Die Nachwirkungen des europäischen Imperialismus im 19. und 20. Jahrhundert prägen bis heute das Gesicht ganzer Kontinente und das Gefl echt der internationalen Beziehungen. Es ist deshalb verkürzt, die Epoche nur als Vorspiel zum Ersten Weltkrieg zu betrachten. Vielmehr müssen auch die kolonialisierten Gebiete selbst und die Aufarbeitung der imperialistischen Vergangenheit durch die ehemaligen Kolonialmächte in den Blick genommen werden. Das vorliegende Heft geht beiden Aspekten am Beispiel des Herero-Aufstands nach. Es erschließt anhand zahlreicher Quellen die Realität deutscher Kolonialpolitik, die im ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts mündete. Und es zeigt auf, wie die bundesrepublikanische Gesellschaft nach 1945 mit den Ereignissen in Deutsch-Südwestafrika umgegangen ist. Debatten der Gegenwart über mögliche deutsche Entschädigungsleistungen schließen das Heft und fordern die Schülerinnen und Schüler zu begründeten Werturteilen auf.
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Abstract Seit 2020 wird in der Bundesrepublik mit wachsender Heftigkeit um die Ausrichtung der deutschen Erinnerungskultur gestritten: Ist diese zu einseitig und katechistisch auf Holocaust und Judenverfolgung im "Dritten Reich" konzentriert und ignoriert damit beharrlich einen erweiterten Kontext von Kolonialismus, Imperialismus und Rassismus? Der vorliegende Beitrag versucht zu zeigen, dass die Dichotomien und Polemiken dieser Debatte die wissenschaftliche Forschung nahezu verdecken, die sich seit Jahrzehnten um eine angemessene Kontextualisierung der NS-Verbrechen bemüht. Einfache Kontinuitätskonstruktionen zwischen Kolonialismus und Holocaust hat die Forschung dabei mehrheitlich abgelehnt. Die nationalsozialistische Massengewalt jenseits des Holocaust sowie die NS-Okkupationspolitik in Osteuropa lohnen jedoch, unter kolonialen Prämissen näher analysiert zu werden.