Kinderarmut in Deutschland
In: Armut in Wohlstandsgesellschaften, S. 107-122
"Nicht zuletzt durch die Armuts- und Reichtumsberichte, welche die Bundesregierung seit 2001 vorgelegt hat, wurde die wachsende Armut von Kindern und Jugendlichen in Deutschland offenkundig. Gemessen am relativen Maß sozialer Ungleichheit ist Kinderarmut auch hierzulande zu einem gesellschaftlichen Problem geworden. Christoph Butterwegge macht die Ursachen für die 'Infantilisierung' der Armut auf drei Ebenen fest: (1) Das 'Normalarbeitsverhältnis' wurde von unsicheren bzw. prekären Arbeitsverhältnissen, die oftmals kein ausreichendes Einkommen garantieren, abgelöst. (2) Parallel zur 'Normalfamilie' entwickelten sich neue Lebensformen (Ein-Elternteil-Familie, Patchwork-Familien), die Kindern tendenziell weniger finanzielle und soziale Sicherheit gewährleisten. (3) Verstärkt wird diese materielle Unsicherheit durch den Rückbau wohlfahrtsstaatlicher Leistungen. Bedenklich stimmt in der aktuellen Debatte um Kinderarmut allerdings, dass der gesellschaftliche und politische Handlungsrahmen aus dem Blick gerät. Armut wird häufig - allzu gern auch in der Medienberichterstattung und im bürgerlichen Feuilleton - als individuelles und subjektives Schicksal apostrophiert, gar mit der 'Bildungsferne' erklärt oder auf Sozialisationsdefizite der von Armut Betroffenen reduziert. Gesellschafts- und sozialpolitisch angemessene Lösungen zeitigen jedoch nur dann Wirkung, wenn die strukturellen Ursachen von Kinderarmut hinreichend bedacht werden" (Autorenreferat)