Wegen ihrer Herkunft aus dem kirchlichen Raum ist die westliche Schule tief in der Tradition von hierarchischer Bekehrung, später Belehrung verwurzelt. Damit steht sie im Widerspruch zu den Anforderungen einer pluralistischen Gesellschaft, in der Individualität nicht normiert, sondern entfaltet werden sollte. Um zu dieser Bereicherung persönlicher Erfahrung beizutragen, muss Schule zu einem Raum der Begegnung mit anderen Generationen und Kulturen werden, in dem Weltsichten ausgehandelt, nicht verordnet werden. Als Beispiel wird eine entsprechende Schul-Konzeption des Verbunds der Reformschulen "Blick über den Zaun" vorgestellt. (DIPF/Orig.) ; The roots of Western school are to be found in the ecclesiastical tradition of conversion, later replaced by instruction. This approach "from above" does not conform with the demands of a pluralistic society, where personality should be individually developed rather than standardized. Schools can contribute to this enrichment only if they become a forum of non-hierarchical encounters between generations and cultures where views of the world are negotiated rather than prescribed. The conception of "Looking Across the Hedge", an association of more than 100 reform schools, is presented as an example. (DIPF/Orig.)
"Arbeitsbedingte psychische und psychosomatische Erkrankungen nehmen zu. Die neuere internationale arbeits- und gesundheitswissenschaftliche Literatur hierzu zeigt eindeutige Ergebnisse. Im Zuge der Neoliberalisierung der Wirtschaft und der Arbeitsverhältnisse wird der Marktdruck direkt an die Beschäftigten 'durchgereicht'. Dies führt zu dauerhaften Überlastungen, zur Überanpassung und zum Zusammenbruch persönlicher Identitäten. Die Rehabilitationsmedizin und große Teile der Psychotherapeuten-Szene setzen diesen Entwicklungen bislang wenig entgegen. Wenn Menschen und oftmals ersatzweise ihr Körper oder ihre Seele sich zu wehren beginnen, werden allzu häufig Anpassungsstörungen diagnostiziert und die Betroffenen weiter in die Isolation getrieben. Der Psychologisierung der Arbeitsverhältnisse ist das Postulat einer eigenständigen betrieblichen Gesundheitspolitik 'von unten' entgegenzusetzen." (Autorenreferat)
"Dass der Mensch von Natur aus ein Gemeinschaftswesen sei, ist ein sozial- und kulturwissenschaftlicher Gemeinplatz, der bekanntlich auch durch gen- und memtheoretische Erklärungen des Altruismus-Phänomens nachdrücklich unterstützt wird. Und 'selbstverständlich' kennt auch das vor-analytische Erleben schlechthin und kennen ebenso mannigfaltige Weltanschauungen das Phänomen der Gemeinschaft, die nicht 'gemacht' wird, sondern quasi naturwüchsig entsteht und besteht: Eltern-Kind-Beziehungen, Verwandtschaften, Jäger-und-Sammler-Horden, Stämme usw. gelten als solche (wenngleich vielfältig kulturell überformte) natürliche Gemeinschaften, die man nicht wählt, sondern in die man hineingeboren wird. Gleichwohl reicht die Wahrnehmung der kulturellen 'Produziertheit' menschlicher Gemeinschaft (wenigstens) bis in die Antike zurück. Relativ 'modern' hingegen ist die Auffassung, dass jede Art von kulturell produzierter Gemeinschaft nicht nur 'heroisch' oder kollektiv, sondern tatsächlich auch individuell reproduziert werden, d.h., dass jeder Einzelne (s)einen Teil zur (Aufrechterhaltung von) Gemeinschaft beitragen muss. Erst mit dem - typisch neuzeitlichen bzw. modernen - Heraustreten aus normativ überformten Fraglosigkeiten allerdings werden normative Ansprüche an den Einzelnen für diesen als normative Ansprüche (statt als Fraglosigkeiten) erfahrbar. Und erst unter Individualisierungsbedingungen (ab wann auch immer sie datiert sein sollen) erfährt der Einzelne sich als Re-Produzent der kulturellen Produktion von Gemeinschaft. In dem Maße aber, in dem Gemeinschaft vom Schicksal zur Aufgabe und Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft zu einer Entscheidung wird, avancieren auch Fragen nach Aufwand und Ertrag zu Kriterien der Entscheidung für die Arbeit an der und für die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft. Anhand von Nachbarschaften, Jugendszenen und Brand-Communities wollen die Verfasser zeigen, dass Gemeinschaft 'heute' (zumindest auch) unter ökonomischen 'Vorzeichen' (wie Absatzmarktstrategien, Ressourcenschöpfung, Gewinnmaximierung usw.) produziert wird und wie sich ökonomisch interessierte Akteure beim Aufbau, bei der Stabilisierung und bei der (Re-)Vitalisierung unterschiedlicher Formen von Gemeinschaft engagieren." (Autorenreferat)
In: Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2, S. 3782-3788
