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Die "VolkswagenStiftung" reagiert auf eine Studie zu veränderten Wissenschaftskulturen und zieht Konsequenzen für ihr Fördergeschäft. Ein Interview über mehr Gerechtigkeit auf dem akademischen Arbeitsmarkt, neue Forderungen an Antragsteller und ein Hinterfragen geltender Bewertungssysteme.
Henrike Hartmann ist stellvertretende Generalsekretärin und leitet die Abteilung Förderung der "VolkswagenStiftung". Georg Schütte ist Generalsekretär und führt die Geschäftsstelle der Stiftung.
Fotos: Nico Herzog/ Philip Bartz, jeweils für VolkswagenStiftung.
Frau Hartmann, Herr Schütte, die "VolkswagenStiftung" hat eine Studie "Wissenschaftskulturen in Deutschland" in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse jetzt veröffentlicht werden. Grundlage waren Fokusgruppen, Interview und Workshops mit Wissenschaftlern aller Karrierestufen und Wissenschaftsexperten aus dem In- und Ausland. Bevor wir über deren Inhalte sprechen: Ich hätte gedacht, als größter privater Forschungsförderer in Deutschland kennen Sie die Wissenschaftslandschaft auch ohne Studie in- und auswendig.
Georg Schütte: Sozialwissenschaftliche Forschung bietet immer den Vorteil, Aussagen, die man als gegeben hinnimmt, noch einmal kritisch zu hinterfragen. Wir waren motiviert durch eine Studie, die im Jahr 2020 von den Kolleginnen und Kollegen des Welcome Trust in Großbritannien durchgeführt wurde, Titel: "What researchers think about the culture they work in." Wir wollten wissen: Was kommt dabei raus, wenn wir dieselbe Frage in Deutschland stellen? Gibt es verbreitete Annahmen über unser Wissenschaftssystem, die sich, wenn man mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern spricht, als längst überholt herausstellen? Es ging uns um das stille Wissen, das alle Insider in sich tragen, aber nur selten nach außen artikulieren.
Und, gibt es solche Annahmen?
Schütte: Und ob. Das zeigte sich, noch bevor wir die Studie überhaupt gestartet hatten, in den Gesprächen, die wir mit den Mitgliedern unseres Beraterkreises geführt haben. Schon da wurde uns klar: Wir reden nicht nur über eine Wissenschaftskultur im Wandel, wir reden über viele Wissenschaftskulturen, die abhängig von den einzelnen Disziplinen geprägt sind von jeweils ganz eigenen Regeln, Annahmen, Standards und Verhaltensweisen.
Das ist noch nicht wirklich überraschend.
Schütte: Ja, aber wie genau unterscheiden sich diese disziplinären Kulturen, entwickeln sie sich auseinander oder aufeinander zu? Da haben wir tief hineingeschaut und festgestellt, dass sich aus den Besonderheiten der einzelnen Fächer durchaus Schlussfolgerungen für allgemeine, gemeinsame Problemlagen ziehen lassen. Ein Beispiel: In den Geisteswissenschaften werden Doktorandenstellen mit einem Umfang von 65 oder 75 Prozent als gängig angesehen und man meint, dass die Stelleninhaber gleichwohl Vollzeit arbeiten sollen. In den Technikwissenschaften oder in der Informatik werden dagegen 100-Prozent-Stellen angeboten. Begründung: weil der Arbeitsmarkt außerhalb der Wissenschaft, Stichwort Konkurrenz, das eben so erfordere. Diese auffällige Diskrepanz zwischen den Fächern wurde nicht groß hinterfragt. Unsere Schlussfolgerung als Stiftung aber lautet: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Hier sehen wir unsere Aufgabe als Forschungsförderer: Wie können wir dazu beitragen, einen akademischen Arbeitsmarkt zu schaffen, der gerade zu Karrierebeginn gerecht ist und fächerunabhängig hinreichende Zukunftsaussichten bietet?
"Die Bereitschaft zur Selbstausbeutung und dazu, schlechte Arbeitsbedingungen in Lehre und Forschung als gegeben zu akzeptieren, ist geschwunden"
Henrike Hartmann: Das war für uns von Anfang an das Ziel hinter der Studie: Wir wollten nicht nur herausfinden, wie es um die Wissenschaftskulturen in Deutschland bestellt ist, wir wollten Konsequenzen für unser Förderhandeln ableiten. Was in der Befragung klar herauskommt, ist der grundlegende Wechsel des Selbstverständnisses zwischen früheren Wissenschaftlergenerationen und der heutigen. Früher wurde Wissenschaft als Berufung gesehen, heute als Beruf. Die Bereitschaft zur Selbstausbeutung und dazu, schlechte Arbeitsbedingungen in Lehre und Forschung als gegeben zu akzeptieren, ist geschwunden.
Und was bedeutet das für die "VolkswagenStiftung"?
Schütte: Wir haben zwei konkrete Konsequenzen gezogen. Erstens: Wir wollen verstärkt semi-stabile Forschungsgruppen unterstützen, also Teams, deren Mitglieder sich teilweise aus den Inhabern von Dauerstellen rekrutieren. Diese wechseln nur für die Laufzeit ins Projekt und werden nur so lange aus den Projektmitteln bezahlt. Oft heißt es in den Universitäten, die Anforderung, Drittmittel einzuwerben, liege quer zu dem Ziel, die Befristungsquote unter den Mitarbeitern zu senken. Darauf reagieren wir. Zweitens wollen wir die bereits laufende Debatte über die Bewertungssysteme in der Wissenschaft befördern.
Bleiben wir zuerst bei den, wie Sie es nennen, "semi-stabilen" Teams. Wie wollen Sie mehr davon an die Hochschulen bekommen?
Schütte: Indem wir alle, die Fördergelder bei uns beantragen, stärker in die Verantwortung nehmen. Mit jedem Förderantrag muss künftig nicht nur ein Stellenkonzept eingereicht werden, sondern auch überzeugend begründet und dargelegt werden, wie und warum einzelne Personen auf welcher Qualifikationsstufe dauerhaft beschäftigt werden oder nicht und welche Perspektiven es für Beschäftigte auf Projektstellen gibt. Wir wollen so einen Denkprozess anstoßen.
Hartmann: Wenn ein Doktorand eingestellt wird für ein Projekt, passiert das oft nicht aus einer inhaltlichen Begründung heraus, sondern weil Postdocs teurer sind. Wir verlangen nun aber, dass genau begründet wird, ob und wie eine bestimmte Beschäftigung zur Weiterqualifizierung der vorgesehenen Person passt. Bei Postdoc-Stellen wollen wir genauso wissen: Ist die geplante Aufgabe wirklich ein sinnvoller Start in eine wissenschaftliche Karriere hinein? Wie sieht es mit der Betreuung aus? Erhält jemand Fertigkeiten, die ihm oder ihr auch den nichtakademischen Arbeitsmarkt weiterhelfen? Oder wird da jemand speziell für den akademischen Markt qualifiziert – und wenn ja, wie steht es um seine Anschlussoptionen? Klar ist der Postdoc auch selbst für sein Fortkommen verantwortlich. Aber wer übernimmt Mitverantwortung für seine Zukunft? Und wie wird das im Projekt abgebildet?
"Begründet aus euren Fachkulturen heraus, welche Stellenkonstellationen und Perspektiven ihr für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schaffen wollt."
Ziemlich viele Fragen, die auf einen gemeinsamen Mindeststandard bei den akademischen Karrierewegen abzielen. Wie aber passt ein gemeinsamer Standard für alle zu der zuvor von Ihnen betonten Unterschiedlichkeit der Wissenschaftskulturen? Haben Sie keine Angst vor einem Gleichmacherei-Vorwurf?
Schütte: Ich kann da keinen Widerspruch erkennen, weil wir auf einer übergeordneten Ebene argumentieren und den einzelnen Fachgebieten keine Vorschriften machen, wie es zu sein hat. Wir stellen aber die Anforderung: Begründet aus euren Fachkulturen heraus, welche Stellenkonstellationen und Perspektiven ihr für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schaffen wollt. Für einige Disziplinen mag das stärker eine neue Herangehensweise sein als für andere.
Und für einige Fächer erhöhen Sie so womöglich entscheidend die Barrieren für einen Antrag um Fördergelder der "VolkswagenStiftung".
Hartmann: Das kann schon sein. Aber für uns darf nicht die absolute Zahl der Anträge entscheidend sein, sondern dass sie wirklich durchdacht sind im Interesse aller Beteiligten. Wenn dann im Ergebnis der eine oder die andere entscheidet, dass sie unseren Bedingungen nicht entsprechen können, hilft das zur Klärung.
Die Aufrufe, dass die Hochschulen aus Drittmitteln mehr Dauerstellen schaffen sollen, hörte man zuletzt häufiger, auch aus der Politik. Bei den verantwortlichen Kanzlern lösen solche Appelle mitunter Kopfschütteln aus. Das würde man ja gern, sagen sie, aber die konkreten Verwendungsvorschriften, das Kleingedruckte, lasse genau das meist nicht zu.
Schütte: Wir versuchen, in unserer Förderung möglichst ohne Kleingedrucktes auszukommen. Das heißt natürlich, dass wir auch riskante Forschungsprojekte ermöglichen. Die Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen sollen Freiräume zum Ausprobieren haben. Aus Dingen, die nicht klappen, lernt man. Allerdings muss man, wenn es um Menschen geht, besonders vorsichtig sein und darf nicht zu weit ins Risiko gehen. Das ist das Spannungsfeld, und das versuchen wir zu bearbeiten.
Hartmann: Das entspricht dem Selbstverständnis der Stiftung, Impulse zu geben, Strukturbildung zu betreiben. Das umfasst zwangsläufig nicht nur die Forschung selbst, sondern auch die administrativen Vorgänge drumherum. Das Ziel ist zu zeigen, dass es auch anders gehen kann.
"Viele Fragestellungen. Die Studie ermutigt uns, sie weiter anzugehen."
Sie sprachen vorhin von der zweiten Schlussfolgerung, die Debatte über die Bewertungssysteme in der Wissenschaft zu befördern. Was haben Sie vor?
Hartmann: Wir haben nicht nur vor, wir machen bereits. Wir haben eine Ausschreibung gestartet, um das Wissen über die vorhandenen Bewertungssysteme und ihre Funktionsweisen zu erhöhen. Die Anträge liegen jetzt auf dem Tisch, und sie zeigen eine erfreuliche Vielfalt mit diversen nationalen und internationalen Konsortien, die sich mit allen Dimensionen von Bewertung beschäftigen wollen: vom Publikationswesen über die Frage, welche Themen besonders gut laufen, bis hin zum Umgang mit Wissenschaftspreisen. Wir gehen jetzt in die Begutachtung, in einem halben Jahr wissen wir, wer in die Förderung kommt. Die Resonanz auf die Ausschreibung zeigt schon einmal die Relevanz der Frage.
Schütte: Das war eine glückliche Koinzidenz. Wir hatten die Ausschreibung gestartet, bevor die Ergebnisse der Studie vorlagen. Beides passt jetzt sehr gut zusammen. Wir müssen, das wird aus der Studie sehr deutlich, fragen: Wie wird Reputation zugeschrieben in der Wissenschaft? Wie werden Erfolge und Misserfolge gemessen, und wie ist das System organisatorisch und prozedural aufgestellt, um mit der Vielfalt der Anträge noch qualitativ angemessen umzugehen? Also viele Fragestellungen. Die Studie ermutigt uns, sie weiter anzugehen.
