine Bildung sind keine curricularen, sondern systemische Gegensätze. Die deutsche Bildungsgeschichte hat sich über zwei soziologisch völlig unterschiedliche, daher auch weder integrier- noch aufeinander reduzierbare Zentren der Systemfindung abgespielt. Reformambitionen, die das nicht zur Kenntnis nehmen, scheitern an den historisch entstandenen Formen, durch die sie selbst möglich geworden sind. (DIPF/Orig.) ; Vocational and general education represent not curricular but, rather, systemic opposites. German educational history has unfolded in two sociologically completely different and therefore neither integrable nor mutually reducible centers of system formation, Reformatory efforts which neglect this aspect will fail because of the historically developed forms through which they themselves were made possible. (DIPF/Orig.)
Anhand des Lebenslaufs des Sportmediziners Wolfgang Kohlrausch (1888-1980) wird die Geschichte der Sportmedizin und Krankengymnastik in Deutschland vom Kaiserreich bis in die Bundesrepublik verfolgt. Kohlrausch ist ein typischer Vertreter der bürgerlichen Elite im 20. Jahrhundert: geboren und aufgewachsen im Kaiserreich in einer deutschen Gelehrtenfamilie, standesgemäßes Studium der Medizin, Frontsoldat im Ersten Weltkrieg und während dieser Zeit Heirat mit einer Professorentochter, Beginn der beruflichen Karriere im Berlin der Weimarer Republik, Krönung der Laufbahn durch ein Ordinariat im »Dritten Reich«. Nach den Entnazifizierungsprozeduren faßt er beruflich nach dem Krieg zwar nicht im universitäten Umfeld, aber doch respektabel als Leiter einer Klinik wieder Fuß und bleibt bis zu seinem Tode fachlich und standespolitisch seinem Fach, der Sportmedizin, verbunden. Durch die Geschichte der Verbindung zwischen Medizin und Bewegung zieht sich seit den frühesten Anfängen im Altertum eine konstante Affinität zu der Erziehung der Jugend, Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung und, damit verknüpft, eine Verbesserung des miltärischen Potentials. Die Medizin in ihrem Übergang von der Heilkunde zur Naturwissenschaft fand in der Körperertüchtigung einen Verbündeten. Die aufkommende Sportbewegung, begleitet von der Wiederbelebung der Olympischen Spiele um die Jahrhundertwende, unterstützte die Verbreiterung der sportmedizinischen Basis. Einen entscheidenden Impuls für Sportmedizin und Krankengymnastik setzte der Erste Weltkrieg: die Versorgung der Verwundeten und der Ersatz für den durch den Versailler Vertrag verbotenen allgemeinen Wehrpflicht durch den Sport, brachte in der Weimarer Republik Bewegung in die Belange der Sportmedizin. Die völkisch-nationale Ausrichtung des Sports bewegte sich zwischen erlaubter sportlicher Betätigung und verbotener militärischer Ausbildung der Jugend, die Sportmedizin zwischen gesundheitsfürsorgerischen und militärmedizinischen Interessen. Die Nationalsozialisten konnten 1933 bei der Einführung ihrer naturheilkundlich orientierten »Gesundheitsführung« auf die Arbeit der Sportarztbewegung zurückgreifen. Zur Gesunderhaltung des »Volkskörpers«, zur Steigerung der Wehrfähigkeit und zur Prophylaxe von das Gesundheitssystem belastenden Krankheiten stellten die »körperlichen Ertüchtigungen« ein probates Mittel dar. Kohlrausch wechselte 1941 vom Sportärztlichen Institut Freiburg auf ein Ordinariat für Bewegungstherapie an der nationalsozialistischen Reichsuniversität Straßburg. Diese war ein Teil der »wissenschaftlichen Kriegsführung gegen den Westen« und Kohlrauschs Fachgebiet innerhalb der Sportmedizin, die Krankengymnastik, war äußerst »kriegswichtig« für die Versorgung der verwundeten Soldaten der Wehrmacht. Die Beteiligung von Ordinarien der Medizinischen Fakultät an den grausamen Menschenversuchen im Konzentrationslager Natzweiler-Struthof stellt die Reichsuniversität Straßburg in das Zentrum der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Dem innenpolitische Wert der »Körperertüchtigung« der Jugend durch den Sport wurde durch sportpolitische Maßnahmen in Schule, Hochschule und Organsationen Rechnung getragen. Erst als das NS-Regime den außenpolitischen Wert der propagandistischen Möglichkeiten für das »Dritte Reich« erkannt