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By Maryam Fatima, Alexander Jabbari and Mehtap Ozdemir. Contributing to the growing body of scholarship on the afterlives of the Persianate beyond the nineteenth century, this Philological Encounters' special issue addresses questions of literary modernity in the Persianate world and takes the question of form to the fore, advancing a comparative methodology attuned to formalism and historicism.
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Menschenrechte sind universal. Das heißt, sie gelten für alle Menschen gleichermaßen, unabhängig von Merkmalen, "such as race, colour, sex, language, religion, political or other opinion, national or social origin, property, birth or other status", wie in der Allgemeinen der Erklärung der Menschenrechte der UNO 1948 (Art. 2) formuliert. Dennoch wird der Universalismus der Menschenrechte vielfach […]
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Olha Haidamachuk received her PhD in Philosophy from the V. N. Karazin Kharkiv National University in 2021. Her research interests include the philosophy of culture, philosophical anthropology, Ukrainian studies, Ukrainian and European culture, the philosophy of language, the history of philosophy, ethics, and aesthetics. Olha Haidamachuk is a 2022/23 Prisma Ukraïna Fellow.
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Cyrine Kortas is a Tunisian postdoctoral fellow at MECAM centre, majored in English literature. She is an associate professor at the Higher Institute of Languages, Gabes, Tunisia and a researcher at the LAD lab unit at the faculty of arts and humanities Sfax. Her research interests include: comparative literature, feminist and gender studies, as well as teaching literature in EFL classrooms.
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By Olha Labur. War is an extraordinary and powerful event in a person's life. War militarizes lives, languages, and everyday experiences – even disease becomes a metaphorical image.The militarization of the oncological sphere during the war is not only a prompt reaction to the new situation in the Russo-Ukrainian War, but also impacts and transforms it. More than before, the voices of people who are marginalized and made taboo because of the disease have a wider reach. They are recognized as more involved in socially important processes, and their stories become valuable to society.
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The AI Act negotiators may still have been recovering from the political deal that was struck during the night of December 8 to 9 when two days later Mistral AI, the French startup, open sourced its potent new large language model, Mixtral 8x7B. Though much smaller in size, it rivals and even surpasses GPT 3.5 on many benchmarks thanks to a cunning architecture combining eight different expert models. While a notable technical feat, this new release epitomizes the most pressing challenges in AI policy today, and starkly highlights the gaps left unaddressed by the AI Act: mandatory basic AI safety standards; the conundrum of open-source models; the environmental impact of AI; and the need to accompany the AI Act with far more substantial public investment in AI.
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ChatGPT und Co sind eine Herausforderung für das Lernen und Lehren. Und eine einmalige Chance für die Hochschulen: Wenn sie jetzt selbst zu Anbietern freier Sprachmodelle werden, stärken sie ihre Lehre, Forschung und digitale Autonomie. Ein Gastbeitrag von Benjamin Paaßen.
Benjamin Paaßen ist Juniorprofessor für Wissensrepräsentation und Maschinelles Lernen an der Universität Bielefeld und Senior Researcher im Educational Technology Lab des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Foto: Studio Monbijou.
SEIT ZEHN JAHREN forsche ich zum Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Bildung – bislang ein Nischenthema, denn die Digitalisierung in der Bildung, von Künstlicher Intelligenz ganz zu schweigen, schreitet hierzulande nur langsam voran. Im Jahr 2023 konnte ich mich plötzlich vor Vortrags- und Interviewanfragen kaum retten: ChatGPT war über das deutsche Bildungssystem hereingebrochen, und nun wünschte man sich seitens der KI-Expert*innen Einordnung und Rat.
Mein Eindruck aus all diesen Gesprächen und Begegnungen: Lehrende und Lernende sind sich im Wesentlichen einig, dass es keinen Sinn ergibt, Sprachmodelle wie ChatGPT (englisch: large language models oder LLM) zu verbieten. Zum ersten, weil ein solches Verbot ohnehin nicht durchsetzbar wäre, denn es gibt bis dato keinen verlässlichen Weg, Erzeugnisse von LLM von menschlichen Texten zu unterscheiden. Zum zweiten (und wichtiger), weil wir den Anspruch haben sollten, Lernenden beizubringen, wie mit den neuen Technologien verantwortungsvoll umzugehen ist. Zum dritten, weil LLM als Werkzeuge für das Lernen und Lehren große Potenziale haben. Die ständige wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz beispielsweise plädierte kürzlich erst für die Nutzung von LLM im Unterricht.
Um diese Potenziale zu erschließen, müssen sie Lernenden und Lehrenden allerdings so zur Verfügung gestellt werden, dass eine verantwortungsvolle Nutzung überhaupt möglich wird. Überspitzt gefragt: Können wir Lehrkräften guten Gewissens empfehlen, die Daten der eigenen Lernenden auf die Server eines US-Konzerns zu übertragen? Können wir gleiche Bedingungen zwischen Lernenden sicherstellen, wenn der Zugang zu den Modellen kostenpflichtig ist? Und wollen wir uns im Bildungssystem überhaupt davon abhängig machen, dass Unternehmen die Modelle verlässlich zu akzeptablen Bedingungen zur Verfügung stellen? Viele würden diese drei Fragen verneinen.
Glücklicherweise haben die Hochschulen jetzt die einmalige Chance, dem gesamten Bildungssystem eine Alternative anzubieten – und zwar, indem sie sich strategisch dazu entscheiden, selbst LLM bereitzustellen. Transparent, kostengünstig und verlässlich.
Drei Zutaten für eigene Sprachmodelle
Dafür braucht es drei Zutaten: Erstens die trainierten Modelle selbst. Diese sind unter freier Lizenz ("open source") auf Seiten wie huggingface.co zu finden. Zweitens die Recheninfrastruktur, um die Modelle zu betreiben, vor allem Server mit starken Grafikkarten. Drittens, am wichtigsten, die Expertise, um die aktuell leistungsfähigsten LLM auszuwählen, auf die eigene Infrastruktur zu bringen und einfache Benutzungsschnittstellen für Lernende und Lehrende bereit zu stellen.
Viele Institutionen verfügen über Zutaten eins und zwei – aber kaum jemand ist im Hinblick auf die dritte Zutat so gut aufgestellt wie die Hochschulen. Eine besonders gute Ausgangslage haben Standorte mit einer starken LLM-Forschung, etwa die TU Darmstadt oder die LMU München. Aber auch an vielen anderen Hochschulen (meine Universität eingeschlossen) wurde seit 2022 rapide Expertise zu LLM-Forschung aufgebaut – und im gleichen Zuge die nötige Recheninfrastruktur beschafft.
Ganz ohne Investitionen wird es freilich nicht gehen. LLM für die Forschung zu betreiben ist naturgemäß etwas Anderes, als sie im Rahmen eines Web-Service für Millionen von Lernenden und Lehrenden bereit zu stellen. Daher wird es voraussichtlich nötig sein, Serverkapazitäten auszudehnen und Personal auf Dauerstellen dafür einzusetzen, die Server, Modelle und Schnittstellen stets aktuell zu halten und die Nutzenden zu betreuen. Dafür braucht es Fördermittel von Bund und Ländern. Aber in überschaubarer Höhe. Pro teilnehmende Hochschule belaufen sich die Kosten für den Hochlauf im ersten Jahr voraussichtlich auf nicht mehr als eine Million Euro.
Ziel sollte es sein, in jedem Bundesland mindestens eine Hochschule zu finden, die frei lizensierte LLM für alle Hochschulen und Schulen (mindestens für die Sekundarstufe, wie von der KMK empfohlen]) im Bundesland bereitstellt. Mit diesen LLM können Lernende und Lehrende den verantwortungsvollen Umgang lernen bzw. eigene pädagogische Konzepte entwickeln. Nicht nur das: Die Hochschulen können mit den Daten der Lernenden und Lehrenden – informiertes Einverständnis vorausgesetzt – an der Entwicklung neuer Bildungstechnologien forschen, etwa weiter trainierter LLM oder neuer Nutzenden-Schnittstellen für das Bildungssystem. Forschung und Lehre könnten hier also Hand in Hand gehen.
Schon in wenigen Monaten könnten wir technologisch oder vertraglich auf proprietäre Modelle festgelegt sein. Insofern ist die digitale Autonomie im Bildungssystem gefährdet, wovor Amrei Bahr und Maximilian Mayer in einem Gastbeitrag in der FAZ zu Recht gewarnt haben. Auch der Wissenschaftsrat betont die Relevanz digitaler Souveränität in der Wissenschaft. Um diese Souveränität zu wahren, ist es jetzt an den Hochschulen, die Initiative zu ergreifen. Es ist eine einmalige Chance, die die Hochschulen nutzen sollten – für ein starkes und zukunftsfähiges Bildungssystem, das sich nicht ohne Not von Privatunternehmen abhängig macht.
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In eigener Sache: Blog-Finanzierung
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Die KI-Expertin Tina Klüwer soll die Vakanz an der Spitze der BMBF-Innovationsabteilung beenden. Eine gute und interessante Personalentscheidung von Forschungsministerin Stark-Watzinger.
SEIT ANFANG JUNI ist die Leitung der Innovationsabteilung im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unbesetzt. Damals hatte BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) die Informatikerin Ina Schieferdecker von einem Tag auf den anderen abberufen, ohne eine Nachfolge in der Hinterhand zu haben. Vor sechs Wochen hatte die Pressestelle des Ministeriums dann auf meine Anfrage hin mitgeteilt, die Nachbesetzung sei "derzeit in Vorbereitung und soll in Kürze erfolgen".
Wie zuerst mein Kollege Manfred Ronzheimer im Tagesspiegel Background berichtete, ist jetzt klar, was mit "in Kürze" gemeint war: Die KI-Expertin Tina Klüwer, aktuell Leiterin des Künstliche Intelligenz Entrepreneurship Zentrums (K.I.E.Z.) in Berlin, soll zum 1. Dezember die Führung der Abteilung 5, "Forschung für technologische Souveränität und Innovationen" übernehmen, teilte Stark-Watzinger am Mittwoch in einer Mail an alle BMBF-Mitarbeiter mit. Was bedeutet, dass diese strategisch so wichtige Position am Ende ein halbes Jahr lang vakant gewesen sein wird.
Auf der Habenseite kann die Ministerin verbuchen, dass die promovierte Computerlinguistin Klüwer einen ausgezeichneten Ruf in der Tech-Szene genießt – und einen interessanten Werdegang vorweisen kann. Neben der Computerlinguistik studierte sie Philosophie und Germanistik, sie sammelte erste wissenschaftlich-berufliche Erfahrungen beim Language Technology Lab des Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). 2015 wurde sie Mitgründerin und Geschäftsführerin von "parlamind", einem Startup, dessen Hauptprodukt als "Künstliche Intelligenz für den Kundenservice" beschrieben wird, "die die Kundenkommunikation analysiert, vorverarbeitet und selbstständig beantwortet und sich so als Teammitglied in den Kundenservice integriert". 2021 wurde "parlamind" von der 4TechnologyGroup übernommen.
Erfreulich ist auch, dass Stark-Watzinger mit Klüwer eine nicht-politische Personallösung gewählt hat. Im vergangenen Dezember hatte Überraschung verursacht, dass sie Stefan Müller zum Leiter der Nachhaltigkeitsforschungs-Abteilung ernannt hatte, zu dem Zeitpunkt stellvertretender Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion in Hessen, wo Stark-Watzinger Partei-Landesvorsitzende ist. Müllers Landtagsthemen bis dahin: Innenpolitik, Sport und Verwaltungsreform. Manche Beobachter hatten deshalb nach der plötzlichen Abberufung Schieferdeckers vermutet, hier könnte der nächste Parteifreund Stark-Watzingers folgen.