Zur Wahrheit gehört, dass auch die "VolkswagenStiftung" dieses Bewertungssystem durch die Vielzahl von Antragsverfahren und Begutachtungen weiter füttert. Viele Wissenschaftler fühlen sich durch das ständige Begutachtetwerden, aber auch durch das ständige Begutachten überlastet.
Hartmann: Weshalb wir schon länger gegensteuern. Neu ist, dass alle Begutachtenden bei uns an einer Verlosung teilnehmen. Als Gewinn gibt es 25mal 10.000 Euro Fördergeld zum Aufbau und zur Pflege internationaler Wissenschaftskooperationen.
Damit ändern Sie nicht das System, sondern verschaffen sich lediglich einen Vorteil im Konkurrenzkampf um die zu wenigen Gutachter.
Hartmann: Dieser Vorwurf wäre berechtigt, wenn wir einfach die Honorare für alle erhöhen würden und dadurch den Wettbewerb der Förderer anheizen würden. Genau das tun wir aber nicht. Sondern wir greifen bewusst die verbreitete Kritik auf, die Arbeit, die Begutachtende leisten, werde nicht ausreichend gesehen. Durch die Verlosung machen wir sie sichtbar. Und durch die vorgegebene Verwendung der Gelder profitiert nicht ein einzelner, die begutachtende Person, sondern, wenn es weise eingesetzt wird, eine Gruppe von Wissenschaftlern, darunter auch die am Beginn ihrer Karriere. Aber zugegebenermaßen handelt es sich um ein Experiment. Wir machen das jetzt für ein Jahr und vergleichen dann die Quote der Ab- bzw. Zusagen potenzieller Gutachter mit der Zeit vor der Verlosung. Bislang ist die Resonanz, die wir bekommen, positiv.
Das mit dem Verlosen machen Sie bei der "VolkswagenStiftung" an anderer Stelle schon länger. Bei manchen Ausschreibungen wählt die Jury zunächst nur die allerbesten Vorhaben aus, die übrigen brauchbaren Anträge gehen in einen Topf, und aus dem wird nach dem Zufallsprinzip eine weitere Anzahl zur Förderung gezogen. Hat sich das bewährt?
Hartmann: Nach anfänglicher Kritik und Zurückhaltung hat sich in der Community die Erkenntnis durchgesetzt, dass Losverfahren in bestimmten Ausschreibungen durchaus sinnvoll sein können. Inzwischen wurde die Idee von vielen Förderern aufgegriffen, auch großen öffentlichen wie dem FWF in Österreich oder dem Schweizer Nationalfonds.
"Manchmal besteht unser Lernen auch darin, etwas Neues wieder zu lassen."
In welchen Situationen sind Losverfahren denn sinnvoll?
Hartmann: Immer da, wo die Gefahr besteht, dass die Peer-Review-Begutachtung allein unkonventionelle und risikoreiche Projektanträge benachteiligen könnte.
Aus einer ähnlichen Motivation haben Sie vor Jahren auch sogenannte Förderjoker eingeführt. Die ermöglichen es einzelnen Jurymitgliedern, ein Projekt für die Förderung durchzusetzen, auch wenn die Mehrheit der Gutachter nicht dafür ist.
Hartmann: Und da haben wir gemischte Erfahrungen gemacht, abhängig von den Disziplinen. In den Lebenswissenschaften hat sich der Förderjoker bewährt, um neues Forschungsterrain zu erschließen, mit sogenannten High-Risk-High-Gain-Anträgen. Wo also das Risiko eines Scheiterns sehr hoch ist, der mögliche Ertrag aber eben auch. Anders sieht es in den diskursintensiven Wissenschaften aus, da haben wir erlebt, dass über den Förderjoker Schulenstreits ausgetragen wurden. Das schafft unnötig Kontroversen, weshalb wir den Förderjoker in diesen Wissenschaften nicht mehr einsetzen. Manchmal besteht unser Lernen auch darin, etwas Neues wieder zu lassen.
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Am Horizont zeichnet sich langsam eine Klärung im Urheberrechtsstreit zwischen der Musikgruppe Kraftwerk und dem Musikproduzenten Moses Pelham ab. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / imagebrokerBis heute ist rechtlich ungeklärt, ob das Zwei-Sekunden-Sample eines Musikstücks als Nachahmung gilt oder nicht. Nun könnte das von der Band Kraftwerk losgetretene Endlosverfahren endlich sicherstellen, dass sich solche Schnipsel legal verwenden lassen.
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Netzneutralität bezeichnet die Gleichbehandlung aller Daten auf Ihrem Weg durch Datennetze.
Durch diese Gleichbehandlung, die in vielen Ländern gesetzlich geregelt ist, wird unter anderem vorgeschrieben, dass Netzanbieter nicht befähigt sind, bestimmte Datenpakete von Websites, Informationsdiensten aller Art sowie Web-Basierter Produkte wie beispielsweise Netflix, Google, Spotify (und abertausenden anderen), zu verlangsamen oder zu blockieren. Doch diese Art der Netzneutralität ist im Vorreiterland der Digitalisierung, der USA, stark gefährdet. Die unter Donald Trump personell umgebaute FCC, genauer "Federal Communications Comission" plant, die Regulierungen der Netzneutralität in ihrer Sinnhaftigkeit zu beschneiden. Die FCC sieht vor, das von der Formulierung her unumstößliche Gesetz aus den Regulierungen zur Netzneutralität herauszunehmen. Netzanbieter sollen dafür eine Passage in ihre AGB's (die bekannterweise niemand liest und von den Unternehmen jederzeit geändert werden können), aufnehmen, die besagt. dass sie sich "freiwillig bereit erklären" keine Internetdienste zu benachteiligen.
Donald Trump, der enge Beziehungen zu Milliardär und Medienmogul Rupert Murdoch pflegt (zu dessen Imperium gehört unter anderem der Rechtskonservative Sender FOX News), bat diesen nach seiner Wahl zum Präsidenten um Vorschläge für den Vorsitz des FCC. Dieser wurde ein Mann namens Ajit Pai, der unter anderem bereits beim Kommunikationskonzern Verizon, ein ausgesprochener Gegner der Netzneutralität tätig war.
Die FCC bietet auf ihrer Website für Bürger die Möglichkeit, ihre Anliegen mitzuteilen. Diese Möglichkeit nutzte der Late-Night Show Host John Oliver (HBO) auf die Problematik der Abschaffung der Netzneutralität hinzuweisen:
Diese überlasteten mit einer sehr hohen Anzahl darauf das System. In einer späteren Phase, in der die FCC das System wieder öffnete, zählte die FCC 22 Millionen Nachrichten, von denen nach Recherchen nur 800.000 valide (nicht fake) waren, die zu 99% für die Erhaltung der Netzneutralität waren. Die FCC will zur Aufklärung dieses Sachverhaltes allerdings keine Daten an die Öffentlichkeit weitergeben .
Lange Rede kurzer Sinn, es ist mutzumaßen, dass sich in dieser Sache die großen Kommunikationskonzerne mithilfe der Politik gegenüber den Belangen des Bürgers durchsetzen, und die Gefahr besteht, dass diese das Internet weiter verkommerzialisieren und unter sich aufteilen. Und diese Entwicklung könnte langfristig auch Konsequenzen für die Gesetzgebung in der EU haben, da hiesige Konzerne hier eine Wettbewerbsverzerrung proklamieren könnten und somit Stimmen laut werden könnten, die eine Anpassung des EU-Rechts fordern, um US-Konzernen zumindest teilweise Paroli bieten zu können.
Die FCC plant, eine Abstimmung (die höchstwahrscheinlich gegen die Netzneutralität ausfallen wird) am 14. Dezember abzuhalten. 28 US-Senatoren haben sich unter anderem wegen der fragwürdigen Bürgerbefragung mit einem Brief an das FCC gewendet, um die Abstimmung bis zur Klärung des Sachverhalts zu verzögern.
Update:
Die FCC hat am 14. Dezember mit 3 zu 2 (along party line, Republikaner in der Mehrzahl) für die Abschaffung der Netzneutralität gestimmt. Dies ist noch aber nicht das Ende der Fahnenstange, da der Senate Minority Leader (Sprecher der Minderheitsfraktion im Senat, aktuell die Demokraten) für eine Abstimmung im Senat angekündigt hat, um die Aufhebung der Netzneutralität zu blockieren. Weiterhin haben mehrere Aktivisten und Staatsanwälte Klagen gegen den Beschluss der FCC angekündigt.
