Untersucht werden die seit 1985 zu verzeichnenden Veränderungen der Mitglieder- und Funktionärsstruktur der SED, wobei insbesondere Kontinuität und Wandel in der personellen Besetzung der Führungsgremien der Partei (Zentralkomitee, Sekretariat des Zentralkomitees, Politbüro) im Blickpunkt stehen. (BIOst-Hml)
Als Kader bezeichnete Stalin Menschen, die die politische Linie der Partei verstehen, die diese Linie als ihre eigene Linie betrachten, die bereit sind, sie in die Tat umzusetzen. Ungeachtet aller Differenzierung gilt seine Definition im Prinzip noch bis heute in der DDR, weshalb die "Diktatur des Proletariats" im Staat der SED auch als "Herrschaft durch Kader" bezeichnet werden kann. Wenn sich die Bedeutung des Ministeriums für Staatssicherheit als Herrschaftsinstrument der Partei aus der Bündelung seiner öffentlich unkontrollierten Befugnisse als politische Geheimpolizei, als Untersuchungsorgan in politischen Strafsachen und als geheimer Nachrichtendienst erklärt, so ist die Folgerung zwingend, daß ihm bei der Auslese und Kontrolle der Kader eine wesentliche Rolle zukommt. Die Zusammenhänge von Kaderpolitik und Staatssicherheit sind daher von der Analyse des Herrschaftssystems nicht trennbar. Ein Problem für sich ist dabei die politische Kontrolle der Staatssicherheit durch die Staatspartei. (GF2)
Im Mittelpunkt dieser Studie steht die Analyse einer Funktionärsschicht, an deren Zusammensetzung und Entwicklung exemplarisch Fragen beantwortet werden sollen, mit denen letztlich jedes politische System konfrontiert ist, das mit der alten politischen Ordnung radikal brechen und eine neue aufbauen will. Die Frage, ob die alten politischen Eliten aus der Nazizeit übernommen werden sollten, stand für viele Deutsche nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gar nicht erst zur Disposition. Dies unterbanden sowohl der alliierte Einspruch als auch die Haltung deutscher Hitlergegner. Damit war das Dilemma, das gerade in neuester Zeit in der Transformationsforschung diskutiert wird, ob die Zirkulation oder die Reproduktion von Eliten (oder eine Mischung von beidem) die Erfordernisse einer Stabilisierung des neuen Systems besser fordert, im Sinne des ersteren und damit der Ersetzung wichtiger Führungsgruppen entschieden. Inwieweit dieser Anspruch in den vier Besatzungszonen auch in die Realität umgesetzt werden konnte, war zunächst ebenso offen wie die Fragen, nach welchen Kriterien die neuen Eliten ausgewählt werden sollten und wie umfassend der Austausch von Funktionsträgem sein sollte. Wenn, wie in der sowjetischen Besatzungszone und der späteren DDR, die Elitenzirkulation schon früh nicht nach offenen, pluralistischen Gesichtspunkten, sondern im Sinne einer politischen Ideologie und damit auch einer bestimmten Führungsschicht entschieden wurde, dann stellten sich die Probleme noch um einiges komplizierter dar, da eine Gegenelite erst in Ansätzen vorhanden war und sie ihren Herrschaftsanspruch durch die Rekrutierung, Ausbildung und Fördemng von politisch unerfahrenen Führungspersonen durchsetzen mußte. Um die dabei angefallenen Schwierigkeiten, aber auch Erfolge wird es im folgenden gehen. Wo mußten Kompromisse geschlossen werden und wie erfolgreich war die DDR in ihrer Kaderpolitik? Welche Charakteristika bestimmten die neue Führungsschicht und wie änderten sie sich im Zeitverlauf? Die Politik der SED war nicht statisch, und Wandel und Beharrung können und sollen nicht nur an einzelnen Führungspersönlichkeiten wie Ulbricht und Honecker festgemacht werden. Vielmehr soll gerade aufgezeigt werden, daß die Versteinerungstendenzen der siebziger und achtziger Jahre nicht zuletzt als Reaktion auf die turbulenten Anfangsjahre der DDR zu verstehen sind.
In dem Beitrag werden die konzeptionelle Neuorientierung der SED-Kirchenpolitik Anfang der 70er Jahre und die hieraus abgeleiteten strategischen Zielvorstellungen der SED-Führung analysiert. Es wird gezeigt, daß sich die Kirchen ihrer Rolle als potentieller Störfaktor entledigen und integraler Bestandteil der sozialistischen Gesellschaftsordnung werden sollten. Zur Erreichung dieses Ziels wurde eine systematische Unterstützung loyaler Kräfte in den Kirchen praktiziert. Dabei wird deutlich, daß die SED analog der Anleitung von Massenorganisationen bestrebt war, die Entwicklung der Kirchen zu lenken und zu kontrollieren. Dabei kommt der in Absprache mit dem MfS entwickelten und umgesetzten Kaderpolitik besondere Bedeutung zu. (ICA)
Im Kontext der politischen Planung für die Nachkriegszeit in Deutschland beschäftigte sich die KPD-Führung in Moskau verstärkt auch mit der Kaderpolitik. In dem Beitrag wird gezeigt, daß die Kader die in Moskau erarbeiteten konzeptionellen Vorstellungen der Arbeitskommissionen der KPD in die Praxis umsetzen sollten. Die durch den stalinistischen Terror dezimierte Zahl der Politemigranten beläuft sich nach den Recherchen auf knapp 500. Eine in dem Beitrag veröffentliche Liste enthält Vorschläge für die Funktion im Nachkriegsdeutschland, das Einsatzgebiet bzw. den Einsatzort und Angaben über Spezialkenntnisse von 264 Personen. Die Liste belegt, daß ein Teil der Führungselite der SBZ und der frühen DDR auf zentraler und regionaler Ebene bereits Anfang 1944 in der sowjetischen Emigration für Leitungs- und Machtpositionen in Deutschland ausgewählt wurde. (ICA)
Nach dem sowjetischen Umbauprogramm für die Sowjetische Besatzungszone (SBZ)/DDR sollten die "bürgerlichen Herrschaftsträger" durch die "regimeeigene" Führungsschicht der Kader abgelöst werden. Dieser Prozeß wird für die gesamte Phase des Staatssozialismus zwischen Kriegsende und Mauerbau am Beispiel der höheren und mittleren Bürokraten in der zentralen staatlichen Wirtschaftsverwaltung - der Deutschen Wirtschaftskommission und der Staatlichen Plankommission - bis zur Referentenebene untersucht. Das kaderpolitische Programm wird erörtert. Die Praxis der Kaderrekrutierung und -formierung wird beschrieben. Anspruch und Wirklichkeit der Kaderpolitik werden überprüft. Insgesamt zeigen sich in der SBZ/DDR einerseits eine starke Formierungsmacht, andererseits begrenztes "Personal" und "Expertenwissen". (prf)