"Der Beitrag beschäftigt sich mit der Herausforderung der Disziplin Geschichtsdidaktik durch die Wiedervereinigung Deutschlands. Geschichtsdidaktik 'West' und Geschichtsmethodik 'Ost' haben ihre Potentiale in doppelter Hinsicht in den neuen Diskurs einzubringen: (1.) zur Erarbeitung einer konsensfähigen Geschichte der historischen Bildung in der Epoche der Teilung: (2.) zur Ermittlung von Bedingungen, Abläufen und Gestaltungsmöglichkeiten individueller und kollektiver Identitätsbildungsprozesse in Schule und Erwachsenenbildung. So sind ost- und westdeutsche Wissenschaftler zu differenzierteren Aussagen über die Funktion der Autobiographie beim Aufbau historischer Identität wie über die Identität als stukturierendes Zentrum des Geschichtsbewußtseins gelangt. Neue Wege historischen Lernens werden damit gewiesen." (Autorenreferat)
Der Autor erläutert in seinem Beitrag die Genese einer europäischen Identität im Kontext zweier entgegengesetzter Kräfte, der nationalen Beharrung und der über Europa hinausgehenden globalen Öffnung. Er diskutiert ferner die gesellschaftlichen Phänomene von Pluralisierung und Individualisierung und wirft die Frage auf, ob die Identitätsbildung gemäß der Konfliktsoziologie Feindbilder benötigt oder ob eine europäische Identität auch auf etwas Positivem aufbauen kann. Die Mittel und Gesetzmäßigkeiten zur kollektiven Identitätsbildung bestehen seiner Meinung nach in der äußeren Abgrenzung, der Konfliktaustragung, der inneren Homogenisierung, der internationalen Arbeitsteilung, einer demokratischen Politik und in Gerechtigkeitsdiskursen. Nach seiner These findet durch die europäische Integration und die globale Verflechtung jedoch ein Strukturwandel der Identität überhaupt statt, d.h. derselbe Identitätsbildungsprozess auf der Ebene der Nationalstaaten kann sich nicht auch auf der Ebene der Europäischen Union vollziehen. Es ist daher nach einer anderen Konzeption von kollektiver und individueller Identität zu fragen, die der Autor zunächst mit dem Begriff "Identitätswachstum" umschreibt. Er problematisiert ferner die Handlungsfähigkeit Europas als Kollektiv und schließt seinen Beitrag mit einigen Überlegungen zur Modernisierung der Sozialpolitik. (ICI)
Die Abneigung der Menschen gegen Zentralismus und Überbürokratisierung nimmt zu. Die Autonomieansprüche verstärken sich überall in Europa: sprachliche, religiöse, ethnische und historische Eigenständigkeiten werden angemahnt. In der kleinräumigen Unverwechselbarkeit werden Antworten auf die zunehmende Gleichschaltung durch Satelittenfernsehen und Verkabelung gesucht. Auf dem Hintergrund dieser Entwicklungen versucht der vorliegende Beitrag die These zu begründen, daß die Zukunft Europas nicht im Nationalstaat sondern in den Regionen zu suchen ist. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob eine Regionalisierung für die Menschen in Europa "identitätsstiftend" sein kann. Die Ausführungen zeigen insgesamt, daß die Akzeptanz der europäischen Integrationspolitik um so größer wird, je stärker zentrale Funktionen auf nachbarschaftlicher, kommunaler und regionaler Ebene dezentralisiert werden. (pmb)
Der Autor weist einleitend darauf hin, daß die Rede von individueller wie kollektiver Identität zwei Ebenen hat, eine empirische und eine normative. So kann Identität im empirischen Sinne stabil sein, etwa bei "politischen Schreckenstätern", während sie im Sinne von Vernunft und Moral instabil zu nennen ist. Stabilität und Gleichgewicht sind demzufolge nicht Identitätswerte an sich, sondern im Kontext dessen zu denken, was in der Philosophie unter Vernunft und Sittlichkeit verstanden wurde. In Deutschland, so wird mit Blick auf einzelne Beispiele der deutschen Geschichte gezeigt, war die nationale Identitätsbildung ein besonders schwieriger und gefährlicher Prozeß, weil die nationale Identität sich nicht an Errungenschaften und Vorbildern der Moderne, d.h. an der Aufklärung und ihrem politischen Volksbegriff, dem Begriff von Volkssouveränität, bilden konnte, sondern überlang auf vormoderne Mythen und Denkweisen fixiert blieb. Der deutsche Einigungsprozeß, "der ja mehr das Gefühl von Problemen und Belastungen als das der Befriedigung hervorgebracht hat, zeigt, wie schnell in Belastungssituationen alte Mythenbilder und Ausgrenzungsmechanismen wieder aufleben." (ICD)
"Die Autorin erklärt Ethnozentrismus aus der Perspektive des Handelnden als normales, bewußt normorientiertes Verhalten. Hierfür arbeitet sie zwei Momente heraus, die generelle Bestandteile menschlichen Denkens und Handelns sind: Zum einen kategoriales Denken, d.h. eine konsistente Zu- und Einordnung von Objekten aufgrund bestimmter Merkmale. Zum anderen eine formale Norm zur Gruppensolidarität, die - wie Tajfel in seinen Minimalgruppen-Experiment nachgewiesen hat - auf einer intrinsisch motivierten Verpflichtung, zur eigenen Gruppe zu halten, basiert. Ethnozentrismus entsteht dann, wenn kategoriales Denken und Gruppennorm gleichzeitig wirken. Dies ist um so wahrscheinlicher, wie Gruppenzugehörigkeiten nach identitätskonstitutiven Kriterien gebildet werden. In diesem Falle wächst das Risiko, daß kategoriales Denken und Eigengruppenpräferenz in Fremdgruppendiskriminierung umschlagen. Kognitiv läßt sich dies damit erklären, daß auch soziale Kategorien, beispielsweise die ethnische Zugehörigkeit, wie 'natürliche' Kategorien erlernt werden. Daneben gibt es aber auch motivationale Gründe: eine zugleich formale und intrinsische Motivstruktur ruft bei jedem Menschen das Bedürfnis hervor, einem identitätskonstitutiven Merkmal zu entsprechen, weil er dieses als 'normal' und 'richtig' erlebt ('Ich will ein 'richtiges' Mädchen werden, ...weil ich normal' sein will.'). Nach Tajfel werden identitätskonstitutive Gruppenzugehörigkeiten dann salient, wenn soziale Ungleichheit zwischen kategorial definierten Gruppen wahrgenommen und gleichzeitig als illegitim und veränderbar interpretiert wird wie dies in der Moderne zunehmend der Fall ist. Da kategoriales Denken und somit kategoriale Gruppensolidaritäten nicht abschaffbar sind und die Auslösebedingungen für die Salienz von Gruppenzugehörigkeiten, d.h. wahrgenommene Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, nie auszuschließen sind, plädiert die Autorin, zur Überwindung von Ethnozentrismus kategoriales Denken zu nutzen: Statt Differenzen zu betonen, gilt es, die kategorialen Gemeinsamkeiten der 'Eigengruppe Mensch' herauszuarbeiten und die Schädigung von Fremdgruppen konsequent zu bekämpfen." (Textauszug)