Ein komplexer Konflikt
Blog: Verfassungsblog
Der Wettbewerb um Ressourcen, Macht und Einfluss.
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Blog: Verfassungsblog
Der Wettbewerb um Ressourcen, Macht und Einfluss.
Blog: Politikwissenschaft an der PH Ludwigsburg
Die Württembergische Landesbibliothek bietet zusammen mit der
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg eine vielversprechende Vortragsreihe zum Nahost-Konflikt mit ausgewiesenen Expert:innen an. Informationen zur Teilnahme am Vortragsprogramm findet man hier. Die Vorträge werden auch aufgezeichnet und stehen anschließend über L.I.S.A. – Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung zur Verfügung. Die Reihe ist als Hybrid-Veranstaltung angelegt (Zugangslink: https://bitbw.webex.com/meet/wlb), beginnt morgen und umfasst folgende Vorträge:29.04.2024, 18 UhrDer Nahostkonflikt – eine historische EinführungProf. Dr. Maurus Reinkowski (Basel)16.05.2024, 18 UhrKann es Frieden geben im Nahen Osten?Dr. Claudia Baumgart-Ochse (Frankfurt am Main)27.05.2024, 18 UhrDer Nahost-Konflikt und das VölkerrechtDr. iur. Robert Stendel (Heidelberg)07.06.2024, 18 UhrMinderheiten in IsraelProf. Dr. Johannes Becke (Heidelberg)11.07.2024, 18 UhrDie palästinensische Gesellschaft und der 7. Oktober 2023Dr. Muriel Asseburg (Berlin)
Blog: www.jmwiarda.de Blog Feed
An den US-Hochschulen kommt es zu massiven Ausschreitungen. Vergleichbare Gewalt gibt es in Deutschland bisher nicht, es wird aber protestiert. Die Unis wiegen sich nicht in Sicherheit. Von Jan-Martin Wiarda und Tilmann Warnecke.
ES WAR KEIN ZUFALL, dass die Demonstranten sich Anfang der Woche die Hamilton Hall für ihre Besetzungsaktion aussuchten: Ein Gebäude der New Yorker Columbia-Universität, das 1968 schon einmal
Studierende eingenommen hatten, damals aus Protest gegen den Vietnam-Krieg.
Die Aktivisten nannten das Gebäude in Hind’s Hall um – nach einer Sechsjährigen aus Gaza-Stadt, die im Januar durch israelischen Beschuss ums Leben gekommen sein soll.
Manche Beobachter sahen angesichts der anhaltenden Unruhen an US-Hochschulen tatsächlich bereits Parallelen zur studentischen Anti-Kriegs-Bewegung vor mehr als einem halben Jahrhundert. Andere
sahen vor allem die Bilder von Vermummten mit Palästinensertüchern, die Fenster einschlugen, sich mit Stühlen und Tischen verbarrikadierten.
Sie beobachteten die gewaltsamen Zusammenstöße propalästinensischer Protestierer und Gegendemonstranten in Los Angeles, sie hörten die antisemitischen Parolen und die Berichte jüdischer
Studierender quer durch die USA, die sich nicht mehr sicher fühlen an ihrer Hochschule.
Bundesministerin
Stark-Watzinger mahnt
Und in Deutschland? Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger warnte am Donnerstag mit Blick auf Columbia, die dortigen Geschehnisse müssten "auch uns eine Mahnung sein. Hetze gegen
Jüdinnen und Juden müssen wir konsequent bekämpfen."
Im Vergleich zu den USA ist es an Deutschlands Hochschulen zwar aktuell ruhig: keine gewaltsamen Ausschreitungen, kaum einmal propalästinensische Menschenaufläufe wie am Freitag an der
Berliner Humboldt-Universität. Allerdings sind hierzulande gerade erst die Semesterferien zu Ende gegangen.
Und der Überfall auf einen jüdischen Studenten der Freien Universität im Februar, bei dem dieser von einem muslimischen Mitstudenten schwer verletzt worden war, hatte die Öffentlichkeit weit über
Berlin hinaus schockiert.
Das Netzwerk Jüdische Hochschullehrende warnt daher in einem Offenen Brief, auch an den Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz präge "ein rapide zunehmender und sich
radikalisierender Antisemitismus das Klima".