Sie habe die Absicht, die bislang von Schieferdecker geführte Abteilung "inhaltlich und personell neu aufzustellen", hatte die Ministerin im Juni in einer BMBF-Mitarbeitermail erklärt, verbunden mit einem vagen Hinweis auf das "zweite Jahr der Zeitenwende". Und war dann über Monate die Antwort schuldig geblieben, was genau sie damit meinte.
So groß erscheinen die Unterschiede zwischen Klüwer und ihrer Vorgängerin nun auf den ersten Blick zwar nicht: Schieferdecker ist Informatikerin, war Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Offene Kommunikationssysteme und Gründungsdirektorin des Weizenbaum-Instituts für die vernetzte Gesellschaft. Doch fällt der starke KI-Bezug bei Klüwer natürlich ins Auge. Deutet sich an der Stelle auch die inhaltliche Neuaufstellung der Abteilung an?
Ende August hatte die Ministerin mit dem sogenannten Aktionsplan 2023 ein Update der KI-Strategie der Bundesregierung vorgestellt, allerdings zunächst nur in einer Zusammenfassung. Im September hatte das BMBF dann in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion ausgeführt, für welche Maßnahmen insgesamt 1,6 Milliarden Euro fließen sollen. Woraufhin das Handelsblatt berichtete, in der Branche herrsche Enttäuschung und laut Ministerium stünden nur 352 Millionen Euro für "neue Bewilligungen" zur Verfügung, über fünf Jahre verteilt. Auf weitere Details des Aktionsplans wartet die Szene noch.
Stark-Watzinger selbst hob in ihrer Mitarbeiter-Mail am Mittwoch auch Klüwers Kompetenz "für den weiteren Auf- und Ausbau einer transferorientierten Forschungspolitik“ hervor, dafür sei diese "die ideale Besetzung". Beauftragter im BMBF für Transfer und Ausgründungen aus der Wissenschaft ist der parlamentarische Staatssekretär Mario Brandenburg, der durch Klüwer eine dringend benötigte Unterstützung bekommen dürfte.
Und hier zeigt sich dann die zweite, interessant andere Nuancensetzung: Hatte Schieferdecker ihre Karriere als Forscherin mit Anwendungsbezug gemacht, ist es bei Klüwer umgekehrt: Sie ist eine Anwenderin mit Forschungsbezug, die bei dem von den Berliner Universitäten gegründeten K.I.E.Z in den vergangenen Jahren Dutzende Startups im KI-Bereich unterstützte.
Als Themen, bei denen sie sich aus der Abteilung 5 zahlreiche neue Impulse erwarte, nannte Stark-Watzinger neben der KI zudem explizit das Supercomputing und die Quantentechnologie.
Apropos Personalien: Zuletzt hatte das Handelsblatt berichtet, dass die Volkswirtin Stark-Watzinger selbst neben weiteren Kandidaten für einen anderen Job gehandelt werde: als Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank. Favorisiert sei allerdings noch niemand. Reine Spekulation, lautete der Kommentar aus Stark-Watzingers Umfeld.
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Generative KI ist gekommen, um zu bleiben, auch in der Bildung. Was bedeutet das für unseren Auftrag als Hochschulen? Ein Gastbeitrag von Jörn Schlingensiepen.
Jörn Schlingensiepen ist Professor für Ingenieurinformatik und computergestützte Produktentwicklung (CAD/CAE) an der Technischen Hochschule Ingolstadt. Foto: Dinias/Nicole Dietzel.
GENERATIVE KI wird an Schulen und Hochschulen heute flächendeckend eingesetzt. Etwas anderes zu behaupten, wäre naiv. Keine andere Technologie hat sich in der Geschichte der Menschheit so schnell durchgesetzt wie die Textgeneratoren, die auf den sogenannten Large Language Models (großen Sprachmodellen) basieren. Allein die Nutzerzahlen des Dienstes ChatGPT zeigen dies auf brutalstmögliche Weise: Während das Mobiltelefon 16 Jahre, das Internet sieben Jahre und Facebook 4,5 Jahre brauchten, um jeweils 100 Millionen Anwender zu finden, brauchte ChatGPT ganze zwei Monate (sic!). Der Drops ist also gelutscht, jeder, der irgendwas mit Texten macht oder gar welche schreibt, nutzt ein solches Tool. Zu den Anwendern von ChatGPT kommen ja noch diejenigen dazu, die andere Dienste oder in Anwendungen integrierte Assistenten nutzen (zum Beispiel einen der Co-Pilots, Bard, YouChat oder Claude).
Müßige Debatten über Plagiate und Grauzonen
Gehen wir also davon aus, dass alle unsere Studierenden und wahrscheinlich auch alle Kolleginnen und Kollegen sich durch generative KI unterstützen lassen, und das ist aus meiner Sicht auch erstmal gut so. Die Diskussionen, ob man damit ein Plagiat begeht oder vielleicht "nur" eine Grauzone betritt, sind aus meiner Sicht müßig. Die Produktion von Text und vieler anderer Medien wird in Zukunft mit dieser Unterstützung erfolgen.
Gerade deshalb müssen Studierende lernen, mit diesen Tools zu arbeiten. Und Hand auf’s Herz: Wer hat sich nicht schon öfter geärgert, dass ein Labor- und Projektbericht oder eine Abschlussarbeit Abstriche erhielt, weil die guten Ideen, die jemand hatte, nicht adäquat abgebildet wurden? Oft kann man einen solchen Text nicht weiter verwenden und Lesende, die weiter an dem Thema arbeiten wollen, können nicht auf den maximal erreichten Kenntnisstand zurückgreifen, weil er nicht ordentlich aufgeschrieben wurde. Wie sollen wir auf den Schultern von Giganten stehen, wenn wir nicht hochklettern können? Meine These: Wenn Abbildungen, Texte und damit die Weitergabe neuer Erkenntnisse besser gelingen, dann profitieren wir alle davon.
Die KI trifft auf eine ohnehin schon verunsicherte Gesellschaft
Bei meinem letzten Beitrag an dieser Stelle habe ich mich ja schon als eine Art Fan-Boy von ChatGPT und Co. geoutet. Man möge mir als Ingenieur eine gewisse Grundbegeisterung für neue Technik verzeihen. Mit bloßer Begeisterung ist es aber nicht getan. Mir fehlt eine breite Debatte darüber, wie wir mit gesellschaftlichen Unsicherheiten umgehen, die dadurch entstehen, dass Fälschungen durch KI immer besser werden und es damit schwerer wird, die Wahrheit von Lügen zu unterscheiden. Das Vertrauen in den Staat ist auf einem für die Bundesrepublik historischen Tiefststand angekommen, schon heute scheint es schwierig, Informationen richtig einzuordnen.
Umso wichtiger ist es, dass wir uns auf den Auftrag, den das Hochschulrahmengesetz uns Hochschulen gibt, besinnen. Dort heißt es in Paragraph 7 zum Ziel des Studiums: "Lehre und Studium sollen den Studenten [...] die [...] erforderlichen fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden [...] so vermitteln [...], dass er zu verantwortlichem Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat befähigt wird." Wenn Inhalt immer häufiger automatisch erstellt wird, dann wird die Fähigkeit zur Bewertung und Einordnung zur entscheidenden Kernkompetenz. Lehre und Studium müssen dies abbilden.
Als Hochschulen auf unseren Auftrag besinnen
Einige Ideen, dies für die fachlichen Inhalte anzugehen, finden sich im Positionspapier des Hochschullehrerbundes (hlb), an dessen Erstellung ich mitwirken durfte:
o Wir müssen akzeptieren, dass KI-Anwendungen nicht mehr nur punktuell von Experten zur Lösung konkreter Aufgaben genutzt werden, sondern universell einsetzbar sind, und zwar durch jeden und jede. Die neuen generativen KI-Anwendungen sind eine Systeminnovation, die Auswirkungen auf alle Lebensbereich hat.
o Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass die Verwendung dieser Hilfsmittel im Studium oder bei der Erstellung von Haus- und Abschlussarbeiten mit der Intention des Schummelns erfolgt.
o Zur Vorbereitung auf das Berufsleben ist es nötig, dass unsere Studierenden den Umgang mit diesen Technologien erlernen. Deshalb müssen – analog zu Büchern und Datenbanken – Zugänge für alle Studierenden geschaffen werden, vor allem durch den Erwerb der entsprechenden Lizenzen.
o Die Lehre muss sich den neuen Gegebenheiten anpassen. Es müssen neue Betreuungs- und Lernformen entwickelt und dafür passende Rahmenbedingungen geschaffen werden. Der Erwerb von Kompetenzen muss im Vordergrund stehen. Professorinnen und Professoren können dies gestalten und brauchen entsprechende Freiheiten.
o Wir brauchen eine Rückbesinnung darauf, was der Zweck des Studiums und innerhalb dessen der Zweck einer Prüfung ist. Es sollen Kompetenzen erworben werden, und eine Prüfung dient – wie der Name schon sagt – zur Überprüfung, ob Studierende über diese Kompetenzen verfügen. Im Idealfall beweisen sie es dadurch, dass sie eine einschlägige Aufgabe unter realen Bedingungen bewältigen.
"Ist das Kompetenz, oder kann das weg?"
Verkürzt stellt sich also die Frage: "Ist das Kompetenz, oder kann das weg?" Und wenn man es noch braucht, lautet die nächste Frage: "In welcher Form, und wie lässt es sich am besten vermitteln und prüfen?"
Im vergangenen Semester führte ich dazu ein Experiment durch: Im Kurs Ingenieurinformatik gestaltete ich den Kurs und die Prüfung so, dass Werkzeuge zur Codegenerierung genutzt werden. Eine detaillierte Auswertung steht noch aus, aber es hat sich gezeigt, dass mehr Zeit für anspruchsvolle Kompetenzen wie Abstraktion und Modellbildung gut investiert war und zugleich weniger Frust durch das Verheddern in abstrakter Syntax auftrat. Zugegeben: Das ist jetzt nur ein erstes Beispiel und nicht ohne Weiteres auf andere Fächer übertragbar. Aber grundsätzlich glaube ich, dass alle Lehrenden für ihr Fachgebiet bewerten können, welche Kompetenzen nicht oder verändert gebraucht und geprüft werden müssen und wie generative KI-Anwendungen dabei helfen können.
Wenn wir Menschen ausbilden, die mit diesen Werkzeugen arbeiten können und deren Funktionsweisen und Grenzen kennen, dann könnten wir bei der Gelegenheit auch die gesellschaftlichen Implikationen und das verantwortungsvolle Handeln betrachten.
Vielleicht bekommen wir dann endlich eine breitere Debatte. Ich bin da optimistisch: Die aktuelle Studierendengeneration beweist jeden Tag, dass sie interessiert, gestaltungswillig und kampagnenfähig ist.
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Mit Nachdruck plädiert die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK für den Einsatz generativer KI-Sprachmodelle im Schulunterricht – allerdings nur für ältere Schüler. Die Bildungsforscherin Ulrike Cress über das Lernen mit ChatGPT, die Auswirkungen auf Prüfungskultur und Chancengerechtigkeit – und die Bedeutung guten Promptens.
Ulrike Cress ist Psychologin, Bildungsforscherin und Direktorin des Leibniz-Instituts für Wissensmedien (IWM). Seit Mai 2021 gehört sie der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusminsterkonferenz an. Foto: IWM.
Frau Cress, jetzt also auch die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK): "Large Language Models und ihre Potenziale im Bildungssystem" heißt das Impulspapier mit Empfehlungen, das Sie heute veröffentlichen. Können Sie den vielen Stellungnahmen zu LLM, ChatGPT & Co überhaupt noch Substanzielles hinzufügen?