hatten, förderten sie die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Die Bedeutung der Olympischen Spiele ging weit über den sportpolitischen Rahmen hinaus. Wie schon bei dem gesellschaftlichen Systemwechsel von der Weimarer Republik zum Nationalsozialismus hat sich die Sportmedizin bei dem Wechsel zur demokratischen Bundesrepublik erstaunlich schnell wieder etabliert. Unter der Federführung des als Nicht-Parteimitglied nicht der Entnazifizierung zugeführten Galionsfigur Carl Diem wurde in der direkten Nachkriegszeit schon 1947 die Nachfolgeeinrichtung der DHfL, die Sporthochschule in Köln gegründet, die eine Signalwirkung auf den Neuetablierung des Sports und der Sportmedizin bewirkte. Trotz des wachen Auges der Alliierten, die die Verknüpfung von Sport und Militarismus und die »politische Leibeserziehung« ganz aus Deutschland verbannt sehen wollten, konnten sich die alten Protagonisten wieder an die Spitze der Verbände setzen und die »Kräftigung und Gesundung der Jugend« durch Sport setzte sich als Prämisse der Gesundheits- und Sozialpolitik wieder durch. Bemerkenswert ist die Kontinuität, mit der Kohlrausch über alle gesellschaftlichen Systemwechsel hinwegkam. Daß unter den Staatsformen, denen Kohlrausch und seine Mitstreiter die Nützlichkeit des Sports angetragen gaben, auch das verbrecherische System des Nationalsozialismus war, hat sie nicht gestört. Im Gegenteil: der Biologismus und Militarismus des »Dritten Reiches« kam ihren gesellschafts- und gesundheitspolitischen Vorstellungen sehr entgegen - so sehr entgegen, daß sie hinterher von gar nichts mehr wußten. ; With the means of the course of life of the sports medicine, Wolfgang Kohlrausch (1888-1980), the history of sports medicine and physiotherapy in Germany will be shown. Kohlrausch is a typical protagonist of the intellectual elite of the 20th century: born and brought up in the Wilhelminian era in a German family of scholars, in accordance with that study of medicine, soldier in World War I, marriage with a professor's daughter, the beginning of career in the Weimar Republic, the top of his career with a university chair at the nationalsocialist »Reichsuniversität Straßburg«. After his denazfication Kohlrausch didn't suceed in getting a university chair again. But he was head of a clinic for exercise treatment in the Black Forest Remarkable is, how Kohlrausch and the sports medicine passed all changes in society - even the changes to the »Third Reich« and afterwards to the democratic system of the Federal Republic of Germany.
Im Fokus Arbeit steht die Untersuchung des öffentlichen Diskurses um Flucht und Vertreibung und der damit verbundenen Themenkomplexe sowie der Rolle der Vertriebenenverbände als wichtige Akteure dieses Diskurses im Zeitraum zwischen dem Fall der Mauer und der deutschen Wiedervereinigung sowie dem endgültigen Entschluss zur staatlich geförderten Musealisierung von Flucht und Vertreibung durch die Gründung der Stiftung 'Flucht, Vertreibung, Versöhnung' am 30. Dezember 2008, welche die Errichtung einer Ausstellung zum Thema im Berliner Deutschlandhaus zum Ziel hat. Die vorliegende Arbeit untersucht, wie in einem diskursiven Prozess verschiedene Akteure bestimmte Vergangenheitsinterpretationen zur Identitätsstiftung herausbilden, als allgemeinverbindlich durchzusetzen und damit die Deutungsmacht über den Diskurs zu erringen versuchen. Die Debatten rund um den Themenkomplex Flucht und Vertreibung werden dabei als geschichtspolitischer Identitätsdiskurs6 verstanden, in den der Bund der Vertriebenen (BdV) als Interessenverband Inhalte seines Gruppengedächtnisses und seiner Gruppenidentität einzubringen und als allgemeingültig zu verankern versuchte. Wie dabei zu zeigen sein wird, hat das vielfach kritisierte Streben nach einer 'Normalisierung' der nationalen Identität des wiedervereinigten Deutschland gegenüber den Bürden der nationalsozialistischen Vergangenheit zu einer neuen Funktionalisierung der Vertreibungserinnerung geführt, die alle nach der Wende geäußerten Hoffnungen auf eine 'Entfunktionalisierung' und Erreichung einer größeren 'Wahrhaftigkeit' dieser Erinnerung in den Bereich des Wunschdenkens verweist.
