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Wie von der Humboldt-Stiftung geförderte Gastwissenschaftler Deutschland erleben.
DIE HUMBOLDT-STIFTUNG hat das Feedback von über 1800 ihrer internationalen Stipendiaten ausgewertet, die zwischen 2018 und 2012 an deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen gelehrt und geforscht haben. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Einerseits.
Die Qualität der Forschung in Deutschland schätzten die Befragten im Schnitt als extrem hoch ein (8,3 auf einer Skala von null bis zehn), ähnlich gute Noten gab es für Finanzierungsmöglichkeiten von Projekten, für Internationalität und – interessanterweise – für die Kinderbetreuung hierzulande.
Wobei der Blick auf die Herkunft der Befragten zeigt, wie stark ihre Bewertungen vom Vergleich mit ihrem Heimatland abhängen. So sehen US-Forschende die beruflichen Perspektiven in Deutschlands Wissenschaftssystem mit 5,1 am schlechtesten, die Kinderbetreuungsangebote und die Arbeitszeiten aber stuften sie als sehr positiv ein. Während es aus Westeuropa auch deutliche Kritik am Mangel an Kitaplätzen in Deutschland gab.
Sonstige Assoziationen mit Deutschland: sehr wissenschaftsfreundlich (4,2 im Durchschnitt auf einer Skala von -5 bis +5), demokratisch (3,8), geschlechtergleichberechtigt (3,2). Auch ziemlich gastfreundlich (2,8) und tolerant (2,7). Schon deutlich weniger humorvoll (1,2) und offen (0,8).
Die Bewertungen zur Fortschrittlichkeit und Gastfreundlichkeit in der Bundesrepublik (beide 2,8) waren noch immer relativ hoch – aber niedriger als 2019. Sechs Prozent der (zusätzlich zu den Skalen-Bewertungen) über 1.550 Freitext-Antworten beschäftigten sich derweil mit Erfahrungen von Diskriminierung und Rassismus, laut Stiftung ähnlich viele beim letzten Mal.
Das große Andererseits der Ergebnisse ist aber die deutliche Klage der Befragten über die deutsche Bürokratie. Auf einer Skala von -5 bis +5 gab es hier den einzigen Negativwert: -1,3. Noch einmal deutlich schlechter als bei der letzten Auswertung 2019. "Unexpectedly high" and "often very stressful", lautet der Kommentar eines US-Forschers über seine Erfahrung mit der deutschen Verwaltung – wobei nicht die Stiftung selbst Gegenstand der Klagen war. "Ein Eldorado der Forschung – und der Bürokratie", schrieb die Humboldt-Stiftung denn auch passend als Titel über ihren Ergebnisbericht.
Das Erstaunliche daran: dass die Gastwissenschaftler vom Ausufern der Bürokratie in Deutschland tatsächlich noch überrascht waren. Doch wird sie sich – leider – herumsprechen.
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Bekommt man ein Kind während der Doktorarbeit, besteht gesetzlich die Möglichkeit, zwei Jahre länger von der Universität beschäftigt zu werden.Warum passiert das so selten?
WENN LEONIE RUDOLFS von ihrer Erfahrung mit der Personalabteilung der Freien Universität (FU) erzählt, kehrt die Wut zurück. Rudolfs, die eigentlich anders heißt, ist 36, alleinerziehende Mutter von zwei Kindern im Grundschulalter, promoviert in Bildungswissenschaft.
Sie sei nach Auslaufen einer Projektstelle während ihrer Promotion davon ausgegangen, die Uni ermögliche ihr die Weiterqualifizierung, erzählt sie. "Doch obwohl meine Professorin mich als ihre Mitarbeiterin einstellen wollte, hat man mir einen Arbeitsvertrag verweigert." Die FU habe den Fall "über Monate verschleppt".
Mindestens zwei weiteren jungen Wissenschaftlerinnen mit Kindern an der FU ist es genauso gegangen: Sie befanden sich mitten in ihrer Promotion, ihre Professor:innen wollten sie unbedingt haben, das Geld für die Stelle am Lehrstuhl war da – doch die Personalabteilung sagte: Rechtlich ausgeschlossen. Das Problem ist, das stimmte womöglich gar nicht.
Wie kann das sein? Die Antwort beginnt mit dem langen Wort Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG). Es regelt zurzeit, dass nach sechs Jahren befristeter Beschäftigung bis zur Promotion an deutschen Unis Schluss ist. Mit Doktortitel gibt es nochmal sechs Jahre, spätestens dann muss eine Dauerstelle her. Per Zeitvertrag ist die Weiterarbeit sonst allenfalls noch auf einer drittmittelfinanzierten Stelle möglich.
Es gibt aber Ausnahmen, etwa zählt die sogenannte "familienpolitische Komponente": Für jedes minderjährige Kind können laut einem Paragrafen des WissZeitVG akademische Arbeitgeber zwei Jahre an die maximale Befristungszeit dranhängen. Die Betonung auf Können – eine Verpflichtung per Gesetz dazu gibt es bislang nicht.
Rudolfs hatte sich auf ihre mit der Professorin abgesprochene – erstmals haushaltsfinanzierte – Doktorandenstelle gefreut. Im Januar 2023 sollte es losgehen, ein nahtloser Übergang von ihrer bisher drittmittelfinanzierten Stelle. Ihre Chefin reichte den Antrag bei der Personalabteilung im August 2022 ein, doch dann passierte über Monate nichts. Kein Wort von der Personalabteilung, trotz mehrerer Nachfragen. Rudolfs meldete sich vorsorglich arbeitssuchend.
Verzögert über Monate
Selbst als ihre Professorin die FU-Verwaltung per Fristsetzung zum Handeln aufforderte, gab es keine Antwort. Dafür sickerte irgendwann informell durch, dass das nichts werden würde mit der Stelle. Im Januar 2023, Rudolfs hätte längst angestellt sein sollen, kam von der Personalabteilung ein Zweizeiler, die Einstellung auf einer Haushaltsstelle sei nicht möglich. Ohne jede Begründung.
Eine Nachfrage bei der Pressestelle der FU zeigt, dass dort die horrende Bearbeitungszeit und Nicht-Kommunikation, die Rudolfs so frustriert hat, nicht bestritten wird. "Bedauerlicherweise" gebe es derzeit "allgemein Verzögerungen bei der Bearbeitung von Einstellungsvorgängen und Personalanträgen". Schuld seien "demografische Veränderungsprozesse und Folgen des Fachkräftemangels". Man steuere aber bereits dagegen an.
Und wie ist das nun mit der familienpolitischen Komponente? Die lasse sich bei Neueinstellungen bedauerlicherweise rechtlich nicht umsetzen, betont die Pressestelle. Beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hierzu nachgehakt, teilt eine Sprecherin mit, man könne sich zu Einzelfällen nicht äußern.
Grundsätzlich aber gelte: Falls an eine Drittmittelbefristung eine Qualifizierungsbefristung anschließt, "greifen die Verlängerungen der Höchstbefristungsgrenze aufgrund der familien- und behindertenpolitischen Komponenten." Ein neuer Vertrag wäre also kein Hinderungsgrund – zumal der alte wie der neue Arbeitgeber in Rudolfs’ Fall FU heißen sollte.
Dort gibt man sich verwundert. "Wir sind bislang von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen." Und auf welcher Grundlage genau? "Wir wissen, dass auch andere Universitäten unsere Rechtsauffassung zu haushaltsfinanzierten Anschlussverträgen nach Drittmittelbeschäftigung teilen und das so handhaben", lautet die Antwort nur. Die Sprecherin ergänzt aber, man werde die Rechtslage jetzt noch einmal prüfen.
Alles nur ein mögliches Missverständnis? Wer mit Anna-Thekla Jäger spricht, kann daran seine Zweifel bekommen. Jäger ist 35, Mutter von zwei Kitakindern und promoviert ebenfalls an der FU. Wie Rudolfs wollte sie in Absprache mit ihrem Professor von einer Drittmittelstelle auf eine Haushaltsstelle wechseln und parallel die Verlängerung in Anspruch nehmen – was die Personalstelle abgelehnte.
Ein Gespräch mit der Verwaltung sei dann, wie Jäger sagt, "frustrierend, ermüdend und wenig transparent verlaufen", woraufhin sie "die große Trommel gewirbelt" habe. Jäger sprach mit der Frauenbeauftragten, mit dem FU-Familienbüro, sie bekam eine Broschüre der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in die Hand gedrückt, in der explizit stand: Folgt auf einen Drittmittelvertrag eine Haushaltsstelle zur Qualifizierung, "kann die familienpolitische und behindertenpolitische Komponente zur Anwendung kommen". Doch jedes Argumentieren mit der Rechtslage laut Broschüre hätte sie gegenüber der FU-Personalstelle als vergeblich empfunden, sagt Jäger, woraufhin sie es gar nicht mehr versuchte. Während Leonie Rudolfs berichtet, sie habe die Broschüre sogar an die Personalabteilung geschickt.
Die Gewerkschaft vermutet denn auch bei vielen Hochschulen in Deutschland Methode hinter der zurückhaltenden Anwendung der freiwilligen Verlängerungsoptionen, zu denen auch der Nachteilsausgleich bei Behinderungen zählt. "Viele Arbeitgeber lehnen beide Komponenten grundsätzlich ab", sagt der GEW-Vizevorsitzende Andreas Keller.
In der Regel keine Verlängerung
Tatsächlich belegte eine vom BMBF in Auftrag gegebene unabhängige Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vergangenes Jahr: 42 Prozent der befragten Personalabteilungen bundesweit antworteten, "dass es diese Fälle bei ihnen nicht gebe". Und die Autoren kommentierten: "Der hohe Wert überrascht." In einer repräsentativen Stichprobe kam die Studie auf lediglich 1,1 Prozent aller befristeten Wissenschaftlerarbeitsverträge bundesweit, die aufgrund der Kinderbetreuungs-Verlängerungsoption liefen.