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In diesem Beitrag stellt Carina Ahnefeld folgenden Aufsatz vor: Busch, Klaus (2019): Rechtspopulismus in der EU – Bedrohung für den Integrationsprozess; WSI Mitteilungen 72, 2/2019, S. 125-132, online unter: https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/0342-300X-2019-2-125.pdf.Der vorliegende Artikel behandelt den Rechtsruck, der in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu verzeichnen ist. Zudem behandelt er Ursachen und Folgen. Klaus Busch versucht in seinem Artikel ebenfalls, den Handlungsspielraum der EU zu schildern, beispielsweise im Bereich der Migration.Ursachen für das Erstarken des RechtspopulismusBereits seit den Europawahlen im Jahr 2014 war ein Erstarken der politischen Rechten Europas erkennbar. Busch nennt fünf Faktoren, die jene Verschiebung bedingen:Ökonomische Entwicklung des LandesEntwicklung der sozialen Ungleichheit und deren WahrnehmungPolitische Stabilität / Instabilität des StaatesMigrations- und FlüchtlingsfragenHistorisch-kultureller Faktor (vgl. S. 125)Die Gewichtung der genannten Faktoren ist dabei von Nation zu Nation unterschiedlich. Ersichtlich wird das bei der Betrachtung von fünf Länderbeispielen, die anhand der Faktoren Erklärungen liefern und verdeutlichen sollen, warum der Rechtspopulismus immer mehr an Zulauf gewinnt.ItalienGründe für den Erfolg rechtspopulistischer Parteien sind im Fall Italiens besonders sozioökonomische Faktoren, aber auch die politische Instabilität. Damit bewirken besonders der erste und dritte Faktor, dass Italien eines der Länder ist, das am stärksten von Rechtspopulismus betroffen ist. Die immer noch anhaltende Bankenkrise, die hohe Arbeitslosenquote und eine Stagnation des Wirtschaftswachstums (vgl. S. 125) bedingen ökonomische Krisen im Land. Aber auch das Parteiensystem ist gezeichnet von Skandalen und Korruptionsaffären, die Misstrauen in die Politik säen. Beide Faktoren bieten den idealen Nährboden für rechtspopulistische Parteien. Spätestens seit der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 wird die Migration (siehe Faktor 4) genutzt, um Sündenböcke zu kreieren, die Verantwortung für die Krisen im Land übernehmen sollen (vgl. S. 126).FrankreichIn Frankreich gehört der Front National (FN), mittlerweile Rassemblement National (RN), zu den Parteien der politischen Rechten. Ersichtlich wird dies bei Betrachtung der Wahlergebnisse besonders zur Präsidentschaftswahl. Hier trat die Vorsitzende des RN bereits zu drei Präsidentschaftswahlen an und erreichte gegen Frankreichs amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron bereits zwei Mal die Stichwahl. Während Le Pen 2017 nur 33,9% der Stimmen erhielt, konnte sie 2022 41,46 % der Stimmen auf sich vereinen, was eine deutliche Verkürzung des Abstands zeigt (vgl. S. 126).Auch in Frankreich ist die Wachstumsrate des BIP gering, hinzu kommen eine hohe Arbeitslosenquote, die bei ca. 10% liegt. Zahlreiche Versuche früherer Präsidenten, diese Spannungen und Krisen zu überwinden, schlugen fehl. Des Weiteren empfinden sich einige Franzosen als Globalisierungsverlierer und nehmen den Euro als Einflussfaktor auf die Krisen im Land wahr. Aber auch der Umgang mit Migrationspolitik scheint seinen Beitrag zu leisten. Die Arbeitslosenquote bei Migranten liegt mit 20% doppelt so hoch wie bei Franzosen ohne Migrationshintergrund. Damit tragen in Frankreich die Faktoren 1, 2 und 4 zum Erstarken rechtspopulistischer Parteien bei (vgl. S. 126).ÖsterreichIn Österreich spielt der Rechtspopulismus eine entscheidende Rolle. Wie auch in den anderen Ländern, kam es während der Finanzkrise zu einem Rechtsruck, der auch Parteien wie die ÖVP erfasste. Die ökonomischen Faktoren spielen in Österreich eine tragende Rolle, die sich bei den Löhnen, der Arbeitslosenquote und einem Sparkurs bemerkbar machen. Hinzu kommen Unsicherheiten aufgrund der Globalisierung und einer voranschreitenden Europäisierung (vgl. S. 126). Für die sozialen und politischen Konfliktlinien positioniert sich die FPÖ als Ansprechpartner. Sie fährt einen Kurs, der sich gegen EU, Globalisierung und Migration richtet. Für sie bot die Flüchtlingskrise ebenfalls eine Möglichkeit, aus Migranten Sündenböcke zu machen. Österreich ist von denselben Einflussfaktoren betroffen wie andere Länder der EU.NiederlandeIn den Niederlanden wurde lange Zeit ein strikter Sparkurs gefahren, der sich besonders in der Verringerung von Leistungen des Wohlfahrtsstaats bemerkbar machte. Vor allem der Gesundheitsbereich, die Renten und das Bildungssystem waren davon betroffen. Hinzu kam eine Befeuerung der sozialen Ungleichheit im Land durch die Finanzkrise, die am Anstieg der Arbeitslosigkeit ersichtlich wird. Begleitet wird diese Entwicklung vom Gefühl sozialer Bedrohung und der Angst vor einem Niedergang der sozialen Stellung. Rechtspopulistische Parteien wie die PVV versuchen, die Migration als Ursache für die Sparmaßnahmen zu nehmen. Dabei tritt das typische Feindbild des Islam in den Vordergrund. Auch hier spielen die Faktoren 1, 2 und 4 eine entscheidende Rolle (vgl. S. 127).DeutschlandAuch wenn Klaus Busch Deutschland im Verhältnis zu anderen Ländern als stabil einstuft, sieht er einen großen Einflussfaktor in den ungleichen Verhältnissen im Land (vgl. S. 127). Damit geht die Angst vor einem sozialen Niedergang einher. Des Weiteren fühlen sich die Menschen in den neuen Bundesländern wie "Bürger zweiter Klasse". Politisch gesehen kann man besonders im Hinblick auf das Parteiensystem einen Wandel feststellen, der sich an den Wahlergebnissen der Volksparteien gut ablesen lässt. Entscheidend in Deutschland ist aber der historisch-kulturelle Faktor, der mitverantwortlich für eine (noch) verhältnismäßige Eindämmung des Rechtspopulismus ist. So ist die Hemmschwelle aufgrund der Aufarbeitung deutscher Geschichte (noch) recht hoch, eine Partei rechts außen zu wählen (vgl. S. 128).Auswirkungen auf das politische SystemDaraufhin gibt Busch einen Überblick über die Entwicklung des Rechtspopulismus in den zuvor genannten Ländern und nennt Auswirkungen auf das politische System. In Italien gab es bereits in den 1990er Jahren einen Aufschwung rechtskonservativer bis -populistischer Parteien. Von 1994 bis 2011 stellte beispielsweise Silvio Berlusconi vier Kabinette. 2018 kam die Movimento Cinque Stelle zusammen mit der Lega Nord in die Regierung. Linke Parteien können dem Erstarken der politischen Rechten nicht entgegenwirken. Entscheidend ist aber, dass sozioökonomische Probleme nicht gelöst, sondern durch die Haushaltspolitik verstärkt werden.Das politische System der Niederlande vollzieht seit den 1990er Jahren einen Wandel. Damals vereinten die CDA (Christen-Democratisch Appèl), die PvDA (Partij van de Arbeid) und VVD (Volkspartij voor Vrijheid en Democratie) fast 80% der Wählerstimmen auf sich. Seit den 2000er Jahren ist das Parteiensystem zunehmend fragmentiert (vgl. S. 128).In Frankreich markierten die Parlamentswahlen 2017 eine Zeitenwende. Es kam zu einer Abkehr vom bisherigen System mit der Parti Socialiste und den Republikanern. Seitdem wird die Regierung von Emmanuel Macrons Partei "La République en Marche (LREM)" gestellt, die sich als Partei der Mitte einstuft. Dabei sind in der Opposition unter anderem der "Rassemblement National" vertreten. Das System weist allerdings Instabilitäten auf, wie eine schwache Organisation des LREM oder die Gelbwesten.In Österreich war die rechtspopulistische FPÖ bereits an der Regierung beteiligt. Auch in Deutschland kam es zu einem Umbruch im Parteiensystem, der sich im Machtverlust der Volksparteien CDU und SPD zeigt. Dabei ist die Union selber von einem Rechtsruck betroffen, den man auf das Erstarken der politischen Rechten zurückführen kann.Aber auch Auswirkungen auf die EU-Parlamentswahlen sind nicht von der Hand zu weisen. EU-Skeptiker, die nationalistische Einstellungen in den Vordergrund stellen, könnten einen Zuwachs an Wählerstimmen verzeichnen (vgl. S. 129).Busch beschreibt die aktuelle Lage damit, dass die Europäische Union mit unterschiedlichen Krisen zu kämpfen hat, ohne Lösungen für diese zu finden. Dazu kommen immer mehr Blockaden. Zu den Krisen zählen unter anderem Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten Ungarn und Polen.Grundsätzlich lässt sich als Reaktion auf den Rechtspopulismus eine Verschärfung im Umgang mit Migration beobachten. Für die EU werden allerdings die Fragen der Verteilung von Flüchtlingen unter den Mitgliedsstaaten zur Zerreißprobe. Während der Flüchtlingskrise zeigten sich die Schwächen der Dublin-Abkommen und offenbarten, dass es dringenden Reformbedarf gibt. Um Flüchtlingsströmen vorzubeugen, setzt man auf eine Abschottungsstrategie und stärkt den Ausbau von Frontex.Busch spricht zudem vom "Ausbau von "Ausschiffungsplattformen" in Drittstaaten (Kasernierung der auf der Flucht aufgegriffenen Migranten zur Klärung ihres Status)" aber auch vom "Aufbau von "internen Zentren" in den Mitgliedsstaaten (Kasernierung von Flüchtlingen zur Klärung ihres Status und Einleitung von Umsiedlungs- und Neuansiedlungsmaßnahmen (…)". Erkennbar ist dabei, wie sich die EU bereits den Positionen der Rechtspopulisten annähert, die kritisch zu betrachten sind.Da es jederzeit zur Blockade einzelner Länder kommen kann, setzt die EU auf das "Prinzip der Freiwilligkeit". Problematisch ist allerdings daran, dass sich dadurch die Verteilungsfrage nicht lösen lässt und sich einzelne Staaten ihrer Verantwortung entziehen können. Bei späteren Gipfeln konnten ebenfalls keine wesentlichen Erfolge erzielt werden. Einzig beim Ausbau von Frontex konnte man sich einigen (vgl. S. 130).Seit der Eurokrise wurden die Schwachstellen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) deutlich. Als Reaktion darauf entstand eine Diskussion über den Reformbedarf des Euro (vgl. S. 130). 2012 wurden erst Pläne vorgelegt, die Reformvorschläge enthielten, wie beispielsweise die Frage nach einer kollektiven Schuldentilgung. Besonders Emmanuel Macron brachte im Jahr 2017, angeregt durch die Kommission, die Debatte über Reformen erneut auf den Plan. Diese befassten sich unter anderem mit einer Vergrößerung des EU-Haushalts. Macron brachte zudem einen separaten Haushalt für Krisenzeiten ins Spiel.Die meisten Anregungen scheiterten aufgrund mangelnder Unterstützung. Diese ging sowohl von Merkel als auch von der "hanseatischen Liga" aus, zu der auch Belgien, Österreich oder die Niederlande zählen. Frankreich zeigte sich dabei enttäuscht über den geringen Zusammenhalt mit Deutschland (vgl. S. 131).So kam es 2018 dazu, dass sowohl Frankreich als auch Deutschland Pläne vorlegten für einen Haushaltsplan, welcher ebenfalls scheiterten. Zu schlecht standen die Chancen bereits zu Beginn, da einige Mitgliedsstaaten Bedenken äußerten.Das Erstarken der Rechten bewirkt eine zunehmend nationalistische und kritische Einstellung der EU gegenüber, die Folgen für die Handlungsfähigkeit hat. Anhand der genannten Punkte lassen sich Auswirkungen des Rechtspopulismus nicht von der Hand weisen und machen klar, dass der Rechtsruck in Europa Einfluss auf das Klima in der Europäischen Union hat und zu einer Blockade von innen führen kann.