ChatGPT war ein Einschnitt und markierte den enormen Fortschritt, den die generative Künstliche Intelligenz (KI) gemacht hat. Sie ist erstmals in der Breite der Gesellschaft angekommen, auch in der Breite des Bildungswesens, und damit ergeben sich viele Fragen für die Schule und für
das Prüfungswesen. Darauf wollten wir als SWK reagieren und bewusst einen Impuls der Versachlichung setzen gegen die Aufregung der vergangenen Monate. Vielen ist erst durch ChatGPT auf einen Schlag klar geworden, was sich schon lange abzeichnete: dass KI und digitale Medien Schule dramatisch verändern. Doch darauf mit einem Verbot von LLM reagieren zu wollen, halten wir als Ständige Wissenschaftliche Kommission weder für angemessen noch realistisch. Mit unseren Empfehlungen wollen wir Orientierung geben.
"Gerade Kinder und Jugendliche haben sehr schnell gemerkt, was sie mit LLM alles machen können.
Die Lehrkräfte waren etwas langsamer."
Als jemand, die sich seit vielen Jahren mit digitalen Medien auseinandersetzt, haben Sie selbst mit einer so rasanten Entwicklung generativer KI-Sprachmodelle gerechnet?
Wir haben an unserem Institut bereits vor Jahren zu LLM geforscht; damals GPT2, das noch viel schwieriger zu bedienen war. Trotzdem waren wir bereits beeindruckt, wie gut das Tool zum Beispiel bei der Erstellung von Gedichten war. Dass der Fortschritt hin zu einer derart vereinfachten Nutzung dann so schnell gehen würde, haben wir uns damals aber nicht vorstellen können. Doch erst dies ermöglichte den weitreichenden Einsatz, wie wir ihn jetzt erleben. Die Dialogfähigkeiten heutiger Systeme verführen dazu, sie spielerisch auszuprobieren. Gerade Kinder und Jugendliche haben sehr schnell gemerkt, was sie damit alles machen können. Die Lehrkräfte waren etwas langsamer.
Und kritischer?
Sicherlich stand am Anfang die Sorge im Vordergrund: Was passiert jetzt mit den Hausaufgaben, die wir stellen, was machen LLM mit der Schule, wie wir sie kennen? Der zweite Schritt kam aber nur wenig später. Dass viele Lehrkräfte sich gefragt haben: Wie können wir so ein System sinnvoll nutzen für den Unterricht? Womit wir sofort bei der systemischen Frage sind: Was braucht es, damit LLM, die ja nicht für die Schule entwickelt wurden, dort eine positive Wirkung entfalten können?
Die systemische Frage?
Ja, welche Unterstützung benötigen Lehrkräfte, um sich individuell mit diesem Tool auseinanderzusetzen, und durch wen? Welche Fortbildungsangebote erfordert das? Hier braucht unser Bildungssystem einen systematischen Ansatz, eine gemeinsame Vorstellung, was sich zum Positiven verändert, was zum Negativen, wie wir den Nutzen maximieren und den Schaden geringhalten.
In ihren Empfehlungen fordert die SWK eine Übergangsphase, eine Zeit der Erprobung zwischen Praxis und Wissenschaft. Was genau meinen Sie damit?
Es gibt noch keine umfassenden Studien zu den Effekten, wie sich LLM auf den Bildungserfolg auswirken. Trotzdem können wir nicht warten, bis empirische Evidenz vorliegt, die Schulen brauchen jetzt eine Einordnung. Immerhin haben wir Evidenz zu anderen Tools. Etwa als in den Schulen Taschenrechner eingeführt wurden, gab es dieselben Diskussionen, ob am Ende keiner mehr das Kopfrechnen lernt. Seitdem wissen wir aus der Lernforschung, wie sich neue Hilfsmittel so in der Schule einsetzen lassen, dass sie für den Lernerfolg förderlich sind und ihn nicht behindern. Doch was davon lässt sich auf LLM übertragen? Das gilt es in der Übergangsphase herauszufinden, und dabei wollen wir als Wissenschaft die Lehrkräfte nicht allein lassen.
"Es ist Aufgabe der Politik, die nötige Rechtssicherheit zu schaffen."
Was bedeutet das praktisch?
Das bedeutet, dass wir in dieser Übergangsphase gemeinsam mit den Lehrkräften und den Landesinstituten für Lehrkräftebildung neue Unterrichtskonzepte entwickeln, evidenzbasiert. Und bis es die gibt, ist eine offene Fehlerkultur, eine Kultur des Ausprobierens, entscheidend. Fest steht: Nicht alles wird funktionieren, wie wir uns das wünschen.
Wie lange sollte die Übergangsphase dauern?
In unserem Impulspapier nennen wir keinen Zeitraum. Für mich aber dauert die Übergangsphase, bis es ausreichend Materialien und Konzepte zum Einsatz von LLM in Schulen gibt, die geprüft sind und von denen wir wissen, was sie wirklich bewirken.
Erneut müssen sich das deutsche Bildungssystem und die deutsche Bildungspolitik auf die Regeln und Bedingungen einer Technologie einlassen, die in den USA entwickelt wurde.
Zumal sich in den Schulen besondere Anforderungen an den Datenschutz stellen, an die rechtlichen Rahmenbedingungen, an die Transparenz. Als Kommission sagen wir: Es ist Aufgabe der Politik, hier die nötige Rechtssicherheit zu schaffen. Lehrkräfte brauchen Bedingungen, unter denen sie genau wissen, was sie dürfen und was sie nicht dürfen. Wir brauchen Tools, die nicht einfach Daten sammeln und an die Firmen zurückspielen. Die starke Abhängigkeit von US-Konzernen erfordert eine umso stärkere und eindeutige Reaktion der Politik. Eine zentrale Voraussetzung ist, dass die Bundesländer sich auf ein weitgehend gemeinsames Vorgehen einigen, wenn sie LLM in ihre Lernplattformen integrieren. Dass sie, wo möglich, Tools verwenden, die speziell fürs Lernen entwickelt wurden und frei beforscht werden können. Wir reden ja nicht nur über LLM, wir reden über die Möglichkeiten neuer intelligenter tutorieller Systeme insgesamt.
Von denen wir in Deutschland schon ziemlich lange reden. Wer soll das denn konkret leisten, die Entwicklung digitaler Tools und die Anpassung von LLM an die Bedürfnisse der Schulen in Deutschland?
Dafür braucht es genau jene dauerhafte Einrichtung länderübergreifender Zentren für digitale Bildung, die wir als SWK in unserem allerersten Gutachten überhaupt gefordert haben. In denen Experten aus Schulpraxis, Lehrerbildung, Wissenschaft und Unternehmen gemeinsam digitale Materialien und didaktische Konzepte für den Unterricht entwickeln und verteilen. Die Kompetenzzenten für digitales und digital gestütztes Lernen, die das BMBF befristet finanziert, sind ein erster Schritt, um zu zeigen, welches vielfältige Potenzial in digitalen Medien steckt. Wir müssen aber weg von der drittmittelfinanzierten, oft kleinteiligen Projektförderung. Wir müssen hin zum großen Ganzen, zum systematischen Blick auf einzelne Schulfächer, und dafür bräuchten wir größere Zentren ohne Befristung. Unser Vorschlag wäre, mit Zentren für zwei Fächer anzufangen, eine Naturwissenschaft, eine Sprache.
"Erst wenn ein Kind die eigenständige
Produktion von Texten wirklich beherrscht,
ergibt es Sinn, Tools wie ChatGPT einzusetzen."
Die SWK will ChatGPT & Co aus den Grundschulen möglichst heraushalten, warum?
Wir wollen nichts verbieten. Wir sind aber der Auffassung, dass das eigenständige Schreiben von Texten als Grundkompetenz und Kulturtechnik unbedingt erhalten bleiben muss. Schreiben ist das Werkzeug zum strukturierten Denken, zum Vernetzen der eigenen Gedanken und Argumente, das dürfen wir nicht preisgeben. Das Erlernen und Ausbauen dieser Kompetenz geschieht in der Grundschule und dauert bis in die Sekundarstufe hinein. Erst wenn ein Kind die eigenständige Produktion von Texten wirklich beherrscht, ergibt es Sinn, Tools wie ChatGPT einzusetzen. Aber immer in Form einer versierten Koaktivität – mit LLM als Hilfsmittel, um die eigenen Gedanken zu ordnen und weiterzuentwickeln.
Wie wollen Sie die Nutzung von ChatGPT durch Grundschüler verhindern? Spätestens am Nachmittag, wenn die Kinder zu Hause sind, ist der Zugriff möglich. Ist es dann nicht gefährlich, wenn die Grundschule das Tool tabuisieren würde?
Wir wollen nichts tabuisieren! Es ist sinnvoll, LLM und deren Nutzung in der Grundschule zu thematisieren. Aber wir müssen zugleich sicherstellen, dass der Erwerb von Schreibkompetenz nicht gefährdet wird. Deshalb werden Hausaufgaben künftig anders aussehen. Das klassische Textschreiben als Hausaufgabe wird es nicht mehr lange geben. Diesen Teil des Lernens müssen wir in den Unterricht verlagern, wo die Lehrkräfte einen Blick darauf haben.
Und wie wird sich die Prüfungskultur in den Schulen ändern? Ergibt das Schreiben von Klassenarbeiten ohne Hilfsmittel überhaupt noch Sinn, wenn das so gar nichts mehr mit dem späteren Leben zu tun hat?
Bildung wird auch künftig bedeuten, dass Wissen in den Köpfen entsteht und nicht einfach ausgelagert wird. Denn das ist die Voraussetzung, um die Welt begreifen zu können. Insofern wird es weiter hilfsmittelfreie Prüfungen geben, und das ist gut so. Aber je älter die Schüler werden, desto stärker kommt etwas Zweites dazu. Bin ich in der Lage, mein Wissen so einzusetzen, dass ich digitale Tools effizient prompten kann? Denn nur dann werden ich Texte erhalten, die mir wirklich etwas bringen.
"Ein Chatbot hat kein Verstehen, der liefert mir nur die statistisch wahrscheinlichste Antwort."
Prompten als neue Kulturtechnik?
Prompten als sprachliche Eingabe an den Chatbot, um ihn zu einer Antwort herauszufordern. Wie sinnhaft diese Antwort ist, ob sie einfach nur gut klingt oder tatsächlich stichhaltig ist, hängt entscheidend von meiner Eingabe ab, von meinem Inhaltswissen. Je mehr ich weiß, desto konkreter kann ich fragen und hinterfragen und anschließend prüfen, ob überhaupt richtig ist, was mir da geliefert wird, oder ob es sich um sogenannte Halluzinationen handelt, erfundene Sachverhalte, Zitate oder Fehler. Das erfordert eine hohe Kompetenz, die Schule künftig vermitteln muss und die Lehrkräfte, genauso wie die Schüler, erst erwerben müssen. Ein Chatbot hat kein Verstehen, der liefert mir nur die statistisch wahrscheinlichste Antwort.
Die Lehrkräfte können es auch nicht?
Die meisten sind in Sachen LLM und deren Einsatz genauso blutige Anfänger wie die Schüler, wobei die Schüler oft noch experimentierfreudiger sind. Darum plädieren wir als SWK für diese Übergangsphase und appellieren an alle Lehrkräfte: Setzt euch in dieser Zeit mit den Tools auseinander, macht eure Erfahrungen, übt damit, erstellt Unterrichtsmaterialien mit Hilfe von LLM. Dann merkt ihr schon, was funktioniert und was nicht. Natürlich kommt bei der Qualitätssicherung auch den Landesinstituten eine entscheidende Aufgabe zu, sie müssen zum praktischen Ausprobieren der Lehrkräfte die notwendigen reflektierenden Fortbildungen anbieten.