Und wie viele davon gibt es an der FU? Aktuell zwölf, sagt die Sprecherin – von rund 1000 Arbeitsverträgen.
Die GEW fordert für die bevorstehende WissZeitVG-Novelle unter anderem, aus der Kann- eine Muss-Bestimmung zu machen, also, sagt Andreas Keller, "einen Anspruch auf Vertragsverlängerung bei Kinderbetreuung, Behinderung/chronischer Erkrankung, Pflege Angehöriger und Nachteilen aus der Coronapandemie".
Anna-Thekla Jäger und Leonie Rudolfs hatten Glück. "Ich habe zeitnah eine andere Drittmittelstelle gefunden, da kann ich jetzt bis Herbst 2025 weitermachen, allerdings auf einem Forschungsprojekt, das nicht meins ist", sagt Jäger. Auch Rudolfs berichtet, ihre Professorin habe gewirbelt – und erreicht, dass sie noch einmal für anderthalb Jahre auf Drittmittelstellen arbeiten kann. Was dann kommt, wisse sie noch nicht. Was sie wisse, sagt Rudolfs: So eine Geringschätzung will sie nicht noch einmal erleben.
Dieser Beitrag erschien in leicht gekürzter Fassung auch im Tagesspiegel.
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NRW-Landesregierungen haben über drei Jahrzehnte hinweg ihren Investitionsanteil in die Studierendenwerke immer weiter zurückgefahren. Inzwischen zahlen die Studierenden einen großen Teil selbst. Ein eindrückliches Beispiel, wie politische Depriorisierung funktioniert.
ALS ICH DIESE ZAHLEN gelesen habe, war ich erschrocken. 46,2 Millionen Euro steuert das Land Nordrhein-Westfalen dieses Jahr zu den Gesamteinnahmen der Studierendenwerke im größten Bundesland bei. Macht pro Studierenden und Monat 5,41 Euro. Drei Jahrzehnte zuvor, 1994, waren es umgerechnet 38,9 Millionen Euro. Doch was nach einem Anstieg aussieht, ist in Wirklichkeit ein gleich doppelter und noch dazu ein empfindlicher Rückgang. Weil es erstens heute viel mehr Studierende gibt, investiert NRW pro Studierendem und Monat nämlich 15 Prozent weniger. Zweitens hat sich die Kaufkraft seit 1994 fast halbiert.
Über die wichtige, ja zentrale Rolle, die Studierendenwerke in Sachen bezahlbarer Wohnheimplätze, Mensen, Kinderbetreuung, psychologische, finanzielle und soziale Beratung und vieles mehr spielen, muss ich an dieser Stelle wohl nicht reden. Und auch nicht darüber, wie groß der Bedarf einer funktionierenden sozialen Infrastruktur für Studierende ist inmitten einer Wohnungs- und Inflationskrise und nach semesterlanger Onlinelehre in Folge der Corona-Pandemie.
Wer also trägt die nötigen Mehrkosten? Vor allem die Studierenden selbst. Stammten 1994 noch 23,5 Millionen Euro der Studierendenwerk-Einnahmen aus ihren Sozialbeträgen, stieg dieser Betrag bis 2023 nach vorläufigen Berechnungen auf etwa 113,4 Millionen Euro. So hat es die Landesregierung auf eine Anfrage der SPD-Opposition hin mitgeteilt, wie zuerst die Nachrichtenagentur dpa berichtete.
Die SPD weist in ihrer Anfrage auf den Koalitionsvertrag von CDU und Grünen von Juni 2022 hin, indem es hieß: "Die Zuschüsse an die Studierendenwerke werden wir in einem ersten Schritt um drei Prozent und danach regelmäßig erhöhen." Im vergangenen Jahr, kritisiert die SPD, habe es allerdings keine Erhöhung der Landeszuschüsse an die Studierendenwerke gegeben.
NRW bewegt sich im Geleitzug
Die für Wissenschaft und Finanzen zuständigen Minister betonen derweil in ihrer Antwort ans Parlament, dass NRW mit 12,6 Prozent Finanzierungsanteil an den Studierendenwerks-Gesamteinnahmen immer noch über dem Schnitt aller Bundesländer von 10,4 Prozent liege. Das macht die Entwicklung nicht besser, zeigt aber, dass Nordrhein-Westfalen sich im Geleitzug bewegt.
Schaut man in der mitgelieferten Tabelle nach, wie sich die Investitionen in den vergangenen 30 Jahren entwickelt haben, so lassen sich für NRW ein paar deutliche Stufen erkennen. Zwischen 2005 und 2006 gingen die Landeszuschüsse um über acht Millionen Euro von 40,7 auf 32,5 Millionen Euro herunter. Kurz vorher hatte eine CDU-geführte Landesregierung unter Jürgen Rüttgers die Wahl gewonnen, und mit der Einführung von Studiengebühren sank die Studierendenzahl um einen Schlag um zwölf Prozent.
Ein kräftiger Sprung der Investitionen nach oben von 33,7 auf 39,5 Millionen folgte zwischen 2010 und 2012. Neue Regierungschefin seit 2010: Hannelore Kraft (SPD), die Studiengebühren wurden abgeschafft, allein zwischen 2010 und 2012 schnellten die Studierendenzahlen um 20 Prozent hoch. Danach fast ein Jahrzehnt kaum Veränderungen – zumindest beim Landeszuschuss. Dafür weitere 20 Prozent (130.000) rauf bei den Studierenden bis 2020. Doch erst zwischen 2020 und 2023 legten zuerst CDU und FDP und dann CDU und Grüne insgesamt 6,4 Millionen pro Jahr (gut 15 Prozent) beim Landeszuschuss für die Studierendenwerke dazu. Beim Auf und Ab der Geldbeträge nicht vergessen sollte man, dass die Inflation in all der Zeit nur eine Richtung kannte: nach oben.
Ich möchte an dieser Stelle gar nicht allzu grundsätzlich werden wie neulich, als ich über die seit langem zu beobachtende einseitige Prioritätensetzung der Politik zugunsten der älteren Generation geschrieben habe. Doch zeigt die Entwicklung über 30 Jahre hinweg sehr deutlich, wie eine politische Depriorisierung in kleinen Schritten und ohne den einen lauten Knall funktioniert.
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200 zusätzliche Bundesmilliarden für die Rente, aber nur eine Milliarde pro Jahr extra für die Bildung und keine mehr für den Kita-Ausbau? Es sieht so aus, als hätte Alt im Verteilungskampf gegen Jung den nächsten Punktsieg errungen. Ein Kommentar.
Bild: Charlotte Govaert / Pixabay.
NEULICH KRITISIERTE Nikolaus Blome in seiner SPIEGEL-Kolumne, die Jungen ließen sich "ausnehmen wie Weihnachtsgänse" und bezog sich auf das von ihm als "Rentenskandal" bezeichnete Rentenpaket II der Ampel-Koalition. Ich empfand das in Vorwurf und Formulierung übertrieben. Obgleich es in der Tat sehr einseitig anmutete, den schon bis zu 112 Milliarden Euro hohen jährlichen Steuerzuschuss zur Rente (den vor allem die Jungen tragen müssen) weiter massiv zu erhöhen, um den Anstieg der Rentenbeiträge zu drücken. Doch genau deshalb gefiel mir der ebenfalls im Paket enthaltene Plan, bis 2035 kreditfinanziert einen Kapitalstock von 200 Milliarden Euro aufzubauen und in Aktien und Anlagen zu investieren. Jedenfalls kam er deutlich schlauer daher als das schlichte Beharren auf einem Umlagesystem, das in seiner reinen Form längst von der Demografie überholt wurde.
Jetzt muss ich mein Urteil revidieren. Denn die teuren Renten-Pläne, auch die vergleichsweise sinnvollen, muss man im Kontext sehen zu der jetzt ebenfalls bekannt gewordenen Entscheidung der Bundesregierung, kein weiteres Investitionsprogramm für den Ausbau von Kitaplätzen aufzulegen. Obwohl der Koalitionsvertrag genau das angekündigt hatte. Dies ergab die am vergangenen Mittwoch veröffentliche Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag, die zur Begründung auf die aktuelle Haushaltslage und die grundsätzliche Zuständigkeit der Länder verwies. Die Bundeselternvertretung der Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege sprach von "einer Absage an die Zukunft unserer Gesellschaft".
Irrationale Furcht vor der Gegenwehr der Älteren
Man könnte auch sagen: Alt erzielt den nächsten Punktsieg gegen Jung in einem ungleichen gesellschaftlichen Verteilungskampf, der die Interessen des Heute stets über die Interessen des Morgen stellt. Was deshalb möglich ist, weil die Politik, gleich welcher Couleur, sich nicht traut, Prioritäten gegen die wachsende Überzahl der Älteren durchzusetzen.
Eine Seitenbemerkung: Mir erscheint die politische Furcht vor der Gegenwehr der Älteren oft irrational, denn viele der Älteren sind sehr wohl Großeltern, Großonkel, Großtanten, Nachbarn und Freunde von jungen Familien mit (kleinen) Kindern und haben das entsprechende Problembewusstsein. Fest steht aber: Die Jungen haben keine Zeit für Gegenwehr, dafür sind sie viel zu sehr mit der Bewältigung ihres Alltags zwischen Arbeit, Kinderbetreuung und der Eigenvorsorge für ihre Zukunft beschäftigt.
Aber war da nicht etwas? Sagte nicht neulich erst Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zum wiederholten Male, der größte Fehler sei gewesen, "dass wir bei den Kindern zum Teil zu streng gewesen sind und mit den Lockerungsmaßnahmen wahrscheinlich etwas zu spät angefangen haben"? Woraufhin Tagesspiegel-Koluministin Sabine Rennefanz zu Recht anmerkte: "Wir? Er spielte in erster Reihe im Panikorchester, warnte vor Kindern als Virenschleudern, als Kinderärzte, Psychologen und Sozialarbeiter von weiteren Einschränkungen für die Jüngeren abrieten."
