Taking the example of recent educational reform movements in India, we identify in an exemplary way nationalization tendencies in the education sector. Thereby, we stress the sociocultural embedding in the present as context of the emergence of these nationalist future visions. In the education sector, likewise as in other sectors, the past is a point of reference to legitimate and enforce specific futures. Following Appadurai, we define future as well as the past as cultural fact. Focusing upon India and the development of a new National Education Policy (NEP) as the field of study, we show exemplarily how an imagined past is used to promote the implementation of Hindu-fundamentalist educational reforms or a sanskritization of education in the present time. Finally, we discuss some possible consequences. (DIPF/Orig.)
Die Erstürmung und der Abriß der Moschee in Ayodhya im Dezember 1992 durch fanatisierte Hindus sowie die anschließende Errichtung eines provisorischen Rama-Tempels an dieser Stelle erschienen als ein Fanal: Steht Indien vor einer Wende vom "multikulturellen" Staat, von einer funktionierenden säkularen Demokratie zu einem fundamentalistischen Hindustaat, der Muslims wie Christen ausgrenzt? Dazu zu passen scheinen die Wahlerfolge, die die hindunationalistische Bharatiya Janata Partei in den letzten zehn Jahren erringen konnte. Wie ist der Erfolg des Hindunationalismus zu erklären, welches sind seine sozialen Trägergruppen, welche Organisationen instrumentalisieren hier Religion für den Machterwerb? Vor allen Dingen aber: Kann eine solche Bewegung in Indien auf Dauer Erfolg haben? Ist nicht vielmehr der Hinduismus viel zu vielfältig, als daß er zu einer geschlossenen politischen Kraft mit Aussicht auf die Machtübernahme geformt werden könnte? Bislang jedenfalls hat die indische Demokratie sich unter ungünstigsten Voraussetzungen als erstaunlich stabil erwiesen.
Die Arbeit geht von zwei Kernfragen aus: (1) In empirischer Hinsicht stellt sie sich die Frage nach dem Kern und der Struktur von Savarkars soziopolitischen Denken und Handeln. Die leitende Hypothese hierbei ist, dass es einen umfassenden Ansatz bedarf, der Savarkars gesamtes Leben und Werk in die Analyse miteinbezieht; (2) in theoretischer Hinsicht wird die Frage aufgeworfen inwieweit "westliche Theorien und Konzepte" auf den indischen Kontext anwendbar sind. Die Hypothese hier ist, dass jedes Konzept im Einzelfall überprüft werden muss und Pauschalaussagen hinsichtlich der Anwendbarkeit abzulehnen sind. Angesichts des identifizierten Mangels an wissenschaftlichen Arbeiten zu Savarkar sowie dessen inkohärenten Stellungnahmen besteht die erste wesentliche Leistung darin, zum ersten Mal Savarkars politische, soziale und wirtschaftliche Ideen umfassend und systematisch zu ermitteln sowie deren Kausalität für die Sinnstiftung im Rahmen der Konstruktion einer kollektiven Identität aufzuzeigen. Hier wird aufgezeigt, dass es sich bei Hindutva um ein gesamtgesellschaftliches Konzept handelt, welches es nicht erlaubt einzelne Teilbereiche auszublenden. In der theoretischen Dimension konnte anhand der Anwendung von Bernhard Giesens Konzept der codebasierten kollektiven Identitäten nachgewiesen werden, dass westliche Theorien (bzw. Konzepte) zum einen auf den indischen Kontext übertragbar sind und zum anderen es ermöglicht wird Savarkars identitäre Konstruktionssystematik von Hindutva zu ermitteln. Darüber hinaus konnte das methodische Vorgehen Savarkars nachvollzogen und die sich daraus ergebende Konsequenzen für die Sinnstiftung von Hindutva nachgezeichnet werden. Ausgehend von diesen Leistungen konnte ein weiteres Ergebnis erzielt werden, welches in der Erbringung eines Beitrages zur theoretischen Erforschung des Feldes der kollektiven Identität in Indien durch die Vorbereitung des Feldes für weitere komparative Studien besteht.
