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Die zweite Ausgabe der Soziologischen Fragmente wurde heute veröffentlicht. Unter dem Titel "Eine Verschiebung der Ungleichheiten: Studentische Lebensstile und das Risiko der Coronapandemie" widmen sich Guy Schwegler und sein Team der Frage, inwieweit die Coronapandemie sich auf studentische Lebensweisen auswirkt. In der im Rahmen einer Lehrveranstaltung entstandenen Studie zeigen die...
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Wie Menschen wohnen ist immer auch Ausdruck historischer, politischer und sozialer Verhältnisse. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen, individuelle Ressourcen, aber auch der soziale Status und Lebensstil bilden sich in der Art und Weise ab, in welchem Grundriss und in welcher Architektur, mit wem, wie eingerichtet und in welchem Verhältnis gewohnt wird....
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Viele der heutigen Zeitdiagnosen attestieren unserer Demokratie, dass sie sich in einem prekären Zustand befindet. Als die zwei zentralen Herausforderungen sind ein aufstrebender Populismus und postdemokratische Tendenzen zu nennen, die für angespannte Konfliktlinien entlang divergierender Lebensstile sowie einen schleichenden Prozess der Aushöhlung demokratischer Partizipationsmöglichkeiten stehen. Steffen Herrmann, dessen Habilitationsschrift "Demokratischer Streit: Eine Phänomenologie des Politischen" […]
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Den Zugang zu Wasser erleichtern Die heißen und trockenen Wochen nehmen zu. Das haben Wissenschaftler als Folge des Klimawandels vor Jahren, ja vor Jahrzehnten prognostiziert. Nun holen uns die Folgen eines problematischen Lebensstils ein, der die Natur vernachlässigte und menschliche Wünsche in den Mittelpunkt rückte. Immer mehr Erdenbewohner bevölkern diesen Globus, und im Grunde streben … "Wildtiere: Jede Pfütze zählt!" weiterlesen Der Beitrag Wildtiere: Jede Pfütze zählt! erschien zuerst auf Deutschland-geliebte-Bananenrepublik.de.
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Hamas und andere islamistische Terroristen greifen unseren freiheitlichen Lebensstil an Mir ist es zu wenig, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock bekunden "die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson". Angela Merkel führte diesen nicht unproblematischen Begriff ebenfalls im Munde, und was hätten die deutschen Regierungen bisher unternommen, wenn die Existenz Israels in letzter Konsequenz … "Israel: Solidarität geht über "Staatsräson" hinaus" weiterlesen Der Beitrag Israel: Solidarität geht über "Staatsräson" hinaus erschien zuerst auf Deutschland-geliebte-Bananenrepublik.de.
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Umweltbildung spielt eine entscheidende Rolle bei der Förderung nachhaltiger Entwicklung. Auf allen Bildungsebenen sollte eine Integration von Umweltthemen in den Lehrplan erfolgen, um das Verständnis für ökologische Zusammenhänge und die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Umwelt zu fördern. Gleichzeitig ist die Schaffung von Bewusstsein für nachhaltige Lebensstile und die Beeinflussung von Konsumgewohnheiten von großer Bedeutung. Hierbei liegt der Fokus auf der Sensibilisierung für Umweltprobleme wie Klimawandel, Artenvielfalt, Ressourcenknappheit und Umweltverschmutzung.Ein wichtiger Schwerpunkt sollte zudem auf der Entwicklung von Nachhaltigkeitskompetenzen liegen. Dazu gehören Fähigkeiten wie kritisches Denken, Problemlösungsfähigkeit und soziale Kompetenzen, die für eine nachhaltige Lebensweise unerlässlich sind. Die Förderung von Partizipation und Engagement der Schülerinnen und Schüler in nachhaltigen Initiativen und Projekten ist ebenso entscheidend wie die Stärkung von bürgerschaftlichem Engagement und sozialer Verantwortung.Im Rahmen der Global Citizenship Education gilt es, ein Verständnis für globale Zusammenhänge und Herausforderungen zu vermitteln. Dabei steht die Förderung einer globalen Perspektive und Solidarität im Fokus. Forschung und Innovation im Bereich nachhaltige Entwicklung sollten aktiv gefördert werden. Dies beinhaltet die Integration von Nachhaltigkeitsthemen in wissenschaftliche Forschung und Technologieentwicklung.Um das Verständnis für nachhaltige Praktiken zu vertiefen, ist ein starker Praxisbezug erforderlich. Dies kann durch die Einbindung von Praxiserfahrungen und Projekten in den Lehrplan sowie die Förderung von Exkursionen, praktischen Übungen und Umweltprojekten erreicht werden.Die Betonung von lebenslangem Lernen und kontinuierlicher Weiterbildung im Bereich nachhaltiger Entwicklung ist von großer Bedeutung. Hierbei sollte auch die berufliche Bildung einbezogen werden, um nachhaltige Prinzipien zu integrieren. Schließlich ist die Zusammenarbeit mit Regierungen, Bildungseinrichtungen, Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Organisationen unerlässlich, um nachhaltige Bildungsinitiativen zu stärken und einen ganzheitlichen Ansatz zu fördern.Zum Vertiefen:https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/bildung-fuer-nachhaltige-entwicklung/bildung-fuer-nachhaltige-entwicklung_node.htmlhttps://km-bw.de/Kultusministerium,Lde/Startseite/Schule/Nachhaltigkeit
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Von meinem Vater, der sich ehrenamtlich in einer Ideen-Schmiede engagiert, in der Kinder und Jugendliche gemeinsam unter Aufsicht basteln und bauen können, erfuhr ich von dem Projekt des Repair-Cafes. Diese gibt es in meinem Nachbarort Mosbach, aber auch in Ludwigsburg, wie ich nach weiterer Recherche herausgefunden habe.In einer Welt, die von Konsum und Wegwerfkultur geprägt ist, gewinnt die Idee des Repair Cafés zunehmend an Bedeutung. Repair Cafés sind lokale Initiativen, die sich dem Prinzip der gemeinschaftlichen Reparatur verschrieben haben. Anstatt defekte Gegenstände einfach wegzuwerfen, kommen Menschen in Repair Cafés zusammen, um ihre kaputten Geräte, Kleidung und andere Gebrauchsgegenstände zu reparieren, anstatt sie wegzuwerfen, und trinken dabei Kaffee oder Tee.Repair Cafés sind in der Regel in öffentlichen Räumen wie Gemeindezentren, Bibliotheken oder Cafés angesiedelt. Die Veranstaltungen finden regelmäßig statt, und die Teilnehmer bringen ihre defekten Gegenstände mit. Diese können von Elektronik über Kleidung bis hin zu Möbeln reichen. In einem Repair Café stehen verschiedene Werkzeuge und Materialien zur Verfügung, um die Reparatur durchzuführen. Die Freiwilligen bieten ihre Hilfe an, leiten die Reparaturen an und erklären den Besuchern, wie sie ihre Gegenstände selbst reparieren können. Dabei entsteht nicht nur eine Reparatur, sondern auch ein Austausch von Wissen und Erfahrungen.Das Konzept der Repair Cafés bietet eine Vielzahl von Vorteilen. Durch die Verlängerung der Lebensdauer von Gegenständen wird der Abfall reduziert, was einen direkten Beitrag zum Umweltschutz leistet. Gleichzeitig fördern Repair Cafés den sozialen Zusammenhalt in Gemeinschaften. Menschen kommen zusammen, teilen ihre Fähigkeiten und lernen voneinander. Dies stärkt nicht nur die lokale Gemeinschaft, sondern trägt auch zu einem nachhaltigeren Lebensstil bei.Meiner Ansicht nach sind diese Initiativen sehr hilfreich, innovativ und nachhaltig. Repair Cafés sind mehr als nur Werkstätten für Reparaturen; sie sind ein Ausdruck des Wunsches nach nachhaltigem Konsum und einer stärkeren Gemeinschaft. Diese lokal organisierten Initiativen zeigen, dass es möglich ist, einen positiven Beitrag zur Umwelt zu leisten, indem man die Wegwerfkultur herausfordert und gemeinsam Ressourcen schont. Indem wir kaputte Dinge reparieren statt sie zu ersetzen, können wir nicht nur Geld sparen, sondern auch einen bedeutenden Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft machen. Zum Nachschauen:https://www.hallo-ludwigsburg.com/cityblog/reparieren-statt-wegwerfen-repair-cafe-ludwigsburghttps://repaircafes.marktplatz-abfallvermeidung.de/information/repair-cafe-waldstadt_i197113 https://www.repaircafe.org/de/senseo-kaffeemaschine-kaputt-repair-cafe-repariert/
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Tim Jackson ist ein britischer Wirtschaftswissenschaftler und Autor, der sich in seinem Artikel "Die Postwachstumsgesellschaft" intensiv mit dieser beschäftigt hat. Er beschreibt in dem Artikel unter anderem die Notwendigkeit eines Wirtschaftssystem, das nicht auf ständigem Wachstum basiert. Im gleichen Zuge argumentiert er jedoch, dass innerhalb der Bevölkerung eine große Gleichgültigkeit darüber herrscht, "wie eine solche Volkswirtschaft aussehen könnte, und dass derzeit alle Institutionen und Anreize beständig in die falsche Richtung weisen" (Jackson 2017: 181).Jackson schlägt in diesem Zusammenhang eine "Aschenputtel-Ökonomie" vor, die seiner Meinung nach Keime für ein ressourcenschonendes und umweltverträgliches Wirtschaftssystem beinhaltet (vgl. ebd.: 186). Lokale Unternehmen, kommunale Energieprojekte, öffentlicher Verkehr, Bauernmärkte und vieles mehr – all diese Dinge sind Teil seiner Vision und können zu einer niedrigeren CO2-Bilanz beitragen. In einer konventionellen, wachstumsbasierten Wirtschaft wäre ein solches System katastrophal, da dieses kaum zum Wachstum der Produktivität beiträgt."In einer Wirtschaft hingegen, die darauf ausgerichtet ist, den Menschen die Fähigkeit und die Möglichkeit zu geben, eine angemessene Arbeit zu verrichten und zu gedeihen, ist dies ein ausgesprochener Pluspunkt" (ebd.).Um den Weg in ein nachhaltiges Wirtschaftssystem bestreiten zu können, erarbeitete Jackson drei Maßnahmen: Zu Beginn müssen Grenzen festgesetzt werden. Die Materialverschwendung unserer Konsumgesellschaft zehrt an den natürlichen Ressourcen, weshalb es unabdingbar ist, für den Ressourcenverbrauch klare Grenzen zu setzen (vgl. ebd.: 189). Des weiteren muss das aktuelle Wirtschaftsmodell repariert werden. Hierzu ist eine neue Makroökonomie für Nachhaltigkeit von Nöten – "ein Motor der Wirtschaft, dessen Zuwachs nicht auf unerbittlich wachsendem Konsum und expandierendem Verbrauch beruht" (vgl. ebd.). Zuletzt muss die gesellschaftliche Logik verändert werden. Hierzu müssen den Menschen Alternativen angeboten werden, die diese weg vom Lebensstil als Konsument bringen (vgl. ebd.: 189f).Insgesamt fordert Jackson demnach eine grundlegende Umgestaltung der Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur, um eine nachhaltige Gesellschaft zu schaffen. Er betont in seinem Fazit, dass es an der Zeit ist, sich von der Idee des Wirtschaftswachstums zu verabschieden, und stattdessen eine neue Vision für die Zukunft zu schaffen (vgl. ebd.: 190).QuelleJackson, T. (2017): Die Postwachstumsgesellschaft, In: Blätter für deutsche und internationale Politik (Hg.): Mehr geht nicht! Der Postwachstums-Reader. Berlin: Blätter Verlagsgesellschaft mbH, S. 181-190.
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Schaut man sich die durchschnittliche CO2-Bilanz pro Kopf in Deutschland an, wird deutlich, dass Stand 2023 17% (1,8 t CO2e) auf die Ernährung gehen. Vegane Ernährung schneidet nach aktueller Datenlage nicht nur im Hinblick auf die CO2-Bilanz am besten ab, zugleich lässt sich nicht leugnen, dass sie auch das direkte Tierleiden durch Schlachtung und Massentierhaltung stark eingrenzen kann. Was nach einem wünschenswerten Ziel klingt, stellt sich oftmals als alltägliche Herausforderung in der Umsetzung dar. Die Umweltpsychologin Isabella Uhl-Hädicke zeigt dabei folgende Problemlage auf:"Wir haben oft den Anspruch, von heute auf morgen den perfekten Lebensstil zu führen."Dabei empfiehlt sie einen Veränderungsprozess anstatt einen harten Einschnitt:"Wenn ich bisher keinen Sport gemacht habe und mir dann vornehme, jede Woche sechsmal ins Fitnessstudio zu gehen, werde ich das vielleicht zwei Wochen durchhalten, wenn überhaupt."Trugschlüsse im Zusammenhang mit Regionalität und Saisonalität gibt es viele. So schneidet bei der CO2-Bilanz der Schweizer Bergkäse schlechter ab als die Avocado. Insgesamt gibt es viele Faktoren wie Wasserverbrauch, Transportwege und Saisonalität, die über die Herstellung hinausgehen und damit zur Komplexität des Themas beitragen.Wie also kann ein (realistischer) Umstieg auf vegane Ernährung gelingen?kein Perfektionismus: Es müssen nicht alle Lebensmittel direkt vegan/ nachhaltig sein Ernährungsumstellung als Prozess: Ein Produkt nach dem anderen durch vegane austauschen Offenheit gegenüber neuen Produkten und GerichtenInformieren zu den wichtigen Nährstoffen: Vitamin A, B2, B12 und D + verschiedene Mineralien (Iod, Zink, Kalzium, Kalium und Selen)Verbündete suchen, die einen unterstützen können: im eigenen Umfeld, Social MediaPlanen: Bewusst machen, in welchen Situationen wir automatisch die schädlichere Variante wählen und warum, um Gegenstrategien und Alternativen zu entwickelnHilfreiche App: "veganstart" (von PETA) mit Rezepten, Infos und Tipps zur Umsetzung (Alternativen zu Eiern, Butter, Milch etc.)erschwinglicher veganer Kochkurs in der Nähe von Ludwigsburg: Padma vegane Kostbarkeiten/ VHS Ludwigsburg: https://www.padma-kostbarkeiten.de/kochworkshops1/index Hier ein paar vegane Köch*innen auf Youtube:deutschsprachig: Sebastian Copien, Chris Washingtonenglischsprachig: Rainbow Plant Life, Fitgreen MindFür mehr Infos zur veganen Ernährung:Ernährungswissenschaftler Niko Rittenau: https://www.youtube.com/@NikoRittenau Quarks: https://www.quarks.de/gesundheit/ernaehrung/gesund-nachhaltig-ernaehren-klima-paleo-vegetarisch-vegan-keto/Umweltbundesamt: https://www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag/essen-trinken/klima-umweltfreundliche-ernaehrung#gewusst-wie PETA: PETA Deutschland e.V. QuellenQuarks: https://www.quarks.de/gesundheit/ernaehrung/gesund-nachhaltig-ernaehren-klima-paleo-vegetarisch-vegan-keto/#ern%C3%A41 BMUV: https://www.bmuv.de/media/kohlenstoffdioxid-fussabdruck-pro-kopf-in-deutschland PETA: https://www.peta.de/veganleben/umstellung-vegane-ernaehrung/
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"Die Briten sind noch nicht entschieden" (tagesspiegel.de)Großbritannien steht vor seiner wichtigsten Wahl (tagesspiegel.de)Britisches Unterhaus stimmt für Neuwahlen am 12. Dezember (tagesspiegel.de)The only reason we're having an election is because of MPs' cynicism (the Guardian)Polls show voters aren't sick of politics – they're eager to have their say (the Guardian)General election: Corbyn to position Labour as true 'party of the people' (the Guardian) Großbritannien: Parlament stimmt für Neuwahlen (Süddeutsche.de) How Oxford university shaped Brexit — and Britain's next prime minister (Financial Times)
Landtagswahl Thüringen
Landtagswahl in Thüringen: alle Zahlen und Grafiken (Süddeutsche.de) Versuchslabor Ost (Süddeutsche.de) Der nächste Trend: Lebensstil-Terrorismus - (Indiskretion Ehrensache) Junge AfD-Wähler: Das ist der Grund (Süddeutsche.de) «AfD-Chef Björn Höcke ist ein Prä-Faschist» (tagesanzeiger.ch) Es gibt nur einen Rand – und der ist rechts (republik.ch) AfD: Und nun wieder gaaanz viel zuhören (ZEIT ONLINE)Soziologe über Thüringen-Wahl: "AfD-Wählern geht es wirtschaftlich gut" (SPIEGEL ONLINE) Wie die AfD in Thüringen so stark wurde (Tagesspiegel)Landtagswahl Thüringen - Möller (AfD): "Menschen sind nicht auf Schmutzkampagnen reingefallen" (Deutschlandfunk)
Maßnahmen gegen Rechtsextremismus
Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität (bmi.bund.de)Gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität (Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat)Björn Höcke darf "Faschist" genannt werden – "überprüfbare Tatsachengrundlage" (DIE WELT)Startseite | Demokratie leben! (demokratie-leben.de)Die Demokratie verteidigen (Startseite)Bundesregierung geht gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität vor (Startseite)Antisemitismus: Innenminister einigen sich auf Maßnahmen gegen Antisemitismus (ZEIT ONLINE)Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus: Klingt stark, ist schwach (ZEIT ONLINE) Kalt erwischt (Süddeutsche.de) taz-Recherche zu rechtem Netzwerk: Risiko im Reichstag (taz.de) Lucke will nicht online lesen (Süddeutsche.de)Verfassungsschutz: Virtualisierung der rechten Szene (Süddeutsche.de) Verifying online information: The absolute essentials (First Draft) THOMAE: Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität ist aktionistisch (FDP) Illusion: Haltung hilft gegen Rechts (ipg-journal.de)
Unionführungsstreit
Kritik an Maas reißt nicht ab: "Ein peinlicher Moment deutscher Außenpolitik" (FOCUS Online) Kritik an Merkel wird schärfer (Süddeutsche.de)Friedrich Merz kritisiert Angela Merkel für "mangelnde Führung" in der CDU (Spiegel online)
Digitalgipfel
Gastkommentar: Deutschlands Mobilfunkstrategie ist eine vertane Chance (handelsblatt.com)Netzausbau: Mit dieser Strategie will Scheuer den Mobilfunk stärken (handelsblatt.com)So wird der Aufbruch in die digitale Zukunft nicht gelingen (portal liberal)Digital-Gipfel: Hoffnung auf Plattformen und mehr Akzeptanz (heise online)Digitalgipfel: Die datensouveräne Wollmilch-Cloud (heise online)Digitale Souveränität im Kontext plattformbasierter Ökosysteme (de.digital)Gaia X: IT-Wirtschaft sieht digitale Souveränität mit europäischer Cloud gestärkt (heise online)Peter Altmaier: Er scherzt über Verletzungen - Video von Sturz auf Youtube (morgenpost.de)Mobilfunkstrategie: Bund gibt eigene Standorte für Masten frei (heise online)Funklöcher werden geschlossen (Die Bundesregierung) Eckpunkte einer Mobilfunkstrategie der Bundesregierung (bmvi.de) SITTA: Mobilfunkstrategie enttäuscht auf ganzer Linie (FDP) Veranstaltung in Dortmund: Altmaier stürzt nach Rede von der Bühne (SPIEGEL ONLINE)
Feedback: Mietendeckel
Bayern - Mietenstopp für 162 Städte und Gemeinden (Süddeutsche.de)Was der Staat gegen hohe Mietpreise tun könnte (Süddeutsche.de)
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In diesem Beitrag stellt Onur Can Güzel folgenden Aufsatz vor: Ince, Hilal Onur (2014): Populismus und Islam in der Türkei; in: Henrique Ricardo Otten / Manfred Sicking (Hg.): Kritik und Leidenschaft, transcript Verlag, S. 67-82, https://www.transcript-open.de/doi/10.14361/transcript.9783839415900.67. Hilal Onur Ince beschriebt den Aufstieg der populistischen Partei AKP und Erdogans (Adalet ve Kalkinma Partisi / Partei der Gerechtigkeit und Entwicklung) und die damit verbundene schleichende Islamisierung der türkischen Gesellschaft mit der Unterstützung von sogenannten Tarikats (Bruderschaften) und nicht-staatlichen Organisationen wie der Fethullah Gülen Bewegung sowie die damit einhergehenden Folgen. Zusätzlich geht sie auf den Populismus in der Außenpolitik der AKP ein.Zu Beginn des Textes geht Hilal Onur Ince darauf ein, wie das Zusammenspiel von Religion und Politik zum Aufstieg der populistischen Partei AKP geführt hat. Demnach haben sich AKP-Funktionäre bemüht, sich konservativ demokratisch darzustellen, wodurch sie zu einem Sammelbecken für die politische Rechte der Türkei wurden (vgl. S. 69). Die Wahl der AKP im Jahr 2002 kann laut Hilal Onur Ince auf die Schwäche der Mitte-Rechts Parteien zurückgeführt werden, wodurch ein politisches Vakuum entstand. Zusätzlich sorgte die Zehn-Prozent-Hürde bei den Wahlen dafür, dass die AKP mit einem Drittel der Stimmen fast zwei Drittel der Sitze im Parlament bekam und zum ersten Mal in der Geschichte der türkischen Republik eine Mehrheitsregierung durch eine islamisch geprägte Partei gebildet wurde (vgl. S. 69).Der AKP-Erfolg wurde von Wissenschaftlern und politischen Entscheidungsträgern als ein historischer Sieg der "Peripherie" über das "Zentrum" gefeiert. Die Peripherie stellt demnach die kulturell unterdrückte und ausgegrenzte Mehrheit der Bevölkerung dar, während das Zentrum die säkulare militärisch-zivile Bürokratie darstellt (vgl. S. 69).Der Einfluss islamistischer Bewegungen auf die gesellschaftspolitische Struktur der Türkei ist laut Hilal Onur Ince ein Phänomen, das seit dem Übergang in das Mehrparteiensystem im Jahr 1950 zu beobachten ist, aber weitgehend ignoriert wurde. Die Türkei erlebte im Lauf ihrer Geschichte demnach drei gesellschaftspolitische und sozioökonomische Prozesse, die der AKP zur Macht verhalfen. Der Aufstieg der islamistischen Bewegungen, die Ausweitung des religiösen Lebensstils und der Aufstieg des Neoliberalismus (vgl. S. 70-72).Seit dem Militärputsch im Jahr 1980 hat der politische Islam in der Türkei einen großen Zugang zu staatlichen Institutionen. Dies führte dazu, dass Bewegungen wie die Fethullah Gülen-Bewegung unter dem Regime von Erdogan einen großen Einfluss auf Institutionen der inneren Sicherheit hatten.Im weiteren Verlauf des Textes geht Hilal Onur Ince auf die Frage ein, ob die Fethullah Gülen-Bewegung, die für die Islamisierung des türkischen Nationalismus und für eine Religion-Staat-Beziehung nach osmanischer Art steht, eine Art fünfte Kolonne ist oder eine humanitäre Mission hat. Sie kommt zur Erkenntnis, dass die Fethullah Gülen-Bewegung auch die politische Mission hat, staatliche Institutionen zu übernehmen und den Islam und ihre Ideologie auf internationaler Ebene zu verbreiten (vgl. S. 72).Gülen könne seine Ideologie über mehrere Medienanstalten, über ein Netz von loyalen Bürokraten, seine Anhängerschaft in Universitäten und Hochschulen, über Staatsanwälte und Richter, über Beschäftigte der Sicherheits- und Nachrichtendienste usw. verbreiten. Der Einfluss der Gülen-Ideologie reicht bis in die Tiefen der türkischen Gesellschaft. Ärzte, die keine Frauen untersuchen wollen, Bürgermeister, die Statuen im öffentlichen Raum entfernen, Ärzte, die die Ansicht verbreiten, dass Krebs durch den Glauben geheilt werden kann (vgl. S. 73).Die AKP-Regierung, die laut Hilal Onur Ince nach einer Islamisierung der Gesellschaft strebe, sieht sich nicht genötigt, die Islamisierung selbst zu betreiben, da sowohl die Gülen-Bewegung als auch andere Bruderschaften diese Aufgabe ausüben (vgl. S. 74).Nicht nur innenpolitisch ist seit Beginn der AKP-Regierung eine Trendwende zu beobachten, sondern auch in der Außenpolitik. Zum ersten Mal in der Geschichte der türkischen Republik unterstützte die Regierung einen Angriffskrieg auf ein Nachbarland (vgl. S. 75). Im Lauf der Zeit war Erdogan davon überzeugt, dass seine Art des Populismus dem Volk gefalle. In der Außenpolitik wurde die Rolle des harten Mannes zu einer Art Grundsatz des nationalen Interesses.Zusammenfassend schreibt Hilal Ince Onur, dass die die populistischen Tendenzen in der Außenpolitik dem Ansehen der Türkei geschadet haben. Ursprünglich wohlgesonnene arabische Länder wie Ägypten und Jordanien sind der Türkei heute entfremdet.Mit zunehmender Islamisierung der Gesellschaft nimmt die Kluft zwischen dem säkularen und dem islamistischen Lager zu. Die Gesellschaft fühlt sich laut Hilal Onur Ince dazu gezwungen, in der Öffentlichkeit nach islamischem Recht zu leben. Frauen beispielsweise fühlen sich dazu gedrängt, ein Kopftuch zu tragen. Der zunehmende Konservatismus im Alltag und die sich verschlechternden Aussichten für die türkische Demokratie werden das Land laut Onur Ince noch jahrzehntelang beschäftigen (vgl. S. 77-78).