Wir wissen aus der Forschung zum Einsatz digitaler Medien, dass sie die Bildungsungleichheit eher noch erhöhen können. Man spricht dann vom sogenanntem Matthäus-Effekt: Wer schon hat, dem wird noch mehr gegeben. Vergrößert sich dieser Effekt durch LLM noch?
Wenn Sie die Kinder sich selbst überlassen bei der Nutzung von ChatGPT, ist das sicher so. Kinder, die von ihren Eltern die nötige Unterstützung und Bildung mitbekommen, werden dem Tool dann gute Fragen stellen, effektiv prompten, und gute Antworten bekommen. Sie werden auch eher in der Lage sein, die Qualität der Texte, die sie erhalten, einzuschätzen. Weniger privilegierte Kinder dagegen werden LLM unter Umständen so nutzen, dass sie eben nicht mehr das eigenständige Schreiben von Texten erlernen. Genau deshalb ist es ja so wichtig, dass Schule und Unterricht sich verändern und dass Lehrkräfte lernen, hier gezielt zu instruieren. Dann nämlich könnte es sogar zur gegenteiligen Wirkung kommen: wenn eine Lehrkraft LLM einsetzt, um Lernmaterialien zu erstellen, die auf die Leistungsniveaus der einzelnen Kinder angepasst sind. Oder auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Indem zum Beispiel Erklärtexte in einfache Sprache übersetzt werden, damit Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, einen besseren Zugang erhalten. In dem Sinne sollten LLM übrigens auch in den Grundschulen eine große Rolle spielen, in ihrer Nutzung durch die Lehrkräfte.
Insgesamt werden LLM viele interessante Unterrichtsmöglichkeiten eröffnen, die wir bisher nicht hatten. Etwa, wenn ein Kind durch LLM mit einer literarischen Figur reden kann, die ihm den Zugang zum Lesen eröffnet. Das sind didaktische Möglichkeiten einer interaktiven Bildung, die sich vor kurzem keiner hätte vorstellen können.
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Wie sich die neue KMK-Präsidentin die Kultusministerkonferenz der Zukunft vorstellt – und was passieren muss, damit diese Vision Realität wird: ein Interview mit Christine Streichert-Clivot über Lehren aus Pisa, Reformen im Lehramtsstudium, die bildungspolitische Bilanz der Ampel – und den Umgang mit Transformation als Leitthema.
Christine Streichert-Clivot, 43, ist SPD-Politikerin und seit 2019 saarländische Ministerin für Bildung und Kultur. Foto: Ministerium für Bildung und Kultur Saarland/Holger Kiefer.
Frau Streichert-Clivot, am 1. Januar 2024 hat das Saarland turnusmäßig die Präsidentschaft der Kultusministerkonferenz übernommen. Sie führen die nächsten zwölf Monate lang die Geschicke des deutschen Bildungsföderalismus. Was lässt sich da als zweitkleinstes Bundesland eigentlich ausrichten?
In der KMK haben jeder Minister und jede Ministerin unabhängig von der Größe ihres Bundeslandes das gleiche Stimmrecht, und ich glaube, dass ich als Kultusministerin des Saarlandes sogar einen Vorteil habe. Wir führen die gesamte Bildungslandschaft aus dem Ministerium heraus, wir haben keine nachgeordneten Behörden, das heißt: Der Draht in die Praxis hinein könnte enger kaum sein. Wir erfahren immer sofort, was los ist, und wo besonderer Unterstützungsbedarf besteht. Das macht uns agiler, und diese Agilität möchte ich in die KMK einbringen inmitten ihres spannenden Transformationsprozesses, den ich in diesem Jahr gern führen und zu einem Ergebnis bringen möchte. Also: Ich freue mich auf das Jahr, natürlich bedeutet die Präsidentschaft viel Arbeit, aber auch eine ausgesprochene Ehre. Zumal ich den Austausch mit meinen Kolleginnen und Kollegen immer als sehr inspirierend erlebe.
Traditionell hat jede KMK-Präsidentschaft ein Leitthema. Was wird das Ihre sein?
Die Bildungslandschaft steht vor einer Vielzahl komplexer und miteinander verflochtener Probleme, die eine ganzheitliche und kooperative Herangehensweise erfordern. Deshalb haben wir als Saarland uns für die Präsidentschaft auch kein fokussiertes Einzelthema gesetzt, sondern eine Leitidee für zukünftiges bildungspolitisches Handeln formuliert: "Bildung in Zeiten des Wandels - Transformation aktiv gemeinsam gestalten". In einer Zeit, in der sich die KMK genauso im Umbruch befindet wie unser Bildungssystem genauso, in der wir an verschiedenen Stellen ansetzen müssen und nicht das eine Rezept, die eine Lösung existiert, kann es für mich nur eine Leitidee geben: der mutige Umgang mit Transformation.
"Der entscheidende gemeinsame Kompass muss bei allen Veränderungen immer der Blick der Kinder und Jugendlichen sein."
Klingt so richtig wie abstrakt. Was bedeutet das praktisch?
Wenn wir unsere Schulen durch die Zeit der Transformation leiten wollen, geht das nur gemeinsam mit den politischen Ebenen in den Ländern, Kommunen und dem Bund und in enger Zusammenarbeit mit anderen Fachkonferenzen. Weitere wichtige Themen, die die KMK im kommenden Jahr begleiten werden, sind unter anderem der allgemeine Fachkräftemangel, der nicht nur die Schulen, sondern auch die Hochschulen fordert, die Lehrkräftegewinnung und –qualifizierung, die digitale Transformation des Lehrens und Lernens und die pädagogische Weiterentwicklung von digital gestützten Lehr- und Lernprozessen, auch im Umgang mit Künstlicher Intelligenz an Schulen. Wir werden uns aber auch an der anstehenden und dringend nötigen Weiterentwicklung und Reform der KMK messen lassen müssen. Die Transformation betrifft uns als ganze Gesellschaft in all unseren Teilen. Der entscheidende gemeinsame Kompass muss bei allen Veränderungen immer der Blick der Kinder und Jugendlichen sein.
Was macht Sie optimistisch, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen diesen Anspruch teilen?
Wir sind die einzige Ministerkonferenz, die sich der Durchleuchtung durch eine Organisationsberatung gestellt hat. Aus einer Unzufriedenheit mit dem Zustand der KMK und der Langsamkeit ihrer Entscheidungen heraus. Mit dem Wunsch, viel stärker als bislang die politisch relevanten Themen zu setzen und Lösungen bereitzustellen. Optimistisch macht mich auch, dass wir schon entscheidende Schritte in die Richtung gemacht haben. Vor allem durch die Einrichtung der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK), die bereits jetzt mit ihren Gutachten, Impulsen und Papieren die bildungspolitische Debatte prägt.
Was muss sich als erstes ändern in der KMK?
Erstens hat die KMK eine viel zu große Zahl an Gremien, zum Teil ohne Einsetzungsbeschluss, die ein Eigenleben entwickelt haben in den vergangenen Jahren. Diese Gremien binden sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Landesministerien und im KMK-Sekretariat. Da müssen wir ran, zumal das Gutachten von "Prognos" gezeigt hat, dass all diese Gremien untereinander kaum vernetzt sind, es kommt also zu Dopplungen, zu nicht abgestimmten Entscheidungen. Wenn die KMK ein wirkmächtiger Think Thank der Bildungspolitik werden soll, sind das die wichtigsten Stellschrauben, an die wir ranmüssen.
Was heißt für Sie "Think Tank"?
Wir müssen das Rad nicht in jedem Bundesland neu erfinden. Wir brauchen eine Stelle, die einerseits die Zusammenarbeit der Länder effektiver organisiert und andererseits transparent macht, welche bildungspolitischen Projekte in welchen Ländern gut laufen. Für ersteres brauchen wir ein langfristiges Arbeitsprogramm, das über Jahre und mehrere KMK-Präsidentschaften hinwegreicht. Für zweiteres brauchen wir eine KMK-Verwaltung, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereit und in der Lage sind, die Bildungspolitik der Länder zu begleiten und auszuwerten, anstatt in der Betreuung zu vieler Gremien festzustecken.
Braucht es ein Arbeitsprogramm, das über mehrere Präsidentschaften hinwegreicht, oder braucht es eine Präsidentschaft, die über mehrere Jahre dauert? Führung erfordert Erfahrung und Zeit.
Ich finde es zu früh, diese Frage zu beantworten. Fakt ist, dass die gegenwärtige Regelung die Möglichkeiten einer Präsidentschaft, langfristig zu wirken, stark einschränkt. Und ich beobachte bei vielen meiner Kolleginnen und Kollegen die Bereitschaft, längerfristig Verantwortung zu übernehmen, und sei es erstmal für einen Teilbereich, wie wir es heute schon etwa im Rahmen der länderübergreifenden Vorhaben beim Digitalpakt praktizieren.
"Oft würde es ja schon reichen, wenn wir die KMK-Beschlüsse, die wir haben, so umsetzen, dass sie auf Dauer greifen."
Eine andere Frage, bei der Sie und Ihre Kolleginnen gern im Allgemeinen bleiben, ist die nach den künftigen Abstimmungsmodalitäten. Muss die KMK nicht endlich weg vom Einstimmigkeitsprinzip bei allen wichtigen Fragen – weil sonst allzu oft nicht die beste Lösung gewinnt, sondern die, die am wenigsten wehtut?
Richtig ist, dass wir zuerst über die Struktur unserer Zusammenarbeit und unserer künftigen Agenda als KMK sprechen und zu einem Ergebnis kommen sollten, bevor wir darüber reden, ob wir einander häufiger überstimmen sollten. Sonst verzetteln wir uns und verschwenden Energie und Ressourcen, die wir gerade dringend für die inhaltliche Arbeit brauchen. Oft würde es ja schon reichen, wenn wir die Beschlüsse, die wir haben, so umsetzen, dass sie auf Dauer greifen. Zumal regelmäßige Mehrheitsentscheidungen derart stark in die Bildungshoheit der einzelnen Länder eingreifen würden, dass wir Bildungsminister uns jedes Mal mit unserem Kabinett und der Mehrheit in den Landtagen abstimmen müssten. Ob das probat wäre?
Welches sind denn die Themen, die Ihres Erachtens auf der längerfristigen Agenda der KMK oben stehen sollten?
Mit am zentralsten sind für mich die Schlussfolgerungen, die wir aus den jüngsten Pisa-Ergebnissen ziehen. Die Studie hat erneut offengelegt, dass es einen starken Zusammenhang zwischen dem Bildungserfolg der Kinder und Jugendlichen und ihrer Herkunft gibt, wobei ich darunter viel mehr verstehen würde als nur die Frage nach ihrer Migrationserfahrung. Es geht um die sozioökonomische Situation der Familien, die soziale Schere hat sich in den vergangenen Jahren weiter geöffnet in Deutschland. Dass darüber hinaus die Pandemie eine Rolle bei der massiven Verschlechterung gespielt hat, beantwortet noch nicht die Frage, was genau da passiert ist. Für mich besteht hier wiederum ein enge Verbindung zu der sozialen Schieflage. Ein Großteil der Kinder ist gut durch die Zeit der Schulschließungen gekommen, aber bei vielen anderen fehlte die Unterstützung, sie haben starke seelische Belastungen erlitten.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Was es jedenfalls nicht bedeutet: dass wir auf die zunehmende Heterogenität und Diversität reagieren, indem wir versuchen, die Klassen und Schulen wieder homogener zu machen. Der Hinweis, dass es vor allem Länder mit weniger diverser Bevölkerung seien, die bei Pisa bessere Leistungen erreicht haben, mag berechtigt sein oder nicht, wenn wir jetzt stärker aufteilen, stärker gliedern, wie einige Lehrerverbände es fordern, verstärken wir die Ungerechtigkeiten weiter.