Die kulturelle Diversität Indiens ist einzigartig und es gilt als unverkennbares Charakteristikum des Landes, diese Einheit in Vielfalt mit all ihren Schwierigkeiten und Herausforderungen seit der Unabhängigkeit bewahrt zu haben. Mit Beginn des 21. Jahrhunderts mehren sich jedoch die Anzeichen, dass dieser auf kultureller Vielfalt beruhende Einheitsgedanke zunehmend ins Wanken gerät. Die politische Machtverschiebung hin zur hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) ergibt noch nie dagewesene Einflussmöglichkeiten für den radikal hindu-nationalistischen Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS). Über die Hindutva-Ideologie wird der Aufbau einer Hindu-Rashtra, einer Hindu-Nation vorangetrieben. Die Frage nach den Beziehungen innerhalb des Dreigestirns RSS-Hindutva-BJP und den damit verbundenen Auswirkungen auf die kulturell so vielfältige indische Gesellschaft steht im Zentrum meiner Forschungen. Die Diplomarbeit umfasst einen allgemeinen Überblick zum RSS und der BJP, der Fokus liegt nachfolgend auf deren Involvierung in hindu-nationalistische Konfliktfelder, darunter etwa der Ayodhya-Konflikt und das Pogrom von Gujarat. In diesem Zusammenhang wird auch der Frage nachgegangen, ob es sich beim RSS und der BJP um faschistische Organisationen handelt die vorliegende Arbeit soll einen weiteren Beitrag zu einer möglichen Einordnung leisten. Die zentrale Forschungsfrage liegt jedoch auf den Beziehungen zwischen RSS und BJP sowie ihrem Verhältnis zur Hindutva-Ideologie, die entlang der bisher kaum erforschten Eigenperspektive der beiden Organisationen zueinander diskutiert wird. Das geschieht entlang fundierter Analysen ihrer Websites; darunter befinden sich zahlreiche Artikel, Presseaussendungen, pdf-Versionen von Büchern sowie eine Sammlung sämtlicher BJP-Wahlprogramme. In einem abschließenden Kapitel werden durch qualitative Interviews Einblicke in subjektive Zugänge zum Dreigestirn RSS-Hindutva-BJP von in Graz lebenden InderInnen gegeben. ; India's cultural diversity is unique and as a distinctive characteristic, Indian "unity in diversity" taking all its difficulties and challenges into account has been present since the independence. However, this concept of being united in diversity has increasingly become unstable since the beginning of the 21st century. The political power shift towards the Hindu-nationalistic Bharatiya Janata Party (BJP) offers influence for the radical Hindu-nationalistic Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS) which has never been seen before. Through the so called Hindutva-ideology, the building of a Hindu-Rashtra a Hindu-nation is in progress. Therefore the focus of my survey is regarding the relation of the triumvirate RSS-Hindutva-BJP and the resulting consequences for the culturally rich Indian society. The present thesis includes a general overview of the RSS and the BJP; subsequently the focus lies on their involvement in Hindu-nationalistic motivated conflicts such as the Ayodhya-conflict and the Gujarat pogrom. In this context arises the question if RSS and BJP can be considered as fascist organisations the present thesis offers a further input for a possible classification. The central research question though is related to the connections between the RSS and the BJP as well as their relation towards the Hindutva-ideology. This is meant to be discussed from their own perspective towards each other, which has hardly been researched until now. That occurs along with well-founded analysis of both RSS and BJP websites including numerous articles, press statements, pdf-versions of books and a collection of all BJP election manifestos. In the concluding chapter, qualitative interviews offer possibilities of insights regarding perceptions of the triumvirate RSS-Hindutva-BJP from Indians living in Graz. ; vorgelegt von Jürgen Holzer ; Abweichender Titel laut Übersetzung des Verfassers/der Verfasserin ; Karl-Franzens-Universität Graz, Diplomarbeit, 2020 ; (VLID)5215219
Innenpolitisch war Indien im Jahr 2003 zunächst geprägt von den Nachwirkungen des Wahlsieges der regierenden BJP in Gujarat unter ihrem lokalen Chefminister Narendra Modi. Dieser hatte mit einem ausgesprochen "kommunalen" Wahlkampf einen spektakulären Sieg errungen. Ausfluss dieses Sieges war zunächst, dass sich Premierminister Vajpayee wieder deutlicher als Anhänger der Hinduideologie ("Hindutva") zu profilieren suchte, die Bewegung zur Errichtung eines Hindutempels in Ayodhya als Ausdruck nationaler Gefühle bezeichnete und die muslimische Gemeine beschuldigte, sie hätten das letztjährige Massaker an Hindupilgern auf einer Bahnstation in Gujarat nicht gebührend verurteilt. Um die Wogen zu glätten, zeigte sich der Premierminister in seiner Neujahrsbotschaft bemüht, seine säkulare Grundüberzeugung zu bekräftigen. Die Partei zog aber aus dem Wahlsieg bei ihrem Konklave Ende Januar den Schluss, dass nun Hindutva (nach dem Muster von Gujarat) und nicht das Koalitionsprogramm der Zentralregierung Wahlplattform für die kommenden Landtagswahlen sein müsse.