"Die steigende Bedeutung von Beziehungsnetzen in der organisatorischen Umwelt, von personalisierten Teamstrukturen in der organisatorischen Binnenwelt sowie die Verknüpfung beider Strukturelemente in interorganisatorischen Kontexten verweist auf eine Paradoxie der Netzwerkökonomie, die sich im Anschluss an Mayntz folgendermaßen beschreiben lässt: Weil die relevante Umwelt von Organisationen zunehmendvon anderen Organisationen gebildet wird, bedürfen sie zur Erzeugung von Vertrauen und Kooperation verstärkt solcher Beobachtungen, die von Personen ausgehen und auf der Ebene der Interaktionsbeziehungen platziert sind. Daraus resultiert ein weiteres Paradox: Auf Seiten der Individuen invisibilisiert diese Beobachtungsform zunehmend Organisation. An die Stelle eines klar geschnittenen Mustersvon Rechten und Pflichten im organisatorischen Rahmen treten weitgehend unbestimmte, stark individualisierte und marktorientierte Formen von Arbeit und Anerkennung. Dieses Paradox lässt sich in Anschluss an Türk vielleicht so erklären: In der tayloristischen Phase stand die Dimension von Organisation als Gebilde im Vordergrund. Der 'affluent worker' definierte sich über den Lohn, d.h. den Organisationsertrag und nicht über den Sinn seiner Arbeit. Der Prozess der Normalisierung und Disziplinierung der Arbeit wurde hingegen invisibilisiert und auf technische Sachzwänge zurückgeführt. In der heutigen Phase des Netzwerkkapitalismus stehen hingegen die dysfunktionalen Folgen der Taylorisierung im Zentrum der Aufmerksamkeit. Um diese Dysfunktionen in den Griff zu bekommen, setzen Unternehmen verstärkt auf Kooperation und informelle Beziehungen. Auf diese Weise wird Organisation als Gebilde zunehmend invisibilisiert. Es entstehen neue Formen 'konnexionistischer' Ausbeutung, die die Zurechenbarkeit von Leistungen und die Zugehörigkeit der Akteure verschleiern. Diese Nutzung personaler Kompetenzen, Beobachtungsfähigkeiten und Motivationen ist nur möglich, weil die Individuen in der 'Organisationsgesellschaft' auch in den außerorganisatorischen Lebenswelten in großem Ausmaß zu 'organization men' bzw. organization women geworden sind. Identitäten, kulturelle Überlieferungen und Vergemeinschaftungen sind mittlerweile in vielen Hinsichten vom Kunden- und Selbstvermarktungsdenken durchtränkt. Selbst widerständigen Formen sozialer Selbstbehauptunglassen sich immer mehr als 'sekundäre Anpassung' (Goffman) an die Prozesse des Organisierens begreifen." (Autorenreferat)
In: Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2, S. 4729-4735
"Die Forschung zu Paaren bestimmt Ungleichheit zwischen den Partnern vielfach über das Vorhandensein und Maß individueller Verfügbarkeit monetärer und materieller Ressourcen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die (Nicht-)Verfügung der Partner über je eigenes Geld Aufschluss über bestehende Macht- und Ungleichheitsverhältnisse innerhalb der Partnerschaft gibt. Möchte die Ungleichheitsforschung nicht einem 'Strukturnaturalismus' verfallen, so muss sie in Rechnung stellen, dass Ungleichheiten als wahrgenommene und wahrnehmbare Tatbestände immer auf gesellschaftlich wirksamen, für-wahr-genommenen Bedeutungszuschreibungen beruhen, 'Ungleichheit' auf folgenreichen Konstruktionsprozessen von Bewertungen und Wertigkeiten beruht. Das Teilprojekt B6 des SFB 536 erforscht in einer qualitativen Panelstudie anhand paarbiographischer Fallstudien Zusammenhänge von Geld, Macht und Ungleichheit in karriereorientierten Paaren. Unsere Befunde zeigen, dass gleiches oder höheres Einkommen sich keinesfalls von selbst in größere (beziehungsinterne) Macht und Einflusschancen ausmünzt - denn Geld (und materielle Güter) nehmen im Kontext von Paarbeziehungen immer eine auch eigensinnige symbolische Bedeutung an und fungieren infolge interaktiver Aushandlungsprozesse als subjektiviertes 'Beziehungsgeld'. Daher lässt sich die Verteilung von Macht und Einflusschancen in der und durch die Beziehung als Folge ungleichheitsproduzierender interaktiver Praktiken der Bedeutungszuschreibung von Geld, Liebe, lebenslaufrelevanten Ereignissen sowie sozialer und institutioneller Rahmenbedingungen verstehen. Die Entstehung solcher relationaler Formen sozialer Ungleichheit innerhalb von Paarbeziehungen wirkt sich, als 'Paareffekt' und vermittelt über individuelle Karriereentscheidungen und -verläufe, auf die gesellschaftliche Ungleichheitsstruktur aus. Erst in und durch die lebensweltlichen Arrangements der Paarbeziehungen mit ihrer jeweiligen lebensphasenspezifischen Ordnung von (Lebens-)Zeit und (Beziehungs-)Geld werden ungleichheitsrelevante Handlungsoptionen und -grenzen für die Individuen-in-Paaren erfahrbar und subjektiv- bzw. paarbiographisch bedeutsam gemacht. Aus individualisierungstheoretischer Sicht ergibt sich so die zunächst paradox erscheinende Folgerung, dass nicht der Einzelne, sondern die unterschiedlichen Formen von Paarbeziehungen in ihren lebensweltlichen Bezügen zu einem zentralen Selektionsmechanismus für Passungsverhältnisse zwischen subjektivierten Lebenswelten und karriererelevanten institutionellen (Zeit-)Regimes werden." (Autorenreferat)