Viele jüdische Studierende und Hochschullehrende seien seit dem Massaker der Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober persönlich von antisemitischen Anfeindungen betroffen. >>
Offener Brief gegen Antisemitismus auf dem Campus
Die Hochschulleitungen in Deutschland müssen gegen wachsenden Antisemitismus konsequent durchgreifen: Das fordert ein offener Brief des Netzwerks Jüdischer
Hochschullehrende. Präventiv gehe es um Aufklärung, Bildung und Schulung. Ebenso müsse gegen jegliche Formen von gewalttätigen Ausschreitungen durch Strafanzeigen, Disziplinarmaßnahmen und
Ausübung des Hausrechts vorgegangen werden. Es brauche zudem kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen, um über Falschnachrichten und antisemitische Verschwörungserzählungen aufzuklären. Der
Brief fordert Veranstaltungen über jüdisches und israelisches
Leben aus jüdischen Perspektiven. "Auch an den Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz prägt ein rapide zunehmender und sich radikalisierender
Antisemitismus das Klima", heißt es in dem Brief mit mehr als 300 Erstunterzeichnenden. Erinnert wird an antiisraelische Demonstrationen mit antisemitischen Parolen seit dem 7. Oktober an
zahlreichen deutschen Hochschulen. Veranstaltungen von jüdischen Lehrenden würden gestört. "Zu ihrem Schutz verzichten viele Jüdinnen und Juden auf dem Campus – noch mehr als bereits vor dem 7.
Oktober – auf sichtbare jüdische Symbole."
>> Noam Petri, Vizevorsitzende der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD), sagt, die Situation in der Bundesrepublik sei "zum Glück tatsächlich eine andere" als in den USA. Aber er
sagt auch: "Wir sollten uns deshalb nicht in Sicherheit wiegen."
In kleinerem Maßstab gebe es auch an Deutschlands Hochschulen viele antisemitische und antiisraelische Vorfälle, und wenn die Hochschulleitungen nicht entschlossen dagegenhielten, "könnten wir in
wenigen Jahren da sein, wo die USA jetzt sind."
Petri hat für das Magazin Cicero vor einigen Wochen eine Vielzahl von
Vorfällen recherchiert, die die desolate Lage an deutschen Universitäten zeigten. Darunter die Äußerung einer Düsseldorfer Asta-Referentin, man sei gegen das Hissen der israelischen Flagge, weil
man "keine kriegsverbrecherischen Staaten" unterstützen werde. Gleichzeitig sei es jüdischen Studierenden in der Sitzung des Studierendenparlaments untersagt worden, Fotos israelischer Geiseln
auf ihren Tischen liegen zu haben, da diese andere Studierende "triggern" könnten.
Ebenfalls Teil von Petris langer Auflistung: Schmierereien und antiisraelische Parolen per Megafon, die Besetzung eines Uni-Hörsaals durch das "Unikomitee München für Palästina" oder auch eine
studentische Vollversammlung an der Universität Kassel, die es nicht geschafft habe, die Hamas als Terrororganisation zu verurteilen. Nur propalästinensische Redner seien beim offiziellen
Programm zugelassen gewesen.
Petri sagt: "Was nützt es, wenn fast jede deutsche Hochschulleitung eine flammende Solidaritätserklärung mit Israel und gegen Antisemitismus beschließt, wenn im Alltag dann Indifferenz gegenüber
solchen Vorfällen herrscht?" Verstärkt werden müsse vor allem auch der Kampf gegen die antisemitische Hetze in den sozialen Medien. Den gefährlichsten Einfluss auf junge Menschen habe in der
Hinsicht TikTok.
In Deutschland weniger
polarisierte Meinungen
Auch für den Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Walter Rosenthal, gibt es an deutschen Hochschulen weder die Gewaltbereitschaft "noch vergleichbar polarisierte Meinungsverhältnisse
wie in den USA".
So hatte im Dezember eine repräsentative Wählerumfrage der Harvard-Universität gezeigt, dass 50 Prozent der Amerikaner zwischen 18 und 24 Jahren im Gaza-Konflikt für die Hamas seien. 60 Prozent
gaben gar an, die Massaker vom 7. Oktober seien durch das Leid der Palästinenser gerechtfertigt.
Demgegenüber hatte eine Online-Studie der AG Hochschulforschung der Universität Konstanz im März ergeben, dass von den 2000 Studierenden bundesweit etwa zwölf Prozent den Angriff der Hamas für
einen legitimen Befreiungskampf Palästinas gehalten hatten. Acht Prozent teilten antisemitische Einstellungen, in der Vergleichsgruppe der allgemeinen Bevölkerung seien es 18 Prozent gewesen.
