Ausgehend von den wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen stellt der Verfasser in dem Handbuchartikel zunächst die Entstehung und Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung in Kenia dar. Weitere Kapitel sind Größe und Struktur sowie Programmatik und Praxis der Gewerkschaften gewidmet. Abgeschlossen wird der Beitrag durch die Beschreibung des Verhältnisses der keniatischen Gewerkschaften zu Parteien, staatlichen Organen und Arbeitgebern sowie der Schwerpunkte gewerkschaftlicher Tätigkeit, die nach Ansicht des Verfassers in der Tarifpolitik liegt. Die inhaltliche Darstellung wird durch Literaturhinweise und die Anschrift des Gewerkschaftsbundes ergänzt. (KS)
In der Erklärung der Hunger- und Dürrekatastrophen in Afrika wird ein Aspekt immer übergangen: die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in der afrikanischen Gesellschaftsstruktur, also die Frau als Überlebensgarantin für die Familie. Am Beispiel Kenias werden Prozesse, die während der Kolonialzeit begonnen und deren Auswirkungen die heutige Krise mitbestimmen, expliziert. Die Hauptthese lautet: Das strukturelle Hungerproblem Afrikas wurde im wesentlichen durch die Verdrängung der Frauen als Bäuerinnen in eine sich verschlechternde Subsistenzökonomie verursacht. Ihre soziale Stellung sank reziprok zur Mehrbelastung ab. Mit der Landkonsolidierung Ende der 50er Jahre verloren Frauen einen Teil ihrer Subsistenzfelder zum Anbau von Nahrungsmitteln, da ihr Mann diese Felder zum Anbau von Marktfrüchten beanspruchte. Ebenso nahm er ihr die Weidefläche für Ziegen. Wesentlich war die Individualisierung der Landtitel, die nach patriarchalischem Verständnis auf die Namen der Männer eingetragen wurden, die Frau wurde zur "mithelfenden Familienangehörigen" degradiert. Da heute noch 88 v. H. Frauen auf dem Land leben, garantieren sie real weiterhin die Nahrungsmittelproduktion; die zunehmenden Strukturprobleme (u. a. Bodenerosion) werden offiziell ignoriert. Frauenverbände organisieren sich, um in Selbsthilfe aktiv zu werden. Kollektivierung schützt vor dem Zugriff einzelner (Ehe-)Männer. Behinderungen bestehen darin, daß Frauen keine Kredite gegeben werden, daß sie keine Beratung erhalten und oft genug ihre Einkünfte für die Bedürfnisse der Männer abliefern müssen: Alkohol, Fahrrad oder Radio. Die Mechanismen des kenianischen Patriarchats halten die Frauen abhängig, obwohl sie Überlebensarbeit leisten. (IF)
Der Beitrag bewertet die Staatsfunktion des ostafrikanischen Landes Kenia, welches in einer Region liegt, die ein breites Spektrum fragiler Staatlichkeit aufweist. Im einzelnen geht es um die Herausarbeitung typischer Verlaufsformen und Faktoren des Staatszerfalls sowie die Unterscheidung erstens zwischen Struktur-, Prozess- und Auslösefaktoren, und zweitens zwischen internationaler/regionaler, nationaler und substaatlicher Ebene. Bewertet werden staatliche Sicherheit, Wohlfahrt und Rechtsstaatlichkeit. Kenia weist typische Merkmale schwacher Staatlichkeit auf, vor allem in den Funktionsbereichen Sicherheit, Legitimität und Rechtsstaatlichkeit. Seine Wohlfahrtsfunktion kann in den letzten Jahren eher als versagend bewertet werden. Neben der Analyse von destabilisierenden und stabilisierenden Faktoren und deren Ursachen und Bestimmungsfaktoren geht es auch um die Akteurskonstellation und die Möglichkeit externer Intervention. Dabei stehen Demokratieförderung, die Stabilisierung des kenianischen Staates, die Security-Sector-Reform und die Reform der staatlichen Verwaltung als besondere Schwerpunkte im Vordergrund. (ICH)