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Etwa 80% der Menschen in Deutschland wohnen in Städten. Prognosen zeigen, dass dieser Trend weiter zunimmt. Das Problem dabei ist, dass sich der Mensch in der Stadt von der Natur entfremdet. Die Menschen verlieren, umgeben von einer Betonwüste, den Bezug dazu, woher ihre Lebensgrundlagen wie Wasser oder Nahrungsmittel stammen. Gleichzeitig trifft der Mensch genau aus diesem Lebensstil heraus Entscheidungen, die die Natur zutiefst beeinflussen und die Biosphäre destabilisieren (vgl. Scharfe, 2022, S. 2 f.).Folgen unseres (Nicht-)HandelnsDie Folgen davon sehen wir in den Auswirkungen des Klimawandels. Arten sterben, weil sie mit den veränderten klimatischen Bedingungen nicht mehr zurechtkommen oder weil der Mensch ihnen ihre Lebensgrundlage entzogen hat, um Lebensmittel anzubauen (vgl. Steingässer & Scharfe, 2020, S. 1). In Deutschland gibt es nur noch 0,6 % Fläche, die naturbelassen ist (vgl. Scharfe, 2022, S. 2). Gleichzeitig staut sich im Sommer die Hitze zwischen Asphalt und Beton und lässt das Leben in den Städten unerträglich werden (vgl. Enwadlt & Mende, 2023, S. 1). Die Auswirkungen zeigen sich auch in der menschlichen Gesundheit, so nehmen z.B. Lungenentzündungen oder Krebs zu. Der Mensch hat vergessen, was für einen positiven Effekt die Natur auf ihn hat. Nicht umsonst wird psychisch sowie physisch kranken Menschen der Kontakt zur Natur empfohlen. Die Natur stärkt unser Immunsystem und wirkt sich positiv auf unser Wohlbefinden aus (vgl. Scharfe, 2022, S. 3).Was braucht es, um den negativen Auswirkungen unserer Entfremdung von der Natur entgegenzuwirken?Der japanische Pflanzensoziologe Akira Miyawaki entwickelte genau hierfür eine Idee. Die sogenannten Tiny Forests. Seine Idee ist nicht so neu, wie sie vielleicht klingt. Bereits vor ca. 50 Jahren erkannte er mit seinen Kollegen den Wert der kleinen Wälder (vgl. Enwadlt & Mende, 2023, S. 1). Was genau muss man sich unter einem Tiny Forest vorstellen? Das offensichtlichste Merkmal eines Tiny Forest ist wohl seine Größe. Ein Tiny Forest entsteht bereits auf gerade einmal 100 - 200 Quadratmetern Fläche. Der Boden auf dieser Fläche wird genaustens untersucht. Anhand der Untersuchungsergebnisse wird versucht, den Boden hinsichtlich seiner "Korngrößenverteilung, [seines] ph-Wert[s] und Humusanteil[s]" (Steingässer & Scharfe, 2020, S. 1) zu optimieren, um somit die perfekten Bedingungen für den kleinen Wald zu schaffen. Die Bepflanzung erfolgt schließlich mit heimischen Bäumen und Sträuchern, die eine möglichst große Diversität mit sich bringen. Auf einem Quadratmeter finden sich so etwa drei Pflanzen (vgl. Steingässer & Scharfe, 2020, S. 1).Die haben ja gar keinen Platz?Richtig und das ist auch gut so. Denn in diesem Fall gilt: "Konkurrenz belebt das Pflanzenwachstum". Ein Tiny Forest wächst etwa 10-mal so schnell wie ein klassischer Wald und benötigt so gerade einmal drei Jahre, bis er sich in ein beständiges Ökosystem verwandelt hat (vgl. Steingässer & Scharfe, 2020, S. 1). Dieses beständige Ökosystem kann schließlich ein Zuhause für zahlreiche Vögel und Insekten sein. Es filtert die vielen Schadstoffe in den Städten und saugt bei Überschwemmungen eine große Menge Wasser auf (vgl. Enwadlt & Mende, 2023, S. 2). Gleichzeitig steigern Tiny Forests das Wohlbefinden der Menschen in den Städten, senken den CO2-Gehalt und sind durch ihre Größe flexibel einsetzbar. Sie sind "Temperatur- und Lärmpuffer" (Steingässer & Scharfe, 2020, S. 2). Ein Tiny Forest dient keinen ökonomischen Zwecken. Die Natur soll an diesen Flecken einfach nur existieren dürfen (vgl. Steingässer & Scharfe, 2020, S. 2).Tiny Forest als pädagogisches ProjektNeben den zahlreichen positiven Effekten, die der Tiny Forest auf die menschliche Gesundheit hat, ist er eine Methode, um dem Menschen die Natur wieder näherzubringen. So wird er derzeit für Bildung für nachhaltige Entwicklung eingesetzt. Kinder haben die Möglichkeit, die Entstehung eines Waldes hautnah mitzuerleben sowie die Vielfalt an Tieren und Insekten, die dort wohnen, kennenzulernen (vgl. Scharfe, 2022, S. 3).Wo findet man Tiny Forests?2020 entstand einer der ersten Tiny Forests in der Uckermark auf einer Fläche von ca. 800 Quadratmetern. Mittlerweile findet man Tiny Forests aber auch in Herford oder im niederländischen Utrecht (vgl. Scharfe, 2022, S. 3). Auch die Tiny Group aus Waiblingen hat sich zum Ziel gesetzt, die kleinen Wälder populärer zu machen. Sie zeigen u.a. Firmen auf, welchen Nutzen Tiny Forests haben. Gleichzeitig sieht sich die Tiny Group auch als Vermittler zwischen Wirtschaft und Kommunen, wenn es beispielsweise um die Umsetzung von Tiny Forests an Flächen wie dem Marienplatz in Stuttgart geht, der im Sommer extrem heiß wird (vgl. Kölbl, 2023, S. 1).Fazit Natürlich muss man realistisch bleiben. Tiny Forests retten uns nicht vor dem Klimawandel. Denn sie setzen lediglich an einem der vielen Probleme an, die der Klimawandel mit sich bringt. Kritiker befürchten zudem, dass die kleinen Wälder womöglich keine lange Lebensdauer aufweisen (vgl. Kölbl, 2023, S. 1). Dennoch setzt der Ansatz an einer wichtigen Stelle an: Er bringt Mensch und Natur einander wieder näher. Denn ohne das Verständnis, wie wichtig die Natur für den Menschen ist, wird es schwer sein, die Menschheit davon zu überzeugen, dass diese schützenwert ist.Quellen:Enwadlt, G., & Mende, I. (01.04.2023). Tiny Forest: Urwald für die Stadt. Abgerufen am 12.05.2023 von ZDF: https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/klima-urwald-stadt-100.htmlKölbl, A. (02.05.2023). Mini-Wälder als Idee für den Klimaschutz. Waiblinger Kreiszeitung. Abgerufen am 13.05.2023 von https://www.zvw.de/lokales/waiblingen/unternehmen-aus-waiblingen-realisiert-tiny-houses-und-tiny-forests_arid-648163Scharfe, S. (2022). Gaia und die Tiny Forests. Abgerufen am 12.05.2023 von MIYA e.V.: https://www.miya-forest.de/_files/ugd/84dc70_45f4f959aa1646d69c4c64d624c1cb8f.pdfSteingässer, L., & Scharfe, S. (18.06.2020). Wald der Vielfalt - der erste ,,Tiny Forest" Brandenburgs. Abgerufen am 12.05.2023 von ESKP: https://www.eskp.de/klimawandel/wald-der-vielfalt-der-erste-tiny-forest-brandenburgs-9351092/
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Lebensmittelverluste sind größtenteils unbeabsichtigt und werden unter anderem durch Ineffizienz im Lebensmittelsystem verursacht (vgl. FAO 2017, S. 4). Ein großer Anteil des Lebensmittelabfalls entsteht bei Verbraucher*innen in Privathaushalten. Das sorgt für einen Anteil von etwa einem Drittel an Lebensmitteln, die vom Anbau beziehungsweise der Schlachtung bis zu unseren Tellern verlorengehen. In Deutschland sind das ungefähr elf Millionen Tonnen verschwendete Lebensmittel pro Jahr (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2023b). Welche Auswirkungen hat das und was wird dagegen getan?In diesem Blogbeitrag wird es um die komplexen Ursachen der Lebensmittelverschwendung gehen, genauso wie um die Auswirkungen, die die Lebensmittelverluste sowohl auf die Umwelt als auch auf die Gesellschaft haben. Es soll dargestellt werden, welche Strategien Deutschland beschlossen hat, um die Lebensmittelverschwendung zu verringern. Die Initiative "Zu gut für die Tonne" (https://www.zugutfuerdietonne.de) kann ein Tipp für alle Blogleser*innen sein. Welchen Beitrag die Umweltbildung in der Schule leisten sollte, soll als letztes kurz angeschnitten werden.In diesem Blogbeitrag sollen Lebensmittel nach der Definition der Europäischen Verordnung (EG) Nr. 178/2002 verstanden werden. Laut dieser sind Lebensmittel"alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden" (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2019).Dazu zählen auch alle Stoffe, die bei der Produktion zugesetzt werden. Tiere und Pflanzen sind erst nach der Schlachtung bzw. Ernte Lebensmittel (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2019).Die FAO (vgl. 2011, S. 2) definiert Lebensmittelverluste als Abnahme der essbaren Lebensmittelmasse in dem Teil der Lieferkette, der speziell zu essbaren Lebensmitteln für den menschlichen Verzehr führt. Diese treten in Produktions-, Ernte-, Nachernte- und Verarbeitungsstufen der Lebensmittelversorgungskette auf. Als Lebensmittelverschwendung werden Lebensmittelverluste bezeichnet, die am Ende der Lebensmittelkette auftreten und für die Händler und Verbraucher verantwortlich sind (vgl. FAO 2011, S. 2).In einer weiteren Definition wird hinzugefügt, dass Lebensmittelverluste entlang der gesamten Versorgungskette auftreten, neben Produktions-, (Nach-)Ernte- und Verarbeitungsstufen betrifft das demnach auch Lagerung und Transport. Lebensmittelverluste oder -verschwendung werden stets als Abnahme der Menge und/oder Qualität von Lebensmitteln gesehen, die für den menschlichen Verzehr bestimmt waren (vgl. FAO 2017, S. 4).Ursachen der LebensmittelverschwendungLebensmittelverschwendung findet an allen Stellen der Lebensmittelwertschöpfungskette (auch Lebensmittelversorgungskette) statt (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2021). Diese umfasst nach dem Bundeszentrum für Ernährung (vgl. 2023) verschiedene Stufen. Die erste Stufe besteht aus der Produktion und der Erzeugung und beinhaltet Agrarproduktion und Viehzucht. Die zweite Stufe betrifft die Weiterverarbeitung, demnach die Herstellung der Lebensmittel. Die dritte Stufe, Handel und Vermarktung, betrifft den Groß- und Einzelhandel. Als letztes folgt der finale Konsum, sowohl im Bewirtungssektor als auch in den Privathaushalten. Lebensmittelverluste entstehen nicht nur in den Stufen der Versorgungskette, sondern gerade auch bei Transport und Lagerung zwischen und nach den einzelnen Stufen (vgl. Bundeszentrum für Ernährung 2023).Durch die globale Vernetzung in den letzten Jahrzehnten wurde auch der Ernährungssektor vernetzt. Strukturelle Veränderungen sowie der gesellschaftliche Wandel haben die Lebensmittelversorgungskette demnach verlängert (vgl. FAO 2009, S. 18 f.).Weltweit gehen durch die verschiedenen Stufen der Lebensmittelwertschöpfungskette ein Drittel der produzierten Lebensmittel verloren. Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation sind das jedes Jahr 1,3 Milliarden Tonnen (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2021). Dafür verantwortlich sind vor allem Industrie, Handel, Großverbraucher und Privathaushalte. Letztere verursachen den größten Anteil an Müll. Laut Eyerund/ Neligan (vgl. 2017, S. 2) wirft jede*r Bundesbürger*in im Jahr rund 82 kg Nahrungsmittel in den Müll, davon wäre ein großer Teil, zum Beispiel Speisereste, vermeidbar. Ein kleiner Teil, zum Beispiel Knochen und Bananenschalen, müssen tatsächlich entsorgt werden.Seit ungefähr 1870 ist die Herstellung von Lebensmitteln stärker wissensbasiert und Fortschritte ermöglichen, dass aus wenigen Rohstoffen eine große Vielfalt an Lebensmitteln produziert werden kann (vgl. Hamatschek 2021, S. 351). Allerdings sorgen eine weniger effiziente Ernte sowie neue Transport-, Lagerungs- und Verarbeitungstechniken für größere Verluste. Dazu gehören Ernteverluste, Überproduktion auf dem Feld und Verluste in der Produktion, weil beispielsweise fehlerhaft geplant wurde oder es technische Störungen gab (vgl. Hamatschek 2021, S. 356f.).Die ersten Verluste entstehen in der landwirtschaftlichen Produktion, wenn beispielsweise das Obst und Gemüse nicht den Standards entspricht, von Schädlingen befallen oder auf andere Art und Weise verunreinigt ist. In der Verarbeitung entstehen Abfälle, weil nur Teile eines Lebensmittels gebraucht werden können oder maschinell bedingt Reste entstehen. Auch Etikettierungsfehler können dazu führen, dass Lebensmittel ganz aussortiert werden müssen (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2020).Im Groß- und Einzelhandel kann es passieren, dass Bestellmengen nicht der Nachfrage entsprechen oder die Ware falsch gelagert und gekühlt wurde. Auch bei fehlerhaften Logistikprozessen kann es zu unnötigem Abfall kommen. Wenn Lebensmittel zu lange gelagert wurden und überreif sind beziehungsweise das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, kann es auch so zu Lebensmittelverschwendung kommen (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2020).In der sogenannten Außer-Haus-Verpflegung, mit welcher die Gemeinschaftsverpflegung in Betriebskantinen, Schulen, Kindergärten oder der Gastronomie gemeint ist, kommt es zu Lebensmittelverschwendung durch eine schwankende Nachfrage, zu großen Portionsgrößen oder fehlerhaften Einschätzungen (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2020).Haushalte sind für zwei Drittel der Abfallmenge verantwortlich. Häufige Gründe für die hohe Lebensmittelverschwendung in Privathaushalten sind unüberlegte Einkäufe, zu große Portionspackungen im Supermarkt, ein falsches Verständnis für das Mindesthaltbarkeitsdatum oder unzureichendes Wissen über die richtige Lagerung von Lebensmitteln (vgl. Hamatschek 2021, S. 356f.). Dazu kommen in der Regel andere individuelle Gründe, die sehr vielfältig sein können (vgl. Universität Stuttgart/ Institut für Siedlungswasserabbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft 2012, S. 216) und von den Lebensumständen, der Lebensweise der Haushalte und bestimmten Situationen abhängig sind (vgl. ebda., S. 219).Des Weiteren liegt bei der Ermittlung von Ursachen der Lebensmittelverschwendung eine besondere Schwierigkeit vor. Die Haushalte müssen mitmachen und Gründe für ihren Lebensmittelabfall angeben. Dazu müssen sie in der Lage sein, den Grund anzugeben und diesen auch angeben zu wollen, denn das Ergebnis wird verfälscht, wenn Personen anfangen, im Sinne sozialer Erwünschtheit zu antworten (vgl. ebda., S. 219).Es ließ sich feststellen, dass Personen, die Lebensmittelknappheit im Zweiten Weltkrieg erlebt haben, deutlich weniger Lebensmittel verschwenden als heutige Generationen (vgl. Eyerund/ Neligan 2017, S. 3). Neben individuellen Gründen kommen außerdem gesellschaftliche Ursachen hinzu. Die heutige westliche Welt lebt in einer Konsum-, Überfluss- und Wegwerfgesellschaft, welche das Wegwerfen von Lebensmitteln begünstigt.In den Supermärkten herrscht ein Überangebot an Lebensmitteln. Durch eine zunehmende Mobilisierung und Flexibilisierung der Gesellschaft sind die meisten Lebensmittel immer vorhanden. Dazu kommen soziographische Veränderung wie die Zunahme an Ein-Personen-Haushalten oder die Verstädterung (vgl. Universität Stuttgart/ Institut für Siedlungswasserabbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft 2012, S. 216).Durch die Zunahme des ökonomischen Wohlstands ist auch der Konsum von Fleisch seit Mitte des 20. Jahrhunderts gestiegen (vgl. Dräger de Teran 2013, S. 11). Soziale Faktoren bestimmen die gesellschaftlich-kulturellen Essgewohnheiten. Die Industrialisierung sorgte für eine Entfremdung von Nahrungsmitteln durch die Nahrungsmittelproduktion, die immer komplexer wurde. Vor allem bei den Menschen, die keine Lebensmittelknappheit erlebt haben, führte das zu einer verminderten Wertschätzung der Lebensmittel, weil die Herkunft der Lebensmittel zunehmend unbekannt wurde (vgl. Universität Stuttgart/ Institut für Siedlungswasserabbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft 2012, S. 217).AuswirkungenAuf die UmweltJährlich wird für verschwendete Lebensmittel eine Fläche bearbeitet und geerntet, die so groß ist wie Mecklenburg-Vorpommern. Von diesen 2,4 Millionen Hektar, die gespart werden könnten, werden 1,4 Millionen Hektar für die Produktion von tierischen Produkten benötigt (vgl. Dräger de Teran 2013, S. 13). Würden alle Lebensmittel gegessen werden, die auch hergestellt wurden, würde demnach eine Fläche von 2,4 Millionen Hektar für andere Zwecke frei werden. Diese Fläche könnte beispielsweise als Grünfläche genutzt werden und beim Kampf gegen den Verlust der Biodiversität helfen (vgl. Noleppa 2012, S. 7).Von den jährlich rund 6,5 Millionen Tonnen Lebensmittelabfall aus Privathaushalten in Deutschland sind ungefähr ein Drittel Obst und Gemüse, am zweithäufigsten werden Speisereste weggeworfen und am dritthäufigsten Brot und Backwaren. Ein kleiner Teil ist unvermeidbar (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2023c). Im Pro-Kopf-Vergleich der Lebensmittelverschwendung der EU liegt Deutschland mit seinem Lebensmittelabfall im EU-Durchschnitt, genauso wie Frankreich oder Österreich (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2020).Folgeprobleme dieser Lebensmittelverschwendung werden seit Jahrzehnten immer größer. Dazu gehört beispielsweise die Erzeugung von Treibhausgasemissionen (vgl. Brunner 2009, S. 33). Noleppa (vgl. 2012, S. 25) unterscheidet zwischen direkten Treibhausgasemissionen von Lebensmitteln, die während der Lebensmittelwertschöpfungskette zu Stande kommen, und indirekten Treibhausgasemissionen, die aus Landnutzungsänderungen entstehen.CO2-Emissionen bilden sich bei der Erzeugung, Produktion und Weiterverarbeitung von Lebensmitteln, während Lachgas-Emissionen durch anorganische und organische Stickstoffdüngung gebildet werden. Methan-Emissionen sind die Folge einer Wiederkäuerverdauung sowie der Nutzung von organischem Dünger und Reisanbau (vgl. Dräger de Teran 2013, S. 14). In internationalen Inventaren und unterschiedlichen Standards werden die indirekten Emissionen im Vergleich zu den direkten Emissionen allerdings häufig nicht berücksichtigt.Von 2009 bis 2010 wurde ein leichter Anstieg der Lebensmittelnutzung der Deutschen von 667 kg auf 677 kg verzeichnet. Dieser gering wirkende Anstieg sorgte allerdings für einen Mehrausstoß an indirekten Emissionen von ungefähr 40 Millionen Tonnen. Da die landwirtschaftliche Nutzfläche Deutschlands irgendwann seine Grenze erreicht hat, müssen zusätzlich Flächen im Ausland in Anspruch genommen werden (vgl. Dräger de Teran 2013, S. 14).Es wird ein weiteres Problem des hohen Lebensmittelverbrauchs sichtbar: die Flächennutzung. Die von Deutschland in anderen, meist ärmeren Ländern genutzten Flächen fehlen anschließend beim Anbau von Nahrungsmitteln für die Ernährung der einheimischen Bevölkerung (vgl. Verbraucherzentrale 2022). Um diese ethische Problemsituation soll es weiter unten gehen.Des Weiteren sorgen eine hohe Materialnutzung, ein hoher Energieverbrauch, Bodenkontamination und eine Reduktion der Artenvielfalt für Umweltproblematiken aufgrund der Lebensmittelherstellung (vgl. Brunner 2009, S. 33). Laut Brunner (vgl. 2009, S. 34) hat besonders die Industrialisierung die Landwirtschaft produktiv gemacht, wodurch die oben genannten Umweltproblematiken gestiegen sind, besonders die schädigenden Emissionen."Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich die moderne Landwirtschaft vom Energielieferanten zum Energieverbraucher entwickelt" (Brunner 2009, S. 34).Nach Angaben der OECD führen energieintensive Produkte, wie zum Beispiel Fertigmahlzeiten und der Konsum von tierischen Lebensmitteln, insbesondere Fleisch, zu höheren Umweltbelastungen. Deshalb lässt sich sagen, dass die Konsument*innen durch ihr Nachfrageverhalten einen Einfluss haben, jede*r Bürger*in entscheidet selbst, was gekauft und gegessen wird (vgl. Brunner 2009, S. 34). Ein Beispiel dafür wäre der Vergleich zwischen dem Kauf einer Tomate aus der eigenen Region, welche weniger Umweltschäden verursacht und dem Kauf eines abgepackten Tomatensalats, der höhere Emissionen mit sich bringt. Die Lebensmittelversorgungskette sorgt nicht nur für Umweltbelastungen, sondern hat auch Auswirkungen auf die Menschheit, was im Folgenden gezeigt werden soll.Auf den MenschenDer Weltagrarbericht (IAASTD) hat 2009 durch das Menschenrecht auf Nahrung gefordert, dass kein Mensch mangelernährt sein darf. Laut Hamatschek (vgl. 2021, S. 355) wird damit Realität und Anspruch gegenübergestellt. Der globale Welthunger-Index (WHI)-Wert von 2022 zeigt, dass die Fortschritte gegen die Hungersnot stagnieren. Im Jahr 2021 ist die Zahl der chronisch Hungerleidenden auf fast 828 Millionen gestiegen, die Zahl der akut Hungernden lag bei ungefähr 192 Millionen (vgl. Von Grebmer et al. 2022, S. 3).Ursachen für diese dramatische Situation sind die "strukturelle Ungleichheit und Macht-Asymmetrien im Ernährungssystem" (vgl. Deutsche Welthungerhilfe e.V. 2022). Aufgrund globaler Krisen und fehlendem politischem Willen soll sich die Hungersnot laut der Deutschen Welthungerhilfe e.V. (vgl. 2022) noch weiter verstärken. Die COVID-19-Pandemie hat die Problematik bereits verstärkt (vgl. Möhle 2023, S. 87). Das ethische Problem zeigt: die Weltproduktion von Lebensmittel reicht theoretisch, um die Menschheit zu ernähren, wenn Lebensmittel fair verteilt und weniger verschwendet werden würden (vgl. Deutsche Welthungerhilfe e.V. 2022).Nicht nur die Hungersnot ist ein Problem, sondern auch soziale, ökonomische und gesundheitliche Folgen des Ernährungssystems. Beispiele dafür sind die Konzentration der Marktmacht in den reicheren Gebieten, die Zunahme an Krankheiten durch die Ernährung, Bauernhofsterben, Übergewicht als Gegensatz zur Ernährungsarmut und (Umwelt-)Kosten, die auf die Allgemeinheit abgewälzt werden (vgl. Brunner 2009, S. 33).Des Weiteren entstehen allein in Privathaushalten pro Jahr finanzielle Verluste von rund 25 Milliarden Euro durch weggeschmissene Lebensmittel. Anschließend entsteht dadurch eine Menge an Abfall, der entsorgt werden muss. Das führt zu weiteren Kosten und Umweltbelastungen (vgl. Dräger de Teran 2013, S. 15).Die Problematik der Flächennutzung sorgt gerade in den armen Ländern, in denen typischerweise Ackerflächen für die Ernährung in den wohlhabenderen Ländern genutzt werden, für Probleme. Der dortigen Bevölkerung fehlen die für Lebensmittelexporte genutzten Flächen anschließend für die eigene Ernährung (vgl. Verbraucherzentrale 2022). Häufig werden Futtermittel für tierische Lebensmittel angebaut.Durch ein Überangebot und eine Überproduktion entsteht in den Industriestaaten ein leichtfertiger Umgang mit Lebensmitteln. Die dadurch entstehenden Lebensmittelverluste erhöhen laut der Verbraucherzentrale (2022) wieder die Nachfrage nach Rohstoffen wie zum Beispiel Getreide. Das sorgt für einen Preisanstieg von Grundnahrungsmitteln, worunter arme Länder besonders leiden.Zu einer Knappheit an Anbauflächen und einem Preisanstieg kommen meistens eine unzureichende Versorgung und Infrastruktur hinzu. Die Lebensmittel, die ärmere Länder besitzen, können manchmal nicht transportiert, gelagert oder gekühlt werden und gehen deshalb auch auf diese Art verloren (vgl. Verbraucherzentrale 2022). Deshalb ist es wichtig, dass die FAO jedes Jahr einen Bericht zur Nahrungsmittelsicherheit (The State of Food Security and Nutrition in the World) vorlegt. Die drei wichtigsten Indikatoren sind dabei die Prävalenz der Unterernährung (PoU), das Befragungselement, die Food Inequality Experience Scale (FIES), und der Welthungerindex (WHI) (vgl. Möhle 2023, S. 91).GegenstrategienNachhaltiger Konsum lässt sich folgendermaßen definieren:"'Nachhaltig' ist ein Konsumverhalten dann zu nennen, wenn es die Bedürfnisse der Konsumenten in einer Weise erfüllt, die die Absorptions- und Regenerationsfähigkeit der natürlichen Mitwelt nicht überfordert" (Brunner 2014, S.5, zit. n. Scherhorn et al. 1997, S. 7).Daraus lässt sich schließen, dass das momentane Ernährungssystem gemeinsam mit der Lebensmittelwertschöpfungskette in großen Teilen nicht nachhaltig sein kann. Schon auf der UN-Konferenz in Rio 1992 wurde über nachhaltige Entwicklung in Verbindung mit dem Abbau nicht-nachhaltiger Konsum- und Produktionsweisen gesprochen. Beim Weltgipfel in Johannesburg 2002 wurde das Ziel einer "weltweiten Förderung nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster" (Brunner 2009, S. 31) beschlossen. Mittlerweile weiß man, dass ein Konsummuster nicht weltweit zu verallgemeinern ist, sondern sich je nach Region und Wohlstand unterscheidet. Es wird deshalb ein besseres Verständnis für Konsummuster gesucht und versucht, Lebensstile und Konsummuster in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken (vgl. Brunner 2009, S. 31, zit. n. Wuppertal Institut 2005).Laut Brunner (vgl. 2009, S. 45) sind Lebens- und Ernährungsstile eng mit der Identität der Menschen verknüpft und von sozialen, kulturellen und ökonomischen Kontexten beeinflusst. Damit sich das Konsument*innenverhalten ändert, müssen sich zuerst kontextuelle Rahmenbedingungen ändern. Dazu gehören Angebote und Anreizsysteme sowie kommunikative Maßnahmen. Auch die Voraussetzungen der Konsument*innen müssen sich ändern.Ein geringerer Fleischkonsum wird durch die Ernährungsökologie eingefordert. Genauso wie die Wahl von ökologisch produzierten und wenig verarbeiteten Lebensmitteln oder regional und saisonal erzeugten Produkten. Ein veränderter Fleischkonsum sowie die Zunahme wenig verarbeiteter Lebensmittel haben längerfristig gesundheitlich und ökologisch eine positive Wirkung (vgl. Brunner 2009, S. 34). Hier sind kommunikative Maßnahmen besonders wichtig. Die Wertschätzung für Lebensmittel sollte gesteigert werden (vgl. Universität Stuttgart/ Institut für Siedlungswasserabbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft 2012, S. 280).Ein sorgsamerer Umgang mit Lebensmitteln führt in der Regel zu weniger Lebensmittelverschwendung. Eine gesündere, fleischärmere Ernährung sorgt für weniger Umweltbelastungen in der Lebensmittelversorgungskette sowie bei der Flächennutzung. Flächen, die frei werden, weil beispielsweise weniger Futtermittel angebaut werden muss, könnten für den Schutz von Ökosystemen genutzt werden oder positiv zur Welternährung beitragen.Denn bei der Lebensmittelverschwendung entstehen nicht nur viele Tonnen an Müll, sondern auch die verwendeten Ressourcen wurden verschwendet. Dazu gehören wertvoller Ackerboden, Wasser und Dünger, was gerade heute, in Zeiten einer kommenden Wasserknappheit, zum Problem werden könnte. Auch die bereitgestellte Energie für Verarbeitung und Verbrauch wurde damit umsonst erzeugt. Treibhausgasemissionen wie CO2 werden umsonst freigesetzt. Die nationale Strategie Deutschlands will deshalb dafür sorgen, dass unnötige Abfälle erst gar nicht entstehen (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2023c). Laut der FAO ist die"Verringerung von Lebensmittelverlusten und -verschwendung […] ein wichtiger Hebel für umfassendere Verbesserungen unserer Lebensmittelsysteme zur Verbesserung der Lebensmittelsicherheit, der Qualität und der Nachhaltigkeit sowie zur Steigerung der Effizienz" (FAO 2018).Die Agenda 2030, die 2015 von den Vereinten Nationen beschlossen wurde, enthält 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung. Zwei Ziele sprechen die Lebensmittelverschwendung an. Das zweite Ziel, welches "Kein Hunger" heißt und gegen die dramatische Hungersnot vorgehen soll, will eine Ernährungssicherheit erreichen und die nachhaltige Landwirtschaft fördern. Das zwölfte Ziel heißt "Nachhaltige/r Konsum und Produktion". Es soll die Nutzung natürlicher Ressourcen fördern und einer hohen Nahrungsmittelverschwendung entgegenwirken (vgl. Bertelsmann Stiftung o. J.).Jedoch muss die Politik die formulierten Ziele anhand von Maßnahmen durchsetzen (vgl. Universität Stuttgart/ Institut für Siedlungswasserabbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft 2012, S. 280). Dafür ist eine gute Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft der Landwirtschaft, der Lebensmittelindustrie, des Einzelhandels, der Wissenschaft und der Politik notwendig (vgl. ebda., S. 282). Um diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu bewältigen, wurde im Februar 2019 die Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) beschlossen.Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung Im Koalitionsvertrag wurde das Ziel gesetzt, die Lebensmittelverschwendung branchenspezifisch zu reduzieren. Diesen Auftrag will die Nationale Strategie (siehe hier) nach und nach durchsetzen, denn in Zeiten von Krisen wie dem Russland-Ukraine-Krieg, der Klimakrise und steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen wird dies immer dringender (vgl. Die Bundesregierung 2022).Die Lebensmittelabfälle und -verluste sollen in allen Stufen der Lebensmittelwertschöpfungskette verringert werden mit besonderem Augenmerk auf den Schnittstellen zwischen den Sektoren (vgl. Bundeszentrum für Ernährung 2023c). Das große Ziel ist, die Lebensmittelverschwendung bis 2030 um 50% zu reduzieren (vgl. Die Bundesregierung 2022). Dazu wurden vier Handlungsfelder geschaffen: der Politische Rahmen, die Prozessoptimierung der Wirtschaft, eine Verhaltensänderung bei allen Akteur*innen und Potenziale durch Forschung und Digitalisierung (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2021b).Durch den Politischen Rahmen wurden verschiedene Gremien gebildet. Beispielsweise wurde das Bund-Länder-Gremium gebildet, um ressort- und länderübergreifend die Strategie zu steuern und weitere Handlungsfelder zu identifizieren. Die Arbeitsgruppe AG Indikator SDG 12.3 besteht aus Vertreter*innen des BMEL, des Verbraucherschutzes, des Thünen-Instituts und weiteren und koordiniert die Berichterstattung (vgl. Bundeszentrum für Ernährung 2023c). Weil alle Akteure entlang der Lebensmittelversorgungskette vernetzt sein müssen, wurde ein Nationales Dialogforum geschaffen."Vertreter:innen aus Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Organisationen arbeiten in den fünf sektorspezifischen Dialogforen Primärproduktion, Verarbeitung, Groß- und Einzelhandel, Außer-Haus-Verpflegung und Private Haushalte zusammen" (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2021b).Das zweite Handlungsfeld, die Prozessoptimierung der Wirtschaft, hat Maßnahmen geschaffen, mit denen Unternehmen eigenverantwortlich Ziele gegen die Lebensmittelverschwendung umsetzen sollen. Ein Beispiel wäre die Überprüfung von Werbeaussagen auf Produkten hinsichtlich der Wertschätzung von Lebensmitteln.Das dritte Handlungsfeld, die Verhaltensänderung bei allen Akteur*innen, ist für die Informations- und Kommunikationsarbeit zuständig, um eine Verhaltensänderung gegenüber Lebensmitteln zu schaffen. Dafür wurde die Initiative "Zu gut für die Tonne!" geschaffen, um die es weiter unten gehen wird. Des Weiteren sollten Informations- und Lehrmaterialien zur Sensibilisierung von Kindern und jungen Erwachsenen erstellt werden, in denen es um die Vorteile einer Reduzierung der Lebensmittelverschwendung geht (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2021b).Das letzte Handlungsfeld, Potenziale durch Forschung und Digitalisierung, steht für die Erforschung und Entwicklung innovativer digitaler Möglichkeiten. Beispiele wären intelligente Verpackungen oder Systeme zur Erstellung von Nachfrageprognosen (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2021b). Die Bundesregierung hat deshalb 16 Millionen Euro bereitgestellt, um Forschungsprojekte zu ermöglichen (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2019, S. 9f.). So soll die Strategie immer weiterentwickelt werden.Eine große Rolle spielt des Weiteren die Erfassung von Lebensmitteln, denn nur mit dem Wissen, wo, wie viele und warum Lebensmittel weggeworfen werden, kann die Lebensmittelverschwendung reduziert werden (vgl. Bundeszentrum für Ernährung 2023c).Weitere Maßnahmen sollen die Umsetzung der Strategie fördern: die Erleichterung der Weitergabe von Lebensmitteln oder eine strafrechtliche Neubewertung des Containers soll überdacht werden (vgl. Bundeszentrum für Ernährung 2023c); für ein gesamtgesellschaftliches Umdenken in Richtung mehr Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln wurde 2016 der Tag der Lebensmittelverschwendung durch den WWF geschaffen. Am 2. Mai landet statistisch gesehen die Menge an Lebensmitteln, die von Januar bis Mai produziert wurde, im Müll (vgl. Die Bundesregierung 2022). Initiative "Zu gut für die Tonne!"Durch die Initiative (https://www.zugutfuerdietonne.de) soll das Thema Lebensmittelverschwendung stärker in die Öffentlichkeit gebracht werden. Sie hat das Ziel, Verbraucher*innen für den Prozess der Lebensmittelproduktion und die notwenige Wertschätzung zu sensibilisieren (vgl. Bundeszentrum für Ernährung 2023c). "Zu gut für die Tonne!" wird vom BMEL durchgeführt und informiert Bürger*innen durch eine Website über Ursachen der Lebensmittelverschwendung und Möglichkeiten, bei der Reduzierung zu helfen (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2019, S. 9).Die Bundesregierung will alle Stufen der Lebensmittelkette miteinbeziehen. Auch die Länder spielen eine wichtige Rolle, denn Länder und Kommunen sind für das Abfallmanagement zuständig, und auch hier wurden einige Aktionen und Initiativen gestartet. Die Wirtschaft erarbeitet Nachhaltigkeitsstrategien, während die Wissenschaft in Forschungseinrichtungen neue Methoden und Techniken entwickelt (vgl. ebda.). Besonders wichtig ist, dass neben diesen Bereichen gerade auch die Zivilgesellschaft die Lebensmittelverschwendung reduziert."Zahlreiche Vereine und Organisationen tragen dazu bei, dass nicht mehr marktgängige Lebensmittel, die noch für den Verzehr geeignet sind, als Lebensmittel verwendet werden" (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2019, S. 8).Tafeln, foodsharing und Brot für die Welt sind Beispiel dafür. Spendensysteme, Internetforen und sogenannte fairTeiler helfen bei der Verteilung von Lebensmitteln, die noch brauchbar sind, aber sonst weggeschmissen werden würden.Verbraucher*innen, die über den Prozess der Herstellung und beispielsweise den Ressourceneinsatz bei der Produktion der Lebensmittel Bescheid wissen, erkennen eher den Wert der Lebensmittel und die Wichtigkeit, den Umgang damit nachhaltiger zu gestalten (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2023b). Die Website der Initiative stellt deshalb ein großes Angebot an Informations-, Bildungs- und Werbematerial bereit.Bürger*innen bekommen Tipps zur Lagerung von Lebensmitteln und Rezepte sowie Tutorials zur Resteverwertung. Auch ein Thema ist das bedarfsgerechte Einkaufen und Zubereiten. Ein langfristiges Ziel der Initiative ist es, Bürger*innen zu zeigen, wie man das eigene Verhalten im Alltag ändert, um so wenig Lebensmittel wie möglich wegzuwerfen (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2023b).Veranstaltungen wie die "Aktionswoche Deutschland rettet Lebensmittel!" (https://www.zugutfuerdietonne.de/unsere-aktivitaeten/aktionswoche-deutschland-rettet-lebensmittel) soll Bürger*innen bei der Umsetzung helfen. Am 29. September ist der International Day of Awareness of Food Loss and Waste der FAO. Aus diesem Grund startet die Initiative des BMEL eine bundesweite Aktionswoche mit Aktionen zum Thema Lebensmittelverschwendung. Sowohl digital als auch vor Ort können Bürger*innen teilnehmen. 2023 liegt der Schwerpunkt auf dem Thema "Kochen und Essen nach Maß" (vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2023d).Bewusstseinsförderung & Umweltbildung zum Thema LebensmittelverschwendungDie Deutsche UNESCO-Kommission sieht einen direkten Zusammenhang zwischen den Handlungsfeldern Lebensstil, Konsum, Klimawandel, globaler Gerechtigkeit und Ernährung. Diese sind entscheidend für eine nachhaltige Entwicklung (vgl. Innemann 2013, S. 66). Daraus entsteht die Anforderung einer Ernährungsbildung, die praxisorientiert stattfindet und eine alltägliche und individuelle Umsetzung fördert (vgl. ebda., S. 75). Für eine entsprechende Kompetenzförderung müssen laut Innemann (S. 66) Lehr-Lern-Arrangements geschaffen werden, was der Bildung in der Schule eine besondere Rolle zuschreibt.Laut Schlegel-Matthies (2005) ist die Ernährungsbildung in der Schule ein "unverzichtbarer Bestandteil der Vermittlung zentraler Kompetenzen für die Lebensgestaltung und insbesondere [für die] […] Gesundheitsförderung". Sie hat nicht nur Einfluss auf das Individuum, sondern auf die ganze Gesellschaft. Ziel ist, einen lebenslangen, selbstbestimmten und verantwortlichen Umgang mit Lebensmitteln und der eigenen Ernährung zu schaffen (vgl. Schlegel-Matthies 2005). Der erste Schritt ist deshalb die Vermittlung von natur-, sozial- und kulturwissenschaftlichem Basiswissen (vgl. ebda.).Weil einfaches Wissen über Ernährung in den meisten Fällen nicht ausreicht, um sich gesund und nachhaltig zu ernähren, ist es wichtig, dass neben der Vermittlung von theoretischem Fachwissen ein Diskurs in der Klasse stattfindet, bei dem über förderliche gesellschaftliche Strukturen und die Motivation sowie Bereitschaft und Kompetenzen für eine Ernährungswende in der Gesellschaft gesprochen wird (vgl. Schlehufer/ Goetz 2014, S. 9).Eine besondere Herausforderung für Lehrkräfte und für Schüler*innen stellt die Ernährungsbildung deshalb dar, weil das meist persönlich und emotional besetzte Bedürfnisfeld Ernährung mit einem komplexen, normativen Leitbild der Nachhaltigkeit verbunden werden muss (vgl. Innemann 2013, S. 66f.). Schulnahe Projekte können bei der Vermittlung nachhaltiger Ernährung helfen, weil sie besonders praxisorientiert sind (vgl. ebda., S. 74).Der Bildungsanspruch einer Ernährungs- und Verbraucherbildung durch die Vermittlung von Kompetenzen zur "Bewältigung von Anforderungen im Rahmen der alltäglichen Lebensführung und für eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben" (Schlegel et al. 2022, S. 109) besteht bereits von Anfang an. Der Sachunterricht in der Primarstufe und der weiterführende Unterricht in der Sekundarstufe soll die Bildungsziele durchgängig erreichbar machen.Da die derzeitigen Bildungspläne den Anforderungen der notwendigen Ernährungsbildung nicht entsprechen, haben Schlegel et al. (vgl. 2022, S. 110) zehn wichtige Bildungsziele formuliert, die lebenswelt-, kompetenz-, problem- und handlungsorientiert sein sollen. Durch diese sollen individuelle und gesellschaftliche Bezüge hergestellt und notwendige Kenntnisse und Fähigkeiten erworben werden (vgl. ebda., S. 111). Im Folgenden sollen einige davon kurz aufgeführt werden.Es soll sich mit den Chancen und Risiken einer nachhaltigen Lebensführung und den dafür notwendigen Ressourcen auseinandergesetzt werden. Dabei soll klar werden, inwiefern Individuen bei ihrem Verhalten oder Handeln voneinander abhängig sind. Die Auswirkungen der Konsumentscheidungen von Konsument*innen müssen reflektiert und analysiert werden und dabei gesellschaftliche Verhältnisse betrachtet werden.Es ist wichtig, dass die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Gesundheit sowie der eigenen Identität verstanden werden. Praxisnah sollen deshalb Einflussfaktoren, Begrenzungen und Gestaltungsmöglichkeiten des eigenen, individuellen Handels betrachtet werden. Unterschiedliche Konzepte und gerade die Organisation der eigenen Lebensführung müssen außerdem behandelt werden (vgl. Schlegel et al. 2022, S. 110). Mithilfe dieser Ziele sollen die Schüler*innen bei der Entwicklung eines nachhaltigen Lebensstils inklusive einer nachhaltigen Ernährung unterstützt werden. Gerade in der heutigen Welt, in der global mehr Nahrungsmittel zur Verfügung stehen als notwendig wären, ist ein nachhaltiger Umgang besonders wichtig (vgl. Kofahl/Ferdaouss 2013, S. 6).FazitEine vollständige Vermeidung von Lebensmittelverlusten ist nicht möglich, eine deutliche Verringerung jedoch schon, wenn Maßnahmen ergriffen und Strategien umgesetzt werden (vgl. Verbraucherzentrale 2022, S. 283). Dies ist außerdem notwendig, um die Nachhaltigkeitsziele der UN von 2015 durchzusetzen. Die Lebensmittelverluste sollen nicht nur in der Lebensmittelversorgungskette während und zwischen den einzelnen Stufen reduziert werden, sondern gerade auch beim finalen Konsum in der heutigen Wegwerfgesellschaft (vgl. Eyerund/ Neligan 2017, S. 4).Aufgrund der schwerwiegenden Auswirkungen auf die Umwelt, wie beispielsweise der Ausstoß von Treibhausgasemissionen und ein hoher Landverbrauch sowie eine Gefährdung der Biodiversität, sollten Maßnahmen schnell umgesetzt werden. Auch aufgrund unethischer Dilemmasituationen, wie der dramatischen Hungersnot, muss dringend gehandelt werden. Die Umsetzung von Strategien stellt die Lebensmittelindustrie sowie die Konsument*innen vor Herausforderungen (vgl. Hamatschek 2021, S. 355). Ein besonderes Augenmerk wurde auf die Sensibilisierung der Bevölkerung gelegt, weswegen die Initiative "Zu gut für die Tonne!" geschaffen wurde (vgl. Eyerund/ Neligan 2017, S. 4). Weil die Sensibilisierung für einen nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln schon früh beginnen sollte, muss die Umweltbildung in der Schule praxisorientiert und alltagsnah sein.QuellenBertelsmann Stiftung (o. J.): SDG-Portal. Die Agenda mit den 17 SDGs. 