Bei einigen der Vorfälle an deutschen Hochschulen müsse man genau hinschauen, sagt Rosenthal, ob sie wirklich von Studierenden ausgingen "oder von propalästinensischen Aktivisten, die
professionell und medienwirksam Proteste organisieren." Es werde auch künftig nicht möglich sein und entspreche nicht der akademischen Kultur, an jedem Hochschuleingang Wachleute zu postieren.
Protestieren Studierende
oder professionelle Aktivisten?
Was der HRK-Präsident allerdings auch sagt: "Jeden einzelnen antisemitischen Vorfall müssen wir mit Nachdruck ahnden, wir müssen als Hochschulen das Ordnungsrecht wahrnehmen, wir müssen mit der
Polizei zusammenarbeiten und Vergehen zur Anzeige bringen – in der klaren Erwartung, so mittelfristig auch eine präventive Wirkung zu erzielen und die Sicherheit jüdischer Hochschulangehöriger zu
erhöhen."
Doch anders, als manche öffentliche Politikeräußerung dies impliziere, handelten die meisten Hochschulleitungen längst konsequent. Wieder besser werden müssten Schulen und Hochschulen allerdings
darin, die Bekämpfung von Antisemitismus zum Gegenstand von Unterricht, Lehre und Forschung zu machen.
"Viele, die aktuell beispielsweise 'From the river to the sea' skandieren, wissen nicht einmal, um welchen Fluss und welches Meer es sich handelt und dass damit Israel das Existenzrecht
abgesprochen wird."
Dass es an den Hochschulen vergleichsweise ruhig ist, könnte ebenso mit den vielen Veranstaltungen zu tun haben, die sie inzwischen rund um die Themen Nahost-Konflikt und Antisemitismus, aber
auch Islamophobie aufgelegt haben. Die Auseinandersetzungen würden so auf eine akademische Ebene verlagert, ist aus einigen Unis zu hören. Mitunter werde sehr hart debattiert.
Befürchtet wird aber schon, dass mit der Eskalation in den USA auch die Proteste hierzulande wieder zunehmen. So spielen Unis bereits Szenarien durch, wie sie zum Beispiel auf Zeltcamps von
Protestierenden auf dem Campus reagieren würden – auch wenn darüber noch niemand öffentlich sprechen will.
Dieser Artikel erschien zuerst im Tagesspiegel.
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Migrantinnen und Migranten stellen einen beträchtlichen Teil der Gewerkschaftsmitglieder. Ein neues Buch untersucht das Verhältnis zwischen migrantischen und gewerkschaftlichen Kämpfen zweier Jahrzehnte.
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Viele vergleichende Studien untersuchen die Effekte von Vermittlung, Sanktionen oder militärischen Interventionen auf Dauer und Verlauf bewaffneter Konflikte. Sie nehmen dabei an, dass die verfügbaren Daten das Auf und Ab der tödlichen Gewalt über Zeit sowie Unterschiede je nach Ort hinreichend gut abbilden. Einige Arbeiten leiten aus ihren Befunden Empfehlungen für die Politik ab. Auch das jährliche Friedensgutachten nutzt die Daten eines führenden Anbieters. Dessen Angaben dienen des Weiteren dazu, die Eskalation von Auseinandersetzungen zu prognostizieren. Ihre breite Verwendung wirft die Frage auf, wie sehr man sich auf diese Konfliktdaten verlassen kann.
Author information
Thorsten Gromes
Dr. Thorsten Gromes ist Projektleiter und wissenschaftlicher Mitarbeiter der HSFK im Programmbereich "Innerstaatliche Konflikte". Seine Forschung konzentriert sich auf Nachbürgerkriegsgesellschaften und sogenannte humanitäre militärische Interventionen. // Dr Thorsten Gromes is a Project Leader and Senior Researcher at PRIF in the Research Department "Intrastate Conflicts". His research focuses on post-civil war societies and so-called humanitarian military interventions.
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Der Beitrag Wie verlässlich sind Daten zu Todesopfern in bewaffneten Konflikten? erschien zuerst auf PRIF BLOG.
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Die Krieg in der Ukraine findet auch in den Netzwerken statt, nicht nur in den sozialen, sondern auch in denen von Politik und Finanz.