Biographien der Bischöfe von Speyer von 1200 bis 1272 mit ihren reichspolitischen Verflechtungen. Abgehandelt werden Konrad von Scharfenberg (1200-1224), Beringer von Entringen (1224-1232), Konrad von Thann (1233-1236), Konrad von Eberstein (1237-1245) und Heinrich von Leiningen (1245-1272). Breite Würdigung erfährt Konrad von Scharfenberg, "Diener dreier Herren", der sich, als enger Weggefährte und Vertrauter König Philipps von Schwaben, Kanzler Kaiser Ottos IV. und Kanzler und engster Berater Kaiser Friedrichs II., massiv in die Reichspolitik einschaltete. Während Beringer von Entringen und Konrad von Thann das Bistum Speyer nach innen konsolidierten, kam es unter Konrad von Eberstein zu einem politischen Paradigmenwechsel, weg vom Kaiser hin zum Papst. Heinrich von Leiningen, konsequenter Staufergegner, blieb ohne Fortune. Er war ehrgeizig und ambitioniert, scheiterte aber mit fast all seinen Vorhaben. Sowohl das angetrebte Amt des Metropoliten von Mainz wie das des Bischofs von Würzburg blieb ihm verwehrt.
1685 kam es durch den Dynastiewechsel im Herrscherhaus der Kurpfalz von der reformierten Linie Pfalz-Simmern zur katholischen Linie Pfalz-Neuburg zu einem Umschwung in der territorialen Konfessionspolitik. Im Hallischen Rezess, dem Vertrag zwischen den beiden Linien, war eine Bestandssicherung für die beiden protestantischen Konfessionen in der Pfalz festgeschrieben worden. Nach dem Willen des neuen Kurfürsten Philipp Wilhelm (1685 – 1690) sollten die Katholiken diesen gleichgestellt werden, auch um mit diesem Schritt und durch katholische Zuwanderung eine eigene Hausmacht im Territorium aufbauen zu können. Der Pfälzische Erbfolgekrieg mit Frankreich, der vor allem die Reformierten unter Druck setzte, führte unter Johann Wilhelm (1690 – 1716) zu einer Verschärfung der konfessionspolitischen Linie, da sich mit Berufung auf den Westfälischen Frieden außerterritoriale Akteure wie Kurbrandenburg in der Kurpfalz engagierten und damit den kurfürstlichen Herrschaftsanspruch beschädigten. In der Folge strebte die kurfürstliche Seite verstärkt die Erlangung der vollständigen Kontrolle in der Konfessionspolitik, die entsprechende Auslegung der reichsrechtlichen Grundlagen und die Ausschaltung außerterritorialer Einflüsse an. Dies bedeutete auch, den Reformierten Kirchenrat vollständig in klar weltlich und somit fürstlich beherrschte Strukturen zu integrieren und den eigentlich auf der Reichsebene geregelten Bereich des Konfessionellen somit zu einem Ressort der Territorialpolitik zu machen. Dies verband sich mit dem generellen Anspruch der Reichsfürsten, in ihren Territorien die allein rechtsetzende Instanz darzustellen. Der Frieden von Rijswijk von 1697 lieferte dem pfälzischen Kurfürsten mit der Religionsklausel die Möglichkeit, auf einer Rechtsgrundlage zu agieren, die es ihm erlaubte, stärker als vom Reichsrecht in der protestantischen Auslegung vorgesehen, in konfessionelle Strukturen einzugreifen, etwa durch die Einführung des Simultaneums im Jahr 1698. Der Konflikt zwischen Territorial- und Reichsrecht führte in der Folge unter anderem zu einer Gesandtschaft des Corpus Evangelicorum an den pfälzischen Hof. 1705 kam Johann Wilhelm in Verhandlungen mit Brandenburg-Preußen Forderungen nach Zugeständnissen für die Reformierten nach. Er befriedete durch die Übereinkunft mit einem wichtigen protestantischen Akteur den Konflikt mit der Reichsebene und konnte der Landesherrlichkeit die Möglichkeit zu einem relativ freien Agieren im Umgang mit den konfessionellen Strukturen und den Aufbaus eines garantierten, katholischen Kirchenbesitzes sichern. Die gleichzeitig erfolgte Bestandsgarantie für reformierten Kirchenbesitz und Verwaltung brachte Johann Wilhelm zudem die Unterstützung der protestantischen Reichsstände für das dynastische Ziel, die fünfte Kur von Bayern zu übernehmen. Sein Nachfolger Karl Philipp (1716 – 1742) trieb die Einbindung der konfessionellen Institutionen in herrschaftliche Strukturen voran, etwa durch eine klare Unterordnung des Kirchenrats unter die Regierung. Zwischen 1719 und 1724 kam es noch einmal zu einem massiven, konfessionspolitischen Konflikt, als die kurpfälzischen Reformierten der fürstlichen Forderung nach der Übergabe der Heidelberger Heiliggeistkirche für eine künftige Nutzung als Hofkirche nicht nachkamen und gleichzeitig der Heidelberger Katechismus aufgrund katholizismuskritischer Äußerungen und einer unerlaubten Verbreitung mit dem kurfürstlichen Wappen verboten wurde. Diese Konflikte führten zu einem massiven Engagement Brandenburg-Preußens, Englands, der Niederlande und Hessen-Kassels und verbanden sich in der Folge mit Differenzen zwischen den größeren Reichsständen und dem Kaiser. 1720 verlegte Karl Philipp, nach dem Scheitern der Übernahme der Heiliggeistkirche, die Residenz von Heidelberg nach Mannheim und schuf sich somit ein klar fürstlich konnotiertes Umfeld. In der Folge nahm der reichische Einfluss in der kurpfälzischen Konfessionspolitik ab, die Landesherrlichkeit wurde in den 1720er Jahren endgültig zum entscheidenden Akteur auch in Fragen der Konfessionspolitik. Die Grundlage der Konflikte in diesem Bereich bestand jedoch nicht in konfessionellen Unterschieden, sondern in den unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, die die Akteure zur Legitimierung ihres Vorgehens heranzogen. Einfluss nahmen zudem Faktoren wie Dynastie, Herrscherbilder und institutionelle Mechanismen wie beispielsweise der Inanspruchnahme eines "Rechts auf Weiterbestehen".
