"'Jede Straftat ist eine Straftat zu viel und muss konsequent bekämpft werden.' (Herrmann 2012: 29) Dieses Leitmotiv vertrat der bayerische Innenminister Joachim Herrmann bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik 2011 und unterstrich damit zugleich den gemeinhin als kompromisslos charakterisierten Kurs der CSU-geführten Regierung bei der Inneren Sicherheit. Die CSU, die sich in ihrem Parteiprogramm selbst als 'Partei der Inneren Sicherheit' bezeichnet, ist für diesen Bereich der Innenpolitik in Bayern besonders prägend gewesen, da sie seit 1958 den Innenminister stellt und über vier Jahrzehnte auch keine Rücksicht auf einen Koalitionspartner nehmen musste." (Autorenreferat)
Der Beitrag geht von der Frage aus, ob der traditionell staatszentrierte Sektor "Innere Sicherheit" überhaupt die konstitutiven Merkmale eines Politikfeldes aufweist, d. h. ob hier auch organisierte Interessengruppen agieren, die auf die Politik Einfluss zu nehmen versuchen. Der Autor identifiziert hier in der Tat eine Struktur von Staat-Verbände-Beziehungen, die sich zusammensetzt aus Innenministerien und Sicherheitsbehörden, Polizeigewerkschaften, privater Sicherheitswirtschaft und Bürgerrechtsvereinigungen und deren Kern ein korporatistisches Wechselspiel zwischen Innenministerien und Polizeiverbänden bildet. Betrachtet wird die Landesebene (Polizei ist Ländersache), auf der die zentralen Kompetenzen gebündelt sind. Es zeigt sich eine geringe Dynamik und Offenheit des Politikfeldes Innere Sicherheit. Bemerkenswert sind nicht nur das geringe Engagement von politischen Parteien und Landtagsabgeordneten in dem Politikfeld, sondern auch die Abschottungstendenzen eines "Inner Circle" gegen Beteiligungsansprüche von Bürgerrechtsgruppen. Unter diesen Bedingungen reduziert sich das Politikfeld Innere Sicherheit auf ein überwiegend innerstaatliches Arrangement mit einem nur geringen Niveau an Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen. (ICA2)
"Im einleitenden Aufsatz von Wolfgang Stangl wird der Versuch einer historischen Bestimmung der Diskurse über die Innere Sicherheit unternommen. Am Beispiel Österreichs wird zunächst dargestellt, dass in der austromarxistischen Gesellschaftsanalyse bis in die späten 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts dem Begriff der Inneren Sicherheit keine (theoretische wie politische) Bedeutung beigemessen wunde, wiewohl eine latente Bürgerkriegsstimmung die Erste Republik zwischen 1918 und 1934 begleitete. Dagegen wird die Phase des Wohlfahrtsstaates nach dem 11. Weltkrieg als historischer Abschnitt untersucht, in dem die Herstellung und Durchsetzung Innerer Sicherheit als monopolistische Staatsaufgabe verstanden worden war, die zumindest in ihrer Selbstverständlichkeit sich seit den 70er Jahren in den Gesellschaften der EU sich begonnen hat aufzulösen. Seither sind Akzentverlagerungen und Verschiebungen im Politikfeld der Inneren Sicherheit zu beobachten, wodurch die eindeutige Zuordnung Innerer Sicherheit zu den Aufgaben des Staates nicht länger zutrifft. Je nach dem Ausmaß in dem NGOs, private Sicherheitsunternehmen, zivilgesellschaftliche Initiativen und staatliche Einrichtungen in diesem Politikfeld tätig werden, bestimmt sich die neue Gestalt, aber auch Funktion der Inneren Sicherheit(en)." (Autorenreferat)
Der Beitrag zu den Entscheidungsprozessen und der demokratischen Kontrolle im Rahmen der Inneren Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt sich mit den dort anzutreffenden politischen Netzwerken. In das Thema einführend, werden eingangs empirische und normative Orientierungen in der Analyse des Untersuchungsgegenstandes 'Innere Sicherheit' dargestellt und die Innere Sicherheit wird als Politikfeld beschrieben. Der dritte Schritt widmet sich sodann den institutionellen Aspekten bzw. dem Korporatismus innerhalb des Netzwerkes der Inneren Sicherheit, indem (1) die Polizeiverbände bzw. (2) die Innenministerien vorgestellt werden. Der vierte Schritt beleuchtet schließlich die korporatistischen Aushandlungen im Politikfeld der Inneren Sicherheit, also die Entscheidungsfindung auf der Landesebene bzw. im Kontext der Bund-Länder-Beziehungen. Die Ausführungen schließen mit einer Skizzierung der bundesdeutschen Parteien, Parlamente sowie Bürgerrechtsgruppen im Netzwerk Innere Sicherheit. (ICG2)