In: Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2, S. 3944-3955
"Die traditionelle Sozialstrukturanalyse unterstellt eine weitgehende Homologie von Einkommen, Ausbildung und Lebensstil. Die Homologie ermöglicht die Bildung - theoretischer oder realer - Klassen, Schichten und Milieus, die als Zusammenfassung von Punkten im sozialen Raum gedacht werden. Am Beispiel einer Clique, die ihrerseits einen mikroskopischen Ausschnitt einer Subkultur bildet, lässt sich die Homologieals übermäßig abstrakt erweisen. Heavy Metal ist für seine Anhänger, deren Ausbildung und Einkommen eine enorme Spanne umfassen, ein höchst ritualisierter und einheitlicher Lebensstil. Die Komplexität wird nicht aus der Vogelperspektive, sondern erst in der faktischen Auseinandersetzung sichtbar. Im Vortrag möchte die Bearbeiterin skizzieren, dass die Komplexität nicht zum Verzicht auf jedetheoretische Durchdringung führen muss. Lediglich von der subsumtionslogischen Vorstellung des sozialen Raums als Container (Beck) sollte man sich trennen. Bourdieus Konzeptionen des Feldes und des Habitus eröffnen ihres Erachtens zugleich eine Makro- und eine Mikroperspektive. Am Beispiel einer Clique von Heavy-Metal-Fans untersucht sie die komplexen und teilweise idiosynkratischen Binnenbeziehungen, ohne den Bezug zur Sozialstruktur aufzugeben." (Autorenreferat)
In: Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2, S. 4147-4160
"In dem Vortrag geht es um absehbare Entwicklungen von Kommunikation und Mobilität. Insofern Sozialisation immer in Räumen stattfindet steht die Gestaltung räumlicher Bezüge für kulturelle und soziale Formung. Jugendliche müssen sich von vorherigen Sozialisationsfeldern ablösen und neue Beziehungen aufbauen. Deswegen ist der Jugendalltag hochgradig kommunikativ und mobil. Sie meistern insofern die Kernaufgaben der Moderne, die nach A. Giddens aus 'embedding' und 'disembedding' bestehen. Absehbar haben wir es mit biographischen wie auch mit gesellschaftlich-strukturellen Entwicklungen zu tun. Jugendliche greifen auf die gegebenen gesellschaftlichen Optionen zurück und nutzen eigeninitiativ, abhängig von der sozialen und kulturellen Ausstattung der Familie moderne Kommunikations- und Fortbewegungstechnik. Aus jüngeren Untersuchungen wissen wir um die großen Budgetanteile die Heranwachsende für Kommunikationstechnik (Handy, SMS) aufwenden. Bei der Gruppe der 14 bis 17 Jährigen sind es mehr als 50% des Taschengelds. Für die Identitätsausbildung sind Mobilität und Kommunikation gleichermaßen wichtig. Allerdings sind neue Muster der Ausdifferenzierung, aber auch strukturelle Ungleichgewichte (Stadt/ Land, Geschlechter, Ressourcenschwache) zu erwarten. Wie wird bei unterschiedlichen Ausgangslagen mit Distanz und Nähe operiert? Im Kern geht es darum zu prüfen ob Kommunikationstechnik Mobilität substituiert oder ob jugendtypische Bemühungen um soziale Inklusion in wachsendem Maße face-to-face-Kontakte vorbereiten und die eigentliche Begegnung lediglich aufschieben. Identitätsarbeit würde dann von realen Räumen weg verlagert und in virtuellen oder zumindest inkommunikationstechnisch gestifteten Zwischenräumen angesiedelt." (Autorenreferat)
Das Forum Bildung hat zwölf Empfehlungen für Reformen im deutschen Bildungswesen vorgelegt. Als vordringlich erachtet das Forum Bildung frühe Förderung, individuelle Förderung, die Verwirklichung lebenslangen Lernens für alle, die Erziehung zu Verantwortung, die Reform der Aus- und Weiterbildung der Lehrenden sowie darüber hinaus die gleiche Teilhabe von Frauen und Männern als Leitprinzip, die Förderung von Zukunftskompetenzen (solides Fachwissen, fachübergreifende Kompetenzen), die Nutzung der Chancen neuer Medien, die Vermeidung und den Abbau von Ausgrenzung, die Bildung und Qualifizierung von Migrantinnen und Migranten, die Öffnung und Verknüpfung der Lernorte und mehr Eigenverantwortung für Bildungseinrichtungen. Qualität und Zukunftsfähigkeit [des] Bildungssystems erfordern ein hohes Engagement aller Beteiligten: der Individuen, der Bildungsinstitutionen und ihrer Träger, der Wirtschaft sowie des Staates. Sie erfordern neue Ideen und Konzepte, eine bessere Nutzung vorhandener Ressourcen, aber auch die gezielte Bereitstellung zusätzlicher Mittel. Die Empfehlungen des Forum Bildung wenden sich nicht nur an die politisch Zuständigen und Verantwortlichen, sondern gleichermaßen an diejenigen, die Bildungsprozesse vor Ort gestalten. (DIPF/Orig./Kr.)