Betrachtet man die wissenschaftliche Literatur über die deutsche Außenpolitik im Allgemeinen und über die Ostpolitik der achtziger Jahre im Speziellen, so fällt auf, dass die Partei der Grünen bisher nur wenig vorkommt. Bis jetzt ging die Forschung davon aus, dass es eine "Ostpolitik" der Grünen gar nicht gegeben hat, in der entsprechenden Literatur werden die Grünen kaum aufgeführt. Diese Forschungslücke will die vorliegende Arbeit schließen und zu einer neuen Wertung gelangen. Die Grünen zogen im Frühjahr 1983 in den Deutschen Bundestag ein und konnten ihr Wahlergebnis 1987 steigern. International begannen Mitte 1980er Jahre tiefgreifende Prozesse, die am Ende des Jahrzehnts zu einer "Revolution der Staatenwelt" führen sollten. Mit Michail Gorbatschow traten tiefe Veränderungen ein, der Blick auf die Sowjetunion wandelte sich. Die Grünen tasteten sich damals als neue parlamentarische Gruppe sowie als außenpolitischer Akteur auf unbekanntes Terrain vor. In der parteiinternen "Gorbatschow-Debatte", die 1987 voll entbrannte, zeigte sich deutlich, wie sich am neuen Kreml-Chef die Geister schieden. Dabei waren die entstandenen Einschätzungen maßgeblich, prägten sie doch die Handlungsmöglichkeiten der Grünen in der Sowjetunion und mündeten in neue Ideen, mit denen man Gorbatschows innen- und außenpolitischen Kurs zu füllen gedachte. Der grüne Konsens zur Basisdemokratie wurde auch auf die Ostpolitik übertragen. Er bildete den eigentlichen Kernpunkt der grünen Osteuropaarbeit in den achtziger Jahren und bewirkte eine Konzentration der Grünen auf die Zusammenarbeit mit den oppositionellen Umwelt-, Friedens- und Menschenrechtsgruppen in Osteuropa. Die Achtung und die Anprangerung der Menschenrechte war dabei Teil der Kardinalfragen der Grünen. Erst Umbrüche innerhalb der Partei und die Umwälzungen des Jahres 1989 bremsten die Akteure aus. Aus dieser Konstellationen ergibt sich eine Vielzahl an Fragen: Welches Bild machten sich die Grünen von Michail Gorbatschow und der Entwicklung in der Sowjetunion? Mit welchen Gruppen und Bewegungen in der Sowjetunion vernetzten sich die Grünen? Wie und auf Grundlage welcher Inhalte konnten die Grünen mit ihnen zusammenarbeiten? Welche Sprache und Metaphern haben diese Vernetzungen und Zusammenarbeit begleitet? Wie wurden die Ideen und Konzepte über die nationalen Grenzen hinaus übertragen? Waren die Grünen ein Spielball der Sowjets oder aktive politische Akteure? Auf der Basis bisher unveröffentlichter Quellen aus dem Archiv Grünes Gedächtnis und erstmals aus geschichtswissenschaftlicher Sicht wird diesen Fragen nachgegangen. Orientiert an wahrnehmungsgeschichtlichen und akteurszentrierten Ansätzen werden Schwerpunkte der grünen Politik gegenüber der Sowjetunion, transnationale Netzwerke und Methoden der Kooperation zwischen 1983 und 1989 sichtbar.
