Integration, Assimilation
In: Merkur: deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Band 64, Heft 11, S. 1083-1088
ISSN: 2510-4179
Mit dem Begriff der Integration verbinden sich die widersprüchlichsten Bedeutungen. Teils gilt als integriert, wer als Migrant oder Abkömmling von Migranten im Zuwanderungsland unauffällig lebt. Dieses Verständnis von Integration wird auch auf ganze Gruppen angewendet und meint ihre sozialstatistische Unauffälligkeit, etwa wenn sie ähnliche Beschäftigungsquoten, Bildungserfolge oder Kriminalitätsraten erzielen wie die einheimische Bevölkerung. Teils aber geht es nicht nur um die üblichen Kennzahlen der Sozialdemographie, sondern um kulturelle Praktiken und Meinungen. Die vorliegende Kolumne versucht an Hand der Sichtung und Kommentierung neuerer Literatur zum Thema (Stichweh, Esser) einige begriffliche Klärungen und Sondierungen. Erkennbar schwankt die Verwendungsweise von "Integration". Was integriert werden sollte - Personen? Gruppen? Kulturen? Meinungen? Verhaltensweisen? -, ist ebenso unklar wie der Gegenbegriff "Assimilation". Wenn jeder zehnte Zuwanderer "integrationswillig" ist, besteht er dann auf Privatheit, Feindschaft, Indifferenz, Dagegensein oder nur auf türkischsprachigem Fernsehen und Familienordnungen, die er für traditionale hält? Wenn Integration und "Multikulti" als "gescheitert" etikettiert wird, bezieht sich das auf Ghettos, Fundamentalismen, mangelhaftes Sprachvermögen oder unterproportionalen Hochschulzugang? Solche Fragen werden an Hand der Literatur knapp erörtert. (ICA2)