Tatsächlich wurde an vielen Stellen, auch hier im Blog, fast die gesamte Corona-Zeit über die Einseitigkeit der Lastenverteilung zulasten der Jungen kritisiert und vor den Folgen gewarnt. Das kollektive "Wir" eignet sich also nicht dazu, von der Politik getroffene Entscheidungen im Nachhinein als zwar falsch, aber nach Abwägen des damaligen Kenntnisstands als unvermeidbar zu rechtfertigen.
Statt Wiedergutmachung weitere Weichenstellungen zu Ungunsten der Jungen
Und überhaupt: Was haben die Kinder und jungen Menschen davon, wenn es im Nachhinein heißt, sie seien in der Pandemie über Gebühr in Freiheit und Entwicklung eingeschränkt worden – wenn bei den großen politischen Weichenstellungen, die sich seit Corona zur Wiedergutmachung geboten hätten, wieder zu Ungunsten der Jungen entschieden, ja die Schieflage zwischen den Generationen noch verschärft wird?
In Zahlen ausgedrückt: In den West-Bundesländern fehlen nach Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung rund 385.900 Kita-Plätze, im Osten weitere 44.700. Wir reden von fast 431.000 Startplätzen für hoffentlich erfolgreiche Bildungskarrieren in einem Land, das schon vor Corona die Bildungschancen extrem ungleich verteilte und durch die politischen Entscheidungen in der Pandemie einen weiteren kräftigen Schubs in Richtung sozialer Schieflage erhalten hat. Die ebenfalls im Koalitionsvertrag versprochene Fortführung des Sprachkita-Programms hatte das Familienministerium von Lisa Paus (Grüne) bereits lange vor der jetzigen Absage kassiert.
Und nach der Kita geht es so weiter: Voraussichtlich etwa eine Milliarde Euro pro Jahr würde die Fortsetzung des Digitalpakts Schule kosten, ein Hundertstel des aktuellen Rentenzuschusses, doch Bund und Länder belauern sich in den laufenden Verhandlungen. Erst vergangene Woche schien die Komplett-Absage bevorzustehen. Und für die eine Milliarde frisches Geld, die der Bund künftig pro Jahr für das "Startchancen"-Programm für Brennpunktschulen ausgeben will, feiert sich vor allem die FDP von Bundesfinanzminister Christian Lindner, als wären in den Koalitionsverhandlungen 2021 nicht ganz andere Investitionen für die Bildung diskutiert worden, die Lindner (ohne nachhaltigen Widerstand der Koalitionspartner) erst zur jetzigen Größe geschrumpft hat.
Die Zukunft soll selbst für die Zukunft zahlen
Vielsagend auch, dass etwa SPD und Grüne zusätzliche Investitionen in Bildung durchaus diskutieren, aber statt der Umpriorisierung von Staatsausgaben meist die kaum mehrheitsfähige Option von Steuererhöhungen zur Voraussetzung erklären – oder gar eine Reform der Schuldenbremse. Wobei letztere auf das Motto hinausliefe: Die Zukunft soll selbst für die Zukunft bezahlen – und für die Gegenwart gleich mit.
Denn auch im Zusammenhang mit dem geplanten Rentenpaket II redete kaum einer in der Ampel davon, dass allein die (sozial alles Andere als treffsichere) Rente mit 63 jeden Monat mit Milliarden zu Buche schlägt. Laut Presseberichten etwa im Juli 2023 mit 3,4 Milliarden Euro. Was drei Digitalpakten pro Monat entspricht und hochgerechnet aufs Jahr ziemlich genau der für 2024 geplanten Netto-Neuverschuldung des Bundes (39 Milliarden Euro). Dabei sind die über 400 Milliarden Euro neuen Krisen-Schulden, die der Gesamtstaat zwischen 2019 und 2022 gemacht hat, noch gar nicht berücksichtigt.
Das Mindeste, nachdem man der Jugend in solchen Ausmaßen an der Finanzierung der Gegenwart beteiligt hat, wäre, sie durch vernünftig ausgestattete Kitas, Schulen und Hochschulen in die Lage zu versetzen, mit diesem Erbe umzugehen. Sonst reden wir nicht mehr nur von mangelnder Fairness, sondern von volkswirtschaftlicher Dummheit. Etwas, über das das "Wir" der Ampel dringend nochmal nachdenken sollte.
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In diesem Beitrag stellt Franziska Schmidt folgenden Text vor: Feo, Fancesca / Lavizzari, Anna (2021): Fallstudie Italien; in: Triumph der Frauen? Das weibliche Antlitz des Rechtspopulismus und -extremismus in ausgewählten Ländern, Heft 06, Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) - Forum Politik und Gesellschaft, online unter: https://www.fes.de/themenportal-gender-jugend-senioren/gender-matters/artikelseite/fallstudie-italien.Die FES betrachtet in ihrer Studienreihe das "weibliche Anlitz des Rechtspopulismus" und untersucht hierfür einzelne Länder und ihre rechtspopulistischen Parteien. In der Fallstudie Italien setzen Francesca Feo und Anna Lavizzari den Fokus auf die beiden wichtigsten Rechtsparteien in Italien, die Lega und die Fratelli d´Italia.Zunächst behandelt der Artikel die Entwicklung der Parteien, ausgehend von den 1990er Jahren. Seit diesem Jahrzehnt konnten die Parteien, die beide ein Programm kombiniert aus Nativismus, Autoritarismus und Populismus verfolgen, stetig an Bedeutung gewinnen und haben es so in die Regierungen geschafft.Im Falle der Lega wird auf die Entwicklung aus einer zunächst separatistischen Partei (Lega Nord) verwiesen. Die Lega Nord verfolgte das Ziel der "regionalen Autonomie" des Nordens von Italien (vgl. S. 3), da dieser im Vergleich zum angeblich faulen und diebischen Süden erheblich für die wirtschaftliche Kraft des Landes verantwortlich ist. Mittlerweile ist die Agenda jedoch hauptsächlich auf die Themen Nationalismus, Migrationsfeindlichkeit und ein ideologisches Weltbild ausgerichtet (vgl. S. 3). Diese Neuausrichtung sorgte dafür, dass die Lega zahlreiche Erfolge und Scharen an Neuwähler:innen verbuchen konnte und somit ihre Ursprünge weit in den Schatten stellte.Die Fratelli d´Italia (FdI) ist ein Ableger einer anderen Rechtpartei, der Alleanza Nazionale. Ein Schwerpunkt im Parteiprogramms bildet die Forderung von höheren Sozialleistungen, allerdings nur für "ethnisch definierte Italiener". Außerdem arbeitet die Partei auch stark mit der Symbolik der fiamma tricolore, der dreifarbigen Flamme, und führt diese sogar in ihrem Parteilogo auf. Diese Flamme ist eine eindeutige Zuordnung zu den "italienischen radikalen Rechten" (vgl. S. 4).Trotz teilweise sehr unterschiedlichen Agendas verbindet die beiden Parteien "ein [...] Programm aus migrationsfeindlicher und populistischer Politik, einem Ansatz von `Recht und Ordnung' und der Verteidigung italienischer Werte und Traditionen" sowie ein starker Fokus auf den Schutz der heteronormativen italienischen Familie (vgl. S. 4).Die Studie setzt sich mit der Geschlechter- und Wahlpolitik der Parteien auseinander unter der Beobachtung, dass sich immer mehr Frauen rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien anschließen, diese unterstützen und dort auch zunehmend Führungspositionen wahrnehmen. (vgl. S. 4).Frauen- und Geschlechterpolitik von Lega und FdIBeide Parteien haben ein ähnliches Frauenbild, das sich stark an einer nativistischen Weltsicht orientiert. Das Parteiprogramm der Lega wendet sich der Thematik im Vergleich zur FdI deutlich mehr zu. Hier wird viel Wert auf die traditionelle Familie gelegt. Die Lega definiert bspw. die Familie als "ursprünglichen Kern der Gemeinschaft" und die erste Institution der Wirtschaft (vgl. S. 5). Des Weiteren wird auch auf Pflege und Kinderbetreuung hingewiesen sowie auf die Hauptaufgabe der italienischen Frau, die Reproduktion.Die "demographische Krise" wird von beiden Parteien als größte Bedrohung der italienischen Nation gedeutet. Vor allem seien der Migrationszulauf und die schwache Wirtschaftskraft als Bedrohung der "natürlichen Familie" zu verstehen. Aber auch der "Genderwahn" steht seit 2018 auf der Liste der Bedrohungen, der die enge Verwobenheit der Parteien mit dem Katholizismus zeigt. Dieser Ideologie zu folgen, wäre nur von Vorteil für eine kleine Minderheit, "die mit den Eliten gemeinsame Sachen machen" (S. 5 f).Um die Geburtenrate wieder zu erhöhen, verfolgen beide Parteien sozialpolitische Maßnahmen, die die "traditionelle Familie" unterstützen sollen, wie etwa Steuersenkungen und Prämien, jedoch natürlich nur für "echte Italiener:innen". Auch wenn Frauen im traditionellen Sinne immer noch primär die Mutterrolle zugesprochen wird, so setzen sich die Parteien dafür ein, bessere Arbeitsbedingungen für junge Mütter zu schaffen, um Berufs- und Familienleben besser zu bewältigen (vgl. S. 6).Hierbei ist allerdings anzumerken, dass berufstätige Frauen nur toleriert