Zum Thema "Das historische Erbe des Ersten Weltkriegs" sprach der Historiker Prof. Dr. Gerhard Hirschfeld am Montag, 30. Juni 2014, im Studium-Generale-Vortrag der Universität Heidelberg. Der Wissenschaftler vom Historischen Institut der Universität Stuttgart erläutert darin, wie sich der Erste Weltkrieg auf den weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts ausgewirkt hat und weshalb dieser schon von Zeitgenossen als der "Große Krieg" bezeichnet wurde. Wie der Referent betont, war der Erste Weltkrieg der erste Massen- und Maschinenkrieg der Moderne. In seinem Vortrag geht Prof. Hirschfeld der Frage nach, was diesen Krieg "groß" werden ließ – die hohen Verluste an Menschenleben, der Einsatz immer neuer Waffen, die Propagandamaßnahmen, eine zunehmend totale Kriegsführung? Zugleich fragt der Historiker nach der Instrumentalisierung des Ersten Weltkriegs in Hitlers Politik und Kriegsführung. Das Studium Generale ist eine Veranstaltungsreihe der Universität Heidelberg, die sich an alle Mitglieder der Universität und die interessierte Öffentlichkeit wendet. Die Vorträge eines Semesters stehen unter einem gemeinsamen Rahmenthema, das von Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen aus der Sicht ihrer Disziplin behandelt wird.
Die vorliegende Arbeit versteht sich als Beitrag zur vergleichenden Landesgeschichte und zur politischen Anthropologie der Frühneuzeit. Seit der Zeit um 1500 bildete das Gebiet der Acht Gerichte eine Landvogtei der ober- und vorderösterreichischen Lande, des habsburgischen Territorialkomplexes im Südwesten des Reichs. Aber schon etwas länger gehörten die Gemeinden der Acht Gerichte zu den Drei Bünden in Oberrätien. Damit stiessen hier zwei Mächte aufeinander, die ganz unterschiedlichen Modellen der Staatsbildung und der politischen Kultur entsprachen: Fürstenstaatliche Herrschaft traf auf kommunale Selbstorganisation. Letztlich vermochten die Habsburger ihre Ansprüche nicht durchzusetzen: Um die Mitte des 17. Jahrhunderts endete ihre Herrschaft in den Acht Gerichten. Der erste Teil der Arbeit behandelt den österreichischen Herrschaftsantritt in diesem Gebiet, der sich bereits krisenhaft anliess. Untersucht werden die beiderseitigen politischen Strukturen sowie die bilateralen Beziehungen zwischen den habsburgischen Herrschern und den Bündnern, aber auch entscheidende Handlungsabläufe auf der Mikro-Ebene. Sodann wird die Landvogtei vergleichend in den Rahmen der allgemeinen österreichischen Territorialverwaltung gestellt. Die administrativen Strukturen werden mit jenen informellen Patronagebeziehungen konfrontiert, welche die politische Alltagspraxis bestimmten. Der dritte Teil der Arbeit widmet sich der Frage, welche der beiden Mächte die wesentlichen Herrschaftskompetenzen in den Acht Gerichten innehatte. Nebst der Einsetzung von fürstlichen bzw. kommunalen Amtleuten betrifft dies die Ausübung der hohen bzw. der niederen Gerichtsbarkeit. Ferner gilt es zu untersuchen, wie es den Gemeinden im Zuge der Konfessionsbildung gelang, ein eigenes Kirchenregiment zu etablieren. Der abschliessende Teil befasst sich mit der politischen Kommunikation und der politischen Kultur in den Acht Gerichten. Die Manifestationen symbolischen Handelns und Sprechhandelns reichten von baulichen und bildlichen Herrschaftszeichen über politische Rituale bis hin zur politischen Sprache. Bei letzterer ist wiederum der semantische und der pragmatische Aspekt zu unterscheiden: Bezeichnungen und Benennungen, politische Zentralbegriffe, ganze Argumentationsketten, aber auch Titulaturen und Anreden, Beleidigungen und Drohungen. Ein wichtiges Medium für Protest und Widerstand war die politische Gewalt. Von teils symbolhaften Einzelhandlungen sind eigentliche Kriegsaktionen zu unterscheiden, die auf beiden Seiten konfessionell gerechtfertigt wurden und letztlich eine Funktion der Staatsbildung darstellten.