Der Autor geht von dem Goffmanschen Diktum aus, in unserer Gesellschaft sei zwar das Unerklärte hinnehmbar, nicht aber das Unerklärliche. Das Ziel des Beitrags ist es, das Verhältnis zwischen Innerer Sicherheit und Cyberspace im Lichte dieser These von der letzteren in die erstere Wissenskategorie zu überführen. Dazu werden zunächst die beiden verbundenen Kategorien Unerklärtes und Unerklärliches kurz bestimmt. Anschließend geben die Autoren einen Überblick über die in der Öffentlichkeit diskutierten Gefährdungen der Inneren Sicherheit durch Computernetzwerke. Näher erläutert werden dazu die technischen Grundlagen solcher Gefährdungsvorstellungen: die Verschlüsselung von Daten. Am Beispiel des Pornographie-Diskurses wird genauer gezeigt, daß in der Öffentlichkeit die Diskussion über virtuelle sexuelle Realitäten stellvertretend für alle Risiken des Cyberspace geführt wird. (pre)
Kriminalität bedeutet für den Kriminellen einen Nutzen, der mit den entstehenden Kosten verglichen wird: Ein Bankraub etwa verspricht finanziellen Nutzen, bei hohem Risiko, gefangen zu werden, ist aber auch der Preis hoch. Ein potenzieller Krimineller wird sich also für die Durchführung der Straftat entscheiden, wenn der Erwartungsnutzen der Tat hoch ist. Eine Schutzmaßnahme ist daher dann wirksam, wenn die Kosten für die Tat den Verbrecher von der Durchführung abschrecken. Der Beitrag widmet sich Kosten-Nutzen-Analysen zu Kriminalität und Innerer Sicherheit. Ein hoher Einsatz für Sicherheit kann die Bedürfnisse der Bevölkerung nach Sicherheit befriedigen. Da Mittel aber immer begrenzt sind, wird dann an anderer Stelle gespart. So kann ein zu massiver Einsatz von Mitteln für Sicherheitsaufgaben für die Bevölkerung nachteilig werden, wenn dadurch andere wichtige Lebensbereiche (etwa Bildung oder öffentlicher Verkehr) aufgrund von Finanzknappheit vernachlässigt werden müssen. Der Artikel wendet sich schließlich den Kosten zu, die auch Opfern von Verbrechen entstehen können und geht auf Schwellen von Moral ein, also auf die Frage, wodurch moralisches Verhalten begünstigt oder gehemmt wird. Abschließend diskutiert der Beitrag die Theorie, dass Menschen Freiheit an den Staat abgeben, der dann für dieSicherheit sorgt - so dass den Bürgern ihre Ressourcen für produktivere Tätigkeiten als ihren eigenen Schutz zur Verfügung stehen. Der Beitrag führt außerdem in empirische Modelle ein und fasst den bisherigen Wissensstand zum Forschungsgebiet der Ökonomie der Inneren Sicherheit zusammen. (ICB)
Der Verfasser setzt sich im ersten Teil seiner Untersuchung mit Ausländern im öffentlichen Diskurs über Sicherheit in Österreich auseinander. Er referiert die Sicherheitsberichte der Bundesregierung und stellt die Entwicklung der Ausländerkriminalität dar (Anzeigenbelastung, Herkunftsland, Deliktart, Anteil von Frauen und Jugendlichen, Verurteilungsquote, Strafpraxis). Der zweite Teil ist der Sicherheit von Ausländern in Österreich gewidmet, hier erscheinen Ausländer nicht als Täter, sondern als Opfer von Migrationsrisiken, Diskriminierung, Ausbeutung, Alltagskriminalität und Fremdenfeindlichkeit. Abschließend werden Schlussfolgerungen in Hinblick auf Forschungsdesiderata (Statistik) und Migrationspolitik formuliert. (ICE)