Die Rede vom Tod des Kinos lässt sich strenggenommen bis zu seinen Anfängen zurückverfolgen. So soll mit Louis Lumière bereits einer seiner Gründerväter vom Kinematografen als "Erfindung ohne Zukunft" gesprochen haben. Eine verstärkte Diskussion um den Niedergang des Kinos setzt dann im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung des Filmemachens ein: Filmemacher Jean-Luc Godard spricht in seinem mehrteiligen Filmessay Histoire(s) du cinéma (1989-1999) vom Ende zumindest einer bestimmten Form des Kinos; Susan Sontag beschreibt im selben Jahrzehnt das Ende des Kinos und der Cinephilie in ihrem entsprechend betitelten Aufsatz The Decay of Cinema (in: The New York Times, 25. Februar 1996); und der Comic-Künstler Blutch zeichnet in Ein letztes Wort zum Kino (Berlin 2016) die schwindende Liebe eines vormals kinosüchtigen Cinephilen nach. Lars Henrik Gass, Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, geht es in seinem aktuellen Buch Filmgeschichte als Kinogeschichte ebenfalls darum, dass das Kino aus der Kulturlandschaft verschwinde und zu einem historischen Artefakt geworden sei. Kino, darunter versteht er in seiner Einleitung eine spezifische kulturelle Praxis, einen sozialen Raum, in dem sich Filme auf eine ganz bestimmte Weise wahrnehmen lassen sowie einen Ort zur Vermittlung von Filmgeschichte. Eben jener Ort friste in Deutschland ein Nischendasein, kaum gewürdigt und subventioniert von staatlicher Seite im Vergleich zu anderen kulturellen Einrichtungen wie dem Theater oder der Oper. Stattdessen überwiege in der Gesellschaft die problematische Vorstellung, dass sich das mediale Ereignis Film überall gleichwertig reproduzieren lasse, wovon sein Verschwinden aus den Kinos zeuge, die längst nicht mehr dessen primärer Aufführungsort sind: "Das 20. Jahrhundert hat das Kino hervorgebracht, das 21. droht nichts davon übrig zu lassen." (S. 11) In seinem Hang zum Absoluten stellt Gass die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit des Kinos fest und erkennt darin zugleich die Chance für eine Theorie des Kinos, um die es ihm in Filmgeschichte als Kinogeschichte geht. Erst die verlorengegangene Relevanz des Kinos eröffne die Möglichkeit, seine medienspezifischen Eigenschaften (die "Passivität des Zuschauers", den "Zwang zur Wahrnehmung", S. 13) freizulegen und das Kino so als "alternative Wahrnehmung" (S. 11) technischer Bilder zu bewahren und zu vermitteln – insbesondere mit Blick auf eine Generation, die mit bewegten Bildern außerhalb des Kinos aufgewachsen ist. Eine solche Theorie des Kinos scheint für Gass eine filmwissenschaftliche Leerstelle darzustellen. "Es gibt zwar eine Theorie des Films, aber eine Theorie des Kinos gibt es nicht", zitiert er gleich zu Beginn Karsten Witte aus der von selbigem herausgegebenen Theorie des Kinos. Ideologiekritik der Traumfabrik (Frankfurt am Main 1972). Zu nennen wären aber auch Thomas Elsaesser oder Heide Schlüpmann, die eine Theorie des Kinos in Cinema – The Irresponsible Signifier or "The Gamble with History": Film Theory or Cinema Theory (in: New German Critique 40, Special Issue on Weimar Film Theory, 1987, S. 65-89) und Öffentliche Intimität. Die Theorie im Kino (Frankfurt am Main 2002) vorantreiben. Einziger theoretischer Fixpunkt bleibt für Gass aber Witte und damit einhergehend der für letzteren so bedeutende Filmtheoretiker Siegfried Kracauer, der Filme als Seismografen des gesellschaftlichen Lebens betrachtete. Daraus ergibt sich der auch für Gass' Kinobegriff so wesentliche Zusammenhang von Film, Kino und Gesellschaft und damit ein genaueres Verständnis dafür, was er unter der bereits oben zitierten "alternativen Wahrnehmung" des Kinos versteht. In den Worten des Autors: "Gesellschaftlich ist Kino nicht, weil es unabhängig von den Filmen übermäßig sozial organisiert wäre oder soziale Prozesse provozierte, sondern weil es, und sei es auch nur für eine bestimmte Dauer, den Zugang zur gesellschaftlichen Wirklichkeit regelt, wie Wirklichkeit technisch sichtbar wird." (S. 13) Gass geht davon aus, dass das Kino durch seine Filme stets zu verstehen gegeben hätte, wie es zu einem bestimmten Zeitpunkt betrachtet werden wollte und welchen Veränderungen es unterlag. Die von ihm im Laufe des Buches diskutierten Filme versteht der Autor somit als "historische[n] Ausdruck von Kino" (S. 16). Kino, das meint für Gass im Weiteren aber nicht, und hier führt die Einleitung des Buches seine Leserinnen und Leser in die Irre, den räumlichen Ort eines kollektiven Filmerlebnisses, kein feststehendes Gebäude mit Zuschauerraum und einer Leinwand, auf die Filme projiziert werden. Stattdessen geht es ihm um das "Verhältnis zwischen Abbildung und Wirklichkeit, zwischen Film und Publikum" (S. 15). Im Mittelpunkt seiner Analysen stehen Filme und die Frage danach, in welcher Weise sie die gesellschaftlichen Zustände ihrer Entstehungszeit sichtbar machen und wie ihnen im Laufe der Jahre das Kino als "einzigartige Wahrnehmungsform" (S. 11) und spezifisch vermittelte Sicht auf die Wirklichkeit abhandengekommen ist. Gass' Buch ist daher ebenso wenig eine "Kinogeschichte" wie eine "Theorie des Kinos" im