Die partielle Demontage einer Gedenktafel2 hat einen ständig schwelenden ideologischen Grundsatzstreit um die Identität und das Selbstverständnis der indischen Nation erneut entflammt. Dreh- und Angelpunkt der Diskussion ist die wohl umstrittenste und facettenreichste Figur der indischen Geschichte, Vinayak Damodar Savarkar. Sein Leben und Wirken, allem voran seine literarischen Arbeiten, weisen zahlreiche paradoxe und kontroverse Phänomene auf. Seine politische Vision für ein postkoloniales Indien, manifestiert in der Sozialund Staatstheorie Hindutva, standen von Anfang an in diametralem Gegensatz zu den Verfassungsprinzipien der neu gegründeten Indischen Union. Insbesondere seine folgenreiche Definition eines Hindu, verstanden als ein zu erfüllender Kriterienkatalog für den Erwerb der Staatsbürgerschaft, führte dazu, dass er als personifizierter Antipode zu dem durch die Unabhängigkeitsbewegung unter der Führung von Mohandas Karamchand (Mahatma) Gandhi proklamierten Fundamentalkonsens der indischen Gesellschaft betrachtet wurde. Diese prinzipielle Übereinstimung bezüglich der Grundwerte der indischen Gesellschaft, dass damit implizierte Selbstverständnis der Nation und die Legitimität der darauf aufgebauten sozialstrukturellen wie politischen Organisation wird zunehmend durch verschiedene Gruppen der Gesellschaft unter Berufung auf Savarkars Hindutva in den letzten beiden Dekaden herausgefordert und in Frage gestellt. Dieses in Verbindung mit seinem Einsatz für einen militanten Aktivismus und Nationalismus zur Befreiung Indiens von der britischen Kolonialmacht rückte ihn in den Mittelpunkt des kritischen öffentlichen Diskurses.
Der indische Premier Modi wurde für weitere fünf Jahre in seinem Amt bestätigt. Sein Wahlsieg fiel überraschend deutlich aus. Damit kann sich die BJP in ihrer Strategie bestätigt sehen, in der Modi vehement als Performer sowie chauvinistischer Macher auftreten kann. Das Ergebnis der Wahlen zur 17. Lok Sabha ist zudem als Absage an eine Oppositionspolitik zu werten, die sich dem Populismus "Modi 2.0" anbiederte und einer weichgespülten Version der Hindutva-Politik das Wort redete.
Indien befindet sich im Vorwahlmodus. Und das bedeutet für viele nichts Gutes. So etwa für Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten, die unter der jetzt wieder forcierten Hindutva-Agenda (Ram-Tempel in Ayodhya, Kuh-Schutz, "Love Jihad" und anderes) als erste zu leiden haben. Aber insbesondere auch für zivilgesellschaftliche Aktivist(inn)en und Organisationen. Je näher die Parlamentswahlen (spätestens im Mai 2019) rücken, und je weniger überzeugend die Bilanz der Modi-Regierung mit ihrem Versprechen von achche din (guten Tagen) für Wirtschaft und Gesellschaft aussieht, desto stärker sucht die BJP (Indische Volkspartei) und Organisationen in ihrem Umfeld die Konfrontation auf anderen Feldern. Für Entwicklungsprobleme werden die Proteste von Umweltschützer(inne)n und Menschenrechtsverteidiger(inne)n als Ursache ausgemacht.
Von Natur aus stellt Indien ein Sammelbecken verschiedenster Einflüsse und Traditionen dar, die bis heute das Land prägen. Der militärische Feudalismus der Großmoguln wurde beerbt durch die bürokratische Herrschaft der Briten. Nach der Unabhängigkeit wurde die Struktur der kolonialen Herrschaft beibehalten. Nach wie vor ist der öffentliche Dienst in Indien von besonderer Bedeutung, doppelt so viele Menschen sind hier beschäftigt wie in der Privatwirtschaft. Das hängt auch mit der Vorstellung der Eliten von einer Entwicklung von oben zusammen. Nicht zufällig ist auch das Bankenwesen Teil des öffentlichen Sektors. Auch nach der blutigen Teilung des Landes lebt in der Diaspora eine starke islamische Minderheit von gegenwärtig 11 Prozent. Der Versuch, als indische Staatsideologie das Hindutum ("Hindutva") durchzusetzen, muß die Moslems ausgrenzen, mit der Folge gefährlicher innerer Spannungen. Bleibt zu hoffen, daß eine Rückbesinnung auf die Gedanken Mahatma Gandhis erfolgt.