Aber was dann?
Wir haben im Saarland mit dem Ausbau von Schulsozialarbeit und Sprachförderung die Unterstützung unserer Schulen massiv verstärkt, wir haben die Einrichtung multiprofessioneller Teams gesetzlich verankert. Das sind Erfahrungen, die ich in der KMK einbringen kann. Das ist übrigens auch der Grund, warum ich die begonnene enge Verzahnung zwischen KMK und Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) 2024 fortsetzen möchte, unter anderem mit einer gemeinsamen Sitzung der Präsidien. Wir haben viele gemeinsame Themen, mit Blick auf multiprofessionelle Teams, auf den Ganztag und die Fachkräftegewinnung in den Kitas. Da ist viel Musik drin, ich werde mit Bremens Kinder- und Bildungssenatorin Sascha Karolin Aulepp, die nächstes Jahr der JFMK vorsitzt, dort weitermachen, wo unsere Vorgänger Katharina Günther-Wünsch und Steffen Freiberg aufgehört haben. Darüber hinaus, glaube ich, sollten wir als Konsequenz aus Pisa häufiger den Schülerinnen und Schülern zuhören, wie sie ihren Unterricht erleben.
"Sich einfach zurückzulehnen und zu sagen, Mädchen seien halt weniger an Mathe interessiert und wer keine mathematische Grundbildung erhält, hat selbst schuld, bringt uns nicht weiter."
Was meinen Sie damit?
Pisa bietet auch dazu wichtige Erkenntnisse. Es stellt sich beim Blick auf Angaben der Jugendlichen sehr schnell die Frage, ob der Mathematikunterricht, wie er in den meisten Schulen erteilt wird, noch zeitgemäß ist. Bietet er die Lebensorientierung, die Schülerinnen und Schüler sich wünschen? Wie muss er ablaufen, damit Mädchen sich genauso angesprochen fühlen? Sich einfach zurückzulehnen und zu sagen, Mädchen seien halt weniger an Mathe interessiert und wer keine mathematische Grundbildung erhält, hat selbst schuld, bringt uns nicht weiter. Weshalb die Weiterentwicklung der Lehrkräftebildung nicht zufällig das nächste große Thema auf unserer Agenda als KMK ist.
Aber geht es bei der wirklich vorrangig um besseren Unterricht? Oder beruht die plötzliche Reformdynamik vor allem auf dem Kalkül der Kultusminister, möglichst schnell möglichst viele Lehrkräfte gegen den Mangel zu produzieren?
Den Eindruck habe ich nicht. Natürlich muss jedes Land erstmal schauen, selbst genug Lehrkräfte zu haben. Darum brauchen wir auch kurzfristige Strategien gegen den Fachkräftemangel, der nicht nur die Schulen betrifft, weshalb wir mit vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen um die gleichen Köpfe konkurrieren. Andererseits müssen wir aber grundsätzlich schauen, wie wir die Lehrerbildung praxisorientierter machen, um genau den lebensweltlichen Bezug zu den Schülerinnen und Schülern zu erreichen, der im Unterricht oft eben nicht da ist. Und so hilfreich das kürzlich veröffentlichte Gutachten der SWK zur Zukunft der Lehrkräftebildung war, genau an der Stelle haben wir mit den Experten einen offenen Diskussionspunkt.
Eine recht euphemistische Umschreibung dafür, dass die SWK die Begeisterung der Kultusminister für die Einführung eines dualen Studiums überhaupt nicht teilt.
Es erscheint vorstellbar, dass wir dazu in der KMK bald eine Beschlusslage hinbekommen. Und ich glaube, dass sich der Konflikt mit der SWK ein Stückweit erledigt, wenn wir uns von den Begrifflichkeiten lösen. Was ich unter einem dualen Studium verstehe, eine stärkere Praxisorientierung schon ab dem ersten Semester, wird von etlichen Wissenschaftlern geteilt. Da hat sich in den vergangenen Jahren schon viel getan mit Praktika und Praxissemestern. Aber wir stellen fest, dass die Studierenden sich noch mehr wünschen, sie wollen die unmittelbare Konfrontation mit dem Schulalltag. Mit der praxisintegrierten Ausbildung der Erzieherinnen gibt es längst gute Vorbilder.
Der SWK geht es aber um die tiefe wissenschaftliche Fundierung – die die Studierenden sich übrigens genauso wünschen.
Die SWK fürchtet, es könnten sich durch einen zu frühen Praxiseinsatz ungute Arbeitsstrategien verfestigen, bevor sie theoretisch hinterfragt werden konnen. Für mich ist das aber vor allem eine Frage der Organisation und der geeigneten Umsetzung.
"Im Saarland diskutieren wir jetzt die Etablierung von Ausbildungsschulen , ähnlich wie es Lehrkrankenhäuser für angehende Mediziner gibt."
Vor allem ist es eine Frage der Betreuung. Die Realität sieht vielerorts so aus, dass schon Lehramtsstudierende als Vertretungskräfte in den Schulen arbeiten, ohne jedes Coaching – wenn doch Bildungswissenschaftler warnen, dass Praxiseinsatz ohne umfangreiche Anleitung pädagogisch wertlos ist.
Es ist aber genau, wie Sie sagen: Diese Frage stellt sich nicht erst mit der Debatte ums duale Studium. Das Problem beginnt, sobald die jungen Fachkräfte, die eigentlich noch in Ausbildung sind, zur Abdeckung von Personallücken eingesetzt werden. Verschärft wird es, wenn gleichzeitig Betreuungspersonen fehlen. Schon im Referendariat ist eine angemessene Begleitung immer wieder aufs Neue eine Herausforderung, viele Fachseminarleiter wünschen sich einen stärkeren und verbindlicheren Austausch mit den Schulen. Weshalb wir im Saarland jetzt die Etablierung von Ausbildungsschulen diskutieren, ähnlich wie es Lehrkrankenhäuser für angehende Mediziner gibt. Das sind Standorte, wo es Mentorinnen gibt, die mit Studierenden und Referendaren zusammenarbeiten, sie im unmittelbaren Austausch begleiten. Dann und nur dann kann ein duales Studium funktionieren – bis hin zu einer Variante mit einem bezahlten Einsatz bereits zu Beginn des Studiums. An den Grundschulen in meinem Bundesland spüre ich da eine große Offenheit, an den weiterführenden Schulen weniger, wenn man beispielsweise die ablehnende Position des Philologenverbandes betrachtet. Aber die Debatte müssen wir trotzdem führen. Und sie zusammendenken mit der Reform der dritten Phase, der verstärkten berufsbegleitenden Weiterqualifizierung von Lehrerinnen und Lehrern.
Die noch mehr von Schulen und Universitäten abverlangen würde.
Die aber lohnen würde. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Im Saarland haben wir dieses Schuljahr das Fach Informatik eingeführt, flächendeckend an allen weiterführenden Schulen ab Klasse sieben. Die dafür nötigen Informatiklehrer finden wir nicht auf dem Arbeitsmarkt, weil erstens Informatiker anderswo deutlich mehr verdienen können als in den Schulen und weil zweitens mit jedem Bundesland, das Informatik als Schulfach etabliert, die Konkurrenz zunimmt. Darum haben wir mit der Universität des Saarlandes eine neues Weiterbildungsprogramm auf die Beine gestellt, bei dem Lehrerinnen und Lehrer Informatik als drittes Fach hinzustudieren können. Das ermöglicht uns, Schritt für Schritt den Bedarf zu decken.
Die SWK schlägt als weitere Maßnahme die Einführung von Assistenzlehrkräften vor – im Sinne eines neuen Berufsbildes, aber auch als Entlastung der Kollegien.
Aktuell haben wir im Saarland keine Assistenzlehrkräfte, ich bin bei der Frage mit Blick auf mögliche Konflikte auch sehr zurückhaltend. Am Ende führt das zu unterschiedlichen Bezahlstrukturen unter dem Dach einer Schule. Wir sollten eher schauen, ob es andere Möglichkeiten gibt, die Kollegien zu unterstützen, etwa durch eine Ausweitung der systemischen Unterstützung im Rahmen ganztägiger, inklusiver Schulen. Als zusätzliche professionelle Struktur an den Schulen. Das gehört zu dem, was ich mir unter multiprofessionellen Teams vorstelle.
Zu denen auch die Systemadministratoren gehören würden, über deren Einsatz in Schulen seit dem Digitalpakt verstärkt diskutiert wird. Apropos Digitalisierung: Im Jahr 2 nach dem Auftauchen von ChatGPT hätte man denken können, dass Sie das Thema Künstliche Intelligenz zum Thema Ihrer Präsidentschaft machen.
Das ist Teil der Transformation, über die ich am Anfang gesprochen habe. So wichtig digitale Souveränität und digitale Mündigkeit als Zukunftskompetenzen sind, so besorgt beobachte ich, wie etwa skandinavische Länder den Rückzug aus der Digitalisierung in den Schulen verkünden. Das würde bei uns die digitale Spaltung in der Schülerschaft weiter vertiefen. Wir statten im Saarland alle Schülerinnen und Schüler ab Klasse drei mit eigenen digitalen Endgeräten aus, fertig konfiguriert mit den nötigen Inhalten. Wir reden nicht mehr von digitalen Schulbüchern in PDF-Format, sondern von einer Vielfalt von Diagnoseinstrumenten für eine Individualisierung des Lernfortschritts mit paralleler Rückmeldung an die Lehrkräfte. Was zeigt, dass es um weit mehr geht als die Potenziale von Large Language Models wie ChatGPT. Und um völlig neue Herausforderungen. Woher weiß ich noch, dass mein Gegenüber in der Videokonferenz echt ist und nicht durch eine Software generiert? Oder wenn ich auf Facebook die immer gleichen Bilder zum Konflikt zwischen Israel und Palästina angeboten bekomme, warum ist das so? Alles Fragen, auf die unsere Schulen die Kinder vorbereiten müssen. Sie werden in einer Welt leben, die nach ganz anderen Gesetzen funktioniert als unsere heutige. Wir müssen ihnen die Instrumente gegeben, diese Welt kritisch zu begleiten und im besten Falle gestalten zu können.
Mit dem "Wir" meinen Sie die Bundesländer, weil sie die Bildungshoheit haben?
Die Zukunft der Bildungspolitik liegt in der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen, weshalb gerade beim Digitalpakt, diesem großen kommunalen Unterstützungsprogramm, die Fortsetzung so wichtig ist. Ohne den Digitalpakt I wären viele Investitionen in die Digitalisierung unserer Schulen nicht möglich gewesen. Er endet im Juni 2024, und natürlich haben wir uns als Länder ein klares Signal des Bundes gewünscht, dass es unmittelbar mit dem Digitalpakt II weitergeht. Stattdessen bekamen wir die Ansage, dass es frühestens 2025 etwa wird. Wenn ich mir jetzt die Entwicklungen der vergangenen Wochen anschaue, bin ich sehr gespannt, wie es der Bundesbildungsministerin gelingen wird, das Programm im Haushalt zu platzieren. Gelingt ihr das nicht, werden viele neue im Digitalpakt I entstandene Strukturen in den Kommunen kaputtgehen. Einfach, weil die meisten Länder die Ausgaben nicht allein stemmen können. Der Bund hat eine Mitverantwortung, dass in den Schulen aller Bundesländer eine gleichwertige digitale Infrastruktur besteht.
"Digitalpakt und Startchancen sind die zwei Programme, die am Ende über bildungspolitische Bilanz von Ministerin Stark-Watzinger entscheiden werden."
