Bracher schildert in seinem Beitrag Vorbereitung und Ablauf des von Stauffenberg an Hitler am 20. Juli 1944 verübten Attentats sowie die massive Reaktion des NS-Staates auf den Anschlag. Dabei verharrt der Autor nicht in der Beschreibung der konkreten Ereignisse, sondern äußert sich ausführlich über die gesellschaftlichen, politischen und militärischen Randbedingungen, ohne deren Kenntnis die konkrete Zielsetzung, Art und Zeitpunkt der Ausführung wie auch letztendlich das Scheitern des Anschlags unverständlich bleiben müßten. Bracher stellt die ehrenwerten Motive der Attentäter heraus und begegnet damit auch nach 1945 laut gewordenen Vorwürfen, daß das Attentat letztlich opportunistischen Zwecken in einer sowieso aussichtslosen Lage gedient habe. (KF)
Der Verfasser setzt sich mit den Thesen zweier Soziologen auseinander, die als 'Kritiker der Soziologie' auftreten, Helmut Schelsky und Friedrich H. Tenbruck. Im Mittelpunkt sowohl von Schelskys 'Anti-Soziologie' wie auch von Tenbrucks 'unbewältigten Sozialwissenschaften' steht die Rolle der Soziologie als 'Schlüsselwissenschaft' im Sinne eines "Erkenntnismittels des Lebenssinns schlechthin" und der daraus von Sozialwissenschaftlern abgeleitete Herrschaftsanspruch. Der Verfasser bejaht die Legitimität der Kritik an Forschungs- und Anwendungspraxis der Soziologie, verweist jedoch andererseits auf deren 'kritisches Potential', das den kritisierten Entwicklungen durchaus zu begegnen vermöge. Mit Norbert Elias wird die 'Neigung zur Sektenbildung' in der sozialwissenschaftlichen Forschung kritisiert. Die von Schelsky und Tenbruck kritisierten Entwicklungen werden in Anlehnung an Simmel als 'Warnung vor einer Überdehnung des Begriffs der Gesellschaft' verstanden. (WZ)
Die Gefahren eines Krieges haben am Ausgang des 20. Jahrhunderts zugenommen. Der Autor skizziert die Ursachen für die Verschärfung der Situation. In einem historischen Rückblick werden sozialdemokratische Bemühungen zur Friedenssicherung dargestellt. Kriegsverhütung und Friedenspolitik gehören zur Tradition der Sozialdemokratie. Es sind ihre Ideen von Freiheit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit, die auch für die Zukunft eine Perspektive zur Friedenssicherung und zur Durchsetzung einer gerechten internationalen Ordnung zeigen. (RG)
Der vorliegende Beitrag soll den vorsätzlichen Mord als einen Aspekt des Einzel- und Gruppenverhaltens, der sich auf das öffentliche Leben auswirkt und den Verlauf der politischen Geschichte beeinfußt, einordnen und bestimmen. Zu Beginn seines Aufsatzes wendet sich der Autor gegen die räumliche bzw. zeitliche Beschränkung des Themas auf die europäischen Verhältnisse im 19. und 20. Jahrhundert. Der Gefahr eines derartigen historischen Narzißmus versucht er zu begegnen, indem er zum einen wiederholt auf Attentate in früheren Zeiten hinweist, zum anderen aber auch herausstellt, in welchem Ausmaße sich gerade in modernen Zeiten die politisch motivierte Gewalttätigkeit zu einer globalen Epidemie ausgeweitet hat. Kann man einerseits in der Geschichte der politischen Attentate eine bemerkenswerte Kontinuität feststellen, die sich besonders eindrucksvoll in der stets aktuellen Theorie des Tyrannenmordes manifestiert, so lassen sich jedoch andererseits seit 1790 einige neue Tendenzen beobachten. Erst im 19. Jahrhundert begannen die Angeklagten, bewußt von ihrem Erscheinen vor Gericht Gebrauch zu machen, indem sie ihre Taten und Prinzipien mit dem Ziel verherrlichten, eine allgemeine Demonstration der Unterstützung im Volk zu provozieren. Mit der zunehmenden Verbreitung der Massenmedien stieg das öffentliche Interesse, das den Attentätern zuteil wurde. Nach dem 1. Weltkrieg setzten weitere tiefgreifende Veränderungen ein. Während von 1851 bis 1900 auf rund 40 prominente Europäer tödliche bzw. potentiell tödliche Anschläge verübt wurden, zählte man von 1919 bis einschließlich 1928 bereits 54 Attentate. Das rasche Zunehmen der Häufigkeit der Mordanschläge war vor allem eine Folge der Anwendung der modernen Waffen- und Sprengstofftechnologie durch die Täter, die das Verhältnis der Chancen zwischen Angreifer und Opfer entscheidend verschob. Im 20. Jahrhundert beobachtete der Verfasser vor allem zwei Konstanten in der Taktik gewalttätiger politischer Gruppierungen: Zum einen erwiesen sich gerade diejenigen Regierungen als besonders repressiv, welche aus organisierten Widerstandsbewegungen hervorgegangen waren, zum anderen erwiesen sich die Taktiken und Schlachtrufe der Linken und rechten Gewalttäter in zunehmenden Maße als austauschbar. So bedienen sich beispielsweise die RAF und die Roten Brigaden ähnlicher Methoden wie die faschistische Organisation Consul in ihrem Kampf gegen die Weimarer Republik. (STB)
Der Beitrag verfolgt aufgrund gedruckter Quellen die Entstehung des antisemitischen Rassismus in Deutschland vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Dritten Reich. Unter Einfluß der Rassentheorien des 19. Jahrhunderts erhielt der ursprünglich aus religiösen oder wirtschaftlich-sozialen Motiven gespeiste Antijudaismus eine neue Grundlage. Das Fundament für die werdende Klassifizierung der Rassen legte Gobineau. Der Darwinismus gab die Möglichkeit einer bewußten Rassenpolitik. Traditionelle Vorurteile gegen die Juden waren jetzt naturgesetzlich zu belegen. Dührings und Chamberlains Antwort auf die Judenfrage lag in der Internierung oder Vernichtung. Damit war die Endlösung der Judenfrage bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts vorformuliert. In der politischen Praxis wurden diese Lehren erst nach dem Ersten Weltkrieg aktualisiert. Hitlers antisemitische Vorstellungswelt erklärt sich aus den Einflüssen seiner Wiener Zeit, vom Kriegserlebnis her, durch die Begegnung mit Eckart, Rosenberg u.a. sowie durch die Rezeption der Protokolle der Weisen von Zion. Bei Hitler wurden alle anderen rassenideologischen Aussagen vom Rassenantisemitismus überlagert. Er radikalisierte den Antisemitismus bis zur physischen Liquidierung der Juden. (AM)