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In Polen gibt es aktuell etwa 1,3 Millionen Ukrainer, darunter besteht die große Mehrheit aus Arbeitsmigranten. Wegen der aktuellen Lage hat die polnische Regierung auch neue gesetzliche Regelungen verabschiedet, die es ermöglichen, potentiellen ukrainischen Flüchtlingen Hilfe zu leisten. Regionen wurden gebeten, die Kapazitäten für die Aufnahme von Flüchtlingen zu übermitteln.Schritte der polnischen RegierungDie polnische Regierung hat sich seit mehreren Tagen auf die Zuspitzung der Lage in der Ukraine vorbereitet. Am 19. Februar 2022 wurde das Regierungsprogramm – "Unterstützung der Ukrainer" beschlossen. Premierminister Mateusz Morawiecki hat auch interministerielle Teams ernannt: für die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine in der Republik Polen und für die Aufnahme von Verletzten aus dem Gebiet der Ukraine in der Republik Polen.Die polnische Regierung versichert, dass jeder Ukrainer, der nach Polen einreisen will, hereingelassen werden wird und bleiben darf. Der stellvertretende Außenminister Marcin Przydacz hat unterstrichen, dass "die Kapazität der polnischen Grenzübergänge sogar bis zu mehreren zehntausend Menschen pro Tag beträgt. Je nach Verlauf des Konflikts können wir also nicht nur mit Tausenden, sondern mit Hunderttausenden und vielleicht sogar noch mehr Menschen rechnen". Er fügte hinzu: "Natürlich werden wir versuchen, all diese Menschen hier unterzubringen". Die lokalen Behörden sollen Listen von Einrichtungen vorlegen, die für die Unterbringung von Ausländern in Frage kommen. Die Woiwoden, also die Regierungsvertreter in den Regionen, haben die Bürgermeister gebeten: "Sie sollten vorrangig solche Zentren angeben, die in weniger als 48 Stunden in Betrieb genommen werden können und Flüchtlinge aufnehmen können. Bitte geben Sie aber auch alle Orte in Ihren Gemeinden an, die für die Aufnahme von Flüchtlingen in Frage kommen, und nennen Sie die dafür benötigte Zeit". Zu den Gebäuden, die besonders zu berücksichtigen sind, gehören Pensionen, Erholungs- und Ausbildungszentren, Wohnheime, Schlafsäle, Hotels und verschiedene Arten von Hallen: Hörsäle, Messen und Sporthallen. Als wichtige Eigenschaften dieser Orte gelten der Zugang zu sanitären Einrichtungen und die Möglichkeit, Verpflegung zu organisieren.Antwort der KommunenInzwischen wurde bekannt gegeben, dass mehrere Städte und Kommunen solche Orte schon mitgeteilt haben. Die Zahlen sind jedoch nicht vergleichbar und in meisten Fällen nicht öffentlich bekannt. Die Behörden teilen mit, dass sie die Möglichkeiten prüfen und diesbezüglich in Kontakt mit der zentralen Verwaltung stehen. Um ein paar Beispiele zu nennen:Die Stadt Warschau hat etwa 30 Standorte ermittelt, die für die Unterbringung von Flüchtlingen in Frage kommen, die Stadt Tschenstochau 13 (mit insgesamt 1100 Plätzen). Die Woiwodschaft Kleinpolen wäre bereit, 150 000 Personen aufzunehmen, die Stadt Allenstein 60 Personen. Und der Landkreis Kielce hat rund 200 Einrichtungen, in denen Plätze für Sammelunterkünfte ausgewiesen werden können, genannt.Das Krisenmanagementzentrum der jeweiligen Provinz wird diese Orte überprüfen und entscheiden, ob sie in die Pläne aufgenommen werden. Die Kosten sollen vom polnischen zentralen Haushalt getragen werden.Am 24. Februar (Donnerstag) schrieben die Bürgermeister der 12 größten polnischen Städte in einem Appell an die Regierung: "Die Verpflichtung, Flüchtlingen zu helfen, wird eine große Herausforderung für die Kommunen sein, der wir uns gerne stellen. Daher fordern wir die Regierung auf, den lokalen Regierungen dringend konkrete Informationen über geplante rechtliche und finanzielle Lösungen in dieser Angelegenheit zukommen zu lassen".Aufruf der ExpertenPolnische Migrationsexperten unterstützen diese Vorbereitungen, warnen aber gleichzeitig, dass man eine gute generelle Strategie braucht. In ihrem Aufruf (der einige Tage vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine publiziert wurde) schreiben sie: "Die Ankunft vieler Tausend Menschen in Polen erfordert ein Umdenken und die Vorbereitung eines Hilfssystems, vor allem die Klärung des Rechtsstatus der Ankommenden, die Vorbereitung auf die Aufnahme großer Menschengruppen an der Grenze und die Einrichtung von Aufnahmestellen dort sowie die Planung langfristiger systemischer Hilfe für den Fall, dass der Konflikt anhält. Sie erfordert auch einen garantierten Zugang zu sozialer und medizinischer Hilfe und neue rechtliche Lösungen, einschließlich der Einführung humanitärer Visa und vorübergehender Schutzmaßnahmen, die in einer Situation angewendet werden könnten, in der Zehn- oder sogar Hunderttausende von Kriegsflüchtlingen in Polen ankommen würden. Sicherlich könnten viele der Flüchtlinge zu ihren in Polen oder anderen EU-Mitgliedstaaten lebenden Familien nachziehen."Experten befürchten, Polen sei als staatliches System und als eine Reihe von Institutionen oder logistischen Ressourcen nicht bereit eine Million Flüchtlinge (von dieser Zahl war am 24. Februar die Rede) aufzunehmen. "Wir sind nicht in der Lage, eine Million Menschen in einem kurzen Zeitraum unterzubringen. Der Hauptgrund dafür ist das völlige Fehlen eines Dialogs zwischen den Stellen, die hier zusammenarbeiten könnten und sollten - Kommunalverwaltungen, Regierungen, der Nichtregierungssektor. Es gibt keine Einigung und keinen Dialog zwischen diesen Ebenen", sagt Agnieszka Kosowicz vom Polnischen Migrationsforum.Andere Stimmen – aus dem Wirtschaftssektor – unterstreichen, dass die polnische Wirtschaft Arbeitskräfte braucht, was die Aufnahme von Migranten erleichtern werde. Der polnische Arbeitsmarkt ist laut Schätzungen in der Lage, innerhalb von sechs Monaten etwa 0,5 Millionen Arbeitskräfte zu absorbieren, weitere 200 000 könnten später hinzukommen. So können insgesamt 700 000 Menschen nicht nur eine Unterkunft, sondern auch Arbeit finden. In dieser Hinsicht betonen die Experten, es sei von entscheidender Bedeutung, dass für diejenigen, die ein humanitäres Visum oder internationalen Schutz beantragen, ein Schnellverfahren für alle Formalitäten eingerichtet wird, damit sie eine Beschäftigung in Polen aufnehmen können. Dadurch können sie sich schneller anpassen. Es wäre empfehlenswert, wenn die Arbeitsgeber den Flüchtlingen die Möglichkeit einer Lohnvorschusszahlung nach der ersten Arbeitswoche anbieten würden. So können die Geflüchteten von Anfang an ihren Lebensunterhalt sichern.Entwicklung der Lage seit dem 24.FebruarAm Donnerstag, den 24.02., wurde bekanntgegeben, dass es an der Grenze neun Empfangsstellen geben wird, jeweils vier in den Woiwodschaften Lubelskie und Podkarpackie und eine weitere am Bahnhof in Przemyśl. Der Transport der Flüchtlinge ins Land wird von der Feuerwehr organisiert. Laut dem polnischen Gesundheitsminister gibt es bereits eine Liste von 120 Krankenhäusern im ganzen Land, in denen Verletzte aus der Ukraine aufgenommen werden können. Insgesamt geht man derzeit davon aus, dass mehrere tausend Patienten aufgenommen werden könnten.Die Ausländerbehörde wird eine Hotline und eine spezielle Website einrichten. Das Sicherheitszentrum der Regierung hat außerdem eine Nachricht vorbereitet, die per SMS verschickt wird, "damit diejenigen, die nach Polen einreisen, umfassend über die Hilfe informiert sind, die wir anbieten können", wie aus der Regierung zu hören ist.Jeder Flüchtling, der die Grenze überschreitet, wird ein Flugblatt erhalten, auf dem in vier Sprachen Grundinformationen für Flüchtlinge stehen, u.a. Adressen der Empfangsstellen, Telefonnummern und die Internetseite www.ua.gov.pl, wo man weitere Informationen erhalten kann.Reaktionen von verschiedenen SeitenIn Anbetracht der aktuellen Situation in der Ukraine haben viele Notare im ganzen Land beschlossen, keine Gebühren für die Beglaubigung von Unterschriften auf Dokumenten zu erheben, die z.B. der Ausstellung eines Kinderpasses und der Ausreise aus der Ukraine gelten, sowie auf anderen Dokumenten, die für Ukrainer in der aktuellen Situation notwendig sind.Das Polnische Rote Kreuz (PCK) startet eine Spendenaktion unter dem Slogan #napomocUkraine. Das PCK ist bereit, Hilfe für ukrainische Staatsbürger zu organisieren, die von dem bewaffneten Konflikt betroffen sind.
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Exakt 20 Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 kündigte der derzeit amtierende US-Präsident Joe Biden den Abzug aller amerikanischen Truppen aus Afghanistan an. "Es ist Zeit, Amerikas längsten Krieg zu beenden" (Böhm 2021, 92). Bereits vor dem Einmarsch amerikanischer und britischer Truppen am 7. Oktober 2001, bekannt als die Operation "Enduring Freedom", hatte Amerika Stützpunkte der in Afghanistan ansässigen Terrorgruppe Al-Qaida attackiert. Der Grund hierfür waren die durch Mitglieder der Gruppe geplanten und durchgeführten Anschläge auf amerikanische Botschaften in Tansania und Kenia im Jahr 1998. "Aber die Schwelle der Kriegserklärung gegen Terroristen wurde nicht überschritten, auch um Letztere politisch nicht aufzuwerten" (Böhm 2021, 94).Als Wendepunkt gilt der 11. September 2001. Neunzehn Terroristen der Terrorgruppe Al Qaida entführten vier Passagierflugzeuge. Zwei dieser Flugzeuge wurden in die Twin Towers des World Trade Centers gesteuert. Ein weiteres zerstörte den westlichen Teil des Pentagons in Washington. Das vierte stürzte in einem Feld in New Jersey ab. Insgesamt starben durch diese vier Flugzeuge fast 3000 Menschen aus 80 verschiedenen Ländern (vgl. Hoffmann 2006, 47).Die Anschläge veränderten die Wahrnehmung der durch den Terrorismus bestehenden Bedrohung. Bereits wenige Tage nach den Anschlägen verkündete der damalige US-Präsident George W. Bush den "Global War on Terror" (Böhm 2021, 92), eine Kriegserklärung an den Terrorismus. Damit definierte er die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus als Krieg.Neben dieser Auslegung gilt auch die Interpretation des Verhältnisses zwischen terroristischen Gruppierungen und Amerika feindlich gesinnten Staaten als entscheidend. Unmittelbar nach den Anschlägen wurde zunächst nur die Bekämpfung der Terrorgruppe Al-Qaida und des Taliban-Regimes in Afghanistan priorisiert. In den darauffolgenden Monaten wurden neben diesen auch den Terrorismus unterstützende, autoritäre Staaten und Staaten mit Zugang oder Beschaffungsmöglichkeiten von Massenvernichtungswaffen zu möglichen Zielen von Militäraktionen zur Bekämpfung des Terrorismus (vgl. Böhm 2021, 92; Kahl 2011, 19).Durch die Anschläge am 11. September 2001 wurde neben der "seit längerem bekannte Dimension der internationalen Kooperation von terroristischen Gruppen […] die neue Dimension der transnationalen