Wäre es dann nicht die Verantwortung der Länder, wie vom Bund gefordert 50 Prozent der Finanzierung beizusteuern?
Der Bund hat erst im Laufe des Jahres 2023 seine Strategie geändert und will plötzlich überall und einseitig weg von den alten Finanzierungsschlüsseln. Darüber wird zu verhandeln sein, so wie wir beim Startchancen-Programm darüber verhandelt haben – auch über die Eigenleistungen der Länder, die dann angerechnet werden. Wenn wir im Saarland alle Schüler mit Endgeräten ausstatten, stemmen wir viel selbst – das sollte der Bund anerkennen. Und wenn wir über eine Fifty-Fifty-Finanzierung reden, wäre es übrigens umgekehrt angebracht, dass der Bund sich auf eine langfristige Lösung einlässt. Wir können nicht immer von einer Programmverlängerung in die nächste gehen. Wir brauchen einen höheren Grad an Verbindlichkeit.
Es gibt Länder, vor allem mit CDU-geführten Kultusministerien, die ein Junktim machen wollen zwischen Startchancen-Programm und Digitalpakt. Die sagen: Auch wenn es zeitnah eine Startchancen-Verwaltungsvereinbarung gibt, werden wir die nur ratifizieren, wenn es Sicherheit beim Digitalpakt gibt.
Dafür habe ich großes Verständnis. Der Digitalpakt ist ein Infrastrukturprogramm: Wenn der Digitalpakt nicht fortgeführt werden kann, dann wird die Infrastruktur auf kommunaler Ebene darunter leiden. Deshalb schauen wir als Länder natürlich beim Startchancenprogramm auch auf die Entwicklung des Digitalpakts. Sieht der Bund hier seine Aufgaben nach Auslaufen des Programms seine Aufgabe als erledigt an oder bekennt er sich zu seiner Verpflichtung einer Anschlussfinanzierung? Vor dem Hintergrund des jüngsten Verfassungsgerichtsurteils schauen wir als Kultusministerinnen und Kultusminister genau hin, ob sich das Bekenntnis für die Fortführung des Digitalpakts auch in den Zahlen in der Bundeshaushaltsplanung ablesen lässt.
Der Entwurf der Startchancen-Verwaltungsvereinbarung, die der Bund für November angekündigt hatte, ließ derweil bis zwei Tage vor Weihnachten auf sich warten.
Ich will dem Bund da nichts unterstellen, das BMBF hat mit den Ländern gemeinsam äußerst intensiv in der gemeinsamen Arbeitsgruppe an dem Programm gearbeitet. Aber natürlich ist es sehr bedauerlich dass es so lange gedauert hat, denn ein Beginn zum August 2024 wird jetzt zu einer extremen Herausforderung. Ich erinnere nur an den Entwurf der Vereinbarung zu den Ganztagsschulen, die über Monate zwischen Bundesfamilienministerium und den Ländern hin- und herging. Unsere Ministerien müssen den Vorschlag des Bundes jetzt in kürzester Zeit bewerten und dabei trotzdem gründlich sein, wir müssen auf politischer Ebene sehr schnell zu einer Einschätzung kommen, ob wir auf dieser Grundlage weitermachen können. Darum hatten wir ja so viel Wert darauf gelegt, möglichst früh den Entwurf zu erhalten. Nun ist es, wie es ist. Und wir müssen zweigleisig fahren: mit dem Bund verhandeln und parallel bereits schauen, welche Schulen wir für das Programm vorschlagen wollen. Das geht aber nur teilweise. Ich kann nicht mit den Schulen ins Gespräch gehen über die einzelnen Säulen des Programms, ohne zu wissen, ob diese Säulen dann auch so kommen. Wir arbeiten also mit angezogener Handbremse und müssen doch mit aller Kraft dafür kämpfen, dass wir zum nächsten Schuljahr pünktlich starten können.
Die Ampelkoalition in Berlin ist mit großen bildungspolitischen Ambitionen in die Legislaturperiode gestartet. Hat sie geliefert?
Die Antwort ist offen. Ich erwarte, dass das BMBF bei Digitalpakt und Startchancen liefert. Das sind die zwei Programme, die am Ende über bildungspolitische Bilanz von Ministerin Stark-Watzinger entscheiden werden.
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2019 hat Thomas Hofmann den scheinbar ewigen Präsidenten Wolfgang Herrmann an der Spitze der TU München abgelöst. Was macht er jetzt anders? Ein Gespräch über das bayerische Genderverbot, die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, die Beziehungen zu China – und Hofmanns Verständnis der unternehmerischen Universität.
Thomas Frank Hofmann, Jahrgang 1968, ist Lebensmittelchemiker und war von 2009 bis 2019 geschäftsführender Vizepräsident der Technischen Universität München (TUM) für Forschung und Innovation. Seit 2019 ist er Präsident der TUM. Foto: Astrid Eckert / TUM.
Herr Hofmann, auf Betreiben von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist Anfang April in Bayern das Genderverbot in Kraft getreten. Schulen, Hochschulen und Behörden ist die Verwendung geschlechtersensibler Sprache von nun an ausdrücklich untersagt. Was bedeutet das für die Technische Universität München (TUM)?
Wir glauben, dass Diversität, ihre Förderung und Wertschätzung die Schlüssel sind für den Erfolg unserer Universität. Durch die Nutzung gendersensitiver Sprache versuchen wir seit Jahren eine möglichst große Vielfalt an Talenten anzusprechen. Und das gelingt zunehmend gut, auch wenn wir wie auch andere technische Universitäten gerade bei weiblichen Studierenden und Wissenschaftlerinnen weiterhin Aufholbedarf haben. Wir interpretieren das Verbot so, dass es für die Universität im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben gilt, also beispielsweise bei der Erstellung von Satzungen oder Promotionsordnungen etwa. In anderen Bereichen, wie beispielsweise in der Kommunikation innerhalb unserer Universitätsgemeinschaft verfahren wir im Bestreben einer weiteren Steigerung unserer Vielfalt wie bisher.
Also sämtliche Lehrveranstaltungen, Lehrunterlagen und Forschungsarbeiten fallen nach Ihrem Verständnis nicht unter das Verbot?
Soweit ist unser Verständnis, und ich bin sicher, dass die noch ausstehenden Ausführungsempfehlungen des Freistaats in dieser Form die Autonomie der Hochschulen nicht unnötig einschränken.
"Dieser vermeintliche 'Genderzwang' existiert doch gar nicht."
Ärgert es Sie, dass Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) als Beispiel für den vermeintlichen "Genderzwang" an bayerischen Hochschulen einen inzwischen gelösten Fall angeführt hat, der sich, wie später herauskam, ausgerechnet an der TUM zugetragen hat?
Nein, zumal dieser vermeintliche "Genderzwang" doch gar nicht existiert. Dass die besagte Promotionsordnung gendersensitive Sprache nutzt, ist lediglich Zeichen unseres Inklusionsverständnisses. Im Übrigen entspricht sie auch andernorts dem heutigen Standard. Wenn Sie die Promotionsordnung der TU Berlin oder auch der ETH Zürich anschauen, dann lesen die sich genauso. Die ganze Aufregung, auch in den Medien, halte ich für unangemessen und vor allem für wenig zeitgemäß, zumal in diesen bewegten Zeiten Deutschland doch vor ganz anderen Herausforderungen steht. Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Medien sollten ihre vereinten Kräfte besser auf innovative Lösungsansätze fokussieren, denn der laufende Wettbewerb um die Zukunftsstandorte der Welt wartet nicht auf Deutschland!
Der Vorwurf lautete, dass einer Promovendin die Verleihung des Doktorgrades verwehrt worden sei, solange sie sich geweigert habe, auf dem Titelblatt das Gendersternchen zu verwenden – was, wie Blume sagte, "sogar in der Promotionsordnung so vorgeschrieben ist". Laut dem Minister "ein klarer Fall von sprachlicher Übergriffigkeit".
Es gab den Fall, dass sich die Veröffentlichung einer Dissertation wegen Diskussionen um Formulierungen auf dem Titelblatt der Dissertation verzögerte. Die Promovendin hatte ihre Prüfungen zuvor bereits erfolgreich bestanden. Daran gab es keinen Zweifel. Die Promovendin hatte sich zudem gewünscht, den Titel "Doktor" als Bezeichnung des generischen Maskulinums zu erhalten statt "Doktorin". Dies war lediglich der erste derartige Fall an der TUM seit Inkrafttreten der Neufassung der Promotionsordnung 2021. Deshalb hat sich der Ablauf etwas verzögert, was auch nicht mehr vorkommen sollte. Da wir an der TUM möglichst große individuelle Freiheiten bezüglich geschlechterspezifischer Bezeichnungen gewähren, haben weibliche Promovierende natürlich die Möglichkeit, den akademischen Grad "Doktor" oder "Doktorin" zu wählen, so auch in diesem konkreten Fall. Also erneut: kein Grund zur Aufregung.
Ebenfalls von der Staatsregierung beschlossen wurde ein Entwurf für ein "Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern", das nicht nur Zivilklauseln an bayerischen Hochschulen untersagt, obwohl es gar keine gibt, sondern ein allgemeines Kooperationsgebot für die Hochschulen mit der Bundeswehr festschreibt. Stellt das Wissenschaftsministerium auf Antrag der Bundeswehr fest, dass eine Kooperation für die nationale Sicherheit erforderlich sei, sollen die Hochschulen künftig sogar ministeriell zur Zusammenarbeit gezwungen werden. Eine Grenzüberschreitung?
Die grundgesetzlich verankerte Freiheit von Lehre und Forschung wird an der TUM mit höchster Wertigkeit gelebt und schließt aus meiner Sicht ein Verbot von Forschung zu Dual-Use-Technologien und eine entsprechende Zivilklausel aus. Darum gab es an der TUM auch nie eine Zivilklausel. Außerdem bin ich der Überzeugung, dass wir uns keiner Technologie verschließen sollten, nur weil sie gegebenfalls Dual-Use-Potential mit sich bringt, also neben zivilen auch für defensiv-militärische Zwecke genutzt werden könnte. Oft genug war es in der Vergangenheit doch sogar umgekehrt: Zahlreiche Technologien wurden beispielsweise in den USA primär für militärische Zwecke entwickelt und führten dann, etwa in der Luftfahrt, zu innovativen Fortschritten in der zivilen Nutzung. Unnötige Einschränkungen bei der Erforschung von Dual-Use-Technologien an der TUM wären somit zum Nachteil des Innovationsfortschritts im zivilen Bereich.
"Wenn der Staat seine Universitäten verstärkt für den Schutz der Bevölkerung in die Verantwortung nehmen will, hat dies aus meiner Sicht nichts mit einem Verlust der Freiheit in der Wissenschaft zu tun."
Außerdem dürfen wir nicht leugnen, dass sich in den vergangenen zwei Jahren die Sicherheitslage in der Welt dramatisch verändert hat. Im Sinne einer friedlich ausgerichteten Verteidigungspolitik sehe ich auch die Hochschulen gefordert, ihre technischen Entwicklungen und Innovationen auch zum Schutz unserer Bevölkerung, der freiheitlich demokratischen Grundordnung und der nationalen Sicherheit zu nutzen. Wenn der Staat seine Universitäten nun verstärkt in die Verantwortung nehmen will, hat dies aus meiner Sicht nichts mit einem Verlust der Freiheit in der Wissenschaft zu tun. Denn nicht für einzelne Forscher oder einzelne Forscherinnen soll das Gebot zur Kooperation gelten, sondern für die Hochschule als Institution. In die individuelle Entscheidungsfreiheit wird aus meiner Sicht mit dem aktuellen Gesetzesentwurf an keiner Stelle eingegriffen.