Am Beispiel des Lebens und Wirkens und schließlich des gewaltsamen Todes des jungen Politikers und Gewerkschaftsführers Tom Mboya aus Kenia werden in dem Beitrag Möglichkeiten und Chancen und schließlich die Gründe für das Scheitern einer Gewerkschaftsbewegung in Afrika analysiert. Die historische Entwicklung der Arbeiterbewegung in Kenia vom 19. Jahrhundert an wird nachgezeichnet. Dabei werden vor allem die Beziehungen zur Kolonialverwaltung und dann die Situationen nach der Unabhängigkeit betrachtet. Die zunehmende Bedeutung der Gewerkschaften in den 50er und 60er Jahren dieses Jahrhunderts unter Führung von Mboya wird beschrieben. Insgesamt macht die Analyse deutlich, warum der Modernisierungsprozeß in Afrika generell als gescheitert anzusehen ist. (ICA)
In: Ethnische Minoritäten im Prozeß nationaler Integration in Afrika: 3. Jahrestagung Vereinigung von Afrikanisten in Deutschland (VAD) 1971, S. 113-126
Der vorliegende Beitrag klärt zunächst das Konzept "Minoritätensprache" als interdisziplinären Terminus zwischen Linguistik und Soziologie. Der Autor kommt dabei zu folgender Arbeitsdefinition: Minoritätensprachen sind Sprachen, die folgende Merkmalkomplexe aufweisen: (1) Sie werden von Gruppen von Menschen gesprochen, die (a) durch charakteristische Merkmale vom gesellschaftlichen Ganzen abgehoben sind und die (b) in einem typischen Verhältnis zur Majorität stehen. (2) Die dadurch bedingte soziale Struktur der Sprecher schlägt sich in der Struktur der Sprache nieder. An den Fallbeispielen Tansania und Kenia wird gezeigt, daß es aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten in Ostafrika sinnvoll ist, den Begriff "Minoritätensprache" in den afrikanistischen Wissenschaftskontext aufzunehmen. Ausgeprägte minoritätensprachliche Erscheinungen lassen sich im Verhältnis von Schulsprachen und Nicht-Schulsprachen in Kenia nachweisen. (ICE)
In: Deutsche und internationale Entwicklungspolitik: zur Rolle staatlicher, supranationaler und nicht-regierungsabhängiger Organisationen im Entwicklungsprozeß der Dritten Welt, S. 297-314
Durch die Debatten über die Krise der Entwicklungshilfepolitik haben nichtstaatliche Aktivitäten und Nichtregierungsorganisationen (NRO) an Bedeutung gewonnen. Die Kenntnisse über die tatsächliche Wirkungsweise der NRO-Arbeit in der Dritten Welt sind jedoch gering. Für die Beurteilung ist Kenia von besonderem Interesse, da die Regierung der NRO-Arbeit gegenüber aufgeschlossen ist und sie fördert. Der Beitrag beschreibt die heterogene Struktur der NROs und ihre Bedeutung für die Organisation der kenianischen "mixed economy". Die NROs verfügen über beträchtliche ausländische Fördermittel, die sie in der Regel flexibel und innovativ nutzen. Auch bei wachsenden Auslandsmitteln ist ihre Autonomie gegenüber dem kenianischen Staat jedoch nicht garantiert. Da die Umverteilung von internationalen Fördermitteln vom Staat auf NROs die Position des Staates tendentiell schwächt, bemüht sich die Regierung um eine stärkere Kontrolle der NRO-Aktivitäten. (KA)
Der Autor untersucht, inwieweit es durch die Implikationen konkordanzdemokratischer Verfahren gelingen kann, politische Systeme nach Bürgerkriegen und anderen tief greifenden Konflikten zu pazifizieren. Er untersucht die in Kenia und Simbabwe zur Beendigung post-elektoraler Gewaltexzesse getroffenen Abkommen zur Machtteilung auf ihre Struktur und Nachhaltigkeit. Die Analyse basiert auf der Hypothese, dass der größere Erfolg dieser Abkommen in Kenia im Vergleich zu Simbabwe durch spezifische institutionelle Prägungen insbesondere der Elitenkooperation erklärt werden kann. (ICB)