Kooperation, Durchführung, Logistik und Finanzierung terroristischer Gewalt deutlich" (Behr 2017, 147).Im Rahmen dieses Beitrags wird der Terrorismus als eine Herausforderung für die Vereinten Nationen vor und nach den Anschlägen vom 11. September 2001 thematisiert. In diesem Zusammenhang wird der Frage nachgegangen, inwiefern diese die Sicherheitspolitik der Vereinten Nationen beeinflusst haben. In einem ersten Schritt wird eine Klärung des Begriffs Terrorismus vorgenommen. Im Anschluss daran wird auf die Strategien der Vereinten Nationen zur Bekämpfung des Terrorismus vor dem 11. September 2001 eingegangen. Darauf folgt eine Darstellung der direkten Reaktionen der internationalen Staatengemeinschaft auf die Anschläge. In einem letzten Schritt werden die daraus resultierenden Folgen für die internationale Sicherheitspolitik näher beleuchtet.BegriffsklärungIn einem ersten Schritt gilt es nun, den Begriff des Terrorismus näher zu definieren. Der Begriff leitet sich von dem lateinischen Wort terror ab, das als Schrecken oder Furcht übersetzt werden kann (vgl. Pfahl-Traughber 2016, 10). Nach dem Terrorismusexperten Bruce Hoffmann wird unter dem Begriff des Terrorismus die "bewusste Erzeugung und Ausbeutung von Angst durch Gewalt oder die Drohung mit Gewalt zum Zweck der Erreichung politischer Veränderung" (Hoffmann 2006, 80) verstanden.Dementsprechend ist eine terroristische Tat zunächst einmal gekennzeichnet durch die Androhung oder die Ausübung von Gewalt. Im Hinblick auf die Intensität der ausgeübten Gewalt wird deutlich, dass keine humanitären Konventionen respektiert werden und terroristische Anschläge sich oft durch "besondere Willkür, Unmenschlichkeit und Brutalität" (Waldmann 2005, 14) auszeichnen."Die Gewalttat hat primär einen symbolischen Stellenwert, ist Träger einer Botschaft, die in etwa lautet, ein ähnliches Schicksal kann jeden treffen, insbesondere diejenigen, die den Terroristen bei ihren Plänen im Wege stehen" (Waldmann 2005, 15). Basierend auf dieser Tatsache bezeichnet der Soziologe Peter Waldmann den Terrorismus "primär [als] eine Kommunikationsstrategie" (Waldmann 2005, 15).Auf der psychologischen Ebene verfolgt der Terrorismus das Ziel, über die unmittelbaren Ziele und Opfer hinaus bei einer bestimmten Gruppe Furcht hervorzurufen, um für deren Einschüchterung zu sorgen. Als Zielgruppe kommt neben Staaten, Regierungen und einzelnen religiösen oder ethnischen Gruppen auch die allgemeine öffentliche Meinung in Frage (vgl. Hoffmann 2006, 80).Davon ausgehend verfolgt der Terrorismus mit der Erzeugung von Furcht und Schrecken auf der politischen Ebene das Ziel, das Vertrauen in eine bestehende politische Ordnung zu erschüttern (vgl. Waldmann 2005, 16). Im Hinblick auf die politische Dimension des Terrorismus grenzt Waldmann diesen bewusst vom Staatsterrorismus ab. Nach Waldmann kennzeichnen terroristische Anschläge ihre planmäßige Vorbereitung und ihre Aktivität aus dem Untergrund heraus.Im Gegensatz dazu handelt es sich bei Staatsterrorismus um ein Terrorregime, errichtet durch staatliche Machteliten. Von Seiten des Staates kann zwar Terror gegenüber seinen Bürgern ausgeübt werden, er ist jedoch nicht in der Lage, die genannten Strategien gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen (vgl. Pfahl-Traughber 2016, 17; Waldmann 2005, 12).Bei den Akteuren handelt es sich um einen Zusammenschluss von Handlungswilligen, die sich in annähernd bürokratischen Strukturen organisieren, wobei Hierarchien und informelle Abhängigkeiten entstehen. In den meisten Fällen verfügen diese Gruppierungen über eine "geringe quantitative Dimension […] handelt es sich doch überwiegend um kleinere Personenzusammenschlüsse von wenigen Aktivisten" (Pfahl Traughber 2016, 12).Diese agieren im Untergrund, da sie weder über den erforderlichen Rückhalt innerhalb einer Bevölkerung noch über die erforderliche Kampfstärke verfügen. Am Beispiel von Al-Qaida in Afghanistan wird deutlich, dass ein Hervortreten aus dem Untergrund, beispielsweise durch die Errichtung von Lagern, das Risiko impliziert "angegriffen und vernichtet zu werden" (Waldmann 2006, 13).Hinsichtlich der Bezeichnung werden im Sprachgebrauch zwei Arten von Terrorismus, der internationale und der transnationale Terrorismus, unterschieden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob das Phänomen des Terrorismus eher als international oder transnational zu bezeichnen ist. Nach Steinberg zeigt sich aus historischer Sicht ein fließender Übergang von dem internationalen Terrorismus hin zum transnationalen Terrorismus.Der internationale Terrorismus zeichnet sich in erster Linie durch "zahlreiche grenzüberschreitende Aktionen [aus], bei denen häufig vollkommen unbeteiligte Bürgerinnen und Bürger fremder Staaten zu Schaden kamen." (Steinberg 2015). Ferner ist für den internationalen Terrorismus charakteristisch, dass die terroristischen Aktivitäten durch Staaten unterstützt werden. Zu den Unterstützerstaaten in der Vergangenheit zählten insbesondere Verbündete der ehemaligen Sowjetunion wie beispielsweise Syrien oder Libyen.Als historisches Beispiel für den internationalen Terrorismus gelten die Attentate auf israelische Sportler*innen während der Olympischen Spielen in München 1972 durch palästinensische Terroristen. Mit dem Fall der UdSSR verloren diese Staaten ihren Schutz vor Sanktionen westlicher Nationen. Damit endete nach und nach auch die Unterstützung terroristischer Gruppierungen. Es folgte ein fließender Übergang vom internationalen Terrorismus hin zum transnationalen Terrorismus.Der Unterschied besteht darin, dass die terroristischen Aktivitäten nicht mehr durch einen Staat unterstützt werden. Die Gruppierungen werden privat mit Geld und Waffen unterstützt oder bauen eigene, substaatliche Logistik- und Finanzierungsnetzwerke auf. Der Terrorismus gilt zudem als transnational, "weil sich die terroristischen Gruppen auf substaatlicher Ebene länderübergreifend miteinander vernetzen und sich dementsprechend aus den Angehörigen verschiedener Nationalitäten zusammensetzen" (Steinberg 2015).Basierend auf diesen Erkenntnissen ist ab den 1990er Jahren nicht mehr von internationalem Terrorismus, sondern vielmehr von transnationalem Terrorismus zu sprechen (vgl. Steinberg 2015). Dies hat auch Auswirkungen auf die Organisationsstrukturen terroristischer Gruppierungen. Sie zeichnen sich durch "Dezentralisierung, Entterritorialisierung und durch Überlagerung und Fragmentierung zwischen wechselnden, funktional orientierten Akteuren aus" (Behr 2017, 150).Ein Beispiel für den Übergang von einer internationalen Organisation hin zu einem transnationalen Netzwerk stellt die im Zusammenhang mit dem 11. September 2001 stehende Terrorgruppe Al-Qaida dar. Vor den Anschlägen galt sie als eine internationale Organisation, die über ein "recht einheitliches Gebilde" (Hoffmann 2006, 425) verfügt. In Folge der Reaktionen auf die Anschläge entwickelte sie sich als eine transnationale Bewegung "mit gleich gesinnten Vertretern an vielen Orten, die über ein ideologisches und motivierendes Zentrum locker miteinander verbunden sind, aber die Ziele dieses noch verbleibenden Zentrums gleichzeitig und unabhängig voneinander verfolgen" (Hoffmann 2006, 425).Nach Vasilache ist "der gebräuchliche Terminus des internationalen Terrorismus irreführend, da er keine gängige Strategie eines Staates gegen einen anderen, sondern ein transnationales Phänomen ist, das vor Staatsgrenzen nicht halt macht" (Vasilache 2006, 151). Als Begründung führt er an, dass terroristische Anschläge oftmals von einzelnen Gruppierungen ausgehen, wobei auf die unterschiedlichen Motive in einem nächsten Schritt eingegangen wird. Weiterhin begründet er seine Aussage mit der Tatsache, dass das Ziel von staatlich initiiertem Terrorismus nicht direkt ein anderer Staat ist, sondern vielmehr zivile Ziele verdeckt attackiert werden (vgl. Vasilache 2006, 151).Anders als Steinberg spricht Vasilache also nicht von einer historischen Veränderung vom internationalen Terrorismus hin zum transnationalen Terrorismus, sondern bezeichnet das Phänomen Terrorismus generell als transnational. Da beide in der Ansicht übereinstimmen, zum Zeitpunkt der Anschläge am 11. September 2001 handele es sich um die transnationale Form des Terrorismus, wird im weiteren Verlauf von transnationalem Terrorismus gesprochen.Im Hinblick auf die Motive terroristischer Gruppierungen können im Wesentlichen vier Motive benannt werden, die sich überschneiden oder einander angleichen können. In diesem Zusammenhang wird von der Tatsache ausgegangen, dass terroristische Gruppierungen mit ihren Zielen und ideologischen Rechtfertigungen nicht zufällig entstehen, "sondern einen bestimmten gesellschaftlich-historischen Hintergrund widerspiegelt, der seinerseits wieder durch ihr Vorgehen eine spezifische Aktivierung erfährt" (Waldmann 2005, 100).Der sozialrevolutionäre Terrorismus möchte die politischen und gesellschaftlichen Strukturen nach der Ideologie von Karl Marx verändern (vgl. Waldmann 2005, 99). Ein Beispiel hierfür stellt die Rote Armee Fraktion (kurz: RAF) dar, die in den 1970er Jahren in Deutschland terroristische Anschläge verübte.Wenn unterdrückte Völker oder Minderheiten das Ziel von mehr politischer Autonomie oder staatlicher Eigenständigkeit mit terroristischen Strategien verfolgen, handelt es sich um ethnisch-nationalistischen Terrorismus. Als Exempel hierfür kommt die baskische ETA infrage, die aus einer Studierendenorganisation heraus entstanden ist und sich in den 1960er Jahren zunehmend radikalisierte (vgl. Waldmann 2005, 103f.).Unter die dritte Form des Terrorismus, "der militante Rechtsradikalismus" (Waldmann 2005, 115), fallen unterschiedliche Gruppen wie beispielsweise die Ku-Klux-Klan-Bewegung in Amerika. Trotz der unterschiedlichen Ausprägungen können bei all diesen Gruppen im Wesentlichen zwei Merkmale ausgemacht werden: zunächst einmal kämpfen sie für den Erhalt bestehender Strukturen und wollen keine strukturellen Veränderungen hervorrufen. Zudem richtet sich diese Form des Terrorismus in erster Linie nicht gegen das politische System, sondern vielmehr gegen einzelne Gruppen der Gesellschaft (vgl. ebd., 115). Ferner kennzeichnet den rechtsradikalen Terrorismus auch eine andere Strategie und eine andere Erscheinungsform. Bei den Aktivisten handelt es sich um "Teilzeitterroristen" (ebd., 117), die typischerweise in ihrer Freizeit agieren. Ihre Aktivitäten sind nicht im Untergrund, sondern werden vielmehr offen durchgeführt. Hinzu kommt, dass die Anschläge teils geplant und teils spontan erfolgen, mit dem Ziel, die Opfer zum Verlassen des Ortes oder Landes zu bewegen (vgl. ebd., 117f.).Bei der vierten Form