"The year 2002 was that of Gujarat."1 Kein anderes innenpolitisches Thema hat im Laufe des Jahres 2002 in Indien mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen als die politische Entwicklung dieses Bundeslandes. Nach dem Erdbeben vom 26. Januar 2001 mit dem Epizentrum im Distrikt Kutch (Kuchchh), bei dem schätzungsweise 17.000 Menschen ums Leben kamen und das in weiten Teilen Gujarats großen Schaden angerichtet hatte, wurden die Pogrome gegen Muslime während der ersten Jahreshälfte 2002 als die zweite Katastrophe dieses Landes bezeichnet. Während jedoch die Folgen des Erdbebens nach einigen Wochen wieder aus den Schlagzeilen verschwunden waren, beschäftigten die Pogrome und die zahlreichen Konsequenzen, die sich vor allem im Hinblick auf die bevorstehende Landtagswahl daraus ergaben, die Medien das ganze Jahr hindurch. Gujarat lag 2002 im Schnittpunkt brisanter und für die Zukunft Indiens höchst relevanter Fragen: An erster Stelle ging es dabei freilich um die politische Zukunft eines der wichtigsten indischen Bundesstaaten, um seine wirtschaftliche Entwicklung und soziale Integration. Über Gujarat hinaus ging es zweitens aber auch um die politische Bedeutung des Hindunationalismus, um den Einfluss der Hindutva, der Ideologie einer Bewegung zur Hinduisierung Indiens, und letztlich um die Popularität der nicht nur in Gandhinagar, der Landeshauptstadt Gujarats, sondern auch in Delhi regierenden Bharatiya Janata Party (BJP). Und drittens ging es um die Geltung der in der Verfassung verankerten Grundwerte von Demokratie, Pluralismus und Säkularismus, um die viel gerühmte "composite culture" und damit um das internationale Ansehen Indiens.
In the process of modernization the identity of Indian society has been challenged forcefully. One way of responding to this challenge lies in the ideology of Hindutva ("Hindudom") which represents a nationalistic recasting of Hinduism and is alleged by its spokesmen to be pristine unalloyed Hinduism restored. It claims to provide a modern Hindu identity. Its propounders furthermore claim Hindus, whose status is religiously legitimized, as the cultural and racial majority of India. "Hindudom" is therefore prone to take a totalitarian stance towards secularism and minority groups. It is backed institutionally above all by three related organisations which play a major role in the political arena, namely the RSS, VHP and BJP. The paper presents a discussion of the programmatic inaugural speech delivered in April 1994 by the then newly elected president of the RSS. It underscores characteristics of the ideology that have been delineated in the introductory part of the paper.
Wenige innenpolitische Projekte der Regierung der National Democratic Alliance (NDA) sind mit so viel Nachdruck verfolgt worden wie das des neuen Nationalen Rahmenplans für den Schulunterricht. Der National Curriculum Framework for School Education wird etwa alle zehn Jahre vom National Council of Educational Research and Training (NCERT) ausgearbeitet, und es geht dabei nach den Worten des derzeitigen NCERT-Leiters J.S. Rajput um die Präsentation von "broad guidelines about how to address the major concerns and issues before the nation".1 Die Parameter der National Policy on Education, so wie sie 1986 formuliert und 1992 zuletzt revidiert wurden, bleiben mit dem neuen im Jahr 2000 vorgelegten Rahmenplan nach Rajputs Worten im Wesentlichen unverändert, man habe nur auf einige aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und pädagogische Herausforderungen reagiert. Doch schon in den ganz allgemein gehaltenen Vorbemerkungen wird deutlich, dass an tief greifendere Neuerungen gedacht ist. So wird nicht nur der Aufbau einer "cohesive society based on pillars of relevance, equity and excellence" gefordert. Es geht auch um die stärkere Einbeziehung von "indigenous knowledge" in den Lehrstoff und um die Anerkennung von "India's contribution to the world civilizations". Als ein weiterer Schwerpunkt wird genannt "inculcating and nurturing a sense of pride in being an Indian, patriotism and nationalism tempered with the spirit of Vasudhaiva Kutumbakam."2 In solchen Formulierungen klingen nach Ansicht mancher Kritiker bereits Kernpunkte der Hindutva-Ideologie an.