Bei der im Zuge des Friedens von Lodi 1454 gebildeten Lega italica handelte es sich um ein labiles politisches Gleichgewichtssystem unter den fünf mächtigsten italienischen Staaten (Mailand, Venedig, Florenz, Kirchenstaat, Neapel). Ohne nennenswerten Gefahren auswärtiger Mächte begegnen zu müssen, hatte die Pentarchie Italiens bis zum militärischen Einfall der Franzosen 1494/95 Bestand und brach erst bei der französischen Eroberung Mailands 1501 endgültig zusammen. Italienische, besonders florentinische Historiographen des 16. Jahrhunderts zeichneten ein verklärt-romantisches Bild einer national-italienischen Einheit, welche durch die barbarischen Invasoren zerstört worden sei. Realistischer beurteilte der zeitgenössische Diplomat Philippe de Commines die Bilancia-Politik als einzige Möglichkeit, den status quo Italiens nach jahrhundertelangen Kämpfen zu behaupten, doch ".chascun a l'oeil que son compaignon ne s'accroisse". - Am 31.3.1495 verbanden sich als Reaktion auf die französische Gefahr der Römische König, die spanischen Könige, der Papst sowie Mailand und Venedig zum "Schutz Italiens" und zum "Wohl der gesamten Christenheit". Diese sogenannte Heilige Liga von Venedig stellte das erste Verteidigungsbündnis auf gesamteuropäischer Ebene dar. Vorliegende (mikrohistorische) Studie beleuchtet vor allem das diplomatische Vorgehen der Gesandten der am Bündnis beteiligten Mächte Italiens am Hof des Römischen Königs und Lehnsherrn über Reichsitalien Maximilian I. im maßgeblichen Zeitraum von 1495 bis 1500/01. Die mit dem Begriff der politischen Kommunikation bezeichneten diplomatischen "Praktiken" der Gesandten werden hierbei auf den drei Ebenen formell-öffentlich, inoffiziell-privat und rituell-symbolisch untersucht. Es darf konstatiert werden, dass die zu Maximilian I. abgefertigten italienischen Gesandten - die päpstliche Politik stellte keine Ausnahme dar - weiterhin die eigenstaatlichen Machtinteressen zum gegenseitigen Schaden verfolgten und dadurch den Zusammenbruch der Pentarchie Italiens forcierten. - Mit der italienischen Katastrophe wurde durch den diplomatischen Verkehr die traditionell-italienische Bilancia-Politik an die großen Herrscherhöfe Europas übermittelt. Sie bot, zusammen mit dem um 1500 vergleichsweise hochentwickelten Gesandtschaftssystem der Italiener, den passenden Anschauungsunterricht für den Modus vivendi hinter dem politischen System, welches das Zusammenspiel der europäischen Großmächte in den kommenden Jahrhunderten bestimmen sollte.
Auf Einladung des Zentralrats der Juden in Deutschland und der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg hat Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel am 11. Juli 2007 im Rahmen der Heidelberger Hochschulreden in der Aula der Alten Universität einen Vortrag zum Thema Toleranz - die Basis des Miteinanders der Religionen und Kulturen gehalten. In Ihrer Rede rief die Kanzlerin zu mehr religiöser und gesellschaftlicher Toleranz in Europa auf. Nur so könne die Integration von Ausländern gelingen, hieß es weiter. Merkel ermunterte die Religionen dazu, die Welt mit den Augen des jeweils anderen zu entdecken. "Das ist fast das Spannendste", betonte sie. Dieser Prozess führe zu Dialog und demokratischer Willensbildung. Der Rektor der Heidelberger Hochschule erinnerte in seiner Begrüßung an Angela Merkels ersten Besuch in der Hochschule für Jüdische Studien im Jahre 1991 in ihrer damaligen Funktion als Bundesministerin für Frauen und Jugend. Sie war anlässlich der Eröffnung einer Konferenz zu dem Thema "Geschichte der jüdischen Frau in Deutschland" gekommen. Bereits damals hat sie in ihrer Eröffnungsrede ausgesprochen, was heute wissenschaftlicher Standard ist: Die Geschichte des Judentums in Deutschland und ihre Beschreibung ist zugleich auch Teil der deutschen Geschichte. Bodenheimer hob hervor, dass die Hochschule für Jüdische Studien, die erstmals in ihrer knapp dreißigjährigen Geschichte von einem Regierungsoberhaupt besucht wurde, "heute unterwegs ist, sich als europäisches Kompetenzzentrum für Jüdische Studien zu etablieren". Dabei sei es Ziel der jüdischen und nichtjüdischen Dozierenden und Studierenden "in einer christlich geprägten Umgebung gemeinsam jüdische Studien zu betreiben, um in die pluralistische Gesellschaft auszustrahlen". Der Rektor der Ruprecht-Karls-Universität, Prof. Dr. Dres. h.c. Peter Hommelhoff, nutzte die Gelegenheit, um Fr. Dr. Merkel für Ihre beeindruckende G8- und insbesondere EU-Präsidentschaft zu danken. Auch dafür gab es aus dem voll besetzten Auditorium in der altehrwürdigen holzvertäfelten Aula viel Applaus.