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Mit der Verabschiedung der Agenda 2030 wurden im Jahr 2015 siebzehn Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, die sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs), festgelegt. Da die SDGs auf alle Ebenen der Regierung anwendbar sind, bilden diese Ziele auch für Kommunen einen wichtigen Rahmen zur Orientierung. Eine nachhaltige Entwicklung gewinnt somit auch auf kommunaler Ebene zunehmend an Bedeutung. Dies zeigt sich unter anderem anhand des Engagements, das in vielen Kommunen zu erkennen ist. Durch die SDGs haben auch Kommunen einen strategischen Orientierungsrahmen und können konkrete Ziele und Maßnahmen leichter festlegen. Nachhaltigkeit kann somit vor Ort wirkungsvoller in die Realität umgesetzt werden.Effektiver Klimaschutz und Nachhaltigkeitsmanagement auf kommunaler Ebene ist essenziell. Neben dem notwendigen Beitrag zur nationalen und internationalen nachhaltigen Entwicklung können Kommunen klare Vorteile aus einer Nachhaltigkeitsstrategie ziehen: Beispielsweise können Gebäude energieeffizienter gebaut und genutzt und das Verkehrssystem kann effizienter und umweltfreundlicher gestaltet werden und gleichzeitig die CO2-Belastung und Verkehrsdichte im urbanen Raum reduzieren. Was zum Klimaschutz beiträgt, kann demnach gleichzeitig die Attraktivität von Kommunen steigern. Des Weiteren schützen sich Kommunen so vor Wetterextremen und können sich an den Klimawandel anpassen.Nach wie vor bestehen Unterschiede. Während einige Kommunen bereits seit mehreren Jahrzehnten an einer möglichst nachhaltigen Stadtentwicklung arbeiten und bereits viele Erfahrungen sammeln und Erkenntnisse gewinnen konnten, haben andere Städte vergleichsweise spät damit begonnen. Weiterhin schlagen Kommunen teils sehr unterschiedliche Wege ein, um die festgelegten Nachhaltigkeitsziele zu verwirklichen. Dies kann beispielsweise an den örtlichen Gegebenheiten oder an unterschiedlichen Ziel- und Schwerpunktsetzungen liegen. Übergeordnet stellen sich die Fragen, wieso gerade auf kommunaler Ebene viel für den Klimaschutz und Nachhaltigkeit getan werden muss und seit wann dies konkrete Formen annimmt.Ziel dieser Ausarbeitung ist es, zwei europäische Großstädte bezüglich ihrer bisherigen Nachhaltigkeitsentwicklung zu untersuchen. Die Schwerpunktsetzung liegt dabei sowohl beim Bereich Mobilität als auch bei ausgewählten Maßnahmen im Bereich einer nachhaltigen Stadtplanung. Weitere Aspekte werden bei Bedarf hinzugezogen. Ein Vergleich zwischen beiden Städten soll anschließend erfolgen. Bei diesem Vergleich müssen die Besonderheiten der jeweiligen Stadt berücksichtigt werden. Auch wenn nicht alle Parameter berücksichtigt werden können und ein direkter Vergleich möglicherweise nicht in allen Bereichen zielführend ist, können dadurch Erkenntnisse, beispielsweise bezüglich des Fortschritts der jeweiligen Stadt, gewonnen werden.Bei den zu untersuchenden Kommunen handelt es sich um Kopenhagen und München. Beide Städte weisen unterschiedliche Ausgangslagen, Besonderheiten und geografische Gegebenheiten auf, was darauf schließen lässt, dass divergente Befunde auftreten. Dies macht einen Vergleich interessanter und aufschlussreicher als beispielsweise einen Vergleich auf nationaler Ebene. Es handelt sich um internationale Städte innerhalb der Europäischen Union. Weiterhin sind beide Städte Großstädte, die ihre jeweilige Region prägen. Trotz der verschiedenen Gegebenheiten werden dabei exemplarisch ähnliche Bereiche beleuchtet. Dies soll die Vergleichbarkeit gewährleisten. Neben der Mobilität werden die Bereiche der Energieversorgung und Extremwetter- beziehungsweise Klimaanpassung beleuchtet.Bevor die Kommunen untersucht werden, werden im Vorgriff die für diese Ausarbeitung notwendigen Grundlagen thematisiert. Hier werden zentrale Elemente untersucht, zum Beispiel, wie Nachhaltigkeit definiert wird, welche Rolle eine nachhaltige Stadt spielt, was eine nachhaltige Stadt ausmacht und wie der urbane Raum überhaupt zentral für internationale Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsbestrebungen werden konnte. Da es sich hierbei um zentrale Aspekte handelt, die es auf dem Weg zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu verstehen gilt, fällt dieser Teil verhältnismäßig umfangreich aus.GrundlagenIn diesem Kapitel werden relevante Grundlagen betrachtet. Dazu gehört neben Grundbegriffen und Faktoren, die sich auf nachhaltige Mobilität und Stadtplanung beziehen, ein kurzer Überblick, der beschreibt, wie das Thema Nachhaltigkeit historisch betrachtet für die kommunale Ebene relevant wurde. Darüber hinaus muss der Begriff Nachhaltigkeit vorab definiert werden, womit nachfolgend begonnen wird.Begriff NachhaltigkeitDer Begriff Nachhaltigkeit existiert seit mehr als drei Jahrhunderten und wurde ursprünglich in der Forstwirtschaft verwendet. Nachhaltigkeit stammt aus einem Bereich, in dem ressourcenschonendendes Wirtschaften äußerst relevant ist. Bezeichnend für das damalige Verständnis von Nachhaltigkeit ist die Vorgabe, innerhalb eines Jahres nicht mehr Holz zu fällen, als in derselben Zeitspanne nachwachsen kann (vgl. Weinsziehr/Verhoog/Bruckner 2014, S. 3). Die Forstwirtschaft arbeitete demzufolge dann nachhaltig, wenn der Verbrauch der Ressourcen und somit die Abholzung die Menge des nachwachsenden Holzes nicht übersteigt. Die heutige Auffassung von Nachhaltigkeit ist mit diesem Ursprungsgedanken eng verknüpft. Dies zeigt sich auch anhand der folgenden Definition:"Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden" (vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2023c, o.S.).In der heutigen Zeit bezieht sich der Begriff Nachhaltigkeit jedoch auf alle Wirtschaftsbereiche und beinhaltet einen weiteren Aspekt, die sogenannte "Triple Bottom Line" (TBL), welche drei Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung benennt (vgl. Weinsziehr/Verhoog/Bruckner 2014, S. 3f.): Die wirtschaftliche Effizienz, die soziale Gerechtigkeit und die ökologische Tragfähigkeit müssen gleichberechtigt betrachtet werden, und möglichst alle politischen Entscheidungen sollten Nachhaltigkeit als Grundlage beinhalten (vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2023c, o.S.).Der Begriff Nachhaltigkeit wird heute teilweise inflationär verwendet (vgl. Aden 2012, S. 15). Im weiteren Verlauf dieser Arbeit spielt vor allem das Verständnis einer nachhaltigen Entwicklung eine Rolle, was wie folgt definiert werden kann:"Politik und menschliches Verhalten sollen sich an der langfristigen Erhaltung der Lebensgrundlagen orientieren" (ebd., S. 15).Nachhaltige Stadt: Eine ArbeitsdefinitionEs gilt, eine adäquate Arbeitsdefinition von Nachhaltigkeit im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu formulieren. Ziel dieser Arbeit ist es, vor allem den Bereich Mobilität innerhalb von München und Kopenhagen zu beleuchten. Nachhaltigkeit im weiteren Verlauf bezieht sich somit vermehrt auf eine ressourcenschonende und emissionsarme Verkehrsplanung. Neben der Verkehrsplanung sind jedoch weitere Elemente interessant. Eine in der Gesamtheit nachhaltige Stadt lässt sich wie folgt definieren:" […] ein gut ausgebautes Netz des Öffentlichen Personennahverkehrs, eine regelmäßige Müllentsorgung sowie architektonische Innovationen, die es der städtischen Bevölkerung erlauben, einen nachhaltigen Lebensstil zu pflegen" (Bildung für nachhaltige Entwicklung 2023, o.S.).Ein nachhaltiger Lebensstil wiederum bedeutet, dass Menschen durch ihren eigenen Lebensstil und den Verbrauch ihrer Ressourcen nachfolgenden Generationen dieselben Möglichkeiten bieten (vgl. Aachener Stiftung Kathy Beys 2015, o.S.). Eine nachhaltige Stadt ist gleichzeitig eine für ihre Bewohner:innen ansprechende Stadt, die eine saubere Umwelt, ein intaktes Verkehrssystem, erschwingliche Energie und ein gutes gesellschaftliches Miteinander gewährleistet (vgl. Dütz 2017, S. 15).Eine nachhaltige Stadtentwicklung kann somit eine Vielzahl verschiedener Themenbereiche beinhalten (vgl. Firmhofer 2018, S. 10). Aufgeteilt in zwei Oberbereiche muss sich eine Stadt bezogen auf die städtische Infrastruktur und auf das städtische Leben verändern. Die städtische Infrastruktur beinhaltet zum Beispiel das Transportwesen sowie die Energie- und Wasserversorgung. Das städtische Leben enthält unter anderem wohnliche, arbeitstechnische, soziale und kulturelle Elemente (vgl. ebd., S. 10). Der Begriff Stadtentwicklung selbst bezeichnet"die Steuerung der Gesamtentwicklung von Städten und Gemeinden und erfordert eine integrierte und zukunftsgerichtete Herangehensweise, die durch Stadtplanung […] umgesetzt wird" (Koch/Krellenberg 2021, S. 19).Folgende Handlungsfelder sind besonders relevant für eine nachhaltige Stadtentwicklung: Die Dekarbonisierung, die Förderung möglichst umweltfreundlicher Mobilität, das Ziel einer baulich und räumlich kompakten sowie sozial durchmischten Stadt, die Klimawandelanpassung und die Bekämpfung von Armut (vgl. ebd., S. 22).Diese Eingrenzung dient als Fokus dieser Ausarbeitung. Das Augenmerk liegt neben der städtischen Verkehrsinfrastruktur auf weiteren ausgewählten Aspekten, beispielsweise auf der Energieversorgung und baulichen Maßnahmen. Diese Aspekte werden hinsichtlich der Frage betrachtet, ob und in welchem Maße die städtische Bevölkerung dadurch einen nachhaltigen Lebensstil erreichen kann. Somit ist ebenso das städtische Leben relevant.Entwicklung nachhaltiger KlimaschutzzieleUm zu verstehen, wie sich ein Nachhaltigkeitskonzept auf kommunaler Ebene entwickeln konnte, wird ein historischer Überblick gegeben, der die Entwicklung nachhaltiger Klimaschutzziele von der globalen bis hin zur kommunalen Ebene zusammenfasst. Dabei werden vor allem relevante Eckpunkte benannt.Im Jahr 1997 wurde das Kyoto-Protokoll beschlossen und trat acht Jahre später in Kraft. Durch diese Vereinbarung verpflichteten sich die meisten Industriestaaten inklusive der damaligen EU-Mitgliedsstaaten dazu, die Emissionen von bestimmten Treibhausgasen innerhalb von vier Jahren um mindestens fünf Prozent, verglichen mit dem Jahr 1990, zu senken (vgl. Eppler 2023, o.S.).Im Jahr 2000 verständigten sich die Vereinten Nationen (UN) auf die Millennium Development Goals (MDGs) (vgl. Koch/Krellenberg 2021, S. 6). Durch diese Erklärung verpflichteten sich die Staats- und Regierungschefs der jeweiligen Staaten neben der Bekämpfung von Armut, Hunger und Krankheiten auch gegen Umweltzerstörung vorzugehen. Um die Fortschritte messbar zu machen, wurden Zielvorgaben für das Jahr 2015 formuliert (vgl. Weltgesundheitsorganisation 2018, o.S.). Der Fokus lag auf der supranationalen, also auf der überstaatlichen Ebene. Eine nachhaltige Stadtentwicklung stand nicht im Fokus, war durch einige Zielformulierungen dennoch indirekt betroffen (vgl. Koch/Krellenberg 2021, S. 6).Im Jahr 2009 fand die Weltklimakonferenz in Kopenhagen statt. Das Ziel, die Erderwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen, wurde als Absichtsziel erklärt, jedoch fehlten verpflichtende Regelungen (vgl. Schellnhuber u. a. 2010, S. 5). Der festgelegte Wert von zwei Grad Celsius kommt durch die Wissenschaft zustande. Diese geht davon aus, dass dieser Wert nicht überschritten werden darf, um drastische Konsequenzen zu vermeiden (vgl. Buhofer 2018, S. 83).Mit dem Pariser Klimaabkommen wurde das Zwei-Grad-Celsius-Ziel festgelegt (vgl. Edenhofer/Jakob 2017, S. 39). Dieses Mal handelt es sich um ein völkerrechtlich bindendes Abkommen, welches das Kyoto-Protokoll ablöste und zur Erreichung der Eckpunkte verstärkt die kommunale Ebene miteinbezieht (vgl. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg 2023, o.S.). Weitere Ziele des Pariser Klimaabkommens, das Ende 2016 in Kraft trat, sind die Senkung von Emissionen und die Klimawandelanpassung (vgl. Watjer 2023, o.S.). Nationale Klimaschutzkonzepte sind in der Regel als Folge des Pariser Klimaabkommens entstanden (vgl. ebd. 2023, o.S.). Die Vereinten Nationen brachten im Jahr 2015 die Agenda 2030 auf den Weg, die klare Ziele für eine nachhaltige Entwicklung benennt (vgl. Koch/Krellenberg 2021, S. 7).Agenda 2030 und die Sustainable Development Goals"Transforming our world" (Koch/Krellenberg 2021, S. 6) - diese Formulierung verdeutlicht die ambitionierten Ziele, die mit der Agenda 2030 durch die Ziele für nachhaltige Entwicklung, die Sustainable Development Goals (SDGs) festgelegt wurden. Die Agenda 2030 ist für alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen gültig. Kern der Agenda ist das Ziel einer nachhaltigen globalen Entwicklung auf allen dazugehörigen Ebenen, was durch die 17 Ziele erreicht werden soll (vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2023a, o.S.). Diese Ziele ergänzen sich gegenseitig, haben den gleichen Stellenwert und beinhalten jeweils zwischen acht und zwölf Unterziele (vgl. Koch/Krellenberg 2021, S. 9). Auch wenn die Agenda 2030 von allen UN-Mitgliedsstaaten beschlossen wurde, ist diese rechtlich nicht bindend, was ebenfalls für die SDGs gilt (vgl. ebd. 2021, S. 12).Im Vergleich zu den MDG-Zielen sind die SDG-Zielsetzungen umfangreich formuliert und mit SDG-Ziel elf wird erstmals die regionale und lokale Ebene in den Blickpunkt genommen. Dieses Ziel betrachtet ausdrücklich die Entwicklung von Städten und Gemeinden mit dem Anspruch, diese neben einer nachhaltigen Gestaltung sicherer, inklusiver und widerstandsfähig zu gestalten (vgl. Koch/Krellenberg 2021, S. 7f.).Nachfolgend werden die wichtigsten Unterziele dargestellt. Neben der Sicherung von bezahlbarem Wohnraum soll das Verkehrssystem nachhaltig, sicher, zugänglich und bezahlbar ausgebaut werden (vgl. Vereinte Nationen 2023b, S. 24). Siedlungspläne sollen auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtet werden (vgl. ebd., S. 24). Ziel hierbei ist es, die Verstädterung bis 2030 nachhaltiger und inklusiver zu organisieren. Ebenfalls bis 2030 soll die Zahl der durch Klimakatastrophen bedingten Todesfälle und Betroffenen deutlich gesenkt werden (vgl. Koch/Krellenberg 2021, S. 10). Von Städten ausgehende schädliche Umweltauswirkungen sollen verringert, die Luftqualität verbessert und Grünflächen als öffentliche Räume geschaffen und inklusiv, also für alle Menschen, zugänglich gemacht werden (vgl. Vereinte Nationen 2023b, S. 24).Weitere SDGs lassen sich nur durch städtische Maßnahmen verwirklichen und sind daher eng mit der urbanen Entwicklung verbunden. Ein Beispiel ist SDG 7, das auf nachhaltige beziehungsweise erneuerbare Energien fokussiert ist und nicht entkoppelt von der zukünftigen Energieversorgung in den Städten betrachtet werden kann (vgl. Koch/Krellenberg 2021, S. 11).Durch die Festlegung dieser Ziele ist Nachhaltigkeit ein zentraler Aspekt der Städteplanung und -entwicklung. Städte stehen somit spätestens seit der Agenda 2030 auch formell vor großen Herausforderungen und Transformationsprozessen. Die Zuspitzung von Umweltkatastrophen und Extremwetterereignissen zeigt, dass Städte darüber hinaus dazu gezwungen sind, Klimaanpassungsmaßnahmen und eine nachhaltige Stadtentwicklung zügig umzusetzen.Klimaschutz in der Europäischen Union, in Deutschland und in DänemarkWas haben diese internationalen Abkommen bewirkt? Da München und Kopenhagen im Fokus dieser Ausarbeitung stehen, müssen diese Städte betreffende Beschlüsse bezüglich der gesetzten Ziele einer nachhaltigen Stadtentwicklung auf weiteren Ebenen betrachtet werden. Trotz der Ähnlichkeit der festgelegten Klimaschutzprogramme in der EU, in Dänemark und in Deutschland, werden diese separat zusammengefasst. Im Jahr 2007 betrug der Anteil der EU an globalen CO2-Emissionen ein Sechstel und der Anteil der Treibhausgasemissionen der Industrieländer ein Fünftel (vgl. Dröge 2007, S. 2). Dies untermauert den Handlungsbedarf.Das Klimaschutzprogramm der aktuellen Fassung des deutschen Klimaschutzgesetzes hat an den ehrgeizigen Zielen nichts geändert. Nach wie vor soll Deutschland bis 2045 treibhausgasneutral sein und den Ausstoß von Treibhausgasen bereits bis 2030 um 65 Prozent gesenkt haben (vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2023, o.S.).Dänemark hat eine Klimastrategie vorgelegt und sich das Ziel gesetzt, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Bis 2030 will Dänemark seine Treibhausgasemissionen um 70 Prozent senken. Klimaneutralität soll bis 2050 erreicht sein (vgl. Außenministerium Dänemark 2020, S. 27). Ebenso will Dänemark dazu beitragen, die globalen Anstrengungen voranzutreiben. Hierfür soll mit anderen Ländern und mit nichtstaatlichen Akteur:innen zusammengearbeitet werden (vgl. Außenministerium Dänemark 2020, S. 6).Auf EU-Ebene sind die Zielsetzungen ähnlich, was sich durch den "Green Deal" der EU zeigt. Demzufolge sollen die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent reduziert werden, bis 2050 soll Treibhausgasneutralität herrschen (vgl. Europäische Kommission 2023, o.S.). Ziel ist es, durch diesen europäischen "Grünen Deal" der erste klimaneutrale Kontinent zu werden und dementsprechend die Verpflichtungen umzusetzen, die sich aus dem Pariser Klimaabkommen ergeben (vgl. Europarat 2023, o.S.). Folglich sind die Ziele von Deutschland und Dänemark bezüglich der Erreichung und der Höhe der Einsparungen teilweise höher angesetzt, als auf EU-Ebene beschlossen.Nachhaltige StadtentwicklungEs stellt sich die Frage, aus welchen Gründen gerade der urbane Raum eine zentrale Größe für Nachhaltigkeitsziele einnimmt. Aktuelle Berichte, Daten und Prognosen können dabei helfen, diese Frage zu beantworten.Relevanz einer nachhaltigen StadtentwicklungDer jüngste SDG-Fortschrittsbericht wurde im Mai 2023 veröffentlicht. Die Vereinten Nationen kommen darin zu dem Ergebnis, dass über die Hälfte der Weltbevölkerung momentan in städtischen Gebieten lebt. Dieser Anteil könnte bis 2050 auf etwa 70 Prozent steigen (vgl. Vereinte Nationen 2023a, S. 34). Verglichen mit dem Jahr 2020 wird die urbane Bevölkerung in Mitteleuropa und somit auch in Deutschland und Dänemark im Jahr 2050 um acht Prozent steigen (vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2023b, S. 4).Im Vergleich zu anderen Kontinenten stellt dies einen geringen Anstieg dar. So wird die städtische Bevölkerung in Nordafrika im gleichen Referenzzeitraum voraussichtlich um 79 Prozent steigen (vgl. ebd. 2023b, S. 4). Zwei Aspekte dürfen jedoch nicht unbeachtet bleiben: Zum einem ist es eine globale Herausforderung, diesem Anstieg gerecht zu werden. Die Auswirkungen werden für viele mittelbar und unmittelbar spürbar sein. Weiterhin stehen bei einem Bevölkerungsanstieg von acht Prozent auch dicht besiedelte mitteleuropäische Städte vor einer Vielzahl an Aufgaben, was sich auch für Städte wie München und Kopenhagen bemerkbar machen wird. Beispielsweise lebten bereits im Jahr 2017 drei von vier Menschen in Deutschland innerhalb von Städten (vgl. Dütz 2017, S. 14). Dementsprechend sind auch europäische Städte zentral, was die Implementierung der Klimaschutzziele angeht (vgl. ebd., S. 13).Städte verbrauchen mit knapp 80 Prozent bereits heute einen Großteil der weltweiten Energie und Ressourcen, beispielsweise durch die großen Abfallmengen, das Heizen und den Schadstoßausstoß der vielen Fahrzeuge (vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2023d, o.S.). Gleichzeitig sind Städte für bis zu 76 Prozent der CO2-Emissionen weltweit verantwortlich (vgl. Climate Service Center Germany 2015, S. 1). Städte gehören somit zu den Hauptverursachern des Klimawandels, was durch folgende Worte deutlich wird:"Der Klimanotstand ist auch ein Notstand der Stadt" (Chatterton 2019, S. 275).Durch den prognostizierten Bevölkerungsanstieg wird die Relevanz von Städten bezogen auf die Realisierung von Klimaschutzzielen weiter steigen. Nicht zuletzt, da Städte bereits heute für den Großteil der CO2-Emissionen und des Energieverbrauchs verantwortlich sind. Städte nehmen eine zentrale Rolle in der Verwirklichung einer nachhaltigen Zukunft ein. Gleichzeitig sind gerade Städte durch den Klimawandel in erhöhtem Maße gefährdet (vgl. Climate Service Center Germany 2015, S. 1f.). Auch aus Gründen des Selbstschutzes sind Städte daher gezwungen, Strategien und Maßnahmen zur Klimaanpassung zu entwickeln. Nur so kann der urbane Raum dem Klimanotstand gerecht werden. Entwicklung einer nachhaltigen und klimaneutralen Stadt"Wie lässt sich die Entwicklung der Städte so steuern, dass diese den notwendigen Beitrag zu einer globalen nachhaltigen Entwicklung leisten können?" (Koch & Krellenberg 2021, S. 2).Diese zentrale Frage stellt sich in diesem Kapitel. Konkret wird der Frage nachgegangen, wie eine Stadtentwicklung aussehen muss, um notwendige Nachhaltigkeitsziele hinreichend zu erfüllen und den Erfordernissen einer nachhaltigen Stadt gerecht zu werden.Der aktuelle SDG-Fortschrittsbericht bilanziert die Hälfte der Zeit seit Inkrafttreten der SDG-Ziele. Die Halbzeitbilanz der Agenda 2030 liest sich bezogen auf die Fortschritte einer städtischen Nachhaltigkeitsentwicklung insgesamt ernüchternd: Lediglich die Hälfte der städtischen Bevölkerung hatte im Jahr 2022 annehmbaren Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln, auch die Luftverschmutzung und der Mangel an Freiflächen sind anhaltende Probleme in Städten (vgl. Vereinte Nationen 2023a, S. 34).Gleichzeitig hält der Bericht fest, dass in Ländern mit hohem Einkommen viel für die Bekämpfung der Luftverschmutzung getan wurde, was dennoch nicht ausreichend ist. Darüber hinaus wird angemerkt, dass es sich bei der Luftverschmutzung um kein rein städtisches Problem handelt (vgl. ebd., S. 35). Allerdings muss sich gerade der Autoverkehr in der Stadt ändern. Paul Chatterton spielt dabei auf ein neues Mobilitätsparadigma an und fordert eine autofreie Stadt, da nur dies dem Klima wirklich gerecht werden und soziale Ungleichheit reduzieren kann (vgl. Chatterton 2019, S. 278).Ebenso muss der Aspekt berücksichtigt werden, dass Menschen in Großstädten häufig verschiedene Verkehrsmittel nutzen, um an ihr Ziel zu kommen (vgl. Kallenbach 2021, S. 33). Selbst wenn klimafreundliche Mobilität zur Verfügung steht, wird diese somit nicht ausschließlich genutzt. Hieran anknüpfend stellt sich die Frage, wie sich dies ändern lässt. Hierfür besteht bereits eine Vielzahl an Lösungsvorschlägen, unter anderem die Abkehr von der Vorstellung einer autogerechten Stadt, die effizientere Nutzung der vorhandenen Infrastruktur, die Verbesserung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) zur Schaffung einer wirklichen Alternative oder eine kilometerabhängige Gebühr für die Nutzung von Straßen (vgl. Edenhofer/Jakob 2017, S. 101f. ).Ein Großteil des Energiebedarfs in Städten kommt durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe, den Transport und die Heizung beziehungsweise Kühlung von Gebäuden zustande (vgl. Climate Service Center Germany 2015, S. 2). Sollen die Einsparziele gelingen, so ist eine Verkehrswende unumgänglich (vgl. Jakob 2023, S. 1). Gleichzeitig stehen durch den Klimawandel auch städtische Verkehrssysteme vor enormen Herausforderungen. Gerade in urbanen Gebieten hängen viele Infrastrukturnetze, die zum Funktionieren des städtischen Systems beitragen, mit dem Verkehrssystem zusammen (vgl. Climate Service Center Germany 2015, S. 6).Dabei bestehen mehrere Möglichkeiten, städtische Verkehrsnetze zu verbessern und gleichzeitig zukunftsfähig und nachhaltig zu gestalten: Die Fokussierung auf Fußgänger und nicht-motorisierten Verkehr sowie auf den ÖPNV kann einige Vorteile, wie zum Beispiel eine Reduzierung von Emissionen und wirtschaftlichen Wohlstand, bieten (vgl. ebd. 2015, S. 6). Die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs und anderer emissionsarmer Infrastrukturen kann darüber hinaus zu Energieeinsparungen, Zeitersparnis und einer besseren Luftqualität beitragen (vgl. ebd., S. 6). Die Zukunftsgestaltung der städtischen Verkehrsinfrastruktur spielt daher in mehrfacher Hinsicht eine zentrale Rolle. Neben dem Verkehrsbereich sind weitere Sektoren, unter anderem das Abfallsystem und der Umgang mit Gebäuden entscheidend (vgl. ebd. 2015, S. 2).Der Energiesektor ist enorm wichtig, da hier das größte Potential für eine Reduzierung von Emissionen liegt. Parallel mit einer steigenden Energienachfrage, beispielsweise in Strom oder Brennstoffen, werden Treibhausgasemissionen ansteigen. Gerade Städte sind dazu gezwungen, den Energiebedarf zu senken, die Energieerzeugung sowie den -verbrauch effizienter zu gestalten, auf erneuerbare Energiequellen umzusteigen und gleichzeitig eine sichere Versorgung zu gewährleisten (vgl. Climate Service Center Germany 2015, S. 6).Im weiteren Verlauf werden nun die Städte Kopenhagen und München in Bezug auf ihre Anstrengungen untersucht. Fokus dabei bleibt der Bereich Verkehr und Mobilität. Ebenso wird exemplarisch der Bereich der Extremwetteranpassung sowie, für den Bereich der Energieversorgung, die kommunale Wärmeplanung untersucht.KopenhagenKopenhagen ist Sitz des dänischen Königshauses (vgl. Heidenreich 2019, o.S.). Die Stadt liegt auf der Insel Seeland (vgl. Britannica 2023, o.S.) und ist an der Meerenge Öresund gelegen, welche die Ost- und die Nordsee miteinander verbindet (vgl. Heidenreich 2019, o.S.). Gegründet wurde die Stadt im frühen zehnten Jahrhundert, seit 1445 ist Kopenhagen Dänemarks Hauptstadt (vgl. Britannica 2023, o.S.). Die Einwohnerzahl Kopenhagens ist in den letzten zehn Jahren um knapp 100.000 Einwohner:innen gewachsen Mit aktuell etwa 653.000 Einwohner:innen ist Kopenhagen die größte Stadt Dänemarks (vgl. Dyvik 2023, o.S.). Sie hat eine Fläche von ungefähr 88 Quadratkilometern, ist damit vergleichsweise klein und liegt 24 Meter über dem Meeresspiegel (vgl. Kallenbach 2021, S. 34).Grundlegende Informationen und BesonderheitenDie Stadt Kopenhagen hat eine bewegte Geschichte. Beispielsweise wurde die Stadt im Laufe der Jahrhunderte mehrmals von Großfeuern zerstört, war sehr umkämpft und im Zweiten Weltkrieg von deutschen Soldaten besetzt (vgl. Findeisen/Husum 2008, S. 146ff.). Damals blieb die Stadt jedoch überwiegend unbeschädigt, was sich auch heute im Stadtbild bemerkbar macht. Ein Beispiel hierfür ist Schloss Rosenborg (vgl. Heidenreich 2019, o.S.). Im Jahr 1996 wurde die Stadt zur Kulturhauptstadt ernannt (vgl. Findeisen/Husum 2008, S. 149).Das Klima in Kopenhagen ist mild und gemäßigt. Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt 8,9 Grad Celsius (vgl. climate-data.org 2023, o.S.). In Kopenhagen fällt insgesamt viel Regen. Selbst in den trockenen Monaten ist die Niederschlagsmenge erheblich (vgl. ebd. 2023, o.S.). Aufgrund der Lage am Meer können Sturmfluten zu Überschwemmungen mit gravierenden Auswirkungen führen. Dieser Gefahr und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit zu handeln, ist sich auch die Stadtverwaltung Kopenhagens bewusst (vgl. Stadtverwaltung Kopenhagen 2023, o.S.).Verkehr und MobilitätBetrachtet man die Verkehrsplanung Kopenhagens, so muss zwingend auf die Fahrradinfrastruktur eingegangen werden. Der Autoverkehr sowie der ÖPNV dürfen dennoch nicht außer Acht gelassen werden. Ziel dieser Betrachtung ist es, Aufschlüsse über die Beweggründe und konkreten Vorgehensweisen der Verkehrsplanung und -infrastruktur in Kopenhagen zu erhalten. Dabei soll eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation erfolgen.Regelmäßig liegt Kopenhagen auf dem ersten Platz der weltweit besten Fahrradstädte und dennoch wurden im Jahr 2021 knapp ein Drittel aller Fahrten mit dem Auto bewältigt (vgl. Kallenbach 2021, S. 5). In den 1950er und 1960er Jahren war die Verkehrsplanung auf das Auto ausgerichtet, was zu einer deutlichen Verringerung der Radfahrenden in den darauffolgenden Jahrzehnten führte. Während 1949 an der Nørrebrogade, einer zentralen Hauptstraße in Kopenhagen, an einem Tag durchschnittlich mehr als 62.000 Radfahrende gezählt wurden, waren es im Jahr 1978 nur etwa 8.000 (vgl. ebd. 2021, S. 5f.).In den 1970er Jahren kam es zu umfangreichen Fahrradprotesten und Forderungen nach mehr Fahrradwegen. Trotz der damals bereits vorhandenen Relevanz war der Umweltaspekt jedoch nicht ausschlaggebend. Vielmehr stand die Verkehrssicherheit für die Radfahrenden im Fokus der Fahrradproteste (vgl. ebd., S. 30f.). Im Jahr 2019 gab die deutliche Mehrheit aller Fahradfahrenden in Kopenhagen an, aufgrund der Zeitersparnis gegenüber anderen Verkehrsmitteln (46 Prozent) und aus praktischen Aspekten (55 Prozent) mit dem Fahrrad zu fahren. Ein deutlich geringerer Anteil von 16 Prozent gab Umweltschutzaspekte als Beweggrund an (vgl. ebd., S. 31). Ein weiterer Faktor war die Ölkrise in den 1970er Jahren, welche die Notwendigkeit alternativer Verkehrsmittel untermauerte und in der Folge die Anzahl der Fahrradfahrenden in Kopenhagen stark anstiegen ließ (vgl. Kallenbach 2021, S. 35).Trotz dieser Faktoren sind gerade die nicht-diskursiven, also die bereits vorhandenen Faktoren wesentlich für den Weg Kopenhagens zur Fahrradmetropole und für die Umsetzung entsprechender Maßnahmen. Zum einem sind es geographisch vorteilhafte Gegebenheiten, die Kopenhagen vorteilhaft für den Fahrradverkehr machen, was durch die geringe Größe und die flache Lage der Stadt sichtbar wird (vgl. Kallenbach 2021, S. 34). Dadurch bedingt ist auch die Geschichte Kopenhagens, in welcher der Radverkehr einen relevanten Teil einnimmt (vgl. ebd. 2021, S. 36). Der Sicherheitsaspekt beim Fahrradfahren ist sehr relevant. In Kopenhagen setzte man dementsprechend bereits früh auf vom Autoverkehr separierte Fahrradwege, was parallel zu einem Anstieg der Fahrradfahrenden führte (vgl. Søholt 2014, S. 1f.).Ein weiterer Faktor ist die ununterbrochene politische Richtung hinsichtlich der Mobilität in Kopenhagen, die durch Sozialdemokrat:innen und linke Parteien seit den 1970er Jahren besteht. Diese Kontinuität wirkte sich ebenso auf Investitionen für den Fahrradverkehr und die Fahrradinfrastruktur aus (vgl. Kallenbach 2021, S. 36f.). Zusammengesetzt aus solchen Faktoren konnte sich in Kopenhagen eine Kultur des Fahrradfahrens herausbilden. Neben den Umweltschutzaspekten ist Kopenhagen dadurch attraktiver für Menschen, aber auch für Unternehmen geworden (vgl. Søholt 2014, S. 1).Auch negative Effekte können auftreten. Beispielsweise kommt es vermehrt zu Staus auf den stark befahrenen Fahrradwegen. Die Stadt reagiert darauf mit dem Ausbau der Fahrradspuren und dementsprechend der Verkleinerung von Fahrbahnen für Autos (vgl. Søholt 2014, S. 2). Auch das Sperren von Straßen für den Autoverkehr wird in Erwägung gezogen. Ziel dabei ist es, mehr Platz für die Radfahrenden und den ÖPNV zu schaffen (vgl. ebd., S. 2). Kopenhagen versucht weiterhin umweltfreundliche Kraftstoffe und den Anteil von Elektroautos, auch unter den Taxen der Stadt, voranzutreiben (vgl. Stadt Kopenhagen 2020, S. 41).Der Klimaschutzplan der Stadt benennt den Bereich der Mobilität als eine von vier zentralen Säulen (vgl. Stadt Kopenhagen 2020, S. 13). Im Bericht aus dem Jahr 2020 wird festgestellt, dass CO2-Emissionen nach wie vor deutlich reduziert werden müssen. So sind trotz der Bemühungen und einiger Erfolge die Kohlenstoffemissionen im PKW-Bereich zwischen 2012 und 2018 um zehn Prozent gestiegen (vgl. ebd. 2020, S. 39f.). Parallel mit dem Bevölkerungsanstieg ist die Zahl der Autobesitzer:innen gestiegen. Dennoch sind die Pro-Kopf Emissionen im Straßenverkehr von 2010 bis 2018 um 16 Prozent gesunken (vgl. ebd. 2020, S. 41).Kopenhagen eröffnete im Herbst 2019 den "Cityring" und baut diesen nach und nach aus. Der damit verbundene Ausbau der U-Bahn soll die verschiedenen Stadteile an den öffentlichen Nahverkehr anbinden und effiziente öffentliche Verkehrsmittel gewährleisten (vgl. Stadt Kopenhagen 2019, S. 26). Langfristig soll der Ausbau immer weiter vorangetrieben werden, um auch während der Rushhour eine attraktive Alternative zum Autoverkehr darzustellen (vgl. ebd., S. 26).Die Stadt Kopenhagen zeigt, wie Mobilität in einer nachhaltigen Stadt der Zukunft aussehen kann. Im gleichen Zug müssen dabei jedoch die vorteilhaften Gegebenheiten berücksichtigt werden, beispielsweise die flache Lage und die geringe Größe der Stadt. Aus diesem Grund muss in größeren und hügligeren Städten beispielsweise der ÖPNV als Alternative gedacht werden und mit ähnlicher Entschlossenheit verbessert werden.Dennoch gibt es Faktoren aus Kopenhagen, die eine grüne Mobilität begünstigen und theoretisch in jeder Stadt umsetzbar sind. Ein Beispiel ist die politische Kontinuität bezogen auf die Förderung des Fahrradverkehrs. Umwelt- und Klimaschutz muss nicht zwingend die ausschlaggebende Motivation für den Beginn einer Verkehrswende sein. Trotz aller positiven Aspekte und der Vorreiterrolle der Fahrradstadt Kopenhagen wurden auch im Jahr 2021 noch einige Fahrten mit dem Auto zurückgelegt.Die dauerhafte Förderung der Alternative Fahrrad konnte das enorme Wachstum des Autoverkehrs jedoch eindämmen. Es liegt auf der Hand, dass durch die Verkleinerung beziehungsweise Sperrung von Fahrbahnen und Straßen für den Autoverkehr auch strittige Debatten entstehen können. Die Stadt Kopenhagen verfolgt jedoch den klaren Plan, das Rad und den ÖPNV als Mobilitätsmittel der Wahl weiter voranzutreiben. Bereits zur Mitte des vergangenen Jahrzehnts nutzen 45 Prozent der Einwohner:innen Kopenhagens das Fahrrad für den Schul- beziehungsweise Arbeitsweg (vgl. Diehn 2015, o.S.). Dennoch halten aktuelle Ergebnisse fest, dass die Anstrengungen bei weitem nicht genügen.Weitere Maßnahmen und HerausforderungenZiel dieses Kapitels ist es, weitere Maßnahmen in Kopenhagen zu untersuchen. Aufgrund des Umfangs handelt es sich dabei jedoch um Beispiele, die kompakt dargestellt werden. Dabei werden Beispiele aus dem Bereich der Extremwetteranpassung und der kommunalen Wärmeplanung untersucht. Mit der Stadt München wird ähnlich vorgegangen, die Kategorien werden gleich gewählt. Ziel dabei ist festzustellen, welche Anstrengungen in der jeweiligen Kommune unternommen werden, um Nachhaltigkeitsziele voranzubringen.Durch die örtlichen Gegebenheiten muss Kopenhagen Extremwetterereignisse bewältigen, die sich durch den Klimawandel verstärken. So gab es in der dänischen Hauptstadt allein zwischen 2010 und 2015 sechs Starkregenereignisse, die Straßen und Gebäudekeller überfluteten und für einen enormen finanziellen Schaden sorgten (vgl. Kruse 2016, S. 669). Dementsprechend ist vor allem die Anpassung der Stadt an solche Starkregenereignisse ein wichtiger Bestandteil, der im Klimaanpassungsplan festgehalten ist.Um das Überflutungsrisiko zu verringern und dieser Herausforderung gerecht zu werden, arbeitet die Stadt an der Verwirklichung fünf zentraler Aspekte. Dazu zählen Maßnahmen, die einen Beitrag zur Verringerung des Überflutungsrisikos leisten können, zum Beispiel eine qualitative und quantitative Erhöhung des städtischen Grünflächenbereichs (vgl. ebd. 2016, S. 669f.).Ein konkretes Beispiel ist der Kopenhagener Ortsteil Skt. Kjelds Kvarter, der nach und nach in einen klimagerechten Stadtraum der Zukunft umgewandelt werden soll. Zum einem soll sich die Natur in diesem Quartier weiter ausbreiten, gleichzeitig wird die Regulierung von Regenwasser verbessert (vgl. Technik- und Umweltverwaltung Kopenhagen 2023, o.S.). Konkret dienen die Grünflächen als Versickerungsbecken, wodurch das Wasser unabhängig von der Kanalisation zum Hafenbecken geleitet wird. Hierfür wurde auch die Straßenführung angepasst (vgl. Kruse 2016, S. 270). Neben der Risikoreduzierung durch Extremwetterereignisse wird die Stadt durch solche Projekte nachhaltiger. Zugunsten von Grünflächen wird die Verkehrsinfrastruktur verändert und der Natur wird mehr Raum innerhalb der Stadt gegeben.Die Gefährdung der Stadt durch Extremwetterereignisse soll durch weitere Maßnahamen reduziert werden. Dazu zählen beispielsweise die Bereitstellung von Pumpen und die Ausrüstung von Kellern, um gegen Überschwemmungen vorbereitet zu sein. Gleichzeitig macht der Klimaanpassungsplan deutlich, dass die Entwicklung eines grünen Wachstums gewünscht ist und parallel zur Klimaanpassung vollzogen wird (vgl. Stadtverwaltung Kopenhagen 2011, S. 5). So sollen Grün- und Freiflächen verbessert und ergänzt werden. Dort wo gebaut wird, ist dies entsprechend zu berücksichtigen (vgl. ebd. 2011, S. 12).Neben dem Schutz vor Extremwetterereignissen sollen diese grünen Maßnahmen dazu führen, den Energieverbrauch der Stadt zu senken, die Luftqualität zu verbessern und die Lärmbelästigung zu bekämpfen. Durch die Schaffung von Freiflächen kann beispielsweise die Temperatur gemäßigt und für Luftzirkulation gesorgt werden (vgl. ebd. 2011, S. 12).Kopenhagen benennt in seinem aktuellen Klimaschutzplan neben der Mobilität drei weitere Bereiche: Den Energieverbrauch, die Energieproduktion und Initiativen der Stadtverwaltung (vgl. Stadt Kopenhagen 2020, S. 13). Laut eigenen Worten will sich Kopenhagen, neben der Konzentration auf den öffentlichen Verkehr, auf den Energieausstoß, die kohlenstoffneutrale Fernwärme und Maßnahmen zur Verringerung von Kohlenstoffemissionen fokussieren (vgl. Stadt Kopenhagen 2019, S. 25).2014 wurde Kopenhagen von einem unabhängigen und internationalen Expertenteam zur Umwelthauptstadt ernannt. Es gibt eine Reihe von Kriterien, die hierfür erfüllt sein müssen. Neben dem Nahverkehr wird die Luftqualität, der Anteil sowie die Qualität des grünen Stadtgebietes und der Umgang mit dem Klimawandel berücksichtigt (vgl. Diehn 2015, o.S.).Dementsprechend wurden früh weitere Anstrengungen unternommen. Gerade das weit ausgebaute Fernwärmenetz Kopenhagens muss hierbei erwähnt werden. Dieses versorgt den Großteil der Gebäude und trägt damit maßgeblich zur Einsparung von C02-Emissionen in Kopenhagen bei (vgl. Burckhardt/Tappe/Rehrmann 2022, o.S.). Gleichzeitig bieten sich auch Vorteile für die dortigen Bewohner:innen: Die Preise werden staatlich kontrolliert und die Infrastruktur der Fernwärme ermöglicht einen einfachen und für Verbraucher:innen kostengünstigen Umstieg auf erneuerbare Energien, was ermöglicht, dass Kopenhagens Fernwärme bereits zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien erzeugt wird (vgl. ebd. 2022, o.S.).Das Fernwärmenetz der Stadt hat unter anderem mehrere Müllverbrennungsanlagen und Blockheizkraftwerke, die von verschiedenen Versorgungsunternehmen betrieben werden (vgl. Harrestrup/Svendsen 2014, S. 296). Dies gewährleistet die Nutzung von Abwärme als Heizquelle. Eine dieser Müllverbrennungsanliegen liegt nah am Zentrum Kopenhagens und trägt den Namen Amager Bakke. Das Dach der Müllverbrennungsanlage dient der Bevölkerung gleichzeitig als Skigebiet und steht somit sinnbildlich für die Innovation und entsprechende Nachhaltigkeitsbestrebungen innerhalb der Stadt (vgl. Kafsack 2023, o.S.).Um im Bereich Energie die gesetzten Ziele zu erreichen, setzt Kopenhagen auf eine Vielzahl weiterer Maßnahmen. Dazu zählt neben der Fernwärme der Einsatz erneuerbarer Energietechnologien und die entsprechende Förderung von Heizungspumpen, Erdwärme, Sonnenkollektoren und Windkraftanlagen. Auch Biomasse als Übergangstechnologie wird von der Stadt befürwortet (vgl. Stadt Kopenhagen 2019, S. 54).Kopenhagen wird häufig als grüne Stadt bezeichnet. Viele Maßnahmen der Stadt wurden bereits vor langer Zeit getroffen. Die Pläne der Stadt Kopenhagen sind weit vorangeschritten, äußerst detailliert und durchdacht. Um sich zukünftig besser vor Extremwetterereignissen schützen zu können, arbeitet die Stadt an verschiedenen Lösungen und setzt beispielsweise auf den Ausbau und die Entlastung der Kanalisation. Dass hierbei ebenfalls freie Grünflächen entstehen, ist nicht nur ein nützlicher Nebeneffekt, sondern gewolltes Ziel.Im Bereich der Energieversorgung muss vor allem die Fernwärme genannt werden. Diese wurde in Kopenhagen bereits sehr früh ausgebaut und versorgt dementsprechend fast alle Gebäude. Somit ist dies der wohl wichtigste Bereich der Energieversorgung und gleichzeitig das Hauptaugenmerk des Kopenhagener Klimaplans. Dennoch gibt es auch hier Verbesserungs- und Optimierungspotential. Auch Kritikpunkte sind berechtigt. Beispielsweise ist der Einsatz von Biomasse fraglich. Einen weiteren Rückschlag musste Kopenhagen kürzlich einstecken: Die Stadt gab bekannt, dass sie das Ziel der Klimaneutralität bis 2025 deutlich verfehlen wird (vgl. Wolff 2022, o.S.).MünchenMünchen wurde im Jahr 1158 erstmals urkundlich erwähnt und liegt am Fluss Isar, der im Stadtgebiet eine Länge von 13,7 Kilometern einnimmt (vgl. Stadt München 2023, o.S.). Die Stadt ist bereits seit Beginn des 16. Jahrhunderts die bayrische Landeshauptstadt (vgl. Stahleder 2023, o.S.). Heute hat München mehr als 1,5 Millionen Einwohner und kann damit einen deutlichen Bevölkerungsanstieg verbuchen (vgl. Statistisches Amt München 2023, o.S.). Verglichen mit dem Jahr 2004 stieg die Anzahl der Einwohner:innen um 300.000 Menschen (vgl. Münchner Stadtmuseum 2004, S. 155). München liegt etwa 519 Meter über dem Meeresspiegel und hat eine Fläche von mehr als 310 Quadratkilometern, wodurch die Stadt flächenmäßig zu den größten Städten Deutschlands gehört (vgl. Stadt München 2023, o.S.).Grundlegende Informationen und BesonderheitenAnlass der Gründung Münchens war ein Konflikt zwischen Herzog Heinrich dem Löwen und Bischof Otto I. von Freising (vgl. Scholz 2004, S. 20). Das Bevölkerungswachstum stieg rasch an, was bereits zur Mitte des 13. Jahrhunderts eine deutliche Vergrößerung der Stadt nötig machte (vgl. Scholz 2004, S. 22). Die Isar wurde in München bereits vor mehreren Jahrhunderten als Transportmittel für Waren genutzt und prägte daher die Entwicklung der Stadt maßgeblich (vgl. Scholz 2004, S. 31f.).Im Jahr 1795 begann eine neue Entwicklung. Die bisher genutzten Festigungsanlagen wurden aufgegeben und die dynamische, unbegrenzte Weiterentwicklung der Stadt konnte gelingen (vgl. Lehmbruch 2004, S. 38). Im Laufe der Jahrhunderte kam es zu mehreren Eingemeindungen (vgl. Münchner Stadtmuseum 2004, S. 155). Während des Zweiten Weltkriegs wurden 90 Prozent der historischen Altstadt Münchens zerstört und die Stadt verlor bis zum Ende des Krieges mehr als die Hälfte seiner Einwohner:innen (vgl. Stahleder 2023, o.S.).Münchens Grünanlagen nehmen etwa 13,4 Prozent der gesamten Stadtfläche ein. Den größten zusammenhängenden Teil bildet dabei der Englische Garten mit einer Größe von 374,13 Hektar (vgl. Stadt München 2023, o.S.). Die Jahresmitteltemperatur in München liegt im Durchschnitt bei 8,7 Grad Celsius und der Niederschlag beträgt circa 834 Millimeter im Jahr (vgl. Deutscher Wetterdienst 2023, o.S.). In jüngster Zeit hat München mit einigen Extremwetterereignissen zu kämpfen gehabt, unter anderem mit Starkregen (vgl. Handel 2023, o.S.) und Rekord-Hitzewellen (vgl. Harter 2023, o.S.). Verkehr und MobilitätMünchen arbeitet seit vielen Jahren an seiner Verkehrsstrategie. Der ursprüngliche Verkehrsentwicklungsplan wurde bereits im Jahr 2006 veröffentlicht. Im Sommer 2021 wurde ein neuer Entwurf bezüglich der zukünftigen Mobilitätsplanung beschlossen. Der Stadtrat setzte sich dabei ambitionierte Ziele: Der Verkehr im Stadtgebiet sollte demnach innerhalb von vier Jahren zu mindestens 80 Prozent durch abgasfreie Fahrzeuge beziehungsweise den ÖPNV oder den Fuß- und Radverkehr realisiert werden. Weiterhin soll der Verkehr in München bis 2035 vollständig klimaneutral sein (vgl. Landeshauptstadt München 2023c, o.S.). Der neue Mobilitätsplan der Stadt soll den zukünftigen Herausforderungen gerecht werden. Dazu zählt unter anderem die steigende Bevölkerungszahl und der somit zunehmende Mobilitätsbedarf sowie der Umwelt- und Gesundheitsschutz (vgl. Landeshauptstadt München 2023b, o.S.).Der motorisierte Individualverkehr nimmt in der bayrischen Landeshauptstadt nach wie vor einen hohen Stellenwert ein und wurde 2017 von rund 24 Prozent der Münchner:innen in Anspruch genommen. Die Anzahl der täglich bewältigten Personenkilometer nahm ebenfalls zu, was durch den Anstieg der Bevölkerung und die Zunahme der täglichen Strecken erklärt wird (vgl. Landeshauptstadt München 2022, S. 107f.).Der ÖPNV wurde im Jahr 2017 von 24 Prozent der Münchner:innen genutzt, was verglichen mit dem Jahr 2008 ein leichter Anstieg ist. Verglichen mit dem Jahr 2008 wird das Fahrrad mit 18 Prozent von weniger Münchner:innen genutzt (vgl. ebd. 2022, S. 107f.). Die Stadt kommt in ihrem Nachhaltigkeitsbericht zu dem Ergebnis, dass die Entwicklung in Richtung ÖPNV und des Radverkehrs geht. Durch das starke Wachstum der Stadt und des Umlands kommt es jedoch zu einem Anstieg des Verkehrs insgesamt, was die eigentlich positive Entwicklung aufhebt (vgl. ebd. 2022, S. 107f.). Die Stadt München beschäftigt sich seit einiger Zeit mit sogenannten Radschnellverbindungen."Radschnellverbindungen sind hochwertige Verbindungen im Radverkehrsnetz (von Kommunen oder StadtUmlandRegionen), die wichtige Zielbereiche (zum Beispiel Stadtteilzentren, Wohn und Arbeitsplatzschwerpunkte, (Hoch)Schulen) mit hohen Potenzialen über größere Entfernungen verknüpfen und durchgängig ein sicheres und attraktives Befahren mit hohen Reisegeschwindigkeiten […] ermöglichen" (Landeshauptstadt München 2022, S. 109).Solche Strecken haben somit das Potential, einen nicht zu unterschätzenden Beitrag hin zur grünen Mobilität zu leisten. Radschnellwege können nicht nur für die Freizeit, sondern auch von Berufspendler:innen genutzt werden und sind daher eine Alternative zum Auto. Die Landeshauptstadt München hat bereits mehrere Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse belegen, dass viele dieser Strecken, beispielsweise die Strecke zwischen der Innenstadt Münchens und Starnberg, technisch machbar und wirtschaftlich gewinnbringend sind (vgl. Landeshauptstadt München/Landratsamt München/Landratsamt Starnberg 2020, S. 29).Die lange Planung der Radschnellwege ist seit diesem