werden, solange sie ihren mütterlichen Pflichten ausreichend nachkommen. Generell werden viele Gesetzes- und Reformvorschläge unter der Prämisse präsentiert, Frauen zu unterstützen, doch zielen diese, wie auch der Vorschlag der Lega zu einer frühzeitigen Pension, oftmals nur auf die Sorgefunktion der Frauen ab (im Beispiel wird diese Reform mit einem Recht auf Großmutterschaft begründet) (vgl. S. 6f.).Zwar machte die Lega ihre Versprechungen, mehr für die Familien zu verändern, bei ihrer Regierungsperiode im Jahr 2018 wahr, der Familienminister Lorenzo Fontana ließ es sich aber nicht nehmen, seiner Feindseligkeit gegenüber Homosexualität, LGBTQIA-Rechten und Einwanderung freien Lauf zu lassen. In seinem Buch wird deutlich, dass die italienische Kultur moralisch superior gegenüber anderen sei und somit seine "chauvinistische Sozial- und Bevölkerungspolitik" rechtfertigt (vgl. S. 6).Reproduktive RechteDie demographische Problematik Italiens beeinflusst auch die Haltung der beiden Parteien zu reproduktiven Rechten. In Italien ist zwar ein Schwangerschaftsabbruch gesetzlich erlaubt, allerdings steht es Ärzt:innen frei, diese aus moralischen Gründen zu verweigern. Obwohl beide Parteien reproduktive Rechte nicht explizit in ihren Programmen erwähnen, wird im Parlament viel darüber diskutiert (vgl. S. 7).Während der Parteivorsitzende der Lega, Salvini, nicht das Recht an sich in Frage stellt, sondern mehr darauf drängt, die Abtreibungsrate zu reduzieren, ist die Vorsitzende der FdI, Meloni, der Meinung, dass das Gesetz nicht ausreichend umgesetzt wird und fordert eine Prävention von Abtreibungen. Laut ihrer Aussage solle ein Schwangerschaftsabbruch nur in strengen Notfällen möglich sein, schließlich stehe dem das "Recht auf Mutterschaft" und die "Wahrung der Rechte des Kindes" entgegen (vgl. S. 7). Die Entwicklung beider Parteien lässt jedoch darauf deuten, dass keine der beiden einer Verschärfung des Gesetzes abgeneigt wäre, da beide bereits Initiativen gegen Abtreibungen in kleinerem Rahmen durchgeführt haben (vgl. S. 7f.).Geschlechtsspezifische Gewalt und LGBTQIA-RechteDie Lega thematisiert geschlechtsspezifische Gewalt durchaus in ihrem Wahlprogramm, jedoch steht hier nicht der Opferschutz an erster Stelle. Die Migration junger Männer wird instrumentalisiert, um eine Bedrohung der italienischen Frau, insbesondere durch Muslime, darzustellen. Dies spielt somit auch in den islamfeindlichen Diskurs der Partei (vgl. S. 8).Beide Parteien gehen von einer biologischen Vorstellung von Geschlecht aus. Die Lega drückt ihre Abneigung gegenüber der Regenbogencommunity deutlich mit der Ablehnung von gleichgeschlechtlichen Adoptionen und Leihmutterschaft aus. Jedoch beteuern die Parteien, nicht homophob zu sein, es gehe um geschützte Begriffe wie Mutter und Vater, Ehemann und Ehefrau, schließlich bräuchten Kinder diese beiden Elternteile (vgl. S. 8f.). Mit dieser Einstellung rechtfertigen sie auch die Bekämpfung von Gender- und Sexualkunde in jüngeren Klassenstufen, Eltern hätten das Recht, ihre Kinder traditionell zu erziehen (vgl. S. 9).Unterstützung von Frauen für populistische rechtsradikale Parteien in ItalienIn Westeuropa werden Frauen im Bereich der rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien immer aktiver, einige von ihnen wie Le Pen oder Meloni führen bereits auch rechte Parteien an. Im Falle Italiens sind Parteien dazu verpflichtet, ein gewisses "Gleichgewicht der Geschlechter" zu finden (vgl. S. 10). Analysiert man jedoch die Parteien, so sind sowohl bei der Lega als auch bei der FdI Männer deutlich überpräsentiert.Jedoch gilt es festzuhalten, dass beide Parteien in den letzen Jahren immer mehr weiblichen Zuwachs verzeichnen konnten. So war der Frauenanteil der FdI 2013 noch bei 11%, 2018 lag dieser Wert bereits bei 31%. Ähnlich ist es auch bei der Lega, die ebenfalls 11% Frauen im Jahr 2013 verzeichnen konnte, im Jahr 2018 dann 27% (vgl. S. 10f.).Die Lega verfolgt innerhalb der Partei eine klare Arbeitsteilung der Geschlechter, ganz der Tradition entsprechend. Dies bedeutet, Männer machen die "harte Politik", während Frauen eher administrativen und organisatorischen Aufgaben nachgehen (vgl. S. 11). Die FdI wiederum ist die einzige größere Partei innerhalb Italiens, die eine Frau an der Spitze stehen hat, einer von Melonis zentralen Punkten ist jedoch ebenfalls ihre Rolle als Mutter, also auch eine traditionelle Ausrichtung der Geschlechterrollen (vgl. S. 12).Aber nicht nur innerhalb der Partei werden immer mehr Frauen Mitglieder. Der Zuspruch der Bevölkerung für beide Parteien ist ebenso im stetigen Aufschwung und die Kluft zwischen männlichen und weiblichen Wähler:innen geht gegen null. Die FdI konnte sich von einer weiblichen Wählerschaft von rund 37,5% 2013 auf 48,5% 2018 bis sogar zu 50% 2019 hocharbeiten. Auch die Lega kann hier wieder mit vergleichbaren Zahlen nachziehen (40,9%, 49,2% 47,7%) (vgl. S. 13).Im Falle der FdI wird angenommen, dass die Parteivorsitzende Meloni eine beträchtliche Rolle für die weibliche Wählerschaft spielt, sie entradikalisiert nach wie vor das Bild der männlich dominierten Partei und setzt sich für Frauen und besonders Mütter ein. Zusammen mit der Lega sind beide Parteien eine offenbar gute Anlaufstelle für die Belange der Frauen, zumindest hinsichtlich des Schutzes vor "Bedrohungen" wie Migrationszuwachs, Islamisierung und sozialer Unsicherheit (vgl. S. 13f.).
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Am Sonntag, den 1. Oktober dieses Jahres, war es endlich soweit. Wohl mehrere Hunderttausend Unterstützer der liberal-demokratischen Opposition waren dem Ruf des ehemaligen polnischen Premierministers und aktuellen Vorsitzenden der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska, PO), Donald Tusk, gefolgt und hatten sich zu einer Großdemonstration in der Warschauer Innenstadt eingefunden. Unter dem Motto Marsch der Millionen Herzen (Marsz miliona serc) kamen am 1. Oktober Unterstützer der Bürgerkoalition (Koalicja Obywatelska, KO), der neben der PO als stärkster Kraft noch die Partei Nowoczesna (Modern), die Grünen sowie die Inicjatywa Polska (Initiative Polen) angehören, aber auch Anhänger der weiteren Oppositionsvertreter des Dritten Wegs (Trzecia Droga) sowie der Linken (Lewica) zusammen, um für einen Politikwechsel in Polen zu demonstrieren.Konterkariert wurde die starke Vorstellung Tusks vom ersten Oktoberwochenende von seinem schwachen Auftritt bei der Wahldebatte im polnischen Fernsehen am vergangenen Montag. Hier wirkte der frühere Ministerpräsident schlecht vorbereitet und vom langen Wahlkampf erschöpft. Anders als seine Kontrahenten erschien er zudem lediglich im Hemd ohne Sakko und schaffte es so insgesamt nicht, sich als nächster Premierminister der Republik Polen zu präsentieren. Ob es der Bürgerkoalition am kommenden Sonntag gelingen wird, die Wahlen zu Sejm und Senat für sich und die übrigen Parteien der liberal-demokratischen Opposition zu entscheiden, dürfte bis zuletzt spannend bleiben. Doch was ist das überhaupt für eine politische Formation, die die parlamentarische Opposition dominiert und es sich zum Ziel gesetzt hat, die Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość, PiS) nach acht Jahren an der Regierung abzulösen?Wer koaliert in der KO?Die mit Abstand stärkste Kraft innerhalb der Bürgerkoalition stellt zweifelsohne die Bürgerplattform dar. Die Partei wurde bereits 2001 unter anderem von ihrem heutigen Vorsitzenden Donald Tusk mitgegründet und zählt, ebenso wie ihr zentraler politischer Gegenspieler, die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit zu denjenigen politischen Kräften, die aus der Solidarność-Bewegung der 1980er Jahre in der Volksrepublik Polen hervorgegangen sind. Angesichts der Intimfeindschaft zwischen PO-Chef Donald Tusk und dem PiS-Vorsitzenden Jarosław Kaczyński scheint es heute kaum noch vorstellbar, dass die beiden Parteien 2005 um ein Haar eine große Koalition miteinander eingegangen wären. Hierzu kam es letztlich nicht und so verharrte die PO bis zu den vorgezogenen Parlamentswahlen 2007 in der Opposition. Diese gewann sie dann allerdings deutlich und regierte fortan bis 2015 in einer Zweierkoalition mit der Polnischen Volkspartei (Polskie Stronnictwo Ludowe, PSL; bisweilen auch Polnische Bauernpartei genannt). 