des Terrorismus handelt es sich um religiös motivierten Terrorismus. Beispiel hierfür ist die bereits mehrfach angesprochene Terrorgruppe Al-Qaida. Sie entstand als Reaktion auf den Angriff der Sowjetunion auf Afghanistan Ende der 1970er Jahre. Die Brutalität der Invasion sorgte für eine große Solidarität innerhalb der islamischen Welt und führte zu einem Zuzug von zahlreichen islamischen Glaubenskämpfer*innen aus anderen Ländern, darunter auch Osama Bin Laden. Dieser gewann im Laufe der 1980er Jahre immer mehr an Einfluss und gründete mit dem Abzug der Sowjets Ende des Jahrzehnts Al Qaida mit dem Ziel, an einer anderen Front weiterzukämpfen. Es erfolgte ein Strategiewechsel "des Djihads nach innen, gegen verräterische Herrscher in den islamischen Staaten, auf die Strategie eines Djihads nach außen, gegen den Westen" (ebd., 152).Ein definitorisches Problem von Terrorismus ergibt sich aus der Tatsache, dass auf der internationalen Ebene bislang keine einheitliche Definition gefunden wurde. Im Rahmen der Resolution 1566 aus dem Jahr 2004 definierte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den Begriff Terrorismus wie folgt als "Straftaten […], die mit dem Ziel begangen werden, die ganze Bevölkerung, eine Gruppe von Personen oder einzelne Personen in Angst und Schrecken zu versetzten, eine Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen […]" (UN-Resolution1566 2004).Neben dieser existieren weitere nationale und internationale Definitionen, wie unter anderem die der Europäischen Union oder die Definitionen einzelner amerikanischer Behörden. Auf der politischen Ebene können die Schwierigkeiten hinsichtlich einer einheitlichen Definition anhand folgender Punkte näher beleuchtet werden: zunächst einmal werden Handlungen von unterschiedlichen Staaten unterschiedlich eingestuft. Für die einen handelt es sich um gewalttätige terroristische Angriffe; andere stufen die Aktivitäten als politisch legitimierte Handlungen in Ausübung des Selbstverteidigungsrechts während eines nationalen Befreiungskampfes ein.Ferner herrscht Uneinigkeit darüber, ob eine Definition auch den Staatsterrorismus umfassen sollte oder ob sie lediglich die motivationalen Hintergründe der Täter umfasst. Anhand der genannten Schwierigkeiten wird deutlich, dass die Einschätzung, ob es sich bei der Bedrohung um eine terroristische Bedrohung handelt und ob es sich bei der Organisation um eine terroristische Organisation handelt, dem nationalen Verständnis oder dem Verständnis der jeweiligen Institution unterliegt. Folglich könnte die Klassifizierung missbraucht werden, um ungewünschte innerstaatliche Gruppierungen oder andere mit dem Begriff zu stigmatisieren und deren Verfolgung zu rechtfertigen (vgl. Finke/Wandscher 2001, 168; Kaim 2011, 6).Abschließend gilt es noch zu klären, ob terroristische Aktivitäten als Kriegshandlungen bezeichnet werden können oder ob vielmehr eine Trennung der beiden Begriffe erforderlich ist. Als unmittelbare Reaktion auf die Anschläge des 11. Septembers bekundete Amerika immer wieder seinen Krieg gegen den Terror. Neben Präsident Bushs "global war on terror" sprach auch der amerikanische Verteidigungsminister Donald H. Rumsfeld im Zuge der Anschläge von einer neuen Kriegsart, "die sich vor allem neuer Technologien bedienen, asymetrisch verfahren und deswegen auch nicht leicht zu erkennen sein würde" (Czempiel 2003, 113).Diese Verwendung des Kriegsbegriffes in Verbindung mit terroristischen Anschlägen offenbart einen strategischen Zug der US-Regierung. "Dehnt man den Kriegsbegriff auf terroristische Akte aus, legitimiert dies den Angegriffenen auch zu Kriegshandlungen" (Geis 2006, 12). Der Regierung ist es infolgedessen möglich, über rechtsstaatliche Mittel hinaus Maßnahmen zu ergreifen und sie kann zudem von einer breiten Unterstützung innerhalb der eigenen Bevölkerung ausgehen (vgl. Geis 2006, 12). Bei der Frage, ob der transnationale Terrorismus als eine Form des Krieges bezeichnet werden kann, offenbart sich aus politikwissenschaftlicher Sicht eine erhebliche Kontroverse.Neben der Kategorisierung zwischen den alten und neuen Kriegen existiert auch die Unterscheidung zwischen großen und kleinen Kriegen. Diese "basiert auf der Art der Vergesellschaftungsform der Kriegführenden" (Geis 2006, 21). Im Fall des großen Krieges sind die Akteure in gleichem Maß vergesellschaftet, ein Staat kämpft gegen einen anderen Staat. Im Falle eines kleinen Krieges besteht eine "asymetrische Konfliktstruktur zwischen ungleich vergesellschaftlichen Akteuren: Staatliche Kombattanten treffen auf nichtstaatliche Kämpfer" (Geis 2006, 21).Ob unter die kleinen Kriege auch der Terrorismus zu subsumieren ist, ist jedoch umstritten. Zunächst einmal wird dagegen angeführt, dass der Preis auf normativer Ebene zu hoch sei. Eine Unterscheidung beider bedeutet einen Fortschritt des Völkerrechts, da die Trennung immer eine Unterscheidung zwischen politisch legitimierter Gewalt im Zuge einer Kriegshandlung und illegitimer Gewalt, ausgeübt im Zuge eines Verbrechens, ermöglicht.Hinzu kommen Bedenken "bezüglich der Folgen eines ungehegten Counterterrorismus der angegriffenen Staaten" (Geis 2006, 22). In einem permanenten Kriegszustand hätten demokratische Staaten die Möglichkeit, die Erweiterung des Sicherheitsapparates und Bürgerrechtseinschränkungen zu legitimieren (vgl. ebd., 21f.). Als weiteres Argument wird angeführt, dass eine Trennung beider Begriffe aus analytischer Sicht sinnvoll sei, da es sich beim Terrorismus primär um eine Kommunikationsstrategie handele. Dieser fehlen neben der territorialen Dimension auch die wechselseitig beständige Gewaltanwendung und das Charakteristikum eines Massenkonflikts (vgl. ebd., 23).Für eine Subsumierung des Terrorismus unter den Kriegsbegriff spricht insbesonders die Sichtweise der Vereinten Nationen, die im Zuge der Anschläge vom 11. September 2001 den Vereinigten Staaten von Amerika das Recht auf Selbstverteidigung gemäß Art. 51 UN-Charta zugesprochen hat (vgl. Resolution 1373 2001). Auf diese Tatsache wird zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal eingegangen. Anschließend wird der Sichtweise der Vereinten Nationen gefolgt und folglich der Terrorismus unter den Begriff des Krieges subsumiert.Reaktionen der Vereinten Nationen auf Terrorismus vor dem 11. September 2001In einem nächsten Schritt gilt es, auf die Reaktionen der Vereinten Nationen auf das Phänomen des Terrorismus vor dem 11. September 2001 einzugehen. Hierbei wird zunächst auf das unterschiedliche Verständnis in Bezug auf den Sicherheitsbegriff näher eingegangen. Seit den 1970er Jahren gilt nicht mehr nur die politische Souveränität und die territoriale Integrität der einzelnen Staaten als das zu schützende Objekt der Sicherheitspolitik.Neben der zu schützenden staatlichen Sicherheit geriet auch die Gesellschaft, definiert als ein "Zusammenschluss von Individuen" (Kaim 2011, 3), in den Mittelpunkt sicherheitspolitischen Handelns. In den 1990er Jahren erfolgte die Aufnahme einer weiteren Dimension in Gestalt der menschlichen Sicherheit in den Diskurs rund um den Sicherheitsbegriff und die damit verbundenen Aufgaben. Nach diesem Verständnis ist die Sicherheit, die Freiheit und der Wohlstand des Individuums zu schützen. Es zeigt sich jedoch, dass die Dimensionen in der politischen Praxis nicht getrennt voneinander betrachtet werden können. Der Schutz des Individuums umfasst ebenso die Gesellschaft, in der es lebt, und letzlich auch den Staat (vgl. Kaim 2011, 3f.).Aus sicherheitspolitischer Perspektive gilt der "Terrorismus als entterritorialisiertes Sicherheitsrisiko" (Behr 2017, 151), das zu drei Konsequenzen führt. Zunächst einmal sind terroristische Aktivitäten nicht voraussagbar. Es besteht das Risiko, dass sie sich zu jeder Zeit an jedem Ort ereignen können. Hinzu kommt, dass die Akteure anders als Staaten keine politische Einheit darstellen. Vielmehr ereignen sich einzelne, verstreut zusammenhängende Handlungen ohne einen genau ausmachbaren Anfang oder Ende. Folglich kann auf das sicherheitspolitische Risiko Terrorismus nur reagiert werden, wenn die Maßnahmen "Handlungs- und Organisationslogiken transnationaler Politik erfassen und übernehmen" (Behr 2017, 151).Die Problematik des transnationalen Terrorismus als Herausforderung für die Vereinten Nationen und ihrer Sonderorganisationen führte zu einer Reihe von Abkommen mit der Intention der Beseitigung und Bekämpfung der Problematik. In diesem Zusammenhang kristallisierte sich ein pragmatischer Ansatz heraus. "[B]esonders häufig auftretende terroristische Aktivitäten [wurden] zum Gegenstand spezifischer Konventionen gemacht" (Finke/Wandscher 2001, 169).Nahezu alle von der Generalversammlung und den Sonderorganisationen verabschiedeten Abkommen können aufgrund bestimmter Kernelemente als Antiterrorkonventionen bezeichnet werden. Zu den besagten Kernelementen gehört zunächst einmal die Verpflichtung der Vertragsstaaten, die in dem jeweiligen Abkommen genannte strafbare Handlung in das jeweilige innerstaatliche Recht aufzunehmen und angemessen zu bestrafen.Hinzu kommt, dass verdächtige Personen entweder durch den Staat selbst zu verfolgen sind oder an einen anderen, verfolgungswilligen Staat ausgeliefert werden müssen. Eine Auslieferung kann nur dann verweigert werden, wenn das Auslieferungsgesuch aufgrund religiöser, ethischer, nationaler, rassistischer oder politischer Gründe erfolgt ist. Ferner sind die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, untereinander zu kooperieren und sich gegenseitig Rechtshilfe zu gewähren (vgl. Finke/Wandscher 2001, 169).Das erste derartige Übereinkommen stellt das Haager Abkommen von 1970 zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen dar. Darauf folgte das Montrealer Abkommen von 1971 zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt (vgl. ebd., 169). Die besagten Abkommen ordnen bestimmten Aktivitäten zwar das Adjektiv terroristisch zu, stufen diese jedoch nicht als Bedrohung des Weltfriedens ein oder führen zu der Anordnung von Zwangsmaßnahmen gemäß Kapitel VII der UN-Charta durch den Sicherheitsrat.Dies änderte sich mit der Explosion einer Bombe an Bord des Pan-American-Flugs 103 über der schottischen Ortschaft Lockerbie im Jahr 1988. Hier wurden zwei Staatsangehörige Libyens für die Anschläge verantwortlich gemacht, und das Land von den Vereinigten Staaten und Großbritannien zu deren Auslieferung aufgefordert. Der libysche Staat verweigerte das. Als Reaktion darauf wurde der Terrorakt im Rahmen der Resolution 731 durch den Sicherheitsrat als Bedrohung des Weltfriedens gemäß Kapitel V Artikel 24 eingestuft.Durch Resolution 748, ebenfalls 1992 verabschiedet, wurde die Nichtauslieferung