landläufigen Sinne, sondern lediglich eine "etwas andere Systematik von Filmgeschichte" (S. 16). Die vier thematischen Kapitel des Buches orientieren sich an wesentlichen Etappen der Filmgeschichtsschreibung: die Slapstickkomödie als Repräsentant des frühen Kinos, die Einführung des Tonfilms, New Hollywood stellvertretend für das moderne Kino und daran anschließend der Film ab Mitte der 1970er Jahre im Zeichen des Blockbusterkinos, dem Aufkommen von Heimmedien wie der VHS-Kassette und den Möglichkeiten digitalen Filmemachens. Dabei stehe jedes Kapitel für einen "historischen Umbruch" und jeder Film für eine bestimmte "Sicht aufs Kino" (S. 20). Auffällig an dieser Einteilung ist die große zeitliche Lücke zwischen dem frühen Tonfilm Ende der 1920er/Anfang der 1930er Jahre und dem mit Easy Rider (1969) einsetzenden New Hollywood. Auf diesen Sprung macht Gass selbst aufmerksam und merkt an, dass es für die Jahre 1940-1960 durchaus Beispiele gegeben hätte, aber keinen für ihn erkennbaren Wandel in den Perspektiven, die die Filme auf das Kino einnehmen. Dies verwundert etwa mit Blick auf die Einführung und Durchsetzung des Breitwandformats in den 1950er Jahren, die durchaus eine neue Beziehung zwischen den Zuschauenden und den Geschehnissen auf der Leinwand etablierte. Die damit einhergehende Befreiung des Zuschauerblicks ermöglichte es dem Publikum nämlich, seine Augen frei über die Leinwand zu bewegen, sich auf das konzentrierend, was es am meisten interessiert. In jedem dieser Kapitel widmet sich Gass zumeist in Einzelanalysen unterschiedlichen Filmen, wobei die Kapitel nur lose miteinander in Verbindung stehen und daher auch für sich alleingenommen rezipiert werden können. Thematisiert wird unter anderem die Behandlung von Gegenständen im Slapstick, die sich der Wahrnehmung widersetzen und diese frühe Form der Komödie daher zu einem nicht-voyeuristischen Genre werden lassen; die neue Bedeutung von Schauwerten und damit einhergehende Objektivierung des Frauenkörpers am Beispiel der Schauspielerin Fay Wray in King Kong (1933); die unmöglich gewordene Repräsentation der Wirklichkeit in den Filmen des New Hollywood; die Einnahme einer ethischen Perspektive in den Filmen Dario Argentos, aus der heraus der technische Blick als ein sadistischer präsentiert werde; die verloren gegangene Unterscheidbarkeit von Produkt und Werbung, Film und Gesellschaft am Beispiel von Jurassic Park (1993); die Individualisierung der Filmwahrnehmung durch Virtual-Reality-Brillen in Strange Days (1995). Lobenswert ist, dass Gass bei der Auswahl seiner Beispiele in keiner Weise an der Würdigung kanonisierter Meisterwerke interessiert ist und dadurch den Blick für 'abseitigere' Filme wie Cannibal Holocaust (1980) öffnet. Der Filmkorpus bleibt allerdings im westlichen Kino verankert, sodass hier, wenn überhaupt, nur eine Theorie des US-amerikanischen und westeuropäischen Kinos vorgelegt wird. Dass sich beispielsweise technische Entwicklungen des Films in anderen Kinematografien auf unterschiedliche Weise vollzogen haben, lässt sich am japanischen Kino nachvollziehen, wo der Tonfilm sich unter anderem aufgrund der langen Tradition der Kinoerzähler, im Japanischen benshi genannt, erst Ende der 1930er Jahre vollends durchsetzen konnte. Unabhängig davon, ob man die apokalyptischen Thesen Gass' zum Tod des Kinos teilt oder nicht, erweisen sich seine Essays, die teils bereits einzeln veröffentlicht worden sind, durchaus als lesenswert, obschon sie keine wirklich neuen filmhistorischen Erkenntnisse hervorbringen. Problematisch ist allerdings, dass sie aufgrund des unklar bleibenden theoretischen Rahmens zuweilen unmotiviert nebeneinanderstehen, auch wenn sie auf verschiedene Themen, wie die Anordnung des Blicks, immer wieder Bezug nehmen. Das Dispositiv Kino als räumliches Arrangement von Leinwand und Zuschauerraum spielt, anders als es die Einleitung des Buches nahelegt, in den einzelnen Analysen kaum eine Rolle. Die Frage nach der technischen Sichtbarmachung von Wirklichkeit mittels Kino, wie Gass sie im Anschluss an Witte und Kracauer stattdessen ins Zentrum seiner Überlegungen stellt, bleibt ebenfalls unbeantwortet: Verlieren Filme ihren gesellschaftlichen Kontext, sobald sie nicht mehr im Kino gezeigt werden? Sind Filme, die nicht mehr primär für das Kino produziert werden, nicht dazu in der Lage, etwas über dessen Zustand und unsere Realität auszusagen? Obwohl Gass eingesteht, dass sein Buch (möglicherweise zu) heuristisch vorgeht (vgl. S. 21), erklärt sich daraus nicht, warum beispielsweise die Rolle der Zuschauerinnen und Zuschauer in seiner 'Kino'-Geschichte beziehungsweise -Theorie vernachlässigt bleibt. Grundsätzlich kritisiert werden muss in diesem Zuge ebenso die auch hier durchscheinende fehlende Anknüpfbarkeit des vorgestellten Ansatzes an etablierte filmtheoretische und -historische Diskurse. Produktiv verbleibt zuletzt immerhin seine Hoffnung, dass eine Theorie des Kinos entschieden dabei helfen könnte, die kulturpolitische Stellung des Kinos in der Gesellschaft zu überdenken – ein Auftrag, mit dem sich die Film-, Medien- und Kulturwissenschaft stetig neu konfrontiert sieht.