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Der Anfang zu einem vielleicht weltweiten Beben ist gemacht. Mit dem Angriff der Hamas auf Israel und der militärischen Antwort sind die Zeichen gesetzt. Bilder des entsetzlichen Geschehens sind um die Welt gegangen. Es werden viele weitere noch schlimmere folgen. Und sie werden ihre Wirkung insbesondere in den arabischen Ländern aber auch bei den Angehörigen...
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Nach den demokratischen Veränderungen (1989/1990) wurde in Kroatien eine Vielzahl von institutionellen Maßnahmen zum Schutz der Gleichberechtigung von Mann und Frau ergriffen. All dies geschah ohne...
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Spätestens seit der medialen Offensive des so genannten Islamischen Staates wird auch in der nichtwissenschaftlichen Öffentlichkeit wieder über Gewalt als Mittel der politischen Kommunikation diskutiert. Gewaltausübung wirkt im Konflikt also nicht nur innerhalb einer dualen Beziehung zwischen Täterinnen, Tätern und Opfern, sondern erhält durch ihre Repräsentation in nationalen und internationalen...
Blog: Verfassungsblog
Die Abstimmung im Rat der Europäischen Union um ein EU-Lieferkettengesetz ist auf ungewisse Zeit aufgeschoben. Nach Deutschlands Enthaltung kamen wie erwartet auch andere Staaten ins Zweifeln. Auslöser für die plötzliche – und für viele Mitgliedstaaten überraschende – Kehrtwende der Bundesrepublik ist eine Blockade durch die FDP. Die Minister Buschmann und Lindner fürchteten, "dass Unternehmen für Pflichtverletzungen in der Lieferkette in erheblicher Weise zivilrechtlich haften würden." Die sich unter anderem am Thema Haftung entzündende Kontroverse – so die These dieses Textes – ist jedoch auflösbar.
Blog: DPI-Blog
Ende 2021 befindet sich Polen im Krieg. Diesen Eindruck kann man zumindest gewinnen, wenn man die Aussagen polnischer Politiker aus dem Regierungslager der letzten Wochen und Monate untersucht. Die von Premierminister Mateusz Morawiecki ausgesprochene Warnung vor einem "Dritten Weltkrieg" stellte den jüngsten Höhepunkt sprachlicher Gewalteskalation in der polnischen Politik dar. Dabei lässt sich, bei aller Schwere und Schärfe der aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Polen und der Europäischen Union, eines ganz klar festhalten: mit einem wirklichen Krieg zwischen verfeindeten Staaten, Millionenheeren aufeinander feuernder Armeen, Panzerverbänden und Luftwaffengeschwadern, mit täglich tausenden Toten und Verwundeten, mit Not und Elend in der Zivilbevölkerung haben wir es derzeit nicht zu tun. Stattdessen geht es um die ausstehende Umsetzung eines Urteils über die polnische Rechtstaatlichkeit des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) durch die polnische Regierung, die zumindest umstrittene Zurückhaltung von EU-Geldern an Polen durch die Europäische Kommission und das jüngste Urteil des polnischen Verfassungstribunals über die teilweise Unvereinbarkeit der EU-Verträge mit der polnischen Verfassung. Dies sind sicherlich nicht zu unterschätzende politische bzw. rechtliche Konflikte, aber eben keine kriegerischen Auseinandersetzungen. Aber womit haben wir es dann zu tun, wenn Teile der polnischen Politik metaphorisch zum Kriege rüsten?Der Konflikt zwischen Polen und der EU in der Sprache des KriegesWerfen wir zunächst einen Blick auf die Stellungnahmen der politischen Akteure. Am 26. August verkündete Justizminister Zbigniew Ziobro im Programm "Katholischer Rundfunkmorgen" des Radiosenders Siódma 9 im Hinblick auf das Urteil des EuGH zur Justizreform: "Wir haben es mit Sicherheit mit einer Art – ich zögere nicht, den Ausdruck zu verwenden – hybridem Krieg[1] seitens der Europäischen Union zu tun, der sich de facto gegen das Rechtssystem und das demokratische System Polens richtet." "Was sagt uns die Europäische Union? Sie sagt uns, dass die Polen nicht durch demokratische Wahlen auf einen Wandel, einen wirklichen Wandel im Bereich der Justiz hinwirken darf." "Die Deutschen dürfen, der deutsche Staat darf, aber ihr Polen dürft nicht."