durch Libyen als "eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit" (Finke/Wandscher 2001, 171) bezeichnet und Zwangsmaßnahmen gemäß Kapitel VII UN-Charta gegen das Land erlassen (vgl. Behr 2017, 147; Finke/Wandscher 2001, 170f.).Der Einsatz von Zwangsmaßnahmen gemäß Kapitel VII der UN-Charta erwies sich als wirksames Mittel der Terrorismusbekämpfung im Hinblick auf die Durchsetzung bestimmter Maßnahmen. Hierunter fallen insbesonders Maßnahmen, die zwar Gegenstand geltender Antiterrorkonventionen sind, diese durch die betreffenden Staaten jedoch nicht ratifiziert wurden oder die Konvention selbst noch nicht in Kraft getreten ist (vgl. Finke/Wandscher 2001, 171).Diese Strategie des Sicherheitsrates etablierte sich insbesonders hinsichtlich der Situation in Afghanistan. In Folge der Anschläge auf amerikanische Botschaften in Nairobi und Daressalam erließ der Sicherheitsrat mit der Resolution 1267 Individualsanktionen gegen die afghanischen Taliban. Der Grund hierfür war die Tatsache, dass diese den Verantwortlichen für die Anschläge, der Terrorgruppe Al-Qaida und ihrem Anführer Osama bin Laden, Unterstützung gewährte.Insbesonders durch das Einfrieren der finanziellen Mittel, aber auch durch ein Waffenembargo und ein Reiseverbot, sollten diese zur Auslieferung Bin Ladens gezwungen werden. Um die Umsetzung dieser Maßnahmen zu gewährleisten, setzte die Resolution zudem einen Unterausschuss des Sicherheitsrates ein (vgl. Kreuder-Sonnen 2017, 159).Direkte Reaktionen der Staatengemeinschaft auf den 11. September 2001Als erste Reaktion auf die Anschläge des 11. September 2001 wurde vom Sicherheitsrat bereits am Tag nach den Anschlägen die Resolution 1368 erlassen. In dieser wurde der Terrorismus einstimmig als "Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit" (UN-Resolution 1368 2001) im Sinne von Art. 39 UN-Charta bezeichnet. Zugleich wurde auf das Recht zur individuellen und zur kollektiven Selbstverteidigung verwiesen (vgl. UN-Resolution 1368 2001).Noch im gleichen Monat, am 28 September 2001, wurde das Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung mit Resolution 1373 bekräftigt und die internationale Staatengemeinschaft aufgefordert, "durch terroristische Handlungen verursachte Bedrohungen […] mit allen Mitteln im Einklang mit der Charta zu bekämpfen" (Resolution 1373 2001).Neben dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen reagierte auch der Nordatlantikrat umgehend. Am 12. September erklärte der damalige Generalsekretär George Robertson die Anschläge zum kollektiven Verteidigungsfall, wodurch Artikel 5 des NATO-Vertrages in Kraft trat. Nach diesem ist jeder Mitgliedstaat verpflichtet, mit von ihm ausgewählten Mitteln zu helfen (vgl. Robertson 2001).Aus amerikanischer Sicht dienten die Anschläge nicht nur dem Zweck der Tötung von amerikanischen Zivilisten, "Bush sah darin die gesamte westliche Zivilisation herausgefordert" (Czempiel 2003, 114). In seiner Rede am 20. September 2001 warnte der amerikanische Präsident alle Staaten hinsichtlich der Unterstützung und der Beherbergung von Terroristen. Innerhalb der Regierung wurde hinsichtlich der Bekämpfungsstrategie "offen von Präemption gesprochen" (Czempiel 2003, 115).Als Adressaten der amerikanischen Drohung kamen insgesamt 60 Länder mit aktiven terroristischen Organisationen in Frage (vgl. ebd., 114). Auch wenn die meisten Attentäter der Anschläge ursprünglich aus Saudi-Arabien stammten, erhärtete sich zunehmend der Verdacht, dass ihre Aktivitäten von Afghanistan aus gelenkt wurden. Im Zuge dessen wurde das Land als "Prototyp" (ebd., 115) für die Terrorismusbekämpfung ausgewählt. Mit der Operation "Enduring Freedom" starteten amerikanische und britische Truppen am 7. Oktober 2001 Angriffe auf Talibanstützpunkte wie etwa auf Regierungsgebäude in Kandahar und Kabul (vgl. Bruha/ Bortfeld 2001, 162; Czempiel 2003, 115).Der Umstand, dass sich am Tag nach den Anschlägen der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit diesen befasste "ist ein erstaunlicher Beweis für die politische Klugheit der USA" (Tomuschat 2002, 20) hinsichtlich der Legitimation der Reaktion auf diese. In diesem Zusammenhang gilt es sich jedoch zu fragen, ob die genannten Resolutionen das Land tatsächlich zu einem Recht auf Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 UN-Charta legitimieren.In Resolution 1368 findet sich in Bezug darauf ein entscheidender Widerspruch, welcher die rechtlich bedeutsamen Aussagen schwer greifbar macht. Dieser bekräftigt das Recht auf individuelle und kollektive Sicherheit im Sinne der Charta, bezeichnet die Angriffe jedoch lediglich als eine Bedrohung des globalen Friedens und der Sicherheit. Die bekundete Entschlossenheit, die Bedrohung "mit allen Mitteln zu bekämpfen" (UN 2001, 315), kann nicht als eine Ermächtigung für einzelne Staaten aufgefasst werden, sondern steht für die grundsätzliche Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft.Anders als Resolution 1368 enthält Resolution 1373 mehr rechtlich eindeutige Aussagen. Bereits in der Präambel wird auf die Anwendung der Maßnahmen gemäß Kapitel VII UN-Charta verwiesen. Zudem bestätigt sie die Zulässigkeit des Einsatzes "aller Mittel" durch die Opfer von terroristischen Anschlägen (vgl. UN 2001, 316f.). Es zeigt sich also, dass eine Berechtigung zu der Ausübung des Selbstverteidigungsrechts gemäß Art. 51 UN-Charta durch die Vereinigten Staaten im Rahmen der genannten Resolution durchaus vorliegt (vgl. Tomuschat 2002, 20f.).Nun stellt sich die Frage, ob die Verbindungen zwischen den Anschlägen und dem Taliban-Regime derart offensichtlich waren, dass die militärischen Aktionen gegen die Taliban in Afghanistan unter die Ausübung des Selbstverteidigungsrechts fallen. In diesem Zusammenhang kann man sich nicht auf die genannten Resolutionen berufen, da diese nicht aufzeigen, "gegen wen Gegenwehr zulässig sein soll" (Tomuschat 2002, 21). Folglich gilt es, die Reaktionen des Sicherheitsrates und der Generalversammlung näher zu betrachten.Es zeigt sich, dass beide Institutionen die amerikanisch-britische Militärintervention nicht verurteilten. Vielmehr verabschiedete der Sicherheitsrat am 12. November 2001 einstimmig Resolution 1377. In dieser wurde der Terrorismus als "eine der schwerwiegendsten Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit im 21. Jahrhundert" (UN-Resolution 1377 2001) bezeichnet. Mit dieser Qualifikation wurde implizit der Einsatz von äußersten Mitteln gestattet, da die Resolution keine "Grenzen und Schranken von Gegenmaßnahmen enthält" (Tomuschat 2002, 21). Letztendlich kann man also davon ausgehen, dass die Vereinten Nationen die Ausübung des Selbstverteidigungsrechts gemäß Art. 51 UN-Charta durch die USA als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 zumindest implizit gebilligt haben (vgl. Tomuschat 2002, 21f.).Als Reaktion auf die Anschläge wurden die bislang geltenden Individualsanktionen gegen die afghanischen Taliban und das Terrornetzwerk Al-Qaida mithilfe der Resolution 1390 zu allgemeinen, dauerhaft geltenden Maßnahmen gegen den transnationalen Terrorismus umgewandelt. Damit wurde nicht nur der Adressatenkreis erweitert, es wurde zusätzlich auch die räumliche und die zeitliche Begrenzung aufgehoben.Jede Person, die von einem Staat als Terrorverdächtiger genannt wurde, bekam ab diesem Zeitpunkt die Sanktionen im Hinblick auf das Privatleben, das private Eigentum, auf den Sozialstatus und das Unterhalten von geschäftlichen Beziehungen zu spüren. Fundierte Beweise für eine Aufnahme in die sogenannte "Schwarze Liste" (Kreuder-Sonnen 2017, 160) durch die Staaten waren ebenso wenig notwendig wie eine Begründung gegenüber dem Individuum (vgl. Kreuder- Sonnen 2017, 160).Folgen für die SicherheitspolitikAngesichts der aufgezeigten Gegenmaßnahmen als direkte Reaktion auf die Anschlage des 11. Septembers 2001 wird deutlich, dass man "bezüglich der Reaktion auf den Terrorismus von einer neuen Ära" (Waldmann 2005, 229) ausgehen muss. Es zeigt sich, dass sowohl bei diesen Anschlägen als auch bei terroristischen Anschlägen in den Folgejahren "die durchschnittliche Zahl der Opfer pro Anschlag […] kontinuierlich ansteigt" (Waldmann 2005. 16).Infolgedessen spricht auch Waldmann im Kontext von terroristischen Anschlägen von Kriegshandlungen. Seiner Ansicht nach hat das zunehmende Ausmaß der Anschläge dazu geführt, dass diese nicht mehr als `low intensity´ war, sondern vielmehr als `high intensitiy´ war eingestuft werden müssen. Der Grund hierfür ist seiner Ansicht nach die Tatsache, dass der Begriff des low intensity war neben dem fehlenden Einsatz von konventionellem Kriegsgerät und größeren Truppenverbänden auch einen begrenzten Personen- und Sachschaden impliziert (vgl. Waldmann 2005, 16f.).Auf der internationalen Ebene spiegelten sich die Reaktionen auf das zunehmende Ausmaß der Anschläge vor allem in den zahlreich erlassenen Konventionen und Resolutionen wieder. Hinzu kommt die Tatsache, dass terroristische Anschläge erstmals zu militärischen Interventionen in Länder geführt haben, die sich in erheblicher Entfernung von dem betroffenen Land befinden. Zumindest im Fall von der militärischen Intervention in Afghanistan herrschte eine seltene Einigkeit zwischen den Großmächten im Sicherheitsrat.Ferner führten die Ereignisse zu einem erheblichen Medieninteresse (vgl. Waldmann 2005, 229). Anhand dessen lässt sich "[d]ie neue Einschätzung des gewaltigen, vor allem dem internationalen Terrorismus zugeschriebenen Drohpotentials" (ebd., 230) feststellen. Diese führte zu drei als signifikant zu bezeichnenden Veränderungen im Hinblick auf die Politik und die Einstellung in Bezug auf den Terrorismus (vgl. ebd., 230).Zunächst einmal bewirkte der transnationale Terrorismus in den westlichen Nationen nicht nur einen "politischen Rechtsruck" (ebd., 230) aller regierenden Parteien. Er wirkte sich auch auf alle Ebenen der Gesellschaft aus. Dieser Wandel auf der nationalen Ebene wirkte sich auch auf die Entscheidungen internationaler Gremien aus. Die bislang vorhandene Balance zwischen der individuellen und kollektiven Sicherheit auf der einen Seite und den Grund- und Freiheitsrechten auf der anderen Seite hat sich zunehmend zugunsten des Sicherheitsaspektes verschoben (vgl. ebd., 230).Insbesonders um den Informationsaustausch zwischen den Staaten gewährleisten zu können und damit ein gemeinsames Vorgehen gegen die Bedrohung zu ermöglichen, wurden internationale Instanzen zur Koordinierung geschaffen (vgl. Behr 2017, 151; Waldmann 2005, 231). Ferner erfolgte eine erhöhte Aufmerksamkeit und Ressourcenbereitstellung für national und international agierende Behörden hinsichtlich terroristischer Aktivitäten und