2014 gewann die PO noch einmal die Wahlen zum Europäischen Parlament, mit knappem Vorsprung vor der PiS. Im August des gleichen Jahres wurde der PO-Vorsitzende Tusk schließlich zum Präsidenten des Europäischen Rates gewählt, was in Polen als Karriereaufstieg und außerordentlich prestigeträchtige Position wahrgenommen wurde.Doch mit dem Wechsel des bisherigen Parteichefs und polnischen Premierministers Donald Tusk in die europäische Spitzenpolitik geriet die Bürgerplattform in eine tiefe Krise. Zwischenzeitliche Tiefpunkte markierten die Abhöraffäre 2014, die noch zu Tusks Amtszeiten ans Licht kam, sowie die daran anschließenden Niederlagen bei den Präsidentschafts- und den Parlamentswahlen 2015, als die Partei binnen weniger Monate, einen beachtlichen Vorsprung in den Meinungsumfragen verspielte und die Regierungsgeschäfte an die PiS übergeben musste. Auch bei den folgenden Kommunalwahlen 2018, den Europawahlen 2019, den Parlamentswahlen 2019 und den Präsidentschaftswahlen 2020 setzte es trotz erheblicher Anstrengungen und koordinierter Zusammenarbeit mit anderen Oppositionsparteien eine Reihe herber Niederlagen. Letztlich schaffte es die Partei erst nach der Rückkehr Tusks in die polnische Politik 2021 sich auf den Weg zurück zu alter Stärke zu begeben. Dass es dem ehemaligen Premierminister innerhalb kürzester Zeit gelungen ist, eine heillos zerstrittene und am Rande des Zerfalls stehende Partei wieder zu einen und zu einem aussichtsreichen Kandidaten für die nächste polnische Regierung aufzubauen, kann kaum hoch genug eingeschätzt werden.Zu den weiteren politischen Kräften der KO zählen die Nowoczesna, die Grünen, die Inicjatywa Polska und die Agrounia . Die Nowoczesna wurde 2015 unter dem Vorsitz des Ökonomen Ryszard Petru gegründet und galt als Alternative für all jene Wähler der PO, die die zunehmende "Sozialdemokratisierung" der Partei kritisch sahen und sich eine Rückkehr zu den wirtschaftsliberalen Anfängen der PO wünschten. Diese Wählergruppen sprach die Nowoczesna mit einer dezidiert liberalen Ausrichtung in wirtschaftlichen wie auch weltanschaulichen Fragen an, und das mit Erfolg. Bei den Parlamentswahlen 2015 erlangte die Partei 7,6 Prozent der abgegebenen Stimmen und zog mit insgesamt 28 Abgeordneten ins polnische Unterhaus, den Sejm, ein. Doch bereits im Vorfeld der vorgezogenen Kommunalwahlen im Jahr 2018 ging die Partei ein Bündnis mit der Bürgerplattform ein. Beide Parteien traten fortan bei den polnischen Wahlen als Koalicja Obywatelska an. Ende 2018 schloss sich die Inicjatywa Polska der KO an, ihr folgten 2019 die polnischen Grünen. 2023 schließlich komplettierte die Agrounia die Bürgerkoalition.War bereits die Bürgerplattform durch einen wertkonservativen Flügel auf der einen und einen weltanschaulich eher liberalen Flügel auf der anderen Seite geprägt, so steht die Formation spätestes seit Beginn der Zusammenarbeit mit der ehemals abtrünnigen Nowoczesna, den Grünen und der Inicjatywa Polska und seit jüngster Zeit auch der Agrounia vor der Mammutaufgabe, einer extrem heterogenen Anhängerschaft politisch gerecht zu werden. Dabei balanciert die Partei bisweilen entlang eines schmalen Grates zwischen Pragmatismus und Beliebigkeit, wenn einerseits feministische Aktivistinnen wie Jana Shostak erst als Listenkandidatinnen aufgestellt und dann wieder gestrichen werden, Populisten wie der frühere Agrounia-Vorsitzende Michał Kołodziejczak mit ins Boot geholt werden oder gar der frühere EU-Skeptiker und das Mitglied der ersten PiS-geführten Regierung 2005 bis 2007, Roman Giertych, auf einmal aus dem Hut gezaubert wird.Welche programmatischen Inhalte vertritt die Bürgerkoalition?Wo sich die Bürgerkoalition programmatisch verorten lässt, ließ sich am ehesten Anfang September auf dem Konvent im südpolnischen Tarnów erahnen, auf dem die KO "100 konkrete Maßnahmen für 100 Tage des Regierens" ("100 konkretów na 100 dni rządów") präsentierte. Zu den zentralen Postulaten zählen die Anhebung des Steuerfreibetrags von bisher 30.000 auf 60.000 Złoty, die vollständige staatliche Finanzierung künstlicher Befruchtung (in vitro), Gehaltserhöhungen von mindestens 30 Prozent für Lehrkräfte, die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur zwölften Woche sowie 1.500 Złoty monatliche Unterstützung für die Kinderbetreuung für Mütter, die ins Berufsleben zurückkehren (sog. "Oma-Programm" [babciowe]). Doch wie bei den meisten übrigen Parteien, die bei der bevorstehenden Parlamentswahl antreten, wirkt auch bei der KO die Programmvorstellung eher pflichtschuldig als sinnstiftend. Schließlich handelt es sich doch im Wesentlichen um Themen, die bereits seit längerer Zeit kursieren und in Fokusgruppeninterviews von Bürgerseite immer wieder gefordert werden.Zur Wahrheit gehört auch, dass sämtliche Themen in den letzten Wochen des Wahlkampfes kaum eine Rolle für die KO gespielt haben, wie sich auch der Wahlkampf insgesamt kaum um inhaltliche Sachfragen drehte. Der KO dürfte es vor allem darum gegangen sein, ein Programmkonzept vorzustellen, um im Wahlkampf dem Vorwurf zu entgehen, eine inhaltleere Partei ohne Wahlprogramm zu sein. Schließlich hing lange Zeit insbesondere der Bürgerplattform der wenig schmeichelhafte Ruf an, nicht so sehr Partei als vielmehr Donald-Tusk-Wahlverein zu sein, den programmatische Debatten kaum scheren und der sich durch eine wirtschaftsliberale Politik und großes Geschick bei der Absorbierung von EU-Mitteln auszeichnet. Dieses von Teilen der Wählerschaft als abgehoben und wenig volksnah wahrgenommene Gebaren gilt bis heute als einer der zentralen Gründe für die doppelte Niederlage bei den Präsidentschafts- und den Parlamentswahlen 2015. Und es scheint genau dieses negative Image zu sein, gegen das die PO bzw. KO in der aktuellen Kampagne ankämpft.Was sagen die Umfragen?Doch wie hat sich der Wahlkampf, allen voran der Marsch der Millionen Herzen und die jüngste TV-Debatte, auf die Zustimmungswerte in den Meinungsumfragen ausgewirkt? Blicken wir zunächst auf die Umfragen im Anschluss an den Marsch Anfang Oktober. Während die PiS leicht verlor und auf nunmehr 32 Prozent kommt, konnten die Parteien der liberal-demokratischen Opposition allesamt leicht zulegen. So kommt die KO auf 28,2 Prozent, der Dritte Weg auf 11 Prozent und die Lewica auf 10,2 Prozent. Die Konfederacja (Konföderation), potenzieller Koalitionspartner der PiS, bleibt fast unverändert bei 10 Prozentpunkten stehen. Und auch die Umfragen, die bereits die TV-Debatte miteinbeziehen, zeigen hier nur marginale Veränderungen. So kommt die PiS auf nunmehr 33,5 Prozent, während die KO 28 Prozent erreicht. Es folgen der Dritte Weg mit 10,9 Prozent, die Lewica mit 10,1 Prozent sowie die Konfederacja mit 9,2 Prozent. Insgesamt lässt sich also eine Stabilisierung der Unterstützung in den Meinungsumfragen erkennen, wobei nicht vergessen werden darf, dass die die Prognosen der in Polen tätigen Umfrageinstitute in der Vergangenheit bisweilen beachtliche Fehlerquoten aufgewiesen haben.FazitSomit sind es vor allem zwei Schlussfolgerungen, die sich aus den letzten Wochen des Wahlkampfes ziehen lassen. Erstens ist es vor allem der KO, aber auch den übrigen Kräften der liberal-demokratischen Opposition gelungen, das eigene Elektorat mit einer positiven Message zu mobilisieren und Zuversicht auf einen möglichen Wahlsieg zu verbreiten. Zweitens scheint sich ein Trend in den Umfragen anzudeuten. Während sich die liberal-demokratische Opposition zunehmend stabilisiert und leicht zulegen kann, treten sowohl die PiS als auch die Konfederacja auf der Stelle, mit absteigender Tendenz. Aktuell scheint es, als ob eine weitere Emotionalisierung des Wahlkampfes kaum mehr zu weiteren Wählerstimmen führt. Es ist vielmehr eine gewisse Ermüdung des Elektorats zu vermuten, dessen Aufmerksamkeit über Wochen hinweg von den Parteien emotional bewirtschaftet worden ist. Auf der Zielgeraden vor dem Wahltag am 15. Oktober versucht die liberal-demokratische Opposition dieser Entwicklung offensichtlich etwas entgegenzusetzen: eine positive Grundstimmung und einen größeren Fokus auf Programminhalte anstelle des bisherigen negative campaigning. Inwieweit dieser Trend sich bis zur Wahl noch verfestigt, werden die letzten Tage vor der Wahlstille am Samstag zeigen.