Jahr in einer neuen Phase. Im Juni 2023 wurde mit dem Bau der ersten von insgesamt fünf Strecken begonnen, welche die Stadt München mit Unterschleißheim und Garching verbinden soll (vgl. Heudorfer 2023, o.S.). Gleichzeitig müssen die enorm hohen Kosten für den Bau solcher Strecken berücksichtigt werden. Dies ist der Grund, weshalb beispielsweise die Strecke zwischen München und Starnberg nicht realisiert wird (vgl. ebd. 2023, o.S.).München plant die Reduzierung des Autoverkehrs in seiner Altstadt. So soll mehr Platz für Fußgänger:innen, Radfahrende und den ÖPNV geschaffen werden. Die Stadt nennt eine Reihe an Maßnahmen, die das Ziel einer autofreien Altstadt realisieren sollen. Dazu zählen unter anderem das Errichten und die Erweiterung von Fußgängerzonen, die Neuregelung des Parkens, was auch das Erhöhen der Parkgebühren beinhaltet, die Verbesserung des Liefer- und Ladeverkehrs sowie das Erbauen eines breiten Radrings in der Altstadt (vgl. Landeshauptstadt München 2023a, o.S.).Ein Pilotprojekt diesbezüglich befindet sich in der zentral gelegenen Kolumbusstraße. Die Straße wurde für Fahrzeuge gesperrt und mit Rollrasen, Sitzmöglichkeiten und Hochbeeten ausgestattet (vgl. Stäbler 2023, o.S.). Das Projekt hat jedoch nicht nur Befürworter:innen. Der Verlust von knapp 40 Parkplätzen sowie der Lärm durch spielende Kinder wird kritisiert (vgl. ebd. 2023, o.S.).Der ÖPNV hat in München einen hohen Stellenwert. Bereits im Jahr 2010 lag München im Vergleich unter den besten deutschen Städten. Berücksichtigt wurde damals unter anderem die Fahrtdauer, die Informationslage und die Preise (vgl. Wagner 2010, o.S.). Eine ADAC-Studie zeigt, dass München im Jahr 2021 die teuerste Einzelfahrkarte unter 21 deutschen Großstädten mit mehr als 300.000 Einwohner:innen hatte. Die Münchner Monatskarte sowie die Wochenkarte hingegen war mit Abstand am günstigsten. Die Monatskarte kostete im Vergleich zu Hamburg knapp die Hälfte (vgl. ADAC 2021, o.S.). Dieser Aspekt muss hinsichtlich der Einführung des Deutschlandtickets und der damit verbundenen Preisentwicklung des ÖPNV neu bewertet werden, ist jedoch aufgrund der damals fehlenden Alternative des Deutschlandtickets nicht zu vernachlässigen.Langfristig plant München eine Bahnstrecke, die Stadt und Umland miteinander verbindet und das bereits vorhandene Schienennetz ergänzt. Dieses Projekt ist zuletzt aus finanziellen Gründen gescheitert, soll jedoch durch spezielle Buslinien kompensiert und nach Möglichkeit neu geprüft werden (vgl. Landeshauptstadt München 2023d, o.S.). Um die Kapazität des ÖPNV in München und Umland zu erhöhen, werden im Rahmen eines Programms verschiedene Maßnahmen umgesetzt. Dazu zählt unter anderem die Anbindung an den Flughafen und der Ausbau der Schieneninfrastruktur im Nordosten Münchens (vgl. Landeshauptstadt München 2023d, o.S.).Auch das U-Bahn- und Tramnetz soll durch die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) ausgebaut werden. Vorgesehen ist die Verlängerung beziehungsweise der Neubau verschiedener Strecken (vgl. ebd. 2023d, o.S.). Gleichzeitig wird auf die Problematik verwiesen, dass die Kapazitätsgrenze des Schienenverkehrs in München und der Region bereits erreicht ist (vgl. ebd., o.S.).Die bayrische Landeshauptstadt setzt sich selbst ambitionierte Ziele, was den Verkehr und die Mobilität betreffen. Bereits seit vielen Jahren wurde mit entsprechenden Planungen begonnen. Auf der Webseite der Landeshauptstadt finden sich viele Informationen und Vorhaben bezüglich der Verkehrsplanung. Der Ausbau des Fahrradverkehrs, vor allem die Planungen von Radschnellstrecken sind vielsprechend. Die Machbarkeitsstudien belegen das große Potential. Da jedoch erst vor einigen Monaten mit dem Bau der ersten Strecke begonnen wurde, muss München hier in relativ kurzer Zeit viel erreichen.Gleichzeitig kann somit nicht abschließend festgestellt werden, wie groß das Potential der Radschnellverbindungen in der Praxis ist. Der Zuwachs der Stadt München und des Umlands stellt die Landeshauptstadt vor Herausforderungen in doppelter Hinsicht. Obwohl der Anteil der Radfahrenden und der ÖPNV-Fahrenden deutlich zugenommen hat, steigt der Verkehr insgesamt. Gleichzeitig stellt die Stadt fest, dass der ÖPNV an der Kapazitätsgrenze ist. Dennoch müssen die positiven Aspekte betrachtet werden. Hierzu zählt unter anderem das Potential des Münchner ÖPNV und der verschiedenen Projekte. Auch wenn es von der Planung bis zur Umsetzung viele Jahre dauert, ist München sicherlich vielen Städten, vor allem im deutschen Städtevergleich, voraus, da die Planungen früh begonnen haben.Weitere Maßnahmen und HerausforderungenHier werden nun weitere Maßnahmen untersucht. Dabei wird, wie bei Kopenhagen, in exemplarischer Weise auf den Bereich der Extremwetter- beziehungsweise Klimawandelanpassung und den Bereich der kommunalen Wärmeplanung eingegangen. Gleichzeitig werden Herausforderungen, Chancen und Schwierigkeiten beleuchtet, die sich daraus ergeben.Die bayrische Landeshauptstadt hat im Jahr 2019 den Klimanotstand ausgerufen. Damit verbunden ist das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 (vgl. Landeshauptstadt München 2023e, o.S.). Das Klima in der Stadt München weist aufgrund der dichten Bebauung spezifische Besonderheiten auf. Dazu zählt der sogenannte "Wärmeinseleffekt", der dazu führt, dass ein Temperaturunterschied im Vergleich zum Münchner Umland besteht (vgl. Landeshauptstadt München u. a. 2016, S. 8).Im Stadtgebiet ist es deshalb im Durchschnitt zwei bis drei Grad wärmer, wobei der Temperaturunterschied in der Nacht deutlich höher ausfällt: Im Vergleich zum Münchner Umland ist es nachts im Stadtgebiet Münchens bis zu zehn Grad wärmer, was durch den Klimawandel und den damit verbundenen Anstieg der Durchschnittstemperatur noch deutlich ansteigen wird (vgl. ebd. 2016, S. 8).Dementsprechend sieht das Klimaanpassungskonzept verschiedene Maßnahmen vor. Dazu zählt zum Beispiel der Ausbau der Dachbegrünung und Photovoltaikanlagen auf Gebäuden, die Verbesserung des Wärmeschutzes in der Gebäudeplanung und Förderprogramme für Klimaanpassungsmaßnahmen auf privaten Grundstücken (vgl. ebd. 2016, S. 40). In München gründeten sich einige Bewegungen, die sich für mehr Nachhaltigkeit einsetzen. Die Münchner Initiative Nachhaltigkeit (MIN) ist ein Beispiel dafür und setzt sich aus mehrheitlich zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen. Die Ziele der MIN orientieren sich an den SDGs (vgl. Münchner Initiative Nachhaltigkeit 2023, o.S.).Der Münchner Nachhaltigkeitsbericht liefert interessante Aufschlüsse. Der Anteil der erneuerbaren Energien im Gebiet der Stadtwerke München lag 2019 bei insgesamt 6,4 Prozent. Den größten Anteil hat dabei die Wasserkraft, gefolgt von Solar (vgl. Landeshauptstadt München 2022, S. 85). Ökostrom soll in den eigenen Stadtwerken langfristig betrachtet in ausreichender Menge erzeugt werden, um damit die Stadt München selbst versorgen zu können.Daraus ergibt sich für den Leiter der Stadtwerke die politische Aufgabe, die Energiewende voranzubringen (vgl. Hutter 2019, o.S.). Gerade die lokale Erzeugung von Ökostrom kann sich in einer dicht bebauten Stadt als schwierig herausstellen. Hier stellt sich die Frage, wie viel Potential München und das direkte Umland hat. Dabei kann es sich zum Beispiel um den Auf- und Ausbau umliegender Windräder oder Biomassekraftwerke handeln (vgl. ebd., o.S.).München setzt auf Tiefengeothermie und kann einen Anstieg in der Erzeugung und den Anteil der Tiefengeothermie am Fernwärmeverbrauch verbuchen. Jedoch lag der Anteil der Geothermie am Fernwärmeverbrauch im Jahr 2019 lediglich bei 3,8 Prozent (vgl. Landeshauptstadt München 2022, S. 86f.). Aktuell wird in München das größte Geothermiekraftwerk Europas erbaut. Somit ist davon auszugehen, dass der Anteil der Geothermie innerhalb der Fernwärmeversorgung in München weiter zunimmt und diese in der Konsequenz Schritt für Schritt nachhaltiger und regenerativ gestalten (vgl. Schneider 2022, o.S.). In München befinden sich momentan sechs Geothermieanlagen. Durch die Erweiterungen soll das Fernwärmenetz den Wärmebedarf Münchens bis 2040 klimaneutral abdecken (vgl. Stadtwerke München 2023a, o.S.).Die Methode der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), also die gleichzeitige Gewinnung von mechanischer Energie und nutzbarer Wärme (vgl. Umweltbundesamt 2022, o.S.), wird von den Stadtwerken München genutzt und dient als eine Art Zwischenlösung, die intensiver genutzt wird, bis der Ausbau der Geothermieanlagen abgeschlossen ist (vgl. Stadtwerke München 2023b, o.S.). Die durch die Stromerzeugung der KWK-Methode gewonnene Abwärme wird in das Fernwärmenetz der Stadt München eingespeist. Die so erzeugte Fernwärme kann dementsprechend schon heute in einem beträchtlichen Maß umweltschonend bereitgestellt werden und ersetzt laut den Stadtwerken München bereits etwa 400 Millionen Liter Heizöl und spart pro Jahr eine Millionen Tonnen CO2 ein (vgl. ebd. 2023b, o.S.).Die Stromerzeugung selbst funktioniert mit Brennstoffen. Neben erneuerbaren Energien können dabei auch fossile Energieträger zum Einsatz kommen. Die Stadtwerke München selbst setzen sich das langfristige Ziel, fossile Brennstoffe abzulösen (vgl. ebd. 2023b, o.S.). Das Heizkraftwerk Süd der Stadtwerke München arbeitet beispielsweise mit der KWK-Methode. Die Stromerzeugung wird durch Erdgas gewährleistet (vgl. Stadtwerke München 2022, o.S.). Somit wird ein fossiler Brennstoff verwendet.Im deutschen Städtevergleich gilt München oft als Vorreiter, was Nachhaltigkeitsbemühungen betrifft. München hat 2019 den Klimanotstand ausgerufen und sich das Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu werden. Das Ausrufen des Klimanotstands hat eher symbolischen Charakter. Dennoch wird die Dringlichkeit der Sache damit auch auf kommunaler Ebene betont.Bezüglich der Anpassung an Extremwetterereignisse finden sich viele Informationen der Stadt München. Dabei werden auch viele Maßnahmen genannt, die nach und nach umgesetzt werden sollen. Die Stadt ist sich der Relevanz des Themas bewusst. Durch das veränderte Stadtklima wird deutlich, wie wichtig die Anpassung an Extremwetterereignisse ist, um das Leben in der Stadt auch zukünftig zu sichern.Im Fall von München sind die Maßnahmen gegen Hitze besonders relevant. Hier hat München bereits Pilotprojekte und verschiedene Fördermaßnahmen in die Wege geleitet. Im Bereich der Energieversorgung muss vor allem die Tiefengeothermie benannt werden. München setzt verstärkt darauf und erkennt das große Potential. Gleichzeitig müssen die hohen Kosten und der damit verbundene Aufwand berücksichtigt werden.Aktuell kommen auch KWK-Werke zum Einsatz. Dies ermöglicht die umweltschonende Bereitstellung von Fernwärme. Der Einsatz mehrerer Geothermieanlagen kann dieses Potential jedoch beträchtlich steigern. Erdgas wird zur Erzeugung von Strom in München auch aktuell eingesetzt. Langfristig wollen die Stadtwerke jedoch ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe arbeiten. Die Fernwärme Münchens ist weit ausgebaut und bietet hohes Potential. Dennoch zeigen erst die nächsten Jahre, wie nachhaltig und flächendeckend das Fernwärmenetz konkret ausgebaut werden kann.ErkenntnisseDie Einwohnerzahl Kopenhagens ist in den letzten Jahren gestiegen. Auch zukünftig muss die Stadt mit einem Bevölkerungswachstum rechnen. In München ist ebenso von einem Bevölkerungsanstieg auszugehen, was auch in den letzten Jahren der Fall war. Der Anstieg der Bevölkerung in Zahlen ist deutlich höher, was sich durch die größere Fläche der bayrischen Landeshauptstadt zumindest teilweise relativieren lässt. Im direkten Vergleich ist München mehr als drei Mal so groß wie Kopenhagen.Kopenhagen gilt als eine der besten Fahrradstädte weltweit. Dies führt neben den positiven Aspekten auch zu vollen Fahrradwegen. Die Stadt reagiert mit der Verbreiterung von Fahrradwegen und der Sperrung beziehungsweise Verkleinerung von Autofahrbahnen und ganzen Straßen. München geht diesbezüglich nicht so konsequent vor, hat jedoch ein vergleichbares Pilotprojekt gestartet, welches eine zentrale Straße zeitweise für den Autoverkehr gesperrt hat.Das Fahrrad als Verkehrsmittel konnte sich in Kopenhagen bereits früh etablieren. Ein zentraler Faktor, der für das Fahrrad in Kopenhagen spricht, ist unter anderem die Zeitersparnis. Eine Reihe nicht-diskursiver Faktoren spielen eine wichtige Rolle für die bedeutsame Rolle des Fahrrads in der dänischen Hauptstadt. Neben der flachen Lage und der geringen Größe zählt dazu auch der politische Wille und die Bereitschaft, das Fahrrad als Verkehrsmittel kontinuierlich zu fördern.In München wurde die Relevanz des Fahrrads ebenfalls erkannt. München kann im Vergleich jedoch auf keine derart ausgeprägte Fahrradkultur zurückblicken. Dennoch stellt sich heraus, dass das Fahrrad in München nicht unterschätzt wird. Die aktuellen Planungen und erste bauliche Maßnahmen der Radschnellverbindungen belegen, dass die Stadt den Radverkehr als Alternative zum Auto etablieren möchte.Dabei sollen, wie es in Kopenhagen bereits der Fall ist, nicht nur Freizeitradler:innen, sondern auch Berufspendler:innen angesprochen werden. Das Münchner Umland soll in den Bau der Radschnellverbindungen zu weiten Teilen integriert werden. Theoretisch könnte München auf diese Weise trotz der deutlich weiteren Distanzen die optimale Infrastruktur für das Fahrrad als grüne Alternative etablieren.Der Autoverkehr spielt in Kopenhagen nach wie vor eine Rolle. Trotz einiger Maßnahmen müssen die CO2-Emissionen weiter reduziert werden. Die Emissionen im PKW-Bereich sind bis vor fünf Jahren noch angestiegen. Auch in München ist der Autoverkehr relevant und wurde im Jahr 2017 von fast einem Viertel der Münchner:innen genutzt. Von der Stadt München werden verschiedene Maßnahmen benannt, die zu einer autofreien Altstadt führen sollen. Dabei soll ähnlich wie in Kopenhagen vorgegangen werden, unter anderem mit der Erweiterung von Fußgängerzonen. Kopenhagen scheint diesbezüglich jedoch weiter fortgeschritten zu sein. Bei der Verkleinerung von Fahrbahnen im Bereich des Autoverkehrs handelt es sich dort um dauerhafte Maßnahmen. In München beschränkt sich dies bislang auf Pilotprojekte und Vorhaben.Beide Städte haben ein gut ausgebautes ÖPNV-Netz. In München ist sich die Stadt der Tatsache bewusst, dass die aktuelle ÖPNV-Infrastruktur an seiner Kapazitätsgrenze angekommen ist. Aus diesem Grund plant München den Ausbau und setzt bereits einige Großprojekte, unter anderem die Erweiterung der Schieneninfrastruktur, in verschiedenen Stadteilen, um. Vor allem das Tramnetz hat sicherlich das Potential, für Münchner:innen eine dauerhafte Alternative zum Auto zu sein. Da das Hauptproblem augenscheinlich die Kapazitätsgrenze des bestehenden Schienennetzes ist, kommt es auf den zügigen und konsequenten Ausbau in den nächsten Jahren an.Kopenhagen hat im Vergleich bereits im Jahr 2019 eine Stadtlinie eröffnet, die immer weiter ausgebaut wird. Kopenhagen will die Attraktivität des ÖPNVs auch während der Rushhour gewährleisten. Dies lässt darauf schließen, dass einer der Hauptfaktoren auch hier die aktuelle Auslastung der vorhandenen öffentlichen Verkehrsmittel ist. In diesem Bereich haben beide Städte somit ähnliche Herausforderungen zu bewältigen. Beide Städte sind aktiv und scheinen den ÖPNV als dauerhaftes Verkehrsmittel fördern zu wollen.Kopenhagen liegt direkt am Meer und 24 Meter über dem Meeresspiegel. Ähnlich wie München sieht sich Kopenhagen mit Extremwetterereignissen konfrontiert. In Kopenhagen regnet es sehr häufig und durch die Lage am Meer und die geringe Höhe über dem Meeresspiegel sind Sturmfluten und Überschwemmungen keine Seltenheit. München hat ebenso mit Starkregen zu kämpfen, wobei Hitzewellen hier auch nicht zu unterschätzen sind. Beide Städte stellen verschiedene Maßnahmen vor, die zur Vermeidung negativer Folgen führen sollen. In der Umsetzung hat Kopenhagen bereits Erstaunliches erreicht, um sich vor Starkregen zu schützen. Beide Städte nehmen die durch den Klimawandel entstehenden Extremwetterereignisse und deren mögliche Folgen ernst und arbeiten an spezifischen Lösungen.Die Energieversorgung ist in beiden Städten ein zentraler Aspekt. Beide Städte nehmen hier in gewisser Weise Vorreiterrollen ein. Sowohl Kopenhagen als auch München fördern den Einsatz erneuerbarer Technologien in verschiedener Hinsicht. Das Fernwärmenetz in Kopenhagen ist bereits sehr gut ausgebaut. Gleichzeitig kann die Fernwärme Kopenhagens bereits zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Die dänische Hauptstadt hat hier einige Vorzeigeprojekte, unter anderem die Müllverbrennungsanlage Amager Bakke.Die Stadt München setzt vermehrt auf Tiefengeothermie und treibt den Ausbau voran. Dies soll die Fernwärme nach und nach nachhaltiger machen. Bis 2040 soll das Fernwärmenetz in München somit klimaneutral arbeiten können. Die KWK-Methode wird in München eingesetzt und spart nennenswerte Mengen an CO2 ein. Fossile Brennstoffe kommen hier aber nach wie vor zum Einsatz. Dennoch hat auch München ein ausgefeiltes Konzept und ist vor allem im deutschen Vergleich weit vorangeschritten und hat bereits früh nach alternativen Wegen gesucht. Daher sind die Fortschritte Münchens in der Wärmeversorgung beachtlich. Im direkten Vergleich kann Kopenhagen jedoch mit noch mehr Innovation und aktuell größeren Fortschritten punkten.FazitEs wurde untersucht, wie eine nachhaltige Stadt gestaltet werden kann. Eine aktuelle Bestandsaufnahme zeigt, dass die Entwicklungen in Städten sehr unterschiedlich sind. Die Abkehr von der Vorstellung einer autogerechten Stadt scheint sinnvoll. Bereits vorhandene ÖPNV-Strukturen und weitere Alternativen zum motorisierten Individualverkehr müssen effizienter genutzt oder geschaffen werden. Der Energiesektor ist besonders relevant, da hier die größten Möglichkeiten hinsichtlich einer Reduzierung von Emissionen bestehen. Städte sollten daher Maßnahmen etablieren, um den Energiebedarf zu senken und auf regenerative Energien umsteigen zu können. In dieser Arbeit wurde bezogen auf den Bereich der Energie die kommunale Wärmeplanung berücksichtigt.Untersucht wurden die Bereiche des Verkehrs und der Mobilität, der Extremwetteranpassung und der kommunalen Wärmeplanung. München und Kopenhagen haben in den untersuchten Bereichen bereits eine Vielzahl an Maßnahmen und Vorhaben vorgestellt und initiiert. Dabei stellt sich heraus, dass die spezifischen Gegebenheiten in Städten stets berücksichtigt werden müssen. Diese unterschiedlichen Gegebenheiten führen dazu, dass ein Städtevergleich nicht in jedem Aspekt einer nachhaltigen Stadtentwicklung zielführend ist. München zeigt jedoch am Beispiel der geplanten Radschnellverbindungen, dass es auch Lösungen für suboptimale Gegebenheiten gibt, in diesem Fall für größere Distanzen beim Radverkehr.Beide Städte sind fortgeschritten, was den Bereich der nachhaltigen Mobilität betrifft. Hier stellt vor allem der erwartete Bevölkerungsanstieg eine Herausforderung dar, da dies zur weiteren Be- beziehungsweise Überlastung der bestehenden Verkehrsinfrastruktur und zur Zunahme des Verkehrs generell führen wird. Dementsprechend finden sich in beiden Städten Projekte, die auch teils in der Umsetzung und bezogen auf die Zukunft der nachhaltigen Mobilität vielversprechend sind. Hier bleiben jedoch die konkreten Fortschritte in den nächsten Jahren abzuwarten, was eine erneute Untersuchung zu einem späteren Zeitpunkt interessant macht. Die Vision beziehungsweise Utopie einer autofreien Stadt scheint für Kopenhagen einen Schritt näher zu sein. München zeigt jedoch, dass zumindest eine autofreie Altstadt in naher Zukunft nicht undenkbar ist.Die Anpassung an die Folgen des Klimawandels ist für beide Städte relevant. Kopenhagen hat hier eine Reihe innovativer Projekte bereits umgesetzt. München stellt viele Maßnahmen vor, die im Detail jedoch noch weiter vorangetrieben werden müssen.Bezogen auf die kommunale Wärmeplanung gehen beide Städte verschiedene Wege und haben bestimmte Visionen. Einen Beitrag zur Energiewende wollen beide Städte und deren ansässige Stadtwerke leisten. Die Fernwärme ist sowohl in Kopenhagen als auch in München der zentrale Faktor. Kopenhagen ist bezogen auf den Anteil erneuerbarer Energien und den Ausbau des Fernwärmenetzes weiter fortgeschritten als München. Ebenso bestehen in Kopenhagen innovative Ideen zur nachhaltigen Erzeugung von Fernwärme und zur Einbettung verschiedener Anlagen in die Kopenhagener Stadt und das Umland. München setzt auf die Nutzung von Geothermie, was zu einer sehr guten CO-2-Bilanz beitragen kann.In den untersuchten Bereichen weisen beide Städte Fortschritte auf. Kopenhagen hat zeitlich betrachtet deutlich früher mit dem Ausbau einer nachhaltigen Stadtentwicklung begonnen. Dementsprechend sind einige Pläne ausgereifter und es finden sich hinsichtlich der untersuchten Bereiche mehr konkrete Umsetzungen. München könnte hier jedoch in den nächsten Jahren ähnlich weit voranschreiten, was unter anderem hinsichtlich des Maßnahmenkatalogs deutlich wird. Auch aus diesem Grund wäre die Betrachtung zu einem späteren Zeitpunkt interessant und würde weitere Aufschlüsse liefern.Durch die Untersuchung der Verkehrsinfrastruktur und der kommunalen Wärmeplanung beider Städte wurden Schlüsselaspekte einer nachhaltigen Stadtentwicklung berücksichtigt. Dennoch muss betont werden, dass bei weitem nicht alle Aspekte einer nachhaltigen Stadt berücksichtigt und untersucht werden konnten. Dies würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Eine Untersuchung in weiteren Bereichen würde daher eine sinnvolle Ergänzung darstellen.LiteraturverzeichnisAachener Stiftung Kathy Beys (2015): Nachhaltiger Lebensstil (Aachener Stiftung Kathy Beys vom 16.12.2015) < https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/nachhaltiger_lebensstil_1978.htm > (11.11.2023).ADAC (2021). 