Schamkultur und Schuldkultur. Revision einer Theorie Die wissenschaftliche Debatte zu Schuld- und Schamkulturen nimmt ihren Anfang mit den kulturvergleichenden Studien von Ruth Benedict und Margaret Mead in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Doch werden die Kategorien der Schuld- und Schamkultur bald aus politischen und systematischen Gründen ad acta gelegt. Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, sie im Rahmen einer Typologie so zu modifizieren, dass letztere ein sinnvolles heuristisches Instrument zur Interpretation von Schuld- und Schamphänomenen sowie ihrer jeweiligen sozialen Kontexte darstellt. Diesem Vorhaben liegt die These zugrunde, dass sich in modifizierten Kategorien von Schuld- und Schamkulturen sowohl eine theoretisch stringente Differenzierung von Schuld und Scham als universale Phänomene wie auch die Tatsache erfassen lässt, dass Schuld und Scham kulturspezifisch zu unterscheidende Aspekte in Abhängigkeit von bestimmten, soziologisch beschreibbaren Konturen kultureller Kontexte aufweisen. Dazu werden in einem ersten Schritt ausgewählte soziologische, psychologische, anthropologische und philosophische Konzepte und Differenzierungen von Schuld und Scham untersucht. In diesem Spektrum an Positionen fällt auf, dass Scham nahezu ausnahmslos als soziales Phänomen, als Scham vor dem Anderen dargestellt wird. Damit durchzieht diesen Begriff von Scham ein Zug von Heteronomie. Dies lässt sich ebenso für das vorherrschende Verständnis von Schuld nachweisen: auch die internalisierten Maßstäbe des scheinbar individuellen Gewissens erhalten den analysierten Konzepten zufolge ihre Autorität selbstverständlich von einem Anderen her, sei dieser Andere die Eltern, die Gesellschaft oder ein Gott. In anthropologischer Hinsicht wird in diesen Konzepten von Schuld und Scham mithin die (wenn auch begrenzte) Fähigkeit zu moralischer Autonomie, d.h. die Fähigkeit des Subjekts, Normen und Werte selbst zu verantworten und sich selbst als deren legitimierende Instanz zu betrachten, als Komplement zur Integrations- und Bindungsfähigkeit des Menschen und damit die Möglichkeit, sich vor sich selbst zu schämen, systematisch nicht oder zu wenig berücksichtigt. Auf einen zweiten blinden Fleck macht die Untersuchung der Debatte zu Schuld- und Schamkulturen aufmerksam. Schuldkulturen wurden über das Kriterium der Dominanz von Schuld, Schamkulturen über das der Scham definiert. Dies verstellt den Blick dafür, dass Schuld und Scham nicht nur universale Aspekte, sondern auch kulturspezifische Züge tragen und daher beide – in je spezifischen Varianten – sowohl in Schuld- als auch in Schamkulturen in einem spezifischen Konnex zueinander stehend zu erwarten sind. Diese These wird in dem Entwurf einer Typologie von Schuld- und Schamkulturen ausformuliert. In anthropologischer Hinsicht versucht diese Typologie, die Konzepte so zu konturieren, dass sowohl Bindung als auch Autonomie als menschliche Grundbedürfnisse und Vermögen Berücksichtigung finden. Als soziologisches Kriterium der Differenzierung von Schuld- und Schamkulturen schlägt sie eine Kollektivorientierung versus einer Priorisierung des Individuums vor dem Kollektiv vor. Es wird also die These vertreten, dass Gruppen als strukturprägendem Wert entweder dem Schutz, der Integration, der Harmonie der Gruppe als Gemeinschaft höchste Priorität zuschreiben oder dem Individuum als Ideal nahelegen, dass es sich in Autonomie entwickelt, sich individualisiert. Eine Schuldkultur wird, so die Typologie, über das Kriterium der "Individualisierung" bzw. Autonomieorientierung und eine Schamkultur über das der Orientierung des Individuums auf das Kollektiv hin definiert. Die Konsequenzen für das Selbstkonzept des Individuums und das im jeweiligen kulturellen Kontext zu erwartende Verständnis von Moralität werden ausgelotet. Ebenso wird die Frage diskutiert, welche Verhältnisbestimmung von Schuld und Scham sich aus der Logik der Typologie ergibt. ; Shame culture and guilt culture. Reconsidering a theory The academic debate on shame and guilt cultures was first initiated in the middle of the 20th century through the comparative ethnographic studies of Margaret Mead and Ruth Benedict. But the categories of shame and guilt culture disappeared soon after for political and systematic reasons. The present dissertation tries to modify the categories in the framework of a typology, so that the latter may function as a helpful heuristic instrument for the interpretation of phenomena of guilt and shame within their respective social context. For it is assumed that, first, the modified categories of shame culture and guilt culture allow the emotions of shame and guilt to be differentiated precisely as universal phenomena. Second, their culturally specific