[2]Während einer Rede im Rahmen einer Veranstaltung am 9. September in Radom anlässlich des 76. Jahrestages der Befreiung von Soldaten der Heimatarmee aus dem Gefängnis des Polnischen Amtes für Staatssicherheit äußerte sich der PiS-Abgeordnete Marek Suski wie folgt: "[…] das illegale Polen hat im Zweiten Weltkrieg gegen einen Besatzer gekämpft, es hat gegen die sowjetischen Besatzer gekämpft, und wir werden jetzt gegen die Brüsseler Besatzer kämpfen. Brüssel schickt uns Statthalter, um Polen zur Ordnung zu bringen, um uns in die Knie zu zwingen, damit wir vielleicht ein deutsches Bundesland [niemiecki land] seien und nicht ein stolzer Staat freier Polen."[3]Am 14. September kommentierte Suski seine Äußerungen in einem Interview beim Radiosender RMF FM: "Bestimmte Elemente haben sich wie vor dem Zweiten Weltkrieg herausgebildet. Sie fordern, dass wir die Überlegenheit des europäischen Rechts gegenüber dem polnischen Recht anerkennen. Und wenn nicht, werden wir bestraft." "Sie [Brüssel] wollen, dass wir unsere Souveränität aufgeben." "Ich habe harte Worte benutzt, um Brüssel klar zu machen, dass wir keine Untermenschen sind. Dagegen müssen wir uns wehren. Eine solche Behandlung dürfen wir nicht akzeptieren."[4]Den vorläufigen Höhepunkt in Sachen Kriegsmetaphorik erreichte der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki am 24. Oktober 2021. Interview mit der britischen Financial Times, nur wenige Tage nach seiner Rede im Europäischen Parlament und dem Treffen des Europäischen Rats. Auf die Frage, ob Polen bei Entscheidungen wie dem EU-Klimapaket, in Reaktion auf die Zurückhaltung von Geldern durch die EU, ein Veto einlegen würde, antworte Morawiecki: "Was wird passieren, wenn die Europäische Kommission den Dritten Weltkrieg auslöst? Wenn sie den Dritten Weltkrieg auslösen, werden wir unsere Rechte mit allen uns zur Verfügung stehenden Waffen verteidigen." "Wir werden nicht kapitulieren, wir werden unsere Souveränität nicht wegen dieses Drucks aufgeben."[5]Politisches Framing: Polen im metaphorischen KriegIn der Politik haben wir es häufig mit komplexen Sachverhalten zu tun, die meist auf ebenso komplexen Ideen und Konzepten basieren. Dies ist auch im Fall der Polexit-Debatte der Fall, in der es um Fragen der Rechtsstaatlichkeit innerhalb der europäischen Gemeinschaft, die Vorrangstellung des EU-Rechts und die Rolle nationaler Souveränität geht. Politische Kommunikation kann sich daher nicht auf die Übermittlung rein faktenbasierter Information zurückziehen, sondern greift stets auf (metaphorische) Frames zurück. Frames und Metaphern helfen uns, die politische Wirklichkeit, und die ihr zugrunde liegenden Ideen und Konzepte in eine Sprache zu übersetzen, die auf die strukturellen Deutungsrahmen unserer Alltagserfahrungen zurückgreift und somit erst verständlich werden lässt. Dabei sind Frames immer selektiv, indem sie bestimmte Aspekte eines Themas hervorheben und andere in den Hintergrund treten lassen (vgl. Wehling 2017: 42; Łada/Sendhardt 2021). Die Instrumente der Framing-Analyse helfen uns daher zu untersuchen, wie politische Kommunikation einen bestimmten Sachverhalt framt, welche Metaphern Verwendung finden und welche Folgen bestimmte Frames für (un)mögliche Anschlusskommunikation haben.Wenn ich in Anlehnung an die Kognitionsforschung (Lakoff/Johnson 2018 [1997]: vgl.; Lakoff/Wehling 2009; Wehling 2017) von Metaphern spreche, sind damit keine poetischen Metaphern im Sinne rhetorischer Stilmittel gemeint, sondern konzeptuelle Metaphern, die – beinahe unbemerkt – unser alltägliches Verständnis von Politik strukturieren (Lakoff/Johnson 2018 [1997]: 11). Aus dieser Perspektive sprechen wir über die politische Auseinandersetzung "als Kampf [bzw. Krieg], weil wir über sie als Kampf [bzw. Krieg] denken" (Lakoff/Wehling 2009: 19). Die Kommunikation der polnischen Regierung rund um den Konflikt mit der EU framt diese Auseinandersetzung mittels der Metapher Argumentieren bzw. Diskussion ist Krieg (Lakoff/Wehling 2009: 20; Lakoff/Johnson 2018 [1997]: 12). Dabei ist die Kriegs-Metapher eine spezielle und radikalisierte Form der Metapher Diskussion ist physische Auseinandersetzung (Lakoff/Wehling 2009: 20) oder, mit anderen Worten: Politik ist Kampf (Łada/Sendhardt 2021: 34-37).Das Framing des Konflikts zwischen Polen und der Europäischen Union als Krieg bleibt nicht ohne Folgen. Schließlich sind im Kriegsfall die im Friedenszustand üblicherweise geltenden Regeln und Gesetze aufgehoben, es gilt eine Art Ausnahmezustand. Zudem sind während der Kampfhandlungen andere Kommunikationskanäle ausgesetzt. Erst ein (vorläufiger) Waffenstillstand kann wieder Raum und Zeit für direkte Verhandlungen schaffen. Gleichzeitig ist die Rede vom Krieg immer mit einem latenten Appell verbunden, die innenpolitischen Auseinandersetzungen einstweilen ruhen zu lassen und sich im Namen des Patriotismus auf den Abwehrkampf zu konzentrieren. Im Falle Polens hat die Rede vom Krieg, zumal vom Dritten Weltkrieg, noch weitreichendere Auswirkungen.Selbstverständlich knüpft das Framing des Konflikts als Dritter Weltkrieg unmittelbar an die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs an. Dies hat dreierlei Folgen. Zum einen sind die Rollen von Opfer und Täter, von Gut und Böse, klar verteilt. Polen ist in dieser Lesart eindeutig als Opfer zu identifizieren, das sich eines heimtückischen Angriffs von außen durch den Täter EU erwehren muss. Insofern stehen Polen aus moralischer Sicht in diesem Frame sämtliche Möglichkeiten der (Selbst-) Verteidigung offen. Die Tatsache, dass Polen mit seiner Haltung EU-weit, vielleicht mit Ausnahme Ungarns, relativ allein auf weiter Flur steht, unterstützt den Frame des Weltkriegs. Schließlich haben Frankreich und Großbritannien Polen beim Angriff des Deutschen Reiches im September 1939, trotz anderslautender vorheriger Zusagen, ebenfalls im Stich gelassen.Zweitens steht in diesem Frame nicht weniger als die polnische Souveränität und damit Polens Staatlichkeit an sich auf dem Spiel. Dies war im Zweiten Weltkrieg so und ist, in dem von der polnischen Regierung perpetuierten Framing, auch heute im Konflikt mit den Institutionen der Europäischen Union der Fall. Es geht also um nichts weniger als die Existenz Polens, den Fortbestand des polnischen Staates. In einer solchen Situation ist jedes Mittel recht. Die polnische Regierung erfüllt in diesem Fall lediglich ihre grundlegende Pflicht, den Fortbestand des polnischen Staates unter allen Umständen und mit allen ihr zur Verfügung stehende Mitteln sicherzustellen. Kritik im politischen Innern seitens der Opposition kann in diesem Fall nur als Defätismus und Verrat verstanden werden, Kritik von außen hingegen als Verbündung mit dem Feind.Drittens steckt im Frame der Auseinandersetzung Polens mit der EU die Überzeugung, dass es nicht so sehr die europäischen Institutionen sind, mit denen Polen im Streit liegt, sondern dahinterstehende politische Kräfte, allen voran Nachbar und EU-Mitgliedstaat Deutschland. Hierdurch ist jegliche Kritik deutscher Politiker:innen am Vorgehen Polens von vornherein moralisch diskreditiert und zum Scheitern verurteilt. Auch werden aus Deutschland stammende EU-Politiker:innen von der polnischen Regierung absichtsvoll als deutsch und nicht etwa als europäisch markiert. In der Vergangenheit bezog dies auch – wohl nicht zuletzt