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In Deutschland wird wieder über eine Frauenquote in Unternehmen diskutiert. Polen hat hierzu keine Regelungen. Was aber die Besetzung von Führungspositionen in der Wirtschaft mit Frauen angeht, so steht Polen EU-weit an der Spitze. Vier von zehn in Polen angemeldete Unternehmen werden von Frauen geleitet.Vor einigen Tagen hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf über die Frauenquote gebilligt. Wenn das Gesetz in Kraft tritt, soll in Vorständen, wenn diese aus mehr als drei Mitgliedern bestehen, mindestens eine Frau sitzen. Die neue Regelung zur Frauenquote motiviert zu fragen, wie die Situation in Deutschland in diesem Bereich eigentlich im Vergleich zu anderen EU-Ländern aussieht, speziell zu Polen. Die Frauenquote ist in Deutschland seit 2016 vom "Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen" geregelt. Mindestens 30% der Stellen in Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen müssen von Frauen besetzt werden. Dies betrifft 105 deutsche Firmen. Der Frauenanteil in Leitungspositionen ist nach der Verabschiedung des Gesetzes in Deutschland tatsächlich von 21,9 auf 32 Prozent gestiegen.In Polen gibt es derzeit keine gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich der Frauenquote, es gelten nur die offiziellen Empfehlungen der Warschauer Wertpapierbörse und des Ministeriums für Staatsvermögen. Diese weisen aber nur auf eine ausgewogene Beteiligung von Frauen und Männern bei der Ausübung von Führungspositionen in Vorständen und Aufsichtsräten hin und legen die empfohlene Anzahl von Frauen in Aufsichtsräten der Gesellschaften in Staatsbesitz fest.Polen auf Platz 1 in der EUObwohl es in Polen keine feste Quotenregelung gibt, die die Besetzung von Führungspositionen bestimmen würde, belegt Polen laut Index of Women Entrepreneurs 2020, der jährlich von Mastercard erstellt wird, den fünften Platz unter 58 untersuchten Ländern der Welt und den ersten unter den 11 untersuchten EU-Mitgliedern. Der Index analysiert die Faktoren, die den geschäftlichen Erfolg von Frauen in 58 Ländern, die zusammen fast 80 % der weiblichen Erwerbsbevölkerung der Welt repräsentieren, fördern oder hemmen. Die Rangliste wird von Israel angeführt, gefolgt von den Vereinigten Staaten und der Schweiz. Dann kommen Neuseeland und Polen, die vor dem Vereinigten Königreich und Kanada liegen. Nach Polen sind die nächstplatzierten EU-Länder Schweden (Platz 8) und Spanien (Platz 10), dazwischen liegt Australien. Deutschland belegt Platz 28. Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt der neuste Bericht "Women in Business". Laut der Studie werden in Polen bis zu 38 Prozent der höchsten Positionen in Unternehmen (Vorsitzende, Vorstandsmitglieder und Abteilungsleiterinnen) von Frauen bekleidet. Das ist ein Anstieg von 3 Prozentpunkten im Vergleich zu 2019. Weltweit liegt der Anteil der Frauen in Führungsetagen bei 29 Prozent, in den Ländern der Europäischen Union bei 30 Prozent. Unter den 32 Ländern, die in die Untersuchung einbezogen wurden, belegt Polen mit seinem Ergebnis somit weltweit einen der vorderen Plätze — das Land rangiert auf dem dritten Platz gleich nach den Philippinen (43 Prozent) und Südafrika (40 Prozent). Das nächstplatzierte EU-Land ist Spanien auf dem sechsten Platz. Am geringsten ist der Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder in Japan (12 %), Südkorea (17 %) und den Vereinigten Arabischen Emiraten (23 %).Es gibt auch immer weniger polnische Unternehmen, die gar keine Frau an der Spitze haben. Unternehmen, die keine Frauen in Führungspositionen beschäftigen, machen in Polen 9 % (ein Prozentpunkt weniger als im Jahr 2019) aus. Das ist deutlich unter dem Durschnitt der Europäischen Union, der bei 16 % liegt. Nur sieben andere untersuchte Länder haben einen niedrigeren Wert als Polen.Die offiziellen EU-Zahlen bestätigen den Trend. Nach der letzten vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) veröffentlichten Statistik über die Anzahl der Frauen in Führungspositionen landete Polen auf dem zweiten Platz (41,8 %), gleich hinter Lettland und vor Slowenien. Deutschland liegt mit 29,4 % auf Platz 20 hinter Rumänien und Griechenland. In der Mitte positionieren sich das Vereinigte Königreich (36,5 %), Portugal (34,7 %), Frankreich (33,5 %) und Belgien (33,5 %). Die Statistiken deuten darauf hin, dass der hohe Anteil dererwerbstätigen Frauen in Führungspositionen nicht unbedingt mit den Entwicklungsindikatoren eines Landes zusammenhängt. In der ersten erwähnten Rangliste liegen Länder wie Thailand, Argentinien, Vietnam, Mexiko oder Chile weit vor Deutschland. Höchstwahrscheinlich zwingt die angespannte wirtschaftliche Lage die Frauen, arbeiten zu gehen und berufliche Risiken einzugehen, wie zum Beispiel die Unternehmensgründung. Bestimmt spielen auch weitere Faktoren eine Rolle, z.B. die Bedeutung von mittelständischen Handwerksbetrieben oder die Verfügbarkeit von Kitaplätzen.Aufholbedarf in AufsichtsrätenLangsam wächst der Anteil der polnischen Frauen in Aufsichtsräten. Positive Trends sind am deutlichsten bei den größten börsennotierten Unternehmen zu erkennen. Wie sich aus der sechsten Ausgabe des Berichts "Women in the Boardroom: A Global Perspective", ergibt, der von dem Beratungsunternehmen Deloitte erstellt wurde, betrug im Jahr 2019 der Frauenanteil in den Aufsichtsräten in Polen 15,8 Prozent; ein Anstieg von 0,6 % im Vergleich zu 2017. An der Spitze stehen Frauen in nur etwa 8,7 % der Aufsichtsräte, was aber dennoch einer Zunahme im Vergleich zu 2017 von fast einem Prozent entspricht. Diese Ergebnisse sind deutlich höher bei Unternehmen, die im "WIG20" enthalten sind, einem Index der 20 größten an der Warschauer Wertpapierbörse notierten Aktiengesellschaften. Frauen besetzen 23 % der Plätze in den Aufsichtsräten, was einen Anstieg von 4 Prozent im Vergleich zu den vor zwei Jahren vorgestellten Untersuchungsergebnissen bedeutet, und in 29 Prozent dieser Organisationen (Rückgang von einem Prozent) bekleiden sie den Posten einer Vorsitzenden. Der Deloitte-Bericht zeigt zudem, dass Deutschland das beste Ergebnis erzielte, was den Anteil der Frauen in Aufsichtsräten betrifft. Im Jahr 2019 überstieg dieser Anteil zum ersten Mal 30 Prozent.Eigene Firmen – Luft nach obenDerzeit gibt es in Polen 0,79 Mio. Frauen und 1,56 Mio. Männer, die ein eigenes Gewerbe betreiben, d.h. die Anzahl der Frauen, die ihr eigenes Unternehmen angemeldet haben, ist halb so groß wie die Anzahl der Unternehmen im Besitz von Männern.Doch zu wenig präsentAuch wenn die polnischen Zahlen erfreulich sein mögen, da Polen sehr oft weit oben auf den Ranglisten steht, sollte betont werden, dass es noch ein langer Weg ist, bis die Polinnen in der Wirtschaft eine ähnlich wichtige Rolle wie polnische Männer haben. Frauen, die Unternehmerinnen sind oder hohe Führungspositionen in Unternehmen bekleiden, sind in Polen immer noch halb so häufig anzutreffen wie Männer.Frauenstimmen werden auch deutlich weniger gehört. Wie der Bericht "Women in Business 2020" zeigt, kommen Frauen als Expertinnen in den Wirtschaftsmedien weitaus seltener zu Wort, obwohl sie in Führungspositionen relativ stark vertreten sind. Trotz des leichten Anstiegs im Vergleich zum Vorjahr bei der Anzahl der zitierten Aussagen und Meinungen im Jahr 2019 machen Frauen immer noch nur etwa ein Viertel aller Expertenaussagen in der Presse oder auf Konferenzen aus.HindernisseDies zeigt, dass immer noch viele Hindernisse bestehen, die den Frauen den Aufstieg an die Spitze erschweren. Die Wissenschaftlerinnen des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten (Instytut Spraw Publicznych) in Warschau nennen drei Arten von Hindernissen, die man in Polen, aber auch weltweit beobachten kann. Die institutionellen Hindernisse beruhen in erster Linie darauf, dass an alten Rangordnungen festgehalten wird. Das heißt, dass Führungspositionen, die bisher von Männern besetzt wurden, meistens wieder an Männer übertragen werden. Veränderungen in der Personalstruktur werden nicht gerne gesehen; das Führungspersonal bevorzugt bei der Wahl seiner Nachfolger immer noch tendenziell Männer. Vermutlich ist das so, weil Frauen als Verhandlungspartnerinnen von Männern noch nicht ernst genommen werden und vermeintlich die schlechteren Spezialisten sind. Die mentalen Hindernisse müssen meistens die Frauen selbst überwinden. Sie vertrauen ihren eigenen Fähigkeiten nicht, schätzen ihre Kompetenzen falsch ein, die nicht selten höher sind als die von Männern, und haben oft zu niedrige Gehaltsvorstellungen. Zudem sind sie häufig nicht dazu bereit, Risiken in Kauf zu nehmen, um eine höhere Position zu übernehmen oder fühlen sich nicht kompetent genug, um ein anspruchsvolleres Projekt zu managen. Organisatorische Barrieren ergeben sich hauptsächlich daraus, dass mittlere Unternehmen oft immer noch keinen Bedarf für die Einführung von Maßnahmen zur Chancengleichheit von Frauen und Männern sehen.Die oben genannten Zahlen, die Polen ganz oben in der EU platzieren, sollten einerseits erfreuen und als sehr positives Zeichen gesehen werden. Andererseits sind sie auch nicht so hoch, dass man nicht weiter überlegen soll, wie Frauen auch künftig zu fördern sind. Im politischen Leben hat die Einführung der Quotenregelung polnischen Frauen sowohl auf der nationalen als auch auf der lokalen Ebene dazu verholfen, in die Parlamente zu kommen. Es laufen aber heutzutage in der Politik keine Diskussionen darüber, ob man ähnliche Quoten in der Wirtschaft einführen soll. Die Lage von Frauen, ob in der Wirtschaft, Politik oder anderen Bereichen, wird auch die Covid-Pandemie nicht verbessern, da die zusätzliche Belastung durch die Kinderbetreuung ihr berufliches Leben und somit auch die Karrieremöglichkeiten oft negativ beeinflusst. Lese auch: Frauen in der polnischen PolitikWeiterführende Links:Bericht Women in Business 2020Deloitte-Bericht Women in the Boardroom: A Global PerspectiveBericht von Mastercard The Mastercard Index of Women Entrepreneurs Report 2020https://medium.com/blog-transparent-data/kobiety-i-biznes-w-polsce-dane-i-wykresy-2020-8b6c2c92c826https://mastercardcontentexchange.com/media/1ulpy5at/ma_miwe-report-2020.pdfhttps://www.mastercard.com/news/europe/pl-pl/centrum-prasowe/aktualnosci/pl-pl/2020/marzec/raport-mastercard-polki-coraz-bardziej-przedsiebiorcze/https://www.fidar.de/wob-indizes-studien/wob-index-185/aufsichtsrat.htmlKonferencja "Zrównoważony udział kobiet i mężczyzn na stanowiskach kierowniczych w biznesie"https://www.tagesschau.de/inland/frauenquote-vorstaende-kabinett-beschluss-101.htmlMałgorzata Druciarek, Izabela Przybysz, Działania na rzecz równości szans kobiet i mężczyzn w średnich firmach, Institut für Öffentliche Angelegenheiten, Warschau 2018
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
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Über zwei Drittel der promovierten Forschenden spielen mit dem Gedanken, aus der Wissenschaft auszusteigen. Der Ampel-Koalitionsvertrag versprach ein Bund-Länder-Programm für besser Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft. Was ist daraus geworden?
