Der zweihundertste Geburtstag Heinrich Heines 1997 hat eine ganze Reihe von Büchern über Heine hervorgebracht, die allesamt Heines Aktualität in seinem Judentum und in seiner politischen Progressivität suchen. Dagegen wird die These gestellt, dass Heine sich als deutscher Dichter verstanden hat und eine Lebendigkeit heute nur aus der Erörterung seines literarischen Ranges fließen kann, die wissenschaftlich und publizistisch kaum stattfindet.
1828 verkündet Heinrich Heine das Ende der Kunstperiode, die er durch Goethes Klassizismus formal und inhaltlich geprägt sieht. Die autonome Kunstauffassung des Weimarers schürt den von Heine erkannten Konflikt zwischen Kunst und Lebenswirklichkeit, der nur gelöst werden kann, wenn sich ein Dichter mit den politischen und sozialen Problemen seiner Gegenwart auseinandersetzt und sich einem harmonischen, ganzheitlichen Weltbild verweigert. Mit seiner Naturästhetik zielt er auf eine Überwindung der traditionellen ästhetischen Normen der Klassik und Romantik, die er als formalistischen Zwang empfindet, verlangt Anschaulichkeit und Natürlichkeit der Sprache, einer Sprache, die sich am Menschen orientiert und nicht an Poetiken, einer Sprache, die Subjektivität und Erfahrungen zuläßt und die auch im sozialen Interesse die Kunst dem Leben, der Wirklichkeit öffnet. Diese Natürlichkeitsideale tiefergehend zu untersuchen - so Heines Auseinandersetzung mit der Naturphilosophie, seine kulturkritischen Reflexionen im Rahmen einer Kulturgeschichte der Natur und im Rahmen der Natürlichkeitsvorstellungen anderer Schriftsteller, z.B. die der Aufklärer wie Albrecht von Haller -, vielleicht kann dazu die vorliegende Skizze einladen.
"In der DDR wurde Heine als 'Vorläufer sozialistischen Denkens' vereinnahmt, in der Bundesrepublik blieb der politische Dichter zunächst ausgeblendet. Erst mit 'Achtundsechzig' gelangte eine Neubewertung zum Durchbruch, die zum 'ganzen Heine' führte." (Autorenreferat)