Im Oktober 2019 haben Sie Wolfgang Herrmann nach 24 Jahren als TUM-Präsident abgelöst. Herrmann war eine Institution, er hat die Universität zu der gemacht hat, die sie heute ist. Und was machen Sie jetzt anders als er, Herr Hofmann?
Wir sind seit 2019 noch besser geworden, in den Hochschulrankings weiter aufgestiegen und rapide gewachsen bei den Studierendenzahlen, während zahlreiche andere deutschen Hochschulen stagnieren oder schrumpfen. Im aktuellen THE-Universitätsranking besetzen wir Platz 1 in Deutschland und der Europäischen Union. Diese Entwicklung der TUM ist auch Ergebnis mutiger Reformen seit 2019. Also kein einfaches "Weiter so", sondern ständige Veränderung ist unser Gebot der Stunde im international galoppierenden Wettbewerb. In dieser Grundhaltung bin ich geistig sehr nahe bei Wolfgang Herrmann. Wie er bin ich fest davon überzeugt, dass zur erfolgreichen Führung einer Universität Weitsicht, Veränderungsmut und Furchtlosigkeit gehören, immer wieder neu zu denken, innovative Maßnahmen zu entwickeln und Überkommenes einfach zu lassen. Diese operative Agilität und Adaptierungsdynamik sind für zukünftigen Erfolg genauso wichtig wie eine möglichst große Diversität der Talente. Und genau das macht die TUM als "unternehmerische Universität" aus. Aber natürlich gibt es Unterschiede zwischen Wolfgang Herrmann und mir. Viele sagen, dass der größte Unterschied in unseren Führungsstilen liegt. Das mag sein und das ist gut so. Denn der Führungsstil muss zeitgemäß sein, um erfolgreich zu sein, und heute die kreative Kraft der gesamten Universitätsgemeinschaft einbinden.
"Der ewige Patriarch" lautete die Überschrift eines Porträts, das ich einmal über Ihren Vorgänger geschrieben habe.
Mein Führungsstil ist inklusiv und kooperativ. Ich gebe die grobe Richtung vor, höre zu, stimme mich ab und lasse mich hin und wieder mit guten Argumenten auch gerne überzeugen. Und natürlich braucht es manchmal am Ende mutige Entscheidungen, denn wir dürfen unsere Ziele nicht aus dem Blick verlieren.
Mutig ist zum Beispiel, dass die TUM als einzige Universität in Bayern die gesetzlichen Möglichkeiten nutzt und Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer einführt, und zwar in beträchtlicher Höhe: zwischen 2000 und 6000 Euro pro Semester. Beunruhigt es Sie nicht, dass keine andere Hochschule mitzieht?
Ich kann nichts zu den Gründen sagen, warum andere die Studiengebühren nicht einführen wollen. Entscheidend ist doch, warum wir uns dazu entschieden haben, Gebühren für Studierende außerhalb der Europäischen Union einzuführen. Als Universität mit internationalem Exzellenzanspruch wollen wir uns nicht nur in der Forschung, sondern gerade auch in der Lehre mit den Besten der Welt messen. Beim Blick auf unsere internationalen Wettbewerber fällt sofort auf, welche enormen Summen die Spitzenuniversitäten in die Erneuerung des gesamten Lehrumfelds investieren, in neue Infrastrukturen, in innovative Lehrtechnologien und -formate oder auch in die weitere Verbesserung der Betreuungsrelationen, die vielerorts völlig anders aussehen als bei uns. Das bedeutet für uns: Um mithalten zu können, um Studiengänge auf höchstem internationalen Qualitätsniveau anbieten zu können und unsere Studierenden wirklich zukunftsfähig auszubilden, braucht es viel mehr Geld als uns staatliche Mittel dazu zur Verfügung stehen. In ganz Deutschland ist die staatliche Grundfinanzierung der Hochschulen dazu nicht ausreichend. Daher wollen wir unsere Finanzierungsbasis verbreitern und eingenommene Studiengebühren gezielt für die Verbesserung der Lehre einsetzen. Davon profitieren alle Studierenden, die nationalen wie die internationalen, und von den bestausgebildeten Talenten ihre späteren Arbeitgeber.
Und Sie haben keine Sorgen, Sie könnten mit der Einführung internationale Studierende abschrecken? Baden-Württemberg schafft die Gebühren gerade wieder ab mit dem erklärten Ziel, dann wieder mehr Talente aus dem Ausland anziehen zu können.
Es gibt da doch große Unterschiede zu uns. Erstens: Die Universitäten in Baden-Württemberg waren beim Anteil internationaler Studierender nicht ansatzweise auf unserem Niveau. Bei den Master-Studiengängen liegen wir inzwischen bei 57 Prozent internationale Studierende. Zweitens war es ein politischer Fehler der Landesregierung in Baden-Württemberg, dass ein Großteil der Gebühren gleich wieder eingezogen wurde, so dass eine spürbare Verbesserung der Lehrqualität eben nicht erreicht werden konnte. Doch nur spürbare Verbesserungen hin zu einem wirklich exzellenten, modernen Lehr- und Lernumfeld werden internationale Studierenden trotz der (international ohnehin üblichen) Gebühren nach München bringen. Sicher wird es in den ersten zwei, drei Jahren Schwundeffekte geben. Das zeigen die Erfahrungen aus den Niederlanden und anderen europäischen Ländern. Es hat sich aber gezeigt, dass an diesen Hochschulen anschließend die internationalen Studierendenzahlen wieder hochgingen – und dann schnell über den Stand vor der Einführung der Studiengebühren hinausgeschossen sind.
"In international ausgerichteten Berufsfeldern macht es heute keinen Sinn mehr, einen Studiengang auf Deutsch anzubieten."
Aber rechtfertigen die Erträge überhaupt den Aufwand?
Das System fährt stufenweise hoch über mehrere Jahre, weil wir nur von neuen Nicht-EU-Studierenden Gebühren verlangen und nicht von denen, die schon bei uns sind. Außerdem wird es für bis zu 20 Prozent der Studierenden Erlass-Stipendien geben: für die absolut herausragenden Talente genauso wie für finanzschwächere Bewerber, weil wir andernfalls an Diversität verlören, wenn die soziale Herkunft über den Universitätszugang entscheiden würde. Insofern tue ich mich schwer, einen konkreten Eurobetrag zu nennen. Aber wir rechnen mittelfristig schon mit einem signifikanten zweistelligen Millionenbeitrag.
2014 hatte Wolfgang Herrmann angekündigt, bis 2020 alle Masterstudiengänge auf Englisch umstellen zu wollen. Was ist eigentlich daraus geworden?
Das wurde als Ziel diskutiert damals, aber in dieser Absolutheit nie beschlossen. Wir haben den Anteil englischsprachiger Studiengänge seitdem organisch wachsen lassen, heute liegt er im Master bei über 70 Prozent. Darunter sind etliche Studiengänge, die Sie zu großen Teilen auch auf Deutsch studieren können, die also im Prinzip zweisprachig sind. Wir erleben aber, dass der Nachfragetrend immer stärker Richtung Englisch geht. Vor kurzem haben wir sogar den ersten Bachelor-Studiengang auf Englisch, für Luft- und Raumfahrt, gestartet, und seitdem ist die Bewerberlage mehrfach überzeichnet mit Bewerberinnen und Bewerbern aus der ganzen Welt. Wir sehen: In international ausgerichteten Berufsfeldern macht es heute einfach keinen Sinn mehr, einen Studiengang auf Deutsch anzubieten, sondern nur auf Englisch.
Wie aber soll das funktionieren, wenn ein Großteil der Lehrenden deutsche Muttersprachler sind? Führt das nicht zwangsläufig zu einer intellektuellen Verflachung, weil sich die Lehrenden und Lernenden in einer Fremdsprache nicht so präzise ausdrücken können wie in ihrer eigenen?
Wir lassen bei der Beantwortung von Fragen in Klausuren in der Regel beide Sprachen zu. Sie können also, wenn die Frage auf Englisch gestellt ist, auch auf Deutsch antworten. Wir sehen aber, dass für die meisten jungen Leute – unabhängig von deren Herkunft – die Kommunikation auf Englisch überhaupt kein Problem mehr ist. Sie sind damit aufgewachsen und dank Social Media und Internet ganz anders darauf getrimmt als frühere Generationen.
Für die Studierenden mag das stimmen. Aber was ist mit ihren Profs?
Ich kann wieder nur für uns an der TUM sprechen, aber unsere Professorinnen und Professoren sind weltweit unterwegs und auf ihren Dienstreisen, bei Vorträgen und auch der Lehre gewohnt, Englisch zu sprechen. Viele kommunizieren mit ihrem gesamten Mitarbeiterkreis nur auf Englisch. Trotzdem bieten wir über unser Sprachenzentrum Kurse an für Dozenten, die ihr Englisch verbessern wollen. Und diejenigen, die aus dem Ausland zu uns kommen, unterstützen wir beim Deutschlernen. Und das tun wir vor allem, damit sie in Deutschland auch außerhalb der Hochschule sprechfähig sind und sich integriert fühlen. Ohne Sprachkompetenzen ist es einfach schwieriger, ausländische Talente und deren Familien in Deutschland zu halten.
Die TUM ist unter anderem mit einem Verbindungsbüro in der Volksrepublik China vertreten. Im Oktober 2020 haben Sie persönlich eine sogenannte Flaggschiffpartnerschaft mit der Tsinghua-Universität in China besiegelt. Bereuen Sie den Schritt inzwischen?
Keineswegs! Auch wenn der politische Druck auf die deutsch-chinesischen Beziehungen massiv zugenommen hat, stehen wir zu einer Stärkung der wissenschaftlichen Beziehungen mit ausgewählten chinesischen Partneruniversitäten. Erst vergangene Woche bin ich nach China geflogen zum Besuch des Präsidenten der Tsinghua University, nachdem vergangenes Jahr eine chinesische Delegation der Universität bei uns war. Auch die Besuche an der Tongji University und der Shanghai Jiao Tong University waren äußerst spannend und inspirierend. Denn wer glaubt, dass diese Universitäten etwas von deutschen Universitäten lernen können, irrt sich grundlegend. Ich glaube, dass viele deutsche Universitäten von diesen Spitzenuniversitäten aus China lernen können!
"Generalverdacht hilft niemanden weiter und entzieht jeder Zukunft die Grundlage."
Also alles wie immer in den Beziehungen zu Ihren chinesischen Partner?
Unsere Ziele sind beständig, aber der Blick und die Rahmenbedingungen haben sich verändert. Wir gehen heute mit großem Bedacht in unsere internationalen Partnerschaften. Wir schauen uns schon sehr genau an, mit welchem Partner wir zu welchen Themen zusammenarbeiten, unter welchen Konditionen und mit welchen Standards wir kooperieren und wann wir es eben nicht tun. Und wir bereiten unsere Mitarbeitenden vor; wir unterstützen sie mit Coachings, Reisehandys und Reisecomputern, bevor sie auf Dienstreise gehen. Ich halte es für einen kapitalen Fehler zu glauben, Deutschland könnte sich aus einer Zusammenarbeit mit China zurückziehen. Nur durch internationale Spitzenallianzen werden wir unsere heutigen Herausforderungen wie beispielsweise zu Gesundheit oder Klimaschutz lösen können und auch den Wirtschaftsstandort Deutschland sichern können.
Was antworten Sie einer Bundesforschungsministerin, die sagt: "Hinter jedem chinesischen Forscher kann sich die kommunistische Partei verbergen"?