Bald keiner mehr da? Foto: Brian Penny, Pixabay.
ES SIND BESORGNISERREGENDE ZAHLEN. Laut dem neuen "Barometer für die Wissenschaft", erhoben vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), haben 71 Prozent aller befristet beschäftigten Postdocs in den vergangenen zwei Jahren ernsthaft den Ausstieg aus der Wissenschaft erwogen. Und nur noch 16 Prozent der Promovierenden haben als Berufsziel die Professur. Die Ergebnisse "sollten alle Beteiligten aufhorchen lassen", kommentierte Lambert T. Koch, Präsident des Deutschen Hochschulverbands (DHV). Politik und Hochschulen müssen ihre Hausaufgaben machen. Teil der Lösung können verlässlichere und planbarere, aber auch gegenüber außerhochschulischen Märkten attraktive Karriereperspektiven sein."
Wer wissen will, warum Deutschlands Wissenschaft im Wettstreit um die knappen Fachkräfte zu unterliegen droht, wie international, findet seine Antworten nicht nur in Umfragen, sondern mitunter auch auf dem früheren Twitter. Am Sonntag zum Beispiel berichtete die Politikwissenschaftlerin Federica Genovese unter der Überschrift "Eine kurze akademische Geschichte" über ihre Erfahrungen mit einer deutschen Wissenschaftseinrichtung.
"Deutschlands Verlust ist unser Gewinn"
"Juli 2022“, begann Genoveses "X"-Thread: "Ich werde ermutigt, mich für einen Job in Deutschland zu bewerben. Ich bewerbe mich."Damals war sie Associate Professor an der University of Essex, eine Karriereposition auf dem Weg zur Vollprofessur, die es in Deutschland bislang kaum gibt.
Im Februar 2023, schreibt Genovese weiter, habe sie dann eine "semi-kryptische E-Mail" erhalten, die sie einlud, mehr Bewerbungsunterlagen zu senden als Voraussetzung, auf die Bewerbungs-Shortlist zu kommen. Im Großen und Ganzen dieselben Unterlagen, die sie schon 2022 gesendet habe, "aber ja, okay, in Ordnung."
Im März 2023 folgte die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Als Genovese aus familiären Gründen um einen anderen Termin oder alternativ um ein Online-Interview gebeten habe, um die Kinderbetreuung zu organisieren, lautete die Antwort des Berufungskommitees, das Gespräch gehe nur persönlich und eine Nichtbestätigung des vorgeschlagenen Termins sei gleichbedeutend mit einer Absage Genoveses. "Ich sage ab."
Seitdem erhielt sie eine Vollprofessur in Essex und wechselte vor wenigen Wochen an die Universität Oxford. Jetzt, genau ein Jahr später, erreichte die Wissenschaftlerin ein weiterer Brief aus Deutschland mit der Information, dass die Ausschreibung gescheitert sei, also keiner berufen wurde – wegen Bedenken hinsichtlich der Geschlechterrepräsentation. "Der Vorhang fällt", schreibt Genovese in ihrem inzwischen hunderttausende Male gelesenen Post – woraufhin ein Wissenschaftler aus Oxford kommentierte: "Deutschlands Verlust ist unser Gewinn."
Die WissZeitVG-Novelle hängt seit Sommer 2021 in der Ressortabstimmung
Unterdessen stellt sich nicht der Eindruck ein, dass alle wissenschaftspolitisch Verantwortlichen den Ernst der Lage bereits erkannt haben. Zwar trommeln seit Jahren unter dem Hashtag "#IchbinHanna" junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für bessere Karrierebedingungen und gegen die Rekord-Befristungsquote unter Postdocs. Der Druck reichte, dass SPD, Grüne und FDP im Ampel-Koalitionsvertrag versprachen, das sogenannte Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), das die Beschäftigungsregeln vorgibt, zu ändern.
Doch schon die Erstellung eines diesbezüglichen Gesetzentwurfs führte zu einem monatelangem Hin und Her zwischen den Koalitionspartnern und am Ende zu einem Ergebnis, das seit Mitte 2023 in der Ressortabstimmung zwischen den beteiligten Ministerien festhing. Haupt-Streitpunkt: Die FDP von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger wollte erst nach vier Jahren eine verbindliche Entfristungszusage für Postdocs, SPD und Grüne hingegen früher, um eine frühere Karriereplanbarkeit zu ermöglichen. Als sich das BMBF im Referentenentwurf vom vergangenen Juni einseitig auf die vier Jahre festlegte, zeigte sich derselbe DHV-Präsident Koch, den die jüngsten Wissenschaftsbarometer "aufhorchen" lassen, damals per Pressemitteilung "erleichtert". Und zwar, dass das BMBF die vier Jahre anstatt der drei Jahre bevorzugt hat.
Am Sonntag wurde bekannt, dass der Gesetzentwurf jetzt zeitnah, voraussichtlich bereits am 27. März, ins Kabinett soll, nachdem sich die Ressorts geeinigt haben. Wobei die Einigung im Kern nur bedeutet, dass der Streit ins Parlament verschoben wird – also wohl weitergeht. Unterdessen wächst der Frust in der "#IchbinHanna"-Community weiter.
Angesichts der Wissenschaftsbarometer-Zahlen wundert noch mehr, dass das BMBF ein weiteres im Koalitionsvertrag angekündigtes Vorhaben aussitzen könnte. Von einem "Bund-Länder-Programm" war darin die Rede, das "Best-Practice-Projekte für 1) alternative Karrieren außerhalb der Professur, 2) Diversity-Management, 3) moderne Governance-, Personal- und Organisationsstrukturen fördern" sollte. Also im Kern genau das, woran es in Deutschlands Wissenschaft hapert: attraktive Jobs und Aufstiegsmöglichkeiten, mehr Betonung von Chancengerechtigkeit und Vielfalt – und, siehe Genovese, moderne Verwaltungs- und Berufungsverfahren.
Vom geforderten Dauerstellen-Programm hat in der GWK noch keiner gehört
Verhandelt werden müsste ein solches Programm in der sogenannten "Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz" von Bund und Ländern, der GWK, doch wurde eine entsprechende Initiative vom BMBF nicht einmal angekündigt bislang. Gerade erst traf sich die GWK in Bonn, inklusive vertraulichem Kaminabend mit Stark-Watzinger. Doch von einem solchen Programm: noch immer kein Wort.
Obwohl das Ministerium inzwischen sogar unter explizitem Zeitdruck steht: Bis September, legte der einflussreiche Haushaltsausschuss des Bundestages vergangenen Herbst fest, muss Stark-Watzinger über eine mögliche Bund-Länder-Vereinbarung für ein befristetes Programm zum Ausbau wissenschaftlicher Dauerstellen neben der Professur berichten. "Da zum aktuellen Zeitpunkt noch kein Konzept zu Dauerstellen im Mittelbau vorliegt und auch keine Entwicklungen erkennbar sind, mussten nun wir Abgeordnete im Haushaltsausschuss tätig werden", begründete der grüne Haushaltspolitiker Bruno Hönel damals die Ungeduld der Koalitionsfraktionen, die durch die Verzögerungen beim WissZeitVG noch verstärkt wurde. Zugestimmt hatten bei dem sogenannten Maßgabebeschluss übrigens auch die FDP-Abgeordneten.
Vor September trifft sich die GWK-Minsterrunde jetzt nur noch einmal: im Juli. Und das BMBF? Betont, wie wichtig attraktive Karriereperspektiven für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seien, damit Deutschland an der Spitze von Forschung und Innovation bleibe. Und verweist neben dem Tenure-Track- und Professorinnenprogramm auf die – ebenfalls festhängende – WissZeitVG-Reform als Beispiel für die "wichtigen Beiträge", die das BMBF hierzu leiste. Auch eine Art von Zirkelschluss.
Und was ist mit dem geforderten Bund-Länder-Programm? Das BMBF habe "einen Beratungsprozess mit Expertinnen und Experten von Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften und außeruniversitären Forschungseinrichtungen initiiert und wird dem Haushaltsausschuss auf Basis dieser Gespräche zur Umsetzung des Maßgabebeschlusses berichten." Außerdem erarbeite der Wissenschaftsrat Empfehlungen zu Personalstrukturen in der Wissenschaft, die voraussichtlich Ende 2024/Anfang 2025 veröffentlicht würden.
Ob das den Haushaltspolitikern reichen wird? Haushaltspolitiker Hönel kommentiert auf Anfrage, er begrüße es ja, wenn aktuell Gespräche mit Fachverbänden stattfänden. Doch müsse das BMBF jetzt zeitnah Gespräche mit den Ländern aufnehmen, die zentral für die Ausgestaltung dieses Programms seien. "Gute Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft sind eine Frage des Respekts und der Wertschätzung gegenüber unseren Wissenschaftler*innen, sie werden aber auch zunehmend zu einem relevanten Standortfaktor für den Wissenschafts- und Technologiestandort Deutschland."
Sonst heißt es künftig häufiger: Deutschlands Verlust ist der Gewinn für andere.
Dieser Beitrag erschien in leicht gekürzter Fassung zuerst im Tagesspiegel. Ich habe ihn außerdem vorm Erscheinen hier im Blog aktualisiert.