Ulrich Herbert's monography "Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert" (German History in the 20th Century) is a major coup in the literature on German history. This is particularly striking as it has become almost impossible to keep track of the literature published on this topic. Further, the multi-faceted and contradictory character of German history itself makes such a general work undoubtedly ambitious in itself. Each review essay in this article concentrates on different eras of German 20th-century history. They contain some points of criticism while still marking Herbert's book as a great work, in general. Amongst the reasons for this are that his methods are state-of-the-art and because he continually discusses the overall European context.
Die Dissertation vergleicht systematisch die entwicklungspolitischen Terminologien, Konzeptionen und Praktiken der DDR und der Bundesrepublik zwischen 1957 und 1966, während der Hochphase der so genannten "Hallstein-Doktrin". Dabei wird Entwicklungspolitik als Instrument der deutschlandpolitischen Auseinandersetzung und Konkurrenz analysiert. Zunächst werden terminologische und konzeptionelle Kon- bzw. Divergenzen bei der Motivik, dem Entwicklungsverständnis sowie den Afrikabildern der beiden deutschen Staaten untersucht. Darauf folgt ein Vergleich der ost- und westdeutschen entwicklungspolitichen Praxis an Fallbeispielen des afrikanischen Kontinents. Zuletzt werden die Selbst- und Fremdwahrnehmung der beiden deutschen Staaten als Geberländer von Entwicklungspolitik dargestellt.
Auch rund 20 Jahre nach der Öffnung der Stasi-Archive sind die Beziehungen zwischen den kommunistischen Staatssicherheitsdiensten nach wie vor ein weitgehend unbestelltes Feld. Dies liegt zum einen an der Unzugänglichkeit der KGB-Akten, die bereits lange zerstört oder immer noch verschlossen in Moskauer Archiven lagern. Andererseits sind auch die Beziehungen zwischen dem MfS und den "kleineren" osteuropäischen Geheimdiensten bislang von der Forschung kaum berührt worden. Diese Lücke soll mit der hier vorgestellten Dissertation geschlossen werden. Die Studie hat die Zusammenarbeit der DDR-Auslandsaufklärung HV A mit der bulgarischen Auslandsaufklärung PGU-DS (Pyrvo glavno upravlenie Dyrzhavna sigurnost – Erste Hauptverwaltung Staatssicherheit) zum Gegenstand. Dabei soll auch ein besonderes Augenmerk auf den Einfluss des sowjetischen KGB auf die Entwicklung und Ausgestaltung der Beziehungen zwischen MfS und DS gelegt werden. Hierbei wird die Hauptthese aufgestellt und untersucht, dass die Beziehungen zwischen den Staatssicherheitsdiensten sich in einem vom KGB abgesteckten Rahmen entwickelten und dabei landes- und regionalspezifischen Interessen des MfS und der DS folgten. Im Laufe der Jahrzehnte weitete sich diese Kooperation stetig aus, wobei sie sich an den Erfordernissen der Zeit orientierte, ihre etablierten Schwerpunkte jedoch nie verließ. Als Ziel dieser Studie steht eine ausführlichen Untersuchung der Zusammenarbeit zwischen HV A und PGU-DS und eine Antwort auf die Frage nach Antrieben, Dynamiken, aber auch Hindernissen in der Kooperation der sozialistischen Staatssicherheitsdienste. Waren die Beziehungen geprägt von "tschekistischem Internationalismus" oder nationalen Interessen? Konnte ein Dienst freiwillig eine Kooperation eingehen und sie umgekehrt auch wieder beenden oder wurde das Design der Zusammenarbeit der Staatssicherheitsdienste in Moskau entworfen und gesteuert? Diente die Zusammenarbeit letztlich Moskaus oder den wie auch immer definierten nationalen Interessen der DDR und Bulgariens? Auf diese Fragen gibt diese Dissertation Antworten. Die Untersuchung versteht sich dabei als Grundlagenstudie einer Struktur- und Wirkungsgeschichte der Kooperation von HV A und PGU-Ds unter besonderer Berücksichtigung des KGB. Die besondere Stärke der Arbeit ist dabei die erstmalige Auswertung des Archivs der bulgarischen Staatssicherheit, welche in über einjährigen Archivforschungen erschlossen werden konnten. Dadurch kann auch die große Lücke im deutschen MfS-Archiv geschlossen werden, wo die Akten der Auslandsaufklärung 1990 nahezu vollständig vernichtet wurden. Eine Kombination der Akten in Berlin und Sofia gwährleistet so eine ausführliche und gesicherte Untersuchung des Themas und kann die geschlossen KGB-Archive zumindest teilweise kompensieren. In methodischer Hinsicht profitiert diese Analyse fernerhin von einer Rezeption und kritischen Inklusion der sog. "intelligence studies", die geheimdienstliche Arbeit durch sozial- und politikwissenschaftliche Ansätze zu erklären und systematisieren suchen.