aufgrund ihrer "deutsch klingenden Namen" – nicht-deutsche Politiker wie den Niederländer Frans Timmermans und den Luxemburger Jean-Claude Juncker mit ein.Fazit"Frames, nicht Fakten bedingen unser Entscheidungsverhalten" (Wehling 2017: 45). Die Rede vom Krieg in der polnischen Politik ist damit alles andere als konsequenzlos. Die Sprache des Krieges schränkt den Kommunikations(spiel)raum notwendigerweise ein. Der Besatzer kann nicht mit Gesprächsangeboten reagieren. Der Krieg ist im Prinzip auch ein Zustand der politischen Auseinandersetzung, in dem der Dialog ruht und erst nach Aushandlung eines Waffenstillstandes wiederaufgenommen werden kann. Die Tatsache, dass die polnische Regierung die aktuelle Auseinandersetzung mit der EU mithilfe der Metapher des Krieges framt, ist demnach weder belanglos noch sollte sie als bloßes rhetorisches Stilmittel abgetan werden (Regierungssprecher Piotr Müller etwa erklärte in einem Presse-Briefing, es handele sich bei der Rede Morawieckis von einem "Dritten Weltkrieg" um "eine Hyperbel, ein rhetorisches Mittel").[6] Vielmehr stellt die politische Kommunikation des polnischen Regierungslagers den wiederholten und kollektiven Versuch dar, das in der polnischen Öffentlichkeit vorherrschende Verständnis des Konflikts Polens mit der EU in Richtung einer kriegerischen Auseinandersetzung mit klar verteilten Rollen und eindeutiger moralischer Bewertung zu framen. Dabei ist nicht entscheidend, ob die sprechenden Akteure manipulativ vorgehen oder tatsächlich die politische Welt in diesen Frames wahrnehmen. Entscheidend ist, dass durch das Aufrufen der Frame-Semantik (Zweiter Welt-) Krieg ein metaphorischer Deutungsrahmen aktiviert wird, innerhalb dessen der Konflikt zwischen Polen und der EU verständlich wird. "Es ist aber ein Verständnis," in den Worten von Lakoff/Wehling (2009: 31) gesprochen, "das bestimmte Aspekte hervorhebt und andere ausblendet. Und gleichzeitig wird ein alternatives metaphorisches Verständnis der Lage ausgeschlossen oder doch zumindest erheblich erschwert. Es ist also von höchster Relevanz, welche Metaphern wir in der politischen Sprache benutzen, denn sie entscheiden darüber, was wir – Sprecher und Hörer – denken. Und was wir nicht denken, weil es in der gewählten Metapher nicht vorkommt."LiteraturŁada, Agnieszka/Sendhardt, Bastian 2021: Das Bild der Krise. Wie schrieben die deutsche und die polnische Presse über das jeweilige Nachbarland im ersten Halbjahr 2020?, Darmstadt, Warschau.Lakoff, George/Johnson, Mark 2018 [1997]: Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern, Heidelberg.Lakoff, George/Wehling, Elisabeth 2009: Auf leisen Sohlen ins Gehirn. Politische Sprache und ihre heimliche Macht, Heidelberg.Wehling, Elisabeth 2017: Politisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet - und daraus Politik macht, Bonn.
[1] Die kursiven Hervorhebungen der Kriegsmetaphern stammen von mir.
[2] https://oko.press/ziobro-w-91-sekund-przegral-wojne-hybrydowa-z-rozumem
[3] https://wiadomosci.onet.pl/kraj/marek-suski-mowi-o-walce-z-okupantem-brukselskim/30xsyyt
[4] https://www.rmf24.pl/tylko-w-rmf24/poranna-rozmowa/news-marek-suski-o-unijnej-polityce-chca-zebysmy-zrezygnowali-z-s,nId,5479976#crp_state=1
[5] https://www.ft.com/content/ac57409d-20c9-4d65-9a5d-6661277cd9af?desktop=true&segmentId=d8d3e364-5197-20eb-17cf-2437841d178a#myft:notification:instant-email:content
[6] https://dorzeczy.pl/opinie/216853/hiperbola-mueller-o-wypowiedzi-morawieckiego-dla-financial-times.html
Der Text entstand im Rahmen des Projekts "Akteure, Felder, Wege – deutsch-polnische Kommunikation: Miteinander und übereinander", welches das Institut für Öffentliche Angelegenheiten und das Deutsche Polen-Institut dank der finanziellen Förderung durch die Deutsch-Polnische Wissenschaftsstiftung durchführen.