In eigener Sache: Es geht so nicht mehr
Dieser Blog hat sich zu einer einschlägigen Adresse der Berichterstattung über die bundesweite Bildungs- und Wissenschaftspolitik entwickelt. Doch wirtschaftlich steht die Idee seiner freien Zugänglichkeit vor dem Scheitern.
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Von "degradierten Pussys" und "ehrenhafte Typen": Wie toxische Vorstellungen von Männlichkeit über die sozialen Medien die gesamte junge Generation erreichen – und was das für Schulen, Hochschulen und die Zivilgesellschaft bedeutet. Ein Gastbeitrag zum Internationalen Frauentag von Nina Kolleck und Johanna Maria Pangritz.
Nina Kolleck ist Professorin für Erziehungs- und Sozialisationstheorie an der Universität Potsdam. Johanna Maria Pangritz ist Postdoktorandin am dortigen Arbeitsbereich. Fotos: Thomas Roese, Uni Potsdam/privat.
FEMINISMUS ERSCHEINT OMNIPRÄSENT. Influencerinnen wie Nancy Basile und Kinofilme wie "Barbie" oder "Poor things" setzen neue Standards für weibliche Figuren, brechen mit traditionellen Rollenklischees und tragen dazu bei, die Debatte über Feminismus auch in der Popkultur voranzutreiben.
Doch hinter den Leinwänden florieren die traditionellen Vorstellungen von Männlichkeit. Repräsentative Studien zeigen einen Anstieg sexistischer und antifeministischer Meinungen, besonders bei jungen Menschen. So ergab die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, dass rund zwölf Prozent der Befragten (Frauen und Männer) glauben, Gleichberechtigung bedeute eine Machtübernahme der Frauen. Der Anteil derjenigen, die der Aussage zustimmten, dass Frauen sich mehr auf die Rolle der Ehefrau und Mutter besinnen sollten, stieg von 7,6 Prozent im Jahr 2020/21 auf 10,6 Prozent im Jahr 2022/23.
Aktuelle Forschungsarbeiten belegen zugleich, dass die gesellschaftlichen Vorstellungen von Männlichkeit in Deutschland stark variieren. Eine Untersuchung des Bundesforums Männer ergab, dass mittlerweile 84 Prozent der Männer die Gleichstellung der Geschlechter als wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erachten. Im Jahr 2015 waren es noch 79 Prozent. Umfragen des Survey Centers on American Life in Deutschland wiederum zeigen, dass sich die politischen Ansichten von jungen Männern und Frauen zunehmend unterscheiden. Während junge Frauen in den vergangenen Jahren liberaler wurden, halten junge Männer oft an konservativen Werten fest oder bewegen sich politisch nach rechts.
Die Vorstellungen von Männlichkeit schwanken zwischen modernen Ansätzen (beispielsweise fürsorgliche, sich aktiv an der Kinderbetreuung beteiligende Väter) und traditionellen, bis ins rechte Spektrum reichenden Vorstellungen, die Gleichstellung ablehnen. Auf Social-Media-Plattformen wie TikTok oder Instagram finden letztere viele Anhänger. Einige Kanäle propagieren die Rückkehr zu einer patriarchalen Männlichkeit, erkennen Frauen und queere Menschen nicht als gleichgestellt an. Onlinetrends wie "#TradWife" oder "#cottagecore" stellen Frauen als unterlegen dar oder betonen ihre traditionellen Aufgaben als Hausfrauen – ein Leben allein zu den Diensten des Mannes.
Immer wieder auf Platz 1 der Spotify Podcast Charts
Einige mögen denken: Solche Einflüsse betreffen nur einen kleinen Teil unserer Gesellschaft. Leider ist das falsch. Toxische Vorstellungen von Männlichkeit erreichen die gesamte junge Generation. Influencer wie die Podcaster Hoss und Hopf haben mit ausgefeilten Social-Media-Strategien das Vertrauen der jungen Generation gewonnen und verbreiten erfolgreich ihre frauenfeindlichen Botschaften. Der Podcast befand sich immer wieder auf Platz 1 der Spotify Podcast Charts.
Auf TikTok nutzen Hoss und Hopf eine besonders ausgefeilte Vorgehensweise: Wer ihre Video weiterverbreitet und dafür die meisten "Likes" erhält, dem versprechen die beiden Podcaster regelmäßig einen hohen Gewinn. Wahrscheinlich kennen mittlerweile alle Jugendlichen Personen im Umfeld, die durch die Verbreitung der Videos bereits Geld von Hoss und Hopf erhalten haben. Die Videos werden selbst von TikTok-Nutzer:innen geteilt, die sich sonst kritisch gegenüber Verschwörungstheorien äußern und demokratiefreundliche Ansichten vertreten. Trotz behaupteter Löschung ihrer Videos durch TikTok sind die meisten immer noch online. Das zeigt: Kanäle wie TikTok haben die Verbreitung von Falschinformationen nicht mehr im Griff.
Hoss und Hopf behaupten, dass die Geschlechterrollen evolutionsbiologisch begründet und festgefahren sind. Frauen sollen demnach in Höhlen für den Nachwuchs sorgen, während Männer als Jäger draußen ihre Rolle als Versorger übernehmen. Sie vertreten die Ansicht, dass Kinder auch heute möglichst lange in dieser traditionellen Struktur verbleiben sollten, um nicht zu früh in Kita oder Schule zur Frühsexualisierung verführt zu werden. Männer, die diesen Rollen nicht entsprechen, werden von Hopf als "degradierte Pussys" bezeichnet, da sie nicht eindeutig männlich seien. Im Gegensatz dazu stehen die "ehrenhaften Typen", die den Respekt der Frauen verdienten.
Ein anderer einflussreicher Influencer ist der ehemalige Kickbox-Weltmeister und heutige Unternehmer Andrew Tate. Tate bezeichnet sich selbst als "Frauenhasser" und verbreitet seine frauenverachtenden Botschaften über Plattformen wie TikTok und YouTube. Er wird von Bildungsforschenden als eine der einflussreichsten Personen in Fragen der Erziehung, Sozialisation und Persönlichkeitsentwicklung betrachtet. Hoss und Hopf widmen Tate zwei Folgen ihres Podcasts und beschreiben ihn als bedeutenden Einfluss auf die heutige Jugend.
Tate steht derzeit in Rumänien vor Gericht wegen Vorwürfen wie Menschenhandel, der Bildung einer kriminellen Organisation und Vergewaltigung. Seine Strategie, Frauen zu verführen und sie als „Webgirls“ arbeiten zu lassen, war lange Zeit öffentlich auf seiner Homepage und in YouTube-Videos zu sehen. Viele dieser Inhalte wurden mittlerweile gelöscht, vermutlich aufgrund des laufenden Gerichtsverfahrens. Seine Männlichkeit, die Frauen unterwirft, ist geprägt von finanziellem Erfolg, physischer und mentaler Stärke sowie der Ansicht, dass er und seine Männlichkeit in der heutigen Gesellschaft benachteiligt sind.
Schulen spielen eine Schlüsselrolle im Kampf gegen diese gesellschaftliche Spaltung
Obwohl Tates Kanal teils ebenfalls auf verschiedenen Plattformen gesperrt wurde, verbreiten sich seine Botschaften weiterhin. Für viele Menschen weltweit ist Tate eine Ikone und ein Orientierungspunkt im Leben. Die Diskussion über diese Person ist in Schulen, Familien, Hochschulen und der Bildungsforschung weltweit präsent und nicht mehr wegzudenken. So zeigen Studien etwa von Wissenschaftler:innen der Monash University, dass Lehrerinnen in Australien vermehrt Misogynie erfahren, da Jungen durch Tates Ideen beeinflusst und radikalisiert werden. Ebenso konnten Wissenschaftler:innen von der University Liverpool und dem University College London den Einfluss von Tate auf männliche Jugendliche feststellen.
Hinter der Weltanschauung, die Tate, Hoss und Hopf und andere vertreten, liegt die Annahme, dass die westliche Männlichkeit bedroht ist und in der Krise steckt. Diese Veränderung der Geschlechterverhältnisse wird mit dem Verlust patriarchaler Männlichkeit gleichgesetzt und die wahre Männlichkeit als benachteiligt dargestellt.
Es ist höchste Zeit, dieser gesellschaftlichen Spaltung aktiv entgegenzutreten. Bildungspolitik, Schulen und Hochschulen spielen dabei eine Schlüsselrolle. Sie sollten den Mut haben, einen offenen Dialog über Geschlechterbilder und die Spaltungen in unserer Gesellschaft zu führen. Schulen müssen zu diesem Zweck die Medienbildung, die digitale und politische Bildung stärken, um den Schüler:innen zu helfen, Informationen kritisch zu hinterfragen, Quellen zu überprüfen und verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen. Gleichzeitig müssen Schulen Medienkompetenz vermitteln, damit Schüler:innen manipulative Inhalte in sozialen Medien erkennen und für Geschlechtergleichstellung eintreten können. Dafür müssen auch die Lehrkräfte entsprechend aus- und fortgebildet werden, wichtig sind zudem gezielte Programme zur Förderung von Geschlechtergleichstellung und -diversität für Lehrkräfte sowie Schüler:innen.
Es braucht aber noch mehr. Wer sich für Gleichstellung und Menschenrechte einsetzt, muss deren Gegner:innen dort schlagen, wo sie besonders erfolgreich sind: in den sozialen Medien. Parteien, Zivilgesellschaft, soziale Bewegungen, NGOs, Vereine und Bildungseinrichtungen müssen daher dringend ihrerseits aktiver und kreativer bei TikTok, Instagram und YouTube werden und ansprechende Videos produzieren. Es darf keine Alternative sein, diese Plattformen den Gegner:innen von Demokratie und Aufklärung zu überlassen. Der Trend zu Falschinformationen und Menschenfeindlichkeit lässt sich nicht nur mit dem Zeigefinger bekämpfen, sondern mit Rollenvorbildern, die zeigen, was wirklich cool ist: eine gerechte und inklusivere Gesellschaft.