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1. Einleitung Das Besondere an Wilhelm Heitmeyer ist, dass er uns empirisch erklärt, was wir vorher nur vermutet oder gesagt bekommen haben. Der Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer, Jahrgang 1945, forscht seit Jahrzehnten zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus (Universität Bielefeld, o.J.). Bekannt geworden ist er als Gründungsdirektor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld 1996, wo er bis zu seiner altersbedingten Emeritierung als Direktor fungierte. Seine Langzeitstudie "Deutsche Zustände" zu rechtsextremen Einstellungen in der Gesellschaft und zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit machen ihn zu einem der "wichtigsten Rechtsextremismus-Forscher der Bundesrepublik" (Laudenbach, 2023).Im folgenden Beitrag soll es um ausgewählte Arbeiten von Heitmeyer gehen. In seinen jüngeren Veröffentlichungen nimmt er die Mechanismen von Krisen und daraus resultierenden Kontrollverlusten als Treiber von autoritären Versuchungen in den Fokus. In Bezug darauf wird in der vorliegenden Arbeit genauer auf Heitmeyers Beitrag zur Erklärung des Erstarkens des "autoritären Nationalradikalismus" eingegangen. Hierunter fällt die Partei "Alternative für Deutschland (AfD)", die den Kern dieses Politiktypus in Deutschland ausmacht.Heitmeyer stellte um die Jahrtausendwende die These auf, der globalisierte Kapitalismus bringe vielfältige Schieflagen mit sich in Form von Desintegration, Abstiegsängsten und Kontrollverlusten. Damals ahnte er noch nichts von den Krisen, die in den folgenden "entsicherten Jahrzehnten" auf uns zukommen und uns vor erhebliche Herausforderungen stellen würden (Heitmeyer, 2018, S. 89).Die aufgestellte These rund um soziale, politische und ökonomische Strukturentwicklungen wurde mit individuellen und kollektiven Verarbeitungsmustern gekoppelt und 2022 um Krisen der "Post-9/11"-Ära und Kontrollverluste als Krisenfolgen erweitert. Diese wiederum bilden einen Nährboden für autoritäre Versuchungen, für sogenannte rechte Bedrohungsallianzen als politische Folgen autoritärer Entwicklungen.Die Ergebnisse der Langzeitstudie eignen sich, um das Aufkommen und Erstarken einer autoritär nationalradikalen Partei wie der Alternative für Deutschland zu beleuchten. Heitmeyer ist es, der durch seine Sozialstrukturanalyse das vielzitierte Fünftel (19,6%) der Bevölkerung empirisch nachweisen konnte, das der rechtspopulistisch eingestellten Gruppe in der Bevölkerung mit Einstellungen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit zugeordnet werden kann (Schaefer, Mansel & Heitmeyer, 2002, S. 125 f.).Wahlpolitisch blieben diese Teile der Bevölkerung lange unbedeutend. Die Wähler:innen waren meist keiner Partei zugehörig, sie "vagabundierten" zwischen den Parteien von Wahl zu Wahl oder wählten gar nicht; viele harrten in einer "wutgetränkten Apathie". Bis zu dem Jahr, als die AfD auf die politische Oberfläche trat und ab 2015 eine radikale Entwicklung nahm; ein "politisches Ortsangebot" für diese Teile der Bevölkerung ist gefunden (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 113 ff.).Im folgenden wird zuerst eine begriffliche Rahmung des Politiktypus des "autoritären Nationalradikalismus" vorgenommen. Zentrale Schemata der Arbeiten von Wilhelm Heitmeyer sollen beleuchtet werden. Nach diesen Ausführungen wird der Blick auf Krisen und Kontrollverluste und ihre Funktion als Treiber autoritärer Entwicklungen gerichtet. Im letzten Schritt geht es um die Ausprägung des autoritären Nationalradikalismus in Form der AfD.2. Der autoritäre NationalradikalismusUm über Heitmeyers Arbeiten zu schreiben, bedarf es einer Konturierung der von ihm verwendeten Begriffe. Im Folgenden werden die Begriffe des Autoritarismus und der dichotomischen Welt- und Gesellschaftsbilder erklärt, um anschließend den politischen Typus des autoritären Nationalradikalismus von Rechtspopulismus und Rechtsextremismus abzugrenzen und entsprechend zu erläutern. 2.1 AutoritarismusDas Legitimations- und Strukturmuster politischer Macht des Autoritarismus gründet auf einer Beziehung zwischen "Machthaber:innen" in Regierungen, Parteien und anderen Organisationen und "Machtunterworfenen". Unter Machthaber:innen versteht man Amts-, Funktions- und Handlungsträger:innen, während Machtunterworfene Mitglieder, Gefolgsleute oder Anhänger:innen sind (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 31). Abhängig ist diese Beziehung in der sozialen Praxis von der Autorität der Machthabenden und der Reaktion der Unterworfenen.Autorität kann aus Bewunderung, begeisterter Unterstützung, Respekt, Ehrfurcht oder gleichmütiger Duldung aus freien Stücken zugeschrieben werden und gründet in Anerkennung. Jedoch wird Autorität dann autoritär, "[...] wenn Willfährigkeit aufgenötigt, Unterwerfung durch Täuschung bewirkt, Gehorsam durch Drohung oder handgreifliche Gewalt erzwungen wird" (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 32).Eine dominante Rolle spielen Grunderzählungen in der Entwicklung des Autoritären. Hierzu zählen die Bedrohung von Ordnung, die Auflösung von Identitäten, das Zerstören von Hierarchien und Dominanzen, Fantasien vom Untergang des (deutschen) Volkes sowie der Opferstatus aufgrund des Agierens feindlicher Mächte sowohl aus dem Inneren wie von außen (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 35). Diese Kennzeichen der Bedrohung, Auflösung, Zerstörung, des Untergangs etc. haben die Funktion, kollektive Ängste zu schüren. Zugleich sollen so Mobilisierungen in Gang gesetzt und autoritäre Bewegungen und Bestrebungen angetrieben werden (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 35).Frankenberg & Heitmeyer beschreiben die politische Rhetorik des Autoritären als Diskurslogik, die sich vor allem in Wahlpropaganda und programmatischen Erklärungen zeigt. Diese konstruieren manichäische Weltbilder, weisen eine dichotomische Struktur auf und manifestieren sich auf drei Ebenen, wie die folgende Abbildung zeigt. Häufig anzutreffen sind die Gegensätze von Volk vs. Elite, geschlossene vs. offene Gesellschaft, wir vs. die oder Ungleichwertigkeit vs. Gleichwertigkeit. Abbildung 1: Dichotomische Welt- und Gesellschaftsbilder (Quelle: eigene Darstellung nach Heitmeyer, 2018, S. 248)2.2 Dichotomische Welt- und GesellschaftsbilderDiese Gegensätze laufen auf "Entweder-Oder"-Konflikte hinaus, die sich immer aufs "Ganze" beziehen, da es um "Alles" geht (Heitmeyer, 2022 b, S. 275). Der Streitgegenstand wird der Verhandlung oder dem Kompromiss entzogen, ein "Mehr-oder-Weniger" ist nicht möglich. Die von autoritären Bewegungen, Organisationen und Regimen geführten Konflikte zielen demnach nicht auf Verständigung oder Verhandlungen ab. Es geht um "[...] Entscheidungen zugunsten einer rigiden Machtdurchsetzung und Machtsicherung mit möglichst umfassender Verhaltenskontrolle in allen Lebensbereichen der Gesellschaft und den Institutionen des politischen Systems" (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 37).Gesellschaftliche Entwicklungen sind von immer höherer Komplexität und Ambivalenz geprägt. Ebenso nimmt ihre Unübersichtlichkeit zu und sie verändern sich mit zunehmender Geschwindigkeit. In diesem Zuge stehen politische Akteur:innen vor der Herausforderung, ihre Ambitionen und Machtansprüche für die jeweilige Wähler:innenschaft passend aufzubereiten. Hierzu gehört das Anbieten von Welt- und Gesellschaftsbildern, die Unübersichtlichkeit strukturieren, Entschleunigung versprechen und Komplexität reduzieren. Aus diesen Gründen werden von gemäßigten und extremen rechten Bewegungen und Parteien solche Dichotomien verwendet, die das Ordnen der eigenen Gefühlslagen, Erfahrungen und der eigenen Weltsichten erleichtern. 2.3 Populismus und RechtspopulismusPopulismus sieht Heitmeyer als Stil der Mobilisierung, der übergehen kann in eine "machiavellistische Strategie zur Erlangung oder Verteidigung der Macht" und auf marginalisierte Gruppen abzielt. Hinzu kommt häufig eine populistisch etikettierte Rhetorik und schlichte, aber einflussreiche Weltdeutungen, die dazu dienen, Ressentiments zu aktivieren, um eine imaginäre, kollektive Identität zu beschwören. Dies ganz im Sinne eines authentischen Volkes oder "der Nation" gegen Elit:innen, gegen "das System", Minderheiten oder die "Lügenpresse" (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 24).Nach Heitmeyer hat sich eine allgemein akzeptierte Definition von Populismus etabliert, wonach eine Bewegung dann als populistisch charakterisiert werden kann, "[...] wenn ihr die Unterscheidung zwischen dem "wahren" Volk einerseits und den ausbeuterischen, dekadenten, volksverräterischen Eliten andererseits zugrunde liegt" (Heitmeyer, 2018, S. 231). Heitmeyer verwendet mittlerweile meist den Begriff autoritär anstelle von populistisch, im Folgenden wird ebenfalls diese Bezeichnung verwendet.Beim Rechtspopulismus prangert Heitmeyer eine "inflationäre Verwendung" ohne wirkliche Trennschärfe an, der keine einheitliche Definition hat, oftmals jedoch als Form des Autoritarismus mit "dünner Ideologie" und als Vergangenheitsorientierung beschrieben wird (Heitmeyer, 2018, S. 231). Im Allgemeinen bezeichnet er den Rechtspopulismus als eine Ergänzung des populistischen Grundprinzips "Volk gegen Elite" um eine nationalistische Rhetorik (Heitmeyer, 2018, S. 232).Zur These der "dünnen Ideologie" führt Heitmeyer an, dass sich populistische bzw. autoritäre Bestrebungen nicht nur durch ihren Politikstil und einer auf Machterwerb zielenden Strategie auszeichnen, sondern durch ein "Set von Ideen" und einem spezifischen Politik- und Demokratieverständnis, also ein Muster zur Deutung der gesellschaftlichen Wirklichkeit anbieten, das sich nicht nur auf Kritik an Elit:innen und demokratischer Repräsentation beschränkt."Mit der ideologischen Kombination und politischen Handlungsagenda von Antielitismus und Antipluralismus, einer Kultur der unmittelbaren Kommunikation, einem xenophoben Nationalismus und dem Phantasma imaginärer Gemeinschaftlichkeit entfernt sich die Beschreibung des Populismus weit von demokratischen grass roots und nimmt die Deutungsangebote aus dem Lager des Autoritarismus an" (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 25). 2.4 Autoritärer NationalradikalismusDer Einheitsbegriff des Rechtspopulismus als "catch-all-term" wird nach Heitmeyer der sperrigen Realität nicht gerecht und hat viele alternative Benennungen verkümmern lassen. Zudem werden mit Nutzen dieses Begriffes durch Wissenschaft, Politik und Medien Vernebelungstaktiken der politischen Akteur:innen und Bewegungen bedient, da nicht die genauen ideologischen Komponenten ihrer jeweiligen Programme benannt werden. Das Abbilden der vielfältigen Realität muss auch begrifflich differenziert abgebildet werden, was notwendig ist, um "Gegengifte" zu entwickeln. Daher müssen die Begriffe "sperrig und unpoliert" sein (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 105).Der autoritäre Nationalradikalismus bewegt sich zwischen dem Rechtspopulismus und dem gewalttätigen Rechtsextremismus bzw. Neonazismus. Anzumerken ist, dass es sich nicht um eine faschistische Gesinnung handelt, da der italienische Faschismus nicht mit dem Nationalsozialismus identisch ist, in dem der Antisemitismus zentral ist (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 106). Der gewalttätige Rechtsextremismus schreckt viele Wähler:innen oder Sympathisant:innen ab, da er in öffentlichen Räumen situativen Schrecken verbreiten will.Im Gegensatz dazu weist der Rechtspopulismus eine "flache" Ideologie auf und ist mit der dramatisierten Konfliktlinie Volk vs. Elite auf kurzzeitige Erregungszustände ausgerichtet, die über klassische Massenmedien und die sozialen Medien verbreitet werden sollen, wie Abbildung 2 anschaulich darstellt (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 106). Der autoritäre Nationalradikalismus hingegen zielt auf die destabilisierende Veränderung gesellschaftlicher und politischer Institutionen. Zudem bedient er sich dichotomischer Welt- und Gesellschaftsbilder, um destabilisierende Veränderungen erreichen zu können. Abbildung 2: Die Erfolgsspur des autoritären Nationalradikalismus (Quelle: eigene Darstellung nach Heitmeyer, 2018, S. 236; Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 107)Drei markante Charakteristika des autoritären Nationalradikalismus werden in der Sozialforschung hervorgehoben. Diese werden im folgenden erklärt und in Kapitel 6 auf die AfD bezogen:Das Autoritäre zeigt sich in der Betonung einer hierarchischen sozialen Ordnung, in Forderungen nach rigider Führung politischer Institutionen und in einem fundamentalistischen Verständnis des Agierens und Opponierens auf politischer Ebene ohne Kompromisse. Politik und Gesellschaft sollen also entsprechend einem Kontrollparadigma organisiert werden. Dichotomische Gesellschaftsbilder sind maßgebend und operieren als Grundlage für kämpferisch initiierte "Entweder-oder-Konflikte" (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 105).Die Betonung der besonderen Stellung des deutschen Volkes bildet das Nationale des autoritären Nationalradikalismus. Formulierungen und Parolen wie "Deutschland den Deutschen" oder "Deutschland zuerst" unterstreichen eine Überlegenheit gegenüber anderen Völkern, Nationen, ethnischen und religiösen Gruppen und eine neue, "deutsche" Vergangenheitsdeutung wird reklamiert (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 105 f.).Das Radikale, vom ursprünglichen Wortsinn aus dem Lateinischen (radix = Wurzel) her bestimmt, richtet sich gegen die offene Gesellschaft und die liberale Demokratie, die trotz zahlreicher kritikwürdiger Defekte erst durch jahrzehntelange Entwicklungen und Freiheitskämpfe ermöglicht wurden. Ein rabiater und emotionalisierter Mobilisierungsstil wird dazu angewendet, der sich vor allem durch menschenfeindliche Grenzüberschreitungen auszeichnet (vgl. Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 106).Weiterhin ist auf acht Elemente hinzuweisen, die zum Instrumentarium des organisierten autoritären Nationalradikalismus zählen:""Deutsch-Sein" als Schlüsselkategorie und sicherheitsspendender Identitätsanker;Propagandierung dichotomer Weltbilder;Kontrollparadigma als Versprechen einer autoritären sozialen Ordnung;Emotionalisierung gesellschaftlicher Probleme als Kontrollverluste;eskalativer Mobilisierungsstil zur Wiederherstellung von Kontrolle;Forcierung sozialer Vergleichsprozesse zwecks Radikalisierung;Ausnutzen der "Gewaltmembran", um mit bestimmten Begriffen andernorts Gewalt freizusetzen und Legitimationen zu liefern;Konstruktion einer "Opferrolle", um Sympathisanten an sich zu binden und ein Recht auf "Notwehr" zu etablieren" (Heitmeyer, 2018, S. 213-276; Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 111).Diese Elemente sind deshalb wichtig zu nennen, da sie als Grundlage für drei wichtige Ziele dienen, die autoritär nationalradikale Parteien verfolgen:Das Besetzen vakanter politischer Themenräume, die von etablierten Parteien in der Vergangenheit übersehen wurden,das Verschieben des Sagbaren, wobei Heitmeyer auf die Theorie des "Overton-Windows" hinweist, sowie drittensdie Normalisierung von Positionen und dadurch die Schaffung neuer Normalitätsstandards (vgl. Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 111 f.).Der autoritäre Nationalradikalismus wird ab Kapitel 5 ausführlich in Bezug auf die Partei "Alternative für Deutschland" dargestellt, die den Kern des autoritären Nationalradikalismus in Deutschland bildet. 2.5 Rechtsautoritär und rechtsextremDen Bezug von Autoritärem zu Rechtsautoritärem und Rechtsextremem begründen Frankenberg & Heitmeyer damit, dass "für die Übersetzung des Autoritären in die aktuellen gesellschaftlichen und politischen Zustände und Entwicklung [...] eine Fokussierung auf das rechtsautoritäre und rechtsextreme Spektrum angebracht" ist (2022, S. 40).In Ermangelung einer umfassenden Definition von Rechtsextremismus, die die Dimension der Gewalt beinhaltet, hat Heitmeyer ein eigenes Konzept vorgelegt (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 40). Dieses akzentuiert die "Kernverbindung" von Ideologie der Ungleichheit und Gewaltakzeptanz. Die Ideologie der Ungleichheit enthält zwei zentrale Dimensionen, wobei die erste gruppenbezogen auf Ungleichwertigkeit ausgerichtet ist und sich später als "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" ausgeprägt hat:"Sie zeigt sich in Facetten wie nationalistische bzw. völkische Selbstübersteigerung; rassistische Einordnung; soziobiologische Behauptung von natürlichen Hierarchien; sozialdarwinistische Betonung des Rechts des Stärkeren; totalitäre Normverständnisse im Hinblick auf Abwertung des "Anders-Sein" und die Betonung von kultureller Homogenität gegen Heterogenität" (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 40 f.).Diese erste Dimension lässt sich als Vorlage für die späteren Studien "Deutsche Zustände" von Wilhelm Heitmeyer verstehen. Die zweite Dimension der Ideologie der Ungleichheit hat sich als lebenslagenbezogen erwiesen und verweist auf Ausgrenzungsforderungen in Form von kultureller, politischer, rechtlicher, ökonomischer sowie sozialer Ungleichbehandlung von Fremden bzw. "Anderen".Die Gewaltakzeptanz haben Frankenberg & Heitmeyer in vier ansteigend eskalierende "Varianten der Überzeugung unabänderlicher Existenz von Gewalt" kategorisiert, hinter denen die Grundannahme steht, dass Gewalt als "normale Aktionsform zur Regelung von Konflikten" und demnach als legitim angesehen würde (2022, S. 41). Insofern überrascht die Tatsache nicht, dass etwa rationale Diskurse oder demokratische Regelungsformen von sozialen und politischen Konflikten abgelehnt und autoritäre oder gar militaristische Umgangsformen und Stile betont werden (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 41).Die politikwissenschaftliche Forschung zum Rechtsextremismus sieht Heitmeyer fixiert auf politische Symbole, historisch-politische Bezugnahmen, Parteiprogramme und Wahlerfolge. Jedoch reicht dieser Fokus nicht aus, um den Aufschwung rechter und rechtsextremer Kräfte in der Gesellschaft zu erklären – weshalb der "[..] Blick auf die Zusammenhänge zwischen ökonomischen, sozialen und politischen Strukturentwicklungen, den individuellen und kollektiven Verarbeitungen und den politischen Handlungskonsequenzen, wenn ein entsprechendes Handlungsangebot vorhanden ist", geweitet werden muss (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 41).Dies beschreibt das "Analyseschema" (siehe Abbildung 5) im folgenden Kapitel. Fürderhin sollen nicht einzelne Aspekte oder Ereignisse parzelliert betrachtet werden, sondern mittels des "konzentrischen Eskalationskontinuums" die "rechten Bedrohungsallianzen", die bis in die Mitte der Gesellschaft hineinreichen, sichtbar werden. Hierzu hat Heitmeyer 2018 ein weiteres Untersuchungsmodell entwickelt (siehe Abbildung 3). Die beiden Schemata werden folgend beschrieben. Vorangestellt finden sich die zentralen Ausgangspunkte und Thesen von Wilhelm Heitmeyer, auf denen die Schemata beruhen. 3. Heitmeyers Arbeiten: Zentrale Thesen und SchemataWilhelm Heitmeyers Studien knüpften ursprünglich an die mittlerweile vielzitierte Prognose Ralf Dahrendorfs aus 1997 an, dass wir uns "an der Schwelle zum autoritären Jahrhundert" befinden würden, da vieles auf solch eine Entwicklung hindeuten würde (Dahrendorf, 1997; Heitmeyer, 2022 b, S. 256). Dahrendorf wies vor über 25 Jahren auf das verhängnisvolle Zusammenwirken von Ökonomie, politischer Partizipation und sozialer Integration bzw. Desintegration hin und deutete dieses Spannungsverhältnis als eine "Quadratur des Kreises". Heitmeyer fragt in diesem Zusammenhang, "zu wessen Lasten diese Spannungen gehen würden" und "[...] wie sich unter dem Druck der kapitalistischen Kontrollgewinne die individuellen, kollektiven und institutionellen Kontrollverluste auswirken würden" (Heitmeyer, 2022 b, S. 256).Insbesondere die Langzeitstudie "Deutsche Zustände" zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit hat ergiebiges Daten- und Analysematerial erbracht, welches Heitmeyer in seinen Arbeiten verwendet (Heitmeyer, 2018, S. 28). Das Projekt mit seinen jährlichen repräsentativen Bevölkerungsbefragungen dient dazu, Langzeitverläufe sichtbar zu machen und eignet sich, um das Aufkommen und Erstarken der autoritär nationalradikalen AfD zu beleuchten.Heitmeyer konnte mit Hilfe der Resultate empirisch Zusammenhänge in zwei Richtungen nachweisen: "für die Unterstützung autoritärer Bewegungen sowie Parteien und gegen verschiedene Gruppen in der Gesellschaft (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 55). Je deutlicher man autoritäre Überzeugungen vertritt, desto eher stimme man fremdenfeindlichen und rassistischen Äußerungen zu, abgeschwächt auch Äußerungen zu Antisemitismus, Heterophobie und klassischem Sexismus sowie der These von Etabliertenvorrechten, also sozialer Dominanz in einem Hierarchiengefüge.So kam Heitmeyer auf das oben erwähnte und seither vielzitierte Fünftel der Bevölkerung (19,6%), das Einstellungen zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit hegt und als "Machtmaterial" für autoritäre Bewegungen, Parteien und Regime zur Etablierung und Sicherung von autoritären gesellschaftlichen und politischen Machtstrukturen dienen kann (Schaefer, Mansel & Heitmeyer, 2002, S. 125 f.; Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 56). 2001 formulierte Wilhelm Heitmeyer seinen Ausgangspunkt wie folgt:"Die zu verfolgende These geht davon aus, daß [sic] sich ein autoritärer Kapitalismus herausbildet, der vielfältige Kontrollverluste erzeugt, die auch zu Demokratieentleerungen beitragen, so daß neue autoritäre Versuchungen durch staatliche Kontroll- und Repressionspolitik wie auch rabiater Rechtspopulismus befördert werden" (Heitmeyer, 2001, S. 500).Der sogenannte "autoritäre Kapitalismus" entstand durch eine neoliberale Politik rund um die Jahrtausendwende. Weitreichende ökonomische Kontrollgewinne in einerseits gesellschaftlichen Lebensbereichen über soziale Standards von Verdiensten und soziale Absicherung sowie andererseits über Standortentscheidungen waren zu verzeichnen, ergo übergriffig eindringende Prozesse, sodass nun mehr ökonomische Dominanz als Quelle für Kontrolllosigkeit sowie für Anomie gilt.Diese weitreichenden Kontrollgewinne des Kapitals wurden begleitet von ebenso weitreichenden politischen Kontrollverlusten nationalstaatlicher Politik, verbunden mit sozialen Desintegrationsprozessen von Teilen der Bevölkerung. Diese Auswirkungen blieben auf politischer Ebene allerdings solange wahlpolitisch folgenlos, bis ein entsprechendes politisches Angebot auf den Plan trat. In Deutschland erschien dieses Angebot in Form des autoritären Nationalradikalismus der AfD, besonders anschaulich im Jahr 2015 durch die politisch-kulturelle Krise der Flüchtlingsbewegungen und die Spaltung der AfD auf Bundesebene (Heitmeyer, 2022 a, S. 301; Heitmeyer, 2022 b, S. 261).2018 schreibt Heitmeyer, dass sich dies tatsächlich so ereignet hat und sich empirisch nachweisen lässt: "Ein zunehmend autoritärer Kapitalismus verstärkt soziale Desintegrationsprozesse in westlichen Gesellschaften, erzeugt zerstörerischen Druck auf liberale Demokratien und befördert autoritäre Bewegungen, Parteien und Regime" (Heitmeyer, 2018, S. 23). Nachfolgend werden das Modell des konzentrischen Eskalationskontinuums und das Untersuchungsschema beschrieben. 3.1 Konzentrisches EskalationskontinuumMit dem Schema des konzentrischen Eskalationskontinuums soll dargestellt werden, wie autoritäre Eliten auf Legitimation und Partizipation – unter anderem durch die Bürger:innen - angewiesen sind, zumindest so lange, wie sie ein "formales Demokratiesystem westlicher Prägung" aufrecht erhalten wollen oder auch durch soziale, politische und ökonomische Gegenkräfte dazu genötigt werden.Heitmeyer rückt somit die "[...] Entstehung von Eskalationsdynamiken ins Blickfeld, mit denen die zustimmende oder schweigend duldende Beteiligung von erheblichen Teilen der Bevölkerung zu erfassen ist" (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 43). Das konzentrische Eskalationskontinuum dient dazu, die Wucht rechter Bedrohungsallianzen herauszukristallisieren und soll helfen, Gewalt, Gewaltstadien und deren Ursachen besser verstehen zu können.Betrachtet werden Einstellungen und Verhaltensweisen einzelner unverbunden nebeneinander lebender Personen sowie formelle Mitgliedschaften in politischen Parteien oder Vereinigungen. Dem Eskalationsmodell zugrunde liegt das Milieukonzept. Heute sind nicht mehr zwingend physische Kontakte notwendig, da Milieubildung auch im virtuellen Raum stattfindet. Heitmeyer weist darauf hin, dass in diesem Zusammenhang durch ein entstehendes "Wir"-Gefühl gleichzeitig eine abwertende, diskriminierende und ausgrenzende "Die"-Kategorie mitgeliefert wird.Das Schema stellt im "Zwiebelmodell" fünf Stufen dar, die als Einstellungsmuster der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in Teilen der Bevölkerung zu verstehen sind, die wiederum autoritären Versuchungen nachgeben und somit den Autoritären Nationalradikalismus der AfD in Deutschland, aber auch Fidesz in Ungarn oder der FPÖ in Österreich begünstigen (Heitmeyer, 2022, S. 43). Die jeweiligen eskalierenden Akteur:innengruppen in den Schalen des Modells werden kleiner, während die Gewaltorientierung im Inneren des Modells zunimmt.Als Kernmechanismus und verbindendes Element der Schalen zueinander werden die verschiedenen Legitimationsbrücken genannt. Fürderhin darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Ideologie der Ungleichwertigkeit der kleinste gemeinsame Nenner aller Schichten des Eskalationskontinuums ist. Sie dient als Legitimationsfundus für personen- wie gruppenbezogene Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 20). Abbildung 3: Konzentrisches Eskalationskontinuum (Quelle: eigene Darstellung nach Heitmeyer, 2018, S. 356; Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 59) Nachfolgend werden die Schichten im Spektrum von rechtem Denken bis zum terroristischen Handeln kurz erläutert: Die äußerste Schicht repräsentiert die gesamte Bevölkerung, in der in unterschiedlichem Ausmaß Einstellungen vertreten werden, je nach gesellschaftlicher Debatte, die der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit zugeordnet werden können. Diese Einstellungen in der Bevölkerung stellen individuelle Positionierungen dar, die parteipolitisch gebunden, "freischwebend" sein oder auch zwischen Parteien "vagabundieren" können. Diejenigen Teile der Bevölkerung mit menschenfeindlichen Einstellungen sympathisieren zwar maßgeblich mit der AfD, sind an sie jedoch nicht zwangsläufig gebunden und können auch andere Parteien präferieren und wählen (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 60).Das Milieu des autoritären Nationalradikalismus, insbesondere der AfD, das an diese erste Schicht anschließt, präsentiert und propagiert entsprechende Ausgrenzungsstrategien und konstruierte Feindbilder. Die AfD "saugt" die jeweiligen individuellen Einstellungen in der Bevölkerung auf und verdichtet sie zu kollektiven Aussagen, die sie dann wiederum auf die politische Agenda setzt. Sie konzentriert also potenzielle menschenfeindliche Einstellungen in der Bevölkerung, die bereits im Vorfeld durch andere Bewegungen, wie beispielsweise Pegida, verdichtet wurden und bildet für sie den parlamentarischen Arm.Ein weiteres Kennzeichen dieses Milieus ist eine gewisse ideologische Heterogenität, da die Einstellungen von "[...] rechtskonservativen bis hin zu "Übergangspositionen" in das systemfeindliche Milieu des völkischen "Flügels" der AfD" reichen" (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 62). Zudem bemüht sich die AfD um den Anstrich einer "bürgerlichen" Partei, um anschlussfähig an die Mitte der Gesellschaft zu sein.Im systemfeindlichen Milieu ist man parteipolitisch eindeutig im rechtsextremen Milieu verortet, Bezug genommen wird etwa auf die NPD, was auch für die extremistisch-modernistische Identitäre Bewegung gilt. Gemeint sind also rechtsextremistische Bewegungen und neonazistische Kameradschaften, die sich an einschlägigen historischen Vorbildern orientieren. Die gemeinsame Grundlage stellt die Ideologie der Ungleichwertigkeit dar. In diesem Milieu sind bereits Gewaltattitüden verbreitet, Gewalt wird akzeptiert und zur Ausübung ist man situativ bereit (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 62). Jedoch lässt man sich in Form von Parteien durchaus darauf ein, vorübergehend am demokratischen System teilzunehmen.An staatliche Vorgaben passt man sich nur aus strategischen Überlegungen an, indem beispielsweise Demonstrationen angemeldet werden; zugleich ist "Systemüberwindung" das zentrale Ziel: "In der "Parteifantasie" arbeitet man auf den "Volksaufstand" hin, mit dem die Vergangenheit wiederhergestellt werden soll. Es ist ein offener und weitgehend öffentlicher Kampf gegen das verhasste System" (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 64).Diese wenn auch nur vorübergehende Teilnahme am demokratischen System gilt als wesentlicher Unterschied zur vorletzten Schicht, dem klandestinen terroristischen Planungs- und Unterstützungsmilieu. Es schließt jegliche Teilnahme am demokratischen System aus und fasst jede partielle und temporäre Teilnahme als Verrat an der Bewegung auf (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 64). Dieses Milieu gilt als noch radikaler und agiert im Geheimen, oft mit eindeutiger Gewaltoption oder Gewalttätigkeit. Ziel ist der "Umsturz", wenn nötig mit Waffengewalt, weshalb dieser verdeckte Kampf auch aus dem Untergrund unterstützt wird – hier weist Heitmeyer auf die hohe Zahl untergetauchter rechtsextremistischer Straftäter:innen als aufschlussreiches Indiz hin (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 64).Den Kern der "Zwiebel" stellen terroristische Zellen oder Einzeltäter:innen dar. Den Unterschied zur vorherigen Eskalationsstufe stellt das alleinige Merkmal des "Grad(s) der Klandestinität und Vernichtungsrealisierung" dar: "Die einen führen zum Schein noch ein "normales" Alltagsleben, die anderen eine Existenz im Untergrund. Sie beschaffen Waffen, erstellen Todeslisten und bereiten sich auf den Tag X vor. Die einen planen die Vernichtungstaten, die anderen setzen sie um" (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 64).Die fünf Schichten des konzentrischen Eskalationskontinuums werden durch sogenannte "Legitimationsbrücken" zusammengehalten. Diese können dann entstehen, wenn es für gesellschaftliche Entwicklungen keine Lösungen zu geben scheint. Die Entwicklungen werden als Bedrohungen empfunden, für die die "Anderen", beispielsweise Geflüchtete oder Menschen mit anderen Lebensstilen, oder "die da oben", ergo der Staat als Ganzes, demokratische Institutionen oder demokratisch gewählte Entscheidungsträger:innen, verantwortlich gemacht werden. Diese kollektiven Schuldzuweisungen aus Teilen der Bevölkerung können sich dann in gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit übersetzen.Zum anderen können sich die Legitimationen aus Verschwörungsideologien, aus Anleihen bei gesellschaftlichen Ordnungen oder historischen ideologischen Konzepten, wie dem Regime des Nationalsozialismus, dessen Ordnung wiederhergestellt werden soll, ergeben. Diese beispielhaft aufgezeigten Legitimationsquellen werden dann im Eskalationskontinuum von den äußeren Schichten weiter nach innen "transportiert (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 65). Heitmeyer hat vier solcher Legitimationsbrücken jeweils zwischen den Stufen bestimmt, wie die folgende Abbildung zeigt:Abbildung 4: Legitimationsbrücken im Eskalationskontinuum (Quelle: eigene Darstellung nach Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 67)1. Das Einstellungsmuster gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Teilen der Bevölkerung stellt den Ausgangspunkt dar. Es dient dem autoritären Nationalradikalismus der AfD als Legitimation, entsprechende Feindbilder aufzubauen und zuzuspitzen. Wichtig anzumerken ist, dass auch Menschen mit diesen Einstellungen, die nicht die AfD wählen oder mit ihr sympathisieren, zu diesem Legitimationsfundus beitragen. Sie bestimmen das gesellschaftliche Klima mit, aus dem die AfD ihre politische Legitimation "saugt" (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 66 f.).2. Führende Vertreter:innen des autoritären Nationalradikalismus der AfD machen von einer "Gewaltmembran" Gebrauch, was bedeutet, dass eine aggressive Rhetorik die trennende Membran zur nächsten Stufe in gewissen Fällen durchdringen kann und den Weg freilegt für autoritär nationalradikale Bewegungen mit weiteren Aufheizungen – psychische Gewaltandrohungen können von gewalttätigen Akteur:innen in physische Gewalt umgesetzt werden, "[...] ohne dass diese Gewalt den sprachlichen Urhebern und Legitimationsbeschaffern direkt zuzurechnen wäre" (Heitmeyer, 2018, S. 271). Durch diese Gewaltmembran werden dem systemfeindlichen Milieu Motive für entsprechende Gewalt geliefert. Zur aggressiven Rhetorik zählen beispielsweise Erzählungen von einem "Bevölkerungsaustausch", Parolen wie "Corona-Diktatur" oder das Beschwören von Untergangsszenarien von Führungskräften der AfD. Auch das Propagieren einer Reinterpretation der deutschen Geschichte insbesondere seitens des völkischen "Flügels" der AfD durch Begriffe wie "Umvolkung" bringt die Gewaltmembran zum Schwingen. Diese Rhetoriken und Untergangsfantasien erzeugen Handlungsdruck (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 67 f.).3. Das systemfeindliche Milieu ist geprägt von verschiedenen Akteur:innen, die sich auf der Schwelle zur Legitimation offener Gewalt gegen Vertreter:innen des Staates und gegen Minderheiten bewegen. Heitmeyer führt als Beispiel die Partei "Die Rechte" an, die den klandestinen terroristischen Planungsmilieus Motivation und Legitimation liefert (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 68).4. Im letzten Schritt stehen die klandestinen Planungsmilieus. Diese errichten im Gegensatz zu den vorherigen Eskalationsstufen keine zusätzlichen ideologischen Legitimationsbrücken. Ihr Ziel sind die "Brücken zur Tat" und das Abschirmen terroristischer Akteur:innen gegen staatliche Verfolgung (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 68).Hieraus resultiert die Schlussfolgerung, dass über verschiedene, eskalierende Stufen jene Teile der Bevölkerung, die explizite autoritäre Einstellungen oder Einstellungen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit aufweisen, an politischer Gewalt beteiligt sind; nicht zwangsläufig als Täter:innen im juristischen Sinne, aber als Gehilf:innen und Legitimationshelfer:innen, wie das konzentrische Eskalationskontinuum anschaulich darstellt (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 43). Das Modell des konzentrischen Eskalationskontinuums wird in Kapitel 6 in Bezug auf das Auftreten der AfD näher erläutert und an Beispielen untersucht.3.2 Analyseschema2018 hat Heitmeyer ein weiteres Analyseschema eingeführt. Ausgangspunkt für dieses soziologische Analysekonzept ist die Thematik, dass allein das Vorhandensein von autoritären Versuchungen in Teilen der Bevölkerung nicht ausreicht, um die entsprechenden Inhalte dann auch umgesetzt zu sehen. Hierzu ist es notwendig, dass diese Einstellungen in der Bevölkerung zusammen mit autoritären politischen Angeboten wirken. Insofern, formuliert Heitmeyer, "[...] wäre es zu kurz gegriffen, die Entstehung von autoritären Versuchungen nur aus Fehlentwicklungen des politischen Systems erklären zu wollen" (2018, S. 21).Die erste Ebene des Analyseschemas bildet Interdependenzen zwischen dem ökonomischen, sozialen und politischen Bereich ab. Diese sind als strukturelle Entwicklungen gekennzeichnet. Die unter "individuelle Verarbeitung" genannten Punkte sind von großer Bedeutung. Zentral ist hier, wie diese Erfahrungen bzw. Wahrnehmungen der ersten Ebene seitens der Bevölkerung subjektiv und individuell verarbeitet werden. Die individuellen Verarbeitungsmechanismen werden nach der Konzeption von Heitmeyer durch die "gesellschaftliche Integrations- und Desintegrationsdynamik" geprägt. Hierfür sind die folgenden Faktoren und Fragen von besonderer Bedeutung:"Sicherheit oder Unsicherheit der materiellen Reproduktion, der Anerkennung, des Statusaufstiegs, der Statussicherung bzw. des Statusabstieges, und ein Gefühl der Kontrolle über die eigene Biografie.Wird die eigene Stimme bzw. die Stimme der sozialen, ethnischen oder religiösen Gruppe, der Personen sich zugehörig fühlen, von den Regierenden wahrgenommen oder vielmehr ignoriert?Verlässlichkeit oder Erosion sozialer Beziehungen und Anerkennung der eigenen Identität bzw. der Identität der eigenen Gruppe durch Dritte, um emotionale Zugehörigkeit zu sichern" (Heitmeyer, 2018, S. 22).Zentral in Heitmeyers Analyse sind der Kontrollverluste und die Defizite in der Wahrnehmung sowie der subjektive Begriff der Anerkennung. Diese Verarbeitungen haben Auswirkungen auf die Integrations- und Desintegrationsprozesse bzw. auf Anerkennungsverhältnisse, aus welchen im letzten Schritt politische Konsequenzen, also politische Handlungsfolgen, resultieren.Essenziell ist an dieser Stelle die Tatsache, dass die individuellen Verarbeitungen auch als Grund dafür angeführt werden können, weshalb nicht alle Teile der Bevölkerung, die unter einer Art von Desintegrationsdynamik leiden, zwangsläufig für autoritäre Versuchungen anfällig sind und sich wahlpolitisch entsprechend verhalten. Von einer Krisenfolge betroffen zu sein, hat also nicht zwangsläufig das Annehmen eines autoritär nationalradikalen Angebots zur Folge (Heitmeyer, 2022 b, S. 269).Auch die autoritären Bewegungen, Parteien und Regime weisen autoritäre Versuchungen auf, die zu entsprechenden Einstellungen und Entscheidungen führen, die das gesellschaftliche Zusammenleben beeinflussen, da sie Bezug auf die ökonomischen, sozialen und politischen Systeme nehmen (Heitmeyer, 2018, S. 21 f.). Dieses Schema wurde von Heitmeyer mit diversen theoretischen Ansätzen angelegt und ausgefüllt mit empirischen Daten (Heitmeyer, 2022 b, S. 252).Das Theoriegeflecht aus mehreren sich ergänzenden disziplinären Zugängen besteht aus der Theorie Sozialer Desintegration von Anhut & Heitmeyer, der Konflikttheorie von Hirschman, der Theorie kapitalistischer Landnahme von Dörre, der Anomietheorie von Thome und dem kontrolltheoretischen Ansatz aus der Sozialpsychologie von Frey & Jonas. Die für das Analysekonzept wichtigsten Charakteristiken dieser Theorien werden in Heitmeyer 2018 und 2022 b ausführlich erklärt. Die genauere Betrachtung dieser Theorien würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen, weshalb darauf an dieser Stelle verzichtet wird.Abbildung 5: Analyseschema (Quelle: eigene Darstellung nach Heitmeyer, 2018, S. 21)Erfolge rechter Parteien und Bewegungen wären demnach nicht möglich gewesen ohne bestimmte Entwicklungen im sozialen System der Gesellschaft, im politischen System der Demokratie und im ökonomischen System des globalisierten Kapitalismus (Heitmeyer, 2018, S. 16). Durch das vorliegende Analyseschema soll verdeutlicht werden, wie autoritärer Kapitalismus in Zusammenwirken mit sozialen Desintegrationsprozessen und politischer Demokratieentleerung als "Ursachenmuster für die Realisierung autoritärer Sehnsüchte" fungiert (Heitmeyer, 2018, S. 16 f.).Demokratieentleerung meint, dass ein Teil der Bevölkerung das Gefühl hat, nicht mehr wahrgenommen zu werden und gleichzeitig das Vertrauen schwindet, dass die herrschende Politik bzw. die Regierung willens und fähig ist, soziale Ungleichheit zu bekämpfen. Dies mündet bei Teilen der Bevölkerung in ein Gefühl, Bürger:innen zweiter Klasse zu sein (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 48). Heitmeyer hat 2022 das Analyseschema ergänzt; die Komponenten Krisen und Kontrollverluste wurden entsprechend ausdifferenziert (siehe Abbildung 6). Im Folgenden werden Krisen und Kontrollverluste als besondere Treiber autoritärer Entwicklungen und die dahingehende Erweiterung des Analyseschemas beleuchtet.4. Krisen und Kontrollverluste als Treiber autoritärer EntwicklungenEine Krise wird von Frankenberg & Heitmeyer durch drei Charakteristika definiert. Die bisherigen sozialen, ökonomischen und politischen Routinen zur Bewältigung von Ereignissen greifen nicht mehr und die bis dato vorhandenen Wissensbestände zur Problemlösung reichen nicht aus. Zusätzlich sind die Zustände, wie sie vor diesen Ereignissen herrschten, nicht wieder herstellbar. Darüber hinaus konkurrieren in solch krisenhaften Situationen verschiedene Möglichkeiten zu ihrer Bewältigung, was wiederum anomische Verhaltensunsicherheiten erzeugt (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 45).Die Kombination der drei Kriterien legt nahe, dass "Situationen mit notstandsähnlichem Zuschnitt" mit der Erfahrung von Kontrollverlusten verflochten sind (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 45; Heitmeyer, 2023, S. 253). Insofern verwundert die Tatsache nicht, wenn die These vertreten wird, dass krisenhaft zugespitzte Entwicklungen und Ereignisse nicht allein, jedoch in besonderem Maße als Treiber und Pfade des Autoritären sowie rechtsextremer Aktivitäten zählen (Heitmeyer, 2022 b, S. 251).Von autoritären Regimen wird in Krisen oder notstandsähnlichen Situationen erwartet, dass sie Sicherheit und die Wiedergewinnung der Kontrolle gewährleisten können (2022, S. 44 f.). Zudem werden die Ereignisse von der Bevölkerung individuell je nach Betroffenheit und auch Resilienz unterschiedlich bearbeitet. Diese Verarbeitung wiederum wird unterschiedlich intensiv und nachhaltig in individuelle Befürchtungen sowie kollektive Ängste übertragen. Somit dienen sie dazu, Vorstellungen von Entsicherungen und Kontrollverlusten zu erzeugen, die sich identifizieren lassen als Treiber autoritärer Bestrebungen (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 45 f.).Eine weitere wichtige Unterscheidung in der Konzeption von Krise ist die Unterteilung in zwei Typen von Krise. Der erste Typus, sektorale Krisen, erfasst unterschiedliche Lebensbereiche und Funktionssysteme einer Gesellschaft schlagartig und mit massiven "Funktionsstörungen". Dazu gehören ein zeitlich entzerrtes Auftreten sowie die Lokalisierung in unterschiedlichen Teilbereichen der Gesellschaft. Zudem gab es verschiedene Instrumente, um diese Funktionsstörungen einzudämmen und gravierendere Auswirkungen zu verhindern.In der "Post-9/11"-Ära, in den sogenannten "entsicherten Jahrzehnten" seit Beginn des 21. Jahrhunderts, werden nach Heitmeyer vor allem drei – mit 9/11 als religiös-politische Krise vier - verschärfte