Die Biografie des ungarischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers Imre Kertész - fundiert und sensibel. Kontexte der Entstehung und sein Denken werden in dieser Werkbiografie tiefgründig entfaltet. Sein Schreiben war eine existenzielle Notwendigkeit (Anja Zindler)
Die Erfahrung des Traumas der Verfolgung, Deportation und des Überlebens von Auschwitz schreibt sich dem Werk von Imre Kertész als genuines Motiv ein und bestimmt seine formale Gestaltung. Die subjektive Erfahrung des erlittenen Traumas verdichtet sich im Gesamtwerk zu einer literarischen Grunderzählung der existenziellen Fremdheit und Verlassenheit des Überlebenden in der Welt als einem posttraumatischen Zustand des Fortdauerns der Holocaust-Zeit, die als beständig neue Zeit erfahren wird. Die Autorin zeigt in ihrem Beitrag, dass Imre Kertész, indem er die Dichotomie der Kategorien Fiktionalität und Faktizität aufhebt, seinem Werk einen eigenen, postfaktischen Begriff der Zeugenschaft nach Auschwitz einschreibt. Kertész' Narrativ des Holocaust ist vermittels der Fiktion als Kunstwerk gestaltet und weist in seinem philosophischen Kern theoretische Bezüge zur Denktradition der ästhetischen Theorie Theodor W. Adornos auf. Vor dem Hintergrund der Erkenntnis der Präzedenzlosigkeit und welthistorischen Bedeutung der Konzentrations- und Vernichtungslager benannte Adorno eine Philosophie, die dem Einzelnen, Vergänglichen und Bedrohten zum Ausdruck verhelfen und damit die Erlösungsbedürftigkeit der Welt auf den Begriff bringen könnte. Die Möglichkeit einer solchen Philosophie war für Adorno wesentlich mit der besonderen ästhetisch sich vermittelnden Erfahrung der Kunstwerke verknüpft. (ICI2)