damit verbunden eine Reihe neuer, zu diesem Zweck erlassener Gesetze.Neben dem Informationsaustausch wurden auch die Möglichkeiten der Polizei und anderer Instanzen erweitert, um Anschläge bereits im Planungs- und Vorbereitungsstadium erkennen und verhindern zu können. Hierzu gehören beispielsweise Einreiseverbote für Mitglieder islamistischer Gruppierungen. Neben den erweiterten präventiven Maßnahmen wurden auch Notfallszenarien entwickelt, die im Fall eines Anschlags in Kraft treten (vgl. Waldmann 2005, 232).Im Hinblick auf die dargestellten Veränderungen stellt sich in einem nächsten Schritt die Frage, inwiefern weitere Maßnahmen aus der Sicht der Vereinten Nationen erforderlich sein könnten. Nach dem Terrorismusexperten Peter Waldmann "wird keine Unterscheidung zwischen Maßnahmen auf der nationalen und der internationalen Ebene getroffen, weil beide längst immer enger ineinander greifen und in die gleiche Richtung zielen" (Waldmann 2005, 239).Als zentrale Handlungsmaxime benennt Waldmann in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Strategien gegenüber terroristischen Netzwerken beziehungsweise dem Terrorismus im Allgemeinen "klar, konsistent und glaubhaft" (Waldmann 2005, 239) sein sollen. Hinsichtlich des Umgangs mit dem islamistischen Terrorismus besteht die größte Problematik darin, dass westliche Nationen ihre Glaubhaftigkeit bezüglich ihrer Leitlinien teilweise verlieren. Insbesonders den Vereinigten Staaten von Amerika wird vorgeworfen, dass sie ihren Prinzipien der Demokratie, des Grundrechtsschutz und der Rechtsstaatlichkeit zugunsten von politischen und wirtschaftlichen Interessen teilweise nicht treu sind (vgl. ebd., 240)."Dass sie aus machtpolitischen Erwägungen jederzeit dazu bereit sind, mit Diktaturen Bündnisse zu schließen, und hinter ihrem quasi messianischen Diskurs, es gelte in der ganzen Welt demokratische Verhältnisse herzustellen, nun allzu deutlich das dringende Bestreben durchscheint, der eigenen Wirtschaft lukrative neue Erdölfelder zu erschließen." (Waldmann 2005, 240).Hinsichtlich der Maßnahmen auf der internationalen Ebene gilt es zunächst auf die Transnationalität näher einzugehen. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei terroristischen Gruppen in den meisten Fällen nicht um eine Gruppe aus einem Land, sondern um Angehörige unterschiedlicher Länder, die sich länderübergreifend miteinander vernetzt haben. Um dem begegnen zu können, erscheint es unabdingbar, dass auch Staaten grenzübergreifend miteinander kooperieren. Dies würde eine erhebliche Bereitschaft der Teilnehmenden zu einem Teilverzicht auf ihre staatlichen Souveränitätsräume und ihrer Souveränitätsrechte bedeuten.Hinsichtlich der nationalen und internationalen Rechtsordnungen im Allgemeinen verlangen transnationale Rechtsverstöße auch eine entsprechende Weiterentwicklung des Rechts auf internationaler Ebene. Transnationale Verbrechen können nicht durch an nationale Grenzen gebundenes Recht bekämpft werden, da aufgrund der unterschiedlichen Verfassungen rechtsfreie Sphären auf globaler Ebene entstehen. Folglich ist eine Ausweitung des transnationalen Rechts erforderlich. Hierfür müsste das Völkerrecht, bislang mit dem Staat als Rechtsperson und einer rechtlichen Bindung auf dem staatlichen Territorium, entterritorialisiert werden (vgl. Behr 2017, 151; Schmalenbach 2004, 266).Neben der Kooperation von Staaten und der Erweiterung des internationalen Rechts spricht Ernst-Otto Czempiel von einer "dreigeteilte[n] Strategie" (Czempiel 2003, 57) hinsichtlich der Verhinderung weiterer terroristischer Anschläge. Kurzfristig ist es die Aufgabe der Staaten, weitere Anschläge zu verhindern. In diesem Zusammenhang offenbart sich jedoch eine in demokratischen Staaten schwierige Güterabwägung hinsichtlich des Schutzes der kollektiven Sicherheit und der individuellen Freiheitsrechte (vgl. Czempiel 2003, 57).Die bürgerliche Freiheit stellt in demokratischen Staaten ein hohes Gut dar. Auf der anderen Seite würde der fortschreitende Ausbau des staatlichen Sicherheitsapparates eine "allmähliche Aushöhlung der individuellen Grund- und Freiheitsrechte um des Schutzes angeblich höherwertiger Güter willen" (Waldmann 2005, 242) bedeuten. Die Folge wäre eine Entwicklung des Rechtsstaates hin zu einem "präventiven Sicherheitsstaat" (Waldmann 2005, 242) mit einer teilweisen Abkehr von demokratischen Grundsätzen (vgl. Hofmann 2006, 446; Waldmann 2005, 242).Infolgedessen gilt es mittelfristig, sich mit dem Hintergrund der Akteure auseinanderzusetzen. "Als besonders fruchtbare Brutstätte gelten die zahlreichen `failing states´, also die gescheiterten oder zerfallenen Staaten" (Czempiel 2003, 58). Am Beispiel Afghanistans wird deutlich, dass der Westen einen erheblichen Anteil an dem Scheitern des Landes und an der Entstehung der dort ansässigen Terrorgruppe hatte.Im Zuge des Konflikts mit der Sowjetunion hatte Amerika die Kämpfer unterstützt. Mit dem sowjetischen Abzug endete auch die amerikanische Unterstützung, und das zerstörte Land wurde ebenso wie die von Amerika ausgebildeten Kämpfer sich selbst überlassen. Es gründete sich die Terrorgruppe Al Qaida mit dem neuen Feind in Gestalt der USA. Die Entwicklungen in Afghanistan haben gezeigt, dass bei jeder Einmischung von außen neben den kurzfristigen auch die langfristigen Konsequenzen zu bedenken sind und dass "das Objekt der Einmischung auch politisch und wirtschaftlich davon profitiert" (Czempiel 2003, 58).Aus langfristiger Sicht gilt es, die "Quellen des Terrorismus auszutrocknen" (ebd., 58) und eine Veränderung des Kontextes zu erwirken. In diesem Zusammenhang ist die Stabilisierung der "failing states" von entscheidender Bedeutung. Czempiel spricht von einer Neuordnung der Welt, "die immer mehr als ein Quasi-Binnenraum begriffen und mit entsprechender Strategie bearbeitet werden muss" (ebd., 59). Neben der Verringerung der Dominanz des Westens ist eine Änderung der Werteverteilung und ein Lösen der großen Konflikte erforderlich (vgl. ebd., 59).FazitDie Anschläge in den Vereinigten Staaten von Amerika am 11. September 2001 wirkten sich nicht nur traumatisch auf das "Selbst- und Machtbewusstsein der USA" (Czempiel 2003, 40) aus, sie versetzten auch den Rest der Welt in "Angst und Schrecken" (Czempiel 2003, 40). Zu Beginn des 21. Jahrhunderts erschien eine militärische Auseinandersetzung zwischen zwei Staaten unwahrscheinlich. Vielmehr stellte der Terrorismus als eine "neue Bedrohung von innen durch gesellschaftliche Akteure" (ebd., 57) das größte sicherheitspolitische Risiko insbesonders für westliche Industriestaaten dar. (vgl. ebd., 57). "Der Terror soll Angst und Schrecken verbreiten, ein Gefühl allgemeiner Unsicherheit erzeugen und offene Panik auslösen" (Hofmann 2006, 445). Hinzu kommt, dass mit dieser Form der psychologischen Kriegsführung das Vertrauen innerhalb der Gesellschaft in die politische Führung und in den Staat im Allgemeinen zerstört werden soll.Aus historischer Sicht existiert das Phänomen des Terrorismus seit mehr als 2000 Jahren. "Er hat überlebt, weil es ihm gelungen ist, sich immer wieder an die veränderten Bedingungen und Gegenmaßnahmen anzupassen und die verwundbaren Stellen seines Gegners ausfindig zu machen, um sie für seine Zwecke zu nutzen" (Hofmann 2006, 446). Entsprechend muss bei Gegenmaßnahmen "das gesamte Spektrum der verfügbaren Mitteln […], psychologische und physische, diplomatische und militärische, ökonomische und moralische" (ebd., 445) eingesetzt werden.Es gilt nun abschließend eine Antwort auf die Frage zu finden, inwiefern die Anschläge im Herbst 2001 die Sicherheitspolitik der Vereinten Nationen verändert haben. Kurzfristig führten diese zu einer seltenen Einigkeit der ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat, was sich in den zahlreichen erlassenen Resolutionen wiederspiegelt. Darunter fällt auch die Tatsache, dass die internationale Gemeinschaft die Militärintervention in Afghanistan nicht verurteilte, sondern vielmehr den Vereinigten Staaten ihr Recht auf Selbstverteidigung gemäß Art. 51 UN-Charta einstimmig zugestand.Es erwies sich jedoch hinsichtlich der internationalen Zusammenarbeit als problematisch, dass keine einheitliche Definition des Begriffs Terrorismus besteht. Das könnte dazu führen, dass wirtschaftliche Sanktionen oder militärische Aktionen zur Durchsetzung eigener Interessen fälschlicherweise als Terrorismusbekämpfung etikettiert werden.Generell zeigt sich, dass die Anschläge einen erheblichen innenpolitischen Rechtsruck bewirkten, der sich auch auf die Entscheidungen internationaler Gremien auswirkte. Das wurde durch erweiterte Befugnisse für die Polizei und andere Exekutivorgane in Fragen der nationalen und internationalen Sicherheit sichtbar.Mit der Resolution 70/291 stellte der amtierende UN-Generalsekretär Antonio Guterres am 22. Februar 2017 strategische Handlungsoptionen für die Terrorismusbekämpfung vor. Zunächst einmal soll die Effizienz der Vereinten Nationen im Bereich der Terrorbekämpfung allgemein gestärkt werden. Zudem soll die Qualität der Vereinten Nationen hinsichtlich der Unterstützung der Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der UN-Terrorismusbekämpfungsstrategien hinterfragt werden. Hinzu kommt der Anstoß zu einer Debatte hinsichtlich der regionalen und internationalen Zusammenarbeit von Staaten und UN-Sonderorganisationen.Außerdem wurde Wladimir Iwanowitsch Woronkow auf Vorschlag von Guterres zur Umsetzung und Koordinierung der Vorschläge am 21. Juni 2017 als Untergeneralsekretär eingesetzt. Diese strategische Neuausrichtung wird als eine strategische Aufwertung der Terrorismusbekämpfung im Rahmen der Vereinten Nationen verstanden (vgl. Behr 2017, 152).Zusammenfassend zeigt sich also, dass sich die internationale Gemeinschaft der Tatsache bewusst ist, dass eine gemeinsame Strategie zur Bekämpfung des transnationalen Phänomens erforderlich ist. "Wenn wir den Terrorismus erfolgreich bekämpfen wollen, müssen wir ebenso unermüdlich, innovativ und dynamisch vorgehen wie unsere Gegner" (Hoffmann 2006, 446).LiteraturBehr, H. (2017): Die Antiterrorismuspolitik der UN seit dem Jahr 2001. In: Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. [Hrsg.]: Terrorismusbekämpfung und die Vereinten Nationen. S. 147-151.Böhm, A. (2021): Die Gesetzte des Dschungels. In: ZEIT Geschichte 4/21. S 92-97.Czempiel, E.-O. (2003): Weltpolitik im Umbruch. Die Pax Americana, der Terrorismus und die Zukunft der internationalen Beziehungen. München: Verlag C.H.Beck oHG.Finke, J./ Wadscher, C. (2001): Terrorismusbekämpfung jenseits militärischer Gewalt. In: Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. 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