Der Friede von Campoformido (17.10.1797) zwischen Napoleon und Franz II. ist der Ausgangspunkt dieser Monographie, die auf die Geschichte der italienischen Literatur und Sprache in jenen Länderteilen der Habsburgermonarchie fokussiert ist, die dem heutigen Österreich entsprechen. Der Endpunkt ergibt sich aus dem Zusammenfall der Monarchie im Jahr 1918. Die Studie zeigt, dass sich die Huldigungsdichtung in italienischer Sprache im 19. Jahrhundert in Österreich den neuen Gegebenheiten des Pressemarktes, den veränderten politischen Verhältnissen und den soziopolitischen Entwicklungen angepasst hatte und erstaunlich lebendig war. Nachdem die Gründe und die Modalitäten für das Ende der goldenen Epoche der poetischen Tradition in italienischer Sprache in Österreich beleuchtet werden, widmet sich der Autor der Künstlergruppe um Erzherzogin Maria Beatrice von Este, die in Wien die letzte Gönnerin italienischer Künstler und Dichter wurde und die Tradition der Hofdichtung bis zum ihrem Tod 1829 nach altem Muster pflegte. Diese Tradition ist im 19. Jahrhundert jedoch mit einer fortschreitenden Popularisierung konfrontiert, wobei sich die Sprachlehren des Italienischen und der Sprachunterricht wachsender Beliebtheit erfreuten. Die Sprachpolitik der Habsburgermonarchie stellte das Italienische als Kultursprache nie in Frage. Im Gegenteil, die Behörden förderten das Erlernen der Sprache an den Universitäten, um die Anzahl der sprachkundigen Studenten zu erhöhen, die später als Beamte in der Zentralverwaltung wie auch in den italienischen Kronländern eingesetzt werden konnten. Außerdem begünstigte die Sprachpolitik das rege Erscheinen von anspruchsvollen Zeitungen und literarischen Zeitschriften in italienischer Sprache. Da in den italienischen Kronländern der Unterricht in Italienisch erfolgte, behandelt die Studie auch italienische Schulbücher und literarische Schulanthologien, die in Wien gedruckt und meistens auch verfasst wurden. Im letzten Teil dieses Abschnittes wird aufgrund zahlreicher Archivmaterialien der Italienischunterricht des zukünftigen Kaisers Franz Joseph dargestellt und analytisch untersucht. Die Huldigungsdichtung überlebte die Revolutionsjahre 1848/1849 und setzte sich anachronistisch bis zum Ersten Weltkrieg fort. Die unaufhaltsame Popularisierung der Kaiserfigur fand in unzähligen Prunkwerken zu den Herrscherjubiläen, in Zeitungen, Festen aber auch durch italienische Dichtung statt, die zwar keinen hohen poetischen Wert mehr hatte, doch zur Stilisierung Franz Josephs als Vater der Nation beitrug. ; The present monograph focuses on the history of Italian literature and language in Austria's Habsburg past, covering the period from the Peace of Campoformido between Napoleon and Francis II in 1797 to the end of the Habsburg monarchy in 1918. The study reveals that Italian court poetry was amazingly alive in the 19th century as it gradually had been adapted to the changes in the fields of politics, society, and the press. After analyzing the end of the golden era of Italian poetry in Austria, the author presents Archduchess Maria Beatrice d'Este and her literary circle. She was the last patroness of Italian artists and poets and kept up the old-style tradition of court poetry until her death in 1829. During the 19th century, however, this tradition faced an ever increasing popularization, with Italian language books and instruction getting more and more common. The Italian language was never discriminated against in the Habsburg monarchy. On the contrary, it was even extensively taught at universities because officials with a good command of Italian were needed both in the federal government and in the Italian regions of the monarchy. Moreover, the Habsburgs' language policy favored the publication of quality papers and literary magazines in Italian. The study also deals with Italian school books and anthologies for schools in the Italian parts of the monarchy, which were usually written and published in Vienna. In the last part of this chapter, records of the future Emperor Franz Joseph's Italian instruction are presented and analyzed on the basis of archive materials. Anachronistically, court poetry survived the 1848/1849 revolution and continued until World War I. The Emperor was popularized in jubilee editions, newspapers, and ceremonies, but also in the Italian poetry which was no longer of high quality, but still instrumental in presenting Franz Joseph as the "father of the nation".