Zunächst skizziert die Verfasserin den infolge der Präsidentschaftswahlen 2007/08 ausgebrochenen ethnisch basierten Konflikt. Sie behandelt das Ausmaß der geschlechtsbasierten Gewalt und die Betroffenheit von Frauen und Frauenorganisationen. Vor dem Hintergrund der historischen Entwicklungslinien von Frauenorganisationen wird schließlich untersucht, in wie weit Frauenorganisationen in der Post-Konflikt-Situation an die Strukturen vor dem Konflikt anknüpfen und welchen Einfluss die sich eröffnenden Handlungsräume auf die Entstehung einer neuen Frauenbewegung haben. (ICE2)
Am Beispiel Kenias zeigt der Beitrag auf, welche Bedeutung der internationale Frauen-Menschenrechts-Ansatz als Handlungsinstrumentarium für nationale und lokale Zusammenhänge besitzt. Indem die Pekinger Aktionsplattform als Grundlage für die frauenpolitischen Programme vieler Länder akzeptiert wurde, gab es Raum für Aktivitäten der jeweiligen nationalen Frauenbewegungen, die wiederum für eine Vermittlung in lokale Kontexte Sorge trugen. Artikulierung von Unrechtserfahrungen, Entstehung von Rechtsbewusstsein und die Inanspruchnahme von Rechten im Lokalen spielen für die Vermittlungsprozesse zwischen den unterschiedlichen Ebenen eine tragende Rolle. Es wird verdeutlicht, wie sehr die verschiedenen Handlungsebenen interagieren und sich auch gegenseitig befruchten und inspirieren. In Zeiten nach dem 11. September 2001 kommt es allerdings zum Stillstand bzw. zur Flaute auf der internationalen Ebene. Es werden kaum Fortschritte erzielt, sondern bisher Erreichtes muss verteidigt werden. Zusammenfassend jedoch kann festgehalten werden, dass die Frauen-Menschenrechte für die kenianische Frauenbewegung einen wichtigen normativen, rechtlichen und politisch-strategischen Bezugsrahmen darstellt, der zu mehr politischer Handlungsmacht geführt hat. (ICH2)
Good governance ist nicht mit der bloßen Abwesenheit von Korruption gleichzusetzen; sie beinhaltet weitaus mehr. Im vorliegenden Beitrag wird unter good governance ein verantwortliches Regierungs- und Verwaltungshandeln verstanden werden, das auf die politische und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes ausgerichtet ist. Die Autorin untersucht die normativen Implikationen dieses Konzepts an Hand folgender Fragen: Wie sieht die Umsetzung oder der Versuch zur Implementierung von good governance im Alltag Kenias aus? Wie kann man Ziele von good governance in die Praxis umsetzen und wo? Mit welchen Partnern bzw. Akteuren lassen sich diese Ziele am besten verwirklichen? Zur Beantwortung dieser Fragen werden Aspekte einer zweijährigen Arbeit bei der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Nairobi im Bereich good governance/monitoring of public expenditure skizziert, die die Autorin als externe Beraterin für die Stiftung geplant, implementiert und evaluiert hat. Der "Ausflug" in die praktische Umsetzung von good governance in einem von bad governance geprägten Land zeigt Folgendes: Die theoretischen Diskussionen von good governance, welche die Weltbank oder die EU seit langem führt, sind wichtig für eine generelle Auseinandersetzung mit dem Thema. Bei der praktischen Arbeit jedoch kommen sie kaum zum Tragen. Die Definitionen, welche beide Organisationen vorgeben, sind schwer zu operationalisieren und vor allen Dingen viel zu abstrakt, um mit ihnen praktisch arbeiten zu können. (ICA2)
In der Analyse wird der Versuch unternommen, in differenzierter Form anhand von drei untersuchten Fällen (Kenia, Tansania, Uganda) die komplexen Interaktionen zwischen unterschiedlichen Typen politischer Systeme herauszuarbeiten. Dabei wird gezeigt, daß der in der allgemeineren Entwicklungstheorie jüngst wieder stärker artikulierte Konflikt zwischen staatlichen Stabilisierungs- und Entwicklungsfunktionen durchaus - wie dies in unterschiedlicher die Fälle Kenia und Tansania belegen - im Sinne eines dynamischen Gleichgewichts auflösbar ist. Es wird deutlich gemacht, daß