Die österreichische Sicherheitspolitik beruhte bis 2001 trotz der seit 1989 völlig veränderten sicherheitspolitischen Situation in Europa auf dem Landesverteidigungsplan aus dem Jahr 1983 mit der Verteidigungsdoktrin von 1975. Österreich begann jedoch im Jahr 1995 als Mitglied der Europäischen Union und somit als ein Land, das sich verpflichtete, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU umzusetzen, sowie ab 1995 als Teilnehmerstaat der NATO-Partnerschaft für den Frieden, seine Sicherheitspolitik im Zuge der verstärkten sicherheitspolitischen Kooperationen in Europa europäischer auszurichten. Nachdem das Verteidigungsbündnis Westeuropäische Union (WEU) im Jahr 1992 den Beobachterstatus eingeführt hatte, wurde dieser 1995 von Österreich, Schweden und Finnland übernommen. Der Autor nimmt vor diesem Hintergrund eine detaillierte Analyse der Sicherheits- und Verteidigungsstrategie Österreichs aus dem Jahr 2001, der Problematik der Neutralität, der Kooperationen des österreichischen Bundesheeres, der Entwicklung des Bundesheeres zu einem Freiwilligenheer, der Bundesheerreformkommission 2004 und der Reformen im Polizeiwesen vor. (ICI2)
Die Studie untersucht die Rolle des Fremden in der kriminal- und sicherheitspolitischen Auseinandersetzung in Österreich für den Zeitraum 2001 bis 2005. Dazu wird im ersten Abschnitt auf parlamentarische Debatten rekurriert, werden die Veränderungen in der behördlichen Kriminalitäts- und Sicherheitsberichterstattung nach 2000 herausgearbeitet und der kritische Blick der Sozialwissenschaften auf die verstärkte Auseinandersetzung von Polizei und Justiz mit Zuwanderung und Fremden referiert. Im zweiten Abschnitt werden amtliche Eckdaten zu Straffälligkeit und Strafverfolgung von Migranten dargestellt. Dabei wird auf Informationen zum Aufenthaltsrechtsstatus straffälliger Fremder zurückgegriffen, so dass hier die prekäre soziale Lage der polizeilich registrierten StraftäterInnen fremder Herkunft veranschaulicht wird. Der dritte Abschnitt betrachtet abschließend die Sicherheitsrisiken für Migranten in Österreich, indem über die Staatsbürgerschaft von Tatverdächtigen wie von Geschädigten sowie über die Sozialbeziehungen beider Seiten informiert wird. Klar wird bei dieser Thematik, dass das theoretische Grundrecht auf persönliche Sicherheit seine praktischen Grenzen hat und eng an einen regulären und verfestigten Aufenthalt geknüpft ist. (ICG2)
Der Beitrag beschäftigt sich mit der Inneren Sicherheit im Hinblick auf mediale Repräsentanz. Kriminalität hat Menschen schon immer fasziniert, und so überrascht es nicht, dass TV-Sender "Krimis" senden oder "Polizei-Dokus" (Polizisten werden auf Streife begleitet). Der Beitrag sieht hier eine Tendenz zur "Glorifizierung" der Polizeiarbeit, jedenfalls formen die Medien ein Bild der Polizei, das nur in Teilen realistisch ist. Der Artikel wendet sich dann der Frage zu, ob und inwieweit Medienkonsum Gewaltbereitschaft fördern kann. Grundsätzlich kann ein Zusammenhang nicht bestätigt werden, doch kann Medienkonsum eine vorhandene Gewaltneigung möglicherweise stimulieren. Medien werden aber auch von Terroristen und Kriminellen genutzt (etwa dem so genannten "Schwarzen Block"), um ihre Ziele der Öffentlichkeit nahezubringen oder sich als Opfer der Polizei zu präsentieren. Aber auch die Polizei nutzt die Medien, etwa zur Fahndungsunterstützung. Moderne Polizei ist längst auf Öffentlichkeitsarbeit eingestellt, da auch die Medien Informationen von der Polizei einfordern. Durch die allgemeine Medienverfügbarkeit (z.B. Fotohandy) kann aber auch Fehlverhalten der Polizei dokumentiert werden. Der Beitrag geht abschließend auf technologische Entwicklungen, wie etwa die geplante "Online-Durchsuchung", ein und kommt hinsichtlich des "Big-Brother"-Medienphänomens zu dem Schluss, dass durch dieses exhibitionistische Fernsehformat die Anwesenheit von Überwachungskameras im Alltag "normalisiert" wird. Hinsichtlich der Videoüberwachung wird allerdings Entwarnung gegeben: "Big Brother", also die Orwell'sche Vision des Überwachungsstaats, ist nicht Realität geworden. Die Überwachung hat andererseits aber bislang auch keine durchschlagenden Effekte auf die Bekämpfung der Massenkriminalität gezeigt, während spektakuläre Taten (z.B. "Kofferbomber") so durchaus aufgeklärt werden konnten. (ICB)