aspects can be pointed out and understood particularly with regard to their dependence on the specific describable sociological characteristics of their cultural context. The study first analyses selected sociological, psychological, anthropological and philosophical concepts and their differentiation of shame and guilt. It appears that - with very few exceptions - shame is considered to be a social phenomenon occurring exclusively in the face of the other. Therefore, shame includes some sort of heteronomy. The same proves true for the dominant concept of guilt: even the norms of the seemingly individual conscience count because they are internalized from external authorities such as parents, society or in religious adherence. The author asserts that considering the concepts of shame and guilt from an anthropological point of view, moral autonomy, which can be viewed as a complement to the human ability of integration and bonding, is systematically neglected. Autonomy is defined as the (limited) ability of the subject to account for its own norms and values and to take itself to be the legitimizing authority in this question. Neglecting autonomy, the examined concepts do not take into account that a person might also be ashamed "in the face of herself" without any other person being present in this situation, not even in her mind. Having studied the debate on guilt and shame cultures, the author points to a second desideratum. The dominance of either guilt or shame has been considered the defining criterion of either guilt cultures or shame cultures. As a consequence, the cultural specificity of shame and guilt, as well as the possibility that they occur in combination in certain culturally specific relationships, has been overseen. This thesis is elaborated in a typology of guilt and shame cultures which aims at taking seriously the anthropological abilities and necessities both of autonomy on the one hand and bonding on the other hand. The author proposes to presume a normative orientation towards the collective for shame cultures and the individual being prioritized before the collective in guilt cultures. Thus, groups are considered either to give top priority to the protection, integration, and harmony of the group as a community, or to encourage the individual to develop its autonomy and, thus, to individualize. This "individualization" towards autonomy characterizes, according to the typology, a guilt culture, while the orientation of the individual towards the collective is proposed as the defining criterion of a shame culture. The consequences concerning the self-concept of the individual and the concept of morality are considered, as well as the question of how shame and guilt might be related to each other in each type of cultural context.
Individualisierungsprozesse und die Umverteilung sozialer Risiken lassen auch die tradierten Geschlechterverhältnisse nicht unberührt. Welche Veränderungen sich für Geschlechtsidentitäten, Geschlechterbeziehungen und geschlechtstypische Positionierungen in der Gesellschaft ergeben (können), untersuchen die Beiträge im vorliegenden Band. Nach dem von Ulrich Beck geprägten Schlagwort von der "Risikogesellschaft" wirken die von modernen westlichen Gesellschaften produzierten Risiken individualisierend und führen typischerweise dazu, dass die entstehenden Gefährdungslagen von den einzelnen Individuen selbst getragen und bewältigt werden müssen. Das wachsende Gefühl, dass die Ungleichheit erzeugenden Umstände zwar in die eigene Verantwortung fallen, sich aber dem individuellen Zugriff entziehen und von der einzelnen Person nicht mehr beeinflussbar sind, nivelliert jedoch tendenziell sowohl das Bewusstsein möglicher Ungerechtigkeit gesellschaftlicher Umstände wie auch von individuellen und gesellschaftlichen Verantwortlichkeiten. Spezifisch für die Reflexive Moderne ist gerade, dass 'Verursacher' ungünstiger Lebensumstände nicht mehr erkennbar sind, die Strukturen der Verteilung dieser ungünstigen Umstände auf die Individuen verdeckt und tendenziell undurchschaubar werden. Damit wird auch die Geschlechterordnung, der 'Geschlechtervertrag', schwerer durchschaubar. Eine geschlechterbezogene Betrachtung muss deshalb danach fragen, welche Wirkungen diese Prozesse auf die Ausgestaltung der Geschlechterbeziehungen haben, nach den je unterschiedlichen Wirkungen auf die Lebensumstände von Frauen und Männern und danach, wer was erhält und nicht erhält, wer welche Rechte und Verpflichtungen übertragen bekommt, wer woran gemessen, wem was abverlangt, wer woran gehindert wird und welche Konsequenzen das hat - für die Einzelnen, ihre jeweilige geschlechtstypische Positionierung, für die Positionierung von Geschlechtergruppen und für die Gesellschaft insgesamt.