politische Stabilität zwar eine notwendige (wie im Falle Kenias), nicht aber eine ausreichende Bedingung (wie im Falle Tansanias) für eine erfolgreichere längerfristige wirtschaftliche und soziale Entwicklung ist. Der ugandische Fall belegt, daß ohne politische Stabilität allerdings keinerlei dauerhafte Entwicklung möglich ist. Die Einzelanalysen und der systematische Vergleich haben darüber hinaus einige entwicklungspolitische Grundsatzprobleme und jeweils fallspezifische Problemlagen zum Ausdruck gebracht. In grundsätzlicher Hinsicht unterstreichen diese Ergebnisse die Bedeutung einer breiten ländlichen, d. h. in erster Linie kleinbäuerlichen und kleinhandwerklichen Schicht, deren Existenz die Voraussetzung für eine zu Produktivitäts- und Kaufkraftfortschritten führende Entwicklung ist. Kenia ist hierfür ein positives, Tansania ein negatives Beispiel. (RW)
In seinem Aufsatz geht der Verfasser unterschiedlichen Schwierigkeiten bei der Konstituierung und Durchführung einer effektiven Umweltpolitik nach. Zu Beginn seiner Ausführungen zeichnet der Autor drei Skizzen unterschiedlicher Versuche staatlicher Umweltpolitik: Burkina Faso, Äthiopien und Kenia. Im weiteren geht er den Gründen für das vermutliche Scheitern der Maßnahmen in Burkina Faso und Äthiopien und für die einigermaßen erfolgreiche Variante in Kenia nach, indem er interkulturelle Konstellationen einer afrikanischen Umweltpolitik aufzuzeigen versucht. Seine Überlegungen orientieren sich vor allem an der Desertifikation als dem wohl schärfsten Ressourcenproblem. Nach Maßgabe des Autors muß Umweltpolitik mit ihr konfrontiert mit Instrumenten der Ordnungs- und Ablaufpolitik einen nachhaltigen, also zugleich produktiven und schonenden Umgang mit den Ressourcen anstreben. Der Verfasser erarbeitet die materialen, mentalen, sozialen und politischen Konstellationen einer so verstandenen Umweltpolitik heraus; trotz seiner pessimistischen Einschätzung hofft der Verfasser auf die Etablierung "Grüner Bauernparteien" als überprägnant wahrnehmende und "überdeterminierte" Kraft, die als "Durchlauferhitzer" wirken und afrikanische Gesellschaften resonanzfähig für ihre Umweltproblematiken machen sollen. (ICC)
In dem Beitrag wird als ein aktuelles entwicklungstheoretisches Problem die Frage nach unterschiedlichen Typen politischer Systeme in der Dritten Welt und den Handlungsspielräumen der in ihnen agierenden Eliten aufgegriffen und in einem Vergleich zwischen Kenia, Tansania und Uganda diskutiert. Ausgangspunkt ist ein differenziertes Interaktionsmodell auf der Basis einer systemtheoretisch angeleiteten Betrachtungsweise, die konkrete Prägungen im historisch-materialistischen Sinn einbeziehen. Zunächst werden die Spezifikationen des Systemmodells erläutert: (1) die konfigurativen Analysen jeden Einzelfalls; (2) systematische "paired comparisons"; (3) Isolierung charakteristischer Schlüsselvariablen im Gesamtvergleich. Da aus Platzgründen die Einzelfallbeschreibungen nicht aufgenommen werden können, werden einige substantielle Aspekte aus dem Gesamtvergleich dargestellt. In einer abschließenden allgemeinen entwicklungstheoretischen und entwicklungspolitischen Debatte wird gezeigt, daß der in der allgemeineren Entwicklungstheorie wieder stärker artikulierte Konflikt zwischen staatlichen Stabilisierungs- und Entwicklungsfunktionen, wie dies in unterschiedlicher Weise die Fälle Kenia und Tansania belegen, im Sinne eines dynamischen Gleichgewichts auflösbar ist. Insgesamt wird die Bedeutung der jeweils internen politischen Betimmungsfaktoren in ihren unterschiedlichen Ausprägungen für den allgemeineren Prozeß wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung herausgearbeitet und dokumentiert. (KW)