Generalverdacht hilft niemanden weiter und entzieht jeder Zukunft die Grundlage! Aus der Geschichte können wir lernen: Unwissenheit und Ignoranz trennen die Welt, nur der Austausch verbindet Menschen und Kulturen – und dies ist die Grundlage für Partnerschaften. Natürlich müssen wir dazu unsere Sicherheitsprotokolle anpassen und achtsamer sein als früher, aber wir müssen auch die über viele Jahre aufgebauten Brücken bewahren, mit denen wir deutsche und chinesische Partner in Austausch bringen. Denn sind diese Brücken einmal abgebrannt, wird es Jahrzehnte dauern, wieder Vertrauen aufzubauen.
Bayerns Staatsregierung brüstet sich damit, wie kein anderes Bundesland in die Wissenschaft und die Hochschulen zu investieren, Überschrift: "Hightech Agenda Bayern" (HTA). Laut Wissenschaftsminister Blume sind darüber über 1000 neue Professuren entstanden und verstetigt worden, außerdem sind die Rahmendaten für die Hochschulfinanzierung schon bis 2027 vereinbart. Glückliches Bayern?
Mit der HTA hat Ministerpräsident Söder einen echten und weit sichtbaren Impuls gesetzt für Innovationen aus Bayern; dieser sucht bundes- und europaweit seinesgleichen. Andererseits wird es überall im Land enger, auch bei uns. Ein insuffizienter Bauunterhalt oder die gestiegenen Energiekosten setzen uns wie alle anderen Hochschulen zunehmend unter Druck. In Verbindung mit der unzureichenden Grundfinanzierung presst die Inflation die Hochschulen in ein Korsett, welches jeglichen Atem für die im heutigen internationalen Wettbewerb so dringend erforderlichen Neuausrichtungen in Forschung und Lehre nimmt. Auf der anderen Seite müssen wir einsehen, dass die Staatshaushalte sowohl im Bund als auch in den Ländern momentan sehr belastet sind. Anstatt nur mehr Geld zu fordern, müssen wir daher als Hochschulen selbst agiler werden und alte Zöpfe abschneiden, um dem Neuen eine Chance zu geben, beispielsweise den Ausbau der Unterstützung von Ausgründungen und Start-ups. Denn nur mit neuer Wirtschaftskraft in Deutschland werden auch die Staatskassen wieder besser gefüllt werden, und das Land kann wieder in seine Hochschulen investieren. Also, nicht Jammern bringt uns weiter, sondern Machen!
Das mit der Agilität ist Ihnen, wie man merkt, sehr wichtig. Können Sie Ihren Anspruch mit ein paar Zahlen unterlegen?
Genau zu der Frage haben wir eine Studie durchführen lassen mit dem Ergebnis, dass jede Personalstelle, die der Freistaat bei uns an der TUM finanziert, im Schnitt 14 neue Arbeitsplätze in unseren Start-ups generiert. Das kann sich doch sehen lassen und ist, neben tausenden Absolventen jedes Jahr und unseren Forschungsallianzen mit der Wirtschaft, ein ganz konkreter Return on Investment.
Mit Verlaub: Solche Studien präsentieren viele Hochschulen und Forschungseinrichtungen, und jedes Mal kommen fast unglaubliche Zahlen dabei heraus.
Unsere Zahlen sind belastbar. In der Wissenschaft streben wir vor allem nach neuem Wissen und Erkenntnissen, aber in einem nächsten Schritt übernehmen wir die Verantwortung dafür, dass aus dem Wissen auch marktfähige Innovationen und neue Arbeitsplätze entstehen. Deshalb ermutigen wir alle Universitätsmitglieder, von den Studierenden bis zu den Professorinnen und Professoren, wenn sie eine tolle Geschäftsidee haben, diese auch zu verfolgen. Und wir unterstützen sie dabei. Mit dem Ergebnis, dass heute fast 500 Gründungsteams durch die TUM gefördert werden und weitere 180 studentische Initiativen, über alle Fächer und Disziplinen hinweg. Gerade war eine Gruppe von Studierenden bei mir, die an einer Methan-Sauerstoff-Rakete arbeitet, um sie Ende des Jahres über die 100-Kilometer-Grenze hinaus in den Orbit zu schießen.
"Die Reduzierung der Höchstbefristung in der Post-Doc-Phase ist ungerecht, denn sie ist zum Schaden der jungen Menschen selbst."
Wenn Sie so viel Wert auf das Schaffen neuer Arbeitsplätze in der Wirtschaft legen, was tun Sie für gute Arbeit an der eigenen Universität? Schließlich sehen sich die Hochschulen selbst mit dem stärker werdenden Fachkräftemangel konfrontiert.
Ich danke Ihnen ausdrücklich für diese Frage, denn damit sind wir an einem Schlüsselpunkt angelangt. Wir Hochschulen müssen als Arbeitgeber attraktiver werden, uns dafür am eigenen Schlafittchen packen und viel mehr tun für verlässliche Karrierewege auch unterhalb der Professur. So sind auch zahlreiche Stückelverträge hintereinander unfair gegenüber den jungen Menschen, die sich uns anvertrauen. Die Ampel will zu diesem Zweck das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) novellieren, doch das wird ins Auge gehen, wenn sie das falsche Modell wählt. Laut aktuellem Entwurf sollen künftig nach der Promotion vier Jahre Befristung erlaubt sein und dann nochmal zwei Jahre – aber nur, wenn klar ist, dass die Person danach einen Dauervertrag erhalten kann. Dies kann aber nur in wenigen Fällen erfolgen, so dass de facto für die meisten nach maximal viel Jahren als Postdoc Schluss wäre. Vier Jahre sind aber oft zu kurz, um sich über exzellente Forschung und hochkarätige Veröffentlichungen tatsächlich für eine Professur zu qualifizieren. So täuscht der Reformvorschlag für das Wissenschaftszeitvertragsgesetz eine falsche Gerechtigkeit vor. Tatsächlich ist die Reduzierung der Höchstbefristung in der Post-Doc-Phase ungerecht, denn sie ist zum Schaden der jungen Menschen selbst. Und sie wird einen enormen Brain Drain auslösen, entweder heraus aus der Wissenschaft insgesamt oder hinein in ausländische Universitäten, die sich kein solch wissenschaftsfeindliches Korsett anziehen.
Ihr Alternativvorschlag lautet also: Einfach die Regelung lassen, wie sie ist?
Nein, ich unterstütze prinzipiell ein Tenure-Track-System für den wissenschaftlichen Mittelbau mit Nachdruck. Der aktuelle Gesetzesvorschlag ist allerdings verlogen! Statt den Befristungszeitraum von maximal sechs auf vier Jahre zu kürzen, wäre es im Sinne einer Karriereplanbarkeit sicher sinnvoller, die realen Vertragslaufzeiten für Postdocs generell an die Förder- oder Zuwendungsbescheide für Projekte anzupassen, anstatt sie mit Stückelverträgen zu gängeln. Wie auch immer macht die Umsetzung des aktuellen Gesetzentwurfs nur dann Sinn, wenn im dimensionalen Ausmaß neue entfristbare Stellen an die Universitäten kommen. Und dies halte ich vor dem Hintergrund der heute knappen Staatskassen für schieres Wunschdenken. Die Politik muss sich der Konsequenzen ihres Handelns schon bewusst sein!
Sie sagen, die Hochschulen seien gefragt, sich intelligente Konzepte für Karrierewege auch unterhalb der Professur zu überlegen. Welche fallen Ihnen da konkret für die TUM ein?
Das Wissenschaftsmanagement wird immer wichtiger und ist ein hoch attraktives Aufgabenfeld. Diese Kolleginnen und Kollegen tragen maßgeblich dazu bei, dass an der TUM Spitzenleistungen in Forschung und Lehre erzielt werden. Deswegen haben wir zum Beispiel das berufsbegleitende Qualifizierungsprogramm TUM Science Manager aufgelegt. Es dauert zwischen 12 und 24 Monate und die Teilnahme am Kursprogramm erfolgt während der Arbeitszeit – wird also bezahlt.
"Als Franke müsste ich angesichts der Gründung der TU Nürnberg jubeln, aber eine Spitzenuni lässt sich nicht mit der Brechstange schaffen."
Sie haben es vorhin gesagt: Die Hochschulfinanzierung wird auch in Bayern enger. Gleichzeitig hat der Freistaat vor wenigen Jahren die Technische Universität Nürnberg (UTN) neu gegründet, übrigens mit tatkräftiger Unterstützung Ihres Vorgängers, und massive Investitionen versprochen.
Da sehen Sie, dass wir uns doch in einigen Dingen unterscheiden.
Inwiefern?
Als Franke müsste ich jubeln! Aber wenn wir in die Welt hinausschauen sehen wir, dass sich international führende Forschungsstandorte evolutionär und über lange Zeiträume hinweg entwickelt haben. Eine Spitzenuni lässt sich nicht mit der Brechstange schaffen, sondern braucht Geld und vor allem Zeit – viel Zeit! Ein Professor in Stanford hat zu mir mal gesagt, eine wissenschaftliche Top-Einrichtung zu schaffen, koste 100 Milliarden und dauere 100 Jahre.
Erst neulich hat Ministerpräsident Söder einen Strategiewechsel verkündet: die Fokussierung der UTN auf das Thema Künstliche Intelligenz. Sogar einen schnittigen neuen Titel hatte er im Angebot: "Franconian University of Artificial Intelligence".
Ich habe das nicht zu entscheiden. Ich persönlich würde eine Universität nicht thematisch einschränken, selbst wenn es sich wie bei der KI um eine disruptive Querschnittstechnologie handelt. Aber ich glaube, das ist so auch nicht gemeint.
Vielleicht sagen Sie das nur, weil Sie fürchten, dass die UTN ihnen demnächst Ihre KI-Talente abjagt.
Das erwarte ich nicht, und es wäre auch kein sinnvoller bayerischer Ansatz, dass wir jetzt das Wildern beieinander anfangen.
Wie aber wollen Sie überhaupt all die neuen KI-Lehrstühle besetzt bekommen, die in den vergangenen Jahren im Freistaat ausgelobt wurden?
Da sehe ich kein Problem. Wir haben praktisch alle Professuren der HTA besetzt – mit wirklich exzellenten Leuten. Es ist nicht so, dass alle 150 sogenannten KI-Professuren in Bayern jetzt mit Mathematikern und Informatikern besetzt werden, die KI-Grundlagenforschung machen. Davon gibt es in ganz Europa vielleicht 50 ernstzunehmende Leute. Aber die KI hat viele Facetten und Anwendungsdomainen, in denen dann auch die Wertschöpfung von KI entsteht. In solchen Feldern haben wir zahlreiche Berufungen gemacht, wie beispielsweise in der Robotik, der Medizin, in den Sozialwissenschaften und vieles mehr.
Wie passt es eigentlich zusammen, dass Sie an der TUM Spitzentechnologien und KI derart in den Mittelpunkt stellen, gleichzeitig aber gerichtlich bestätigt einen Bewerber abgelehnt haben mit der Begründung, dessen Motivationsschreiben sei mithilfe Künstlicher Intelligenz erstellt worden? Warum sind Sie da nicht offener?
Weil das Motivationsschreiben die individuelle Prägung des Kandidaten zeigen soll. Welchen Sinn hätte es sonst? Etwas völlig Anderes ist es, wenn unsere Studierenden und Lehrenden ChatGPT oder andere sogenannte Large Language Models im Studium einsetzen, das stimulieren wir mit Nachdruck. So wie sich der Taschenrechner zum bewährten Hilfsinstrument entwickelt hat, wird das auch mit KI-Anwendungen sein. Darum bauen wir sie proaktiv in unsere Lehre ein, damit unsere Studierenden vorbereitet sind. Aber erklären, warum sie zu uns an die TUM kommen wollen, sollen unsere Bewerber schon noch selbst.
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