Die vorliegende Studie zur politisch-administrativen Steuerung des Hochwasserrisikos in der Bundesrepublik ist in drei Teile untergliedert: Im ersten Teil werden die Grundlagen einer Anpassung an den Klimawandel in städtischen Bereichen erörtert, ausgewählte Befunde der Klimafolgenforschung vorgestellt und es wird danach gefragt, wie sich die global prognostizierten Effekte auf die deutsche Situation übertragen lassen. Ferner wird das Konzept der sozialen Verwundbarkeit erläutert, das neben dem Konzept der reflexiven Modernisierung die theoretische Grundlage der Untersuchung bildet. Im zweiten und eigentlichen Hauptteil werden die Ergebnisse von Interviews mit verschiedenen Akteuren des politisch-administrativen Systems mit Bedeutung im Hochwasserschutz in Bremen und Hamburg vorgestellt. Ergänzend wurden Dokumente aus den beiden Landesparlamenten herangezogen und das empirische Material wurde diskursanalytisch ausgewertet. Ausgehend vom Phänomen des Klimawandels werden folgende Fragen untersucht: Wie beurteilen die Akteure die Situation in Bremen bzw. Hamburg hinsichtlich einer gegebenen oder fehlenden Sicherheit gegenüber Hochwassergefahren? Was bezeichnen die Akteure als Problem? Wie beurteilen sie ihre eigene Rolle im Hochwasserschutz bzw. im Hochwasserrisikomanagement und wie beurteilen sie die Rolle anderer? Wen halten sie für zuständig, um die identifizierten Probleme zu lösen? Der abschließende dritte Teil fasst die Ergebnisse zusammen und formuliert Empfehlungen zu einem am Leitbild der Nachhaltigkeit orientieren Hochwasserrisikomanagement. (ICI)
While the focus in Germany was initially on disabled children only, the promotion of gifted and talented children has become increasingly important. Different organisations and institutions, ranging from parents' associations to foundations, offer a large variety of measures catering for the special demands of gifted and talented children, enabling the exchange of information on giftedness and the cooperation of different institutions. Talented children are also provided with access to scholarships as well as to special academies and competitions on different topics. Furthermore, educators and researches involved in the promotion of giftedness can attend conferences as well as gaining qualifications as specialists in gifted education and talent support. In addition to these nationwide, extracurricular measures, the individual federal states offer various acceleration and enrichment activities for children with high abilities at school. Overall, this leads to a diverse system of gifted education and talent support in Germany. It does, however, mean that Germany lacks a common national strategy of gifted education and talent support due to the lack of networking of the individual federal states. By exchanging ideas and information on their applied concepts of ability promotion, the federal states could benefit from each other's expertise and experiences. Further improvement could be achieved if concepts of gifted education and talent support were to become an integral part of various discussions, such as those on inclusive education or on the results of international comparative studies (e.g., PISA, PIRLS or TIMSS). (DIPF/Orig.)
In: Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2, S. 3971-3989
"Der Beitrag geht von folgenden Hypothesen aus: 1. Der transsäkulare Rückgang interpersoneller Gewalt bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts beruhte a) auf der Herausbildung eines staatlichen Gewaltmonopols, das im Laufe der Zeit durch gesetztes Recht domestiziert, durch demokratische Verfahren legitimiert und durch den Ausbau sozialstaatlicher Sicherungssysteme in eine Struktur institutionalisierter Gerechtigkeit eingebettet wurde, b) auf einer Erosion kollektivistischer Gesellschaftsstrukturen, in denen die Gemeinschaft (das 'Kollektiv') eine höhere Wertschätzung genoss als die Individuen. Auf der Basis dieses Strukturwandels vollzog sich c) ein Umbau der modalen Persönlichkeitsstrukturen, in dem die Fremdkontrolle zunehmend durch Selbstkontrolle ersetzt wurde. 2. Die Erosion des Kollektivismus wirkt dauerhaft pazifizierend nur in dem Maße, wieder erstarkende Individualismus dem Idealtypus des kooperativen (oder 'moralischen') Individualismus im Sinne Durkheims entspricht. 3. Seit Mitte des vorigen Jahrhunderts werden kollektivistische Orientierungsmuster und Strukturen zwar weiter zurückgedrängt, gegenüber dem kooperativen gewinnt jedoch der desintegrative Individualismus zunehmend an Gewicht. Damit verbunden ist die Stärkung eines egoistischen Instrumentalismus, der das Gewalttabu auflockert. 4. In diesem Prozess, der durch die sich beschleunigende Internationalisierung der Politik und der Wirtschaft Auftrieb erhält, werden die Regulierungskompetenzen und die Legitimitätsgrundlagen nationalstaatlicher Politik geschwächt. Der kausale Nexus von Effektivität und Legitimität des Gewaltmonopols erodiert. Beschleunigungs- und Entgrenzungsprozesse führen außerdem zu einer 'chronischen' Anomie, die ihrerseits gewaltaffine Formen eines regressiven Kollektivismus begünstigt. Vorgestellt werden die ersten Ergebnisse aus dem Projekt 'Sozialer Wandel und Gewaltkriminalität' an der Universität Halle. Es wird der Versuch unternommen, die oben genannten Hypothesen anhand von Entwicklungen in Westdeutschland, England/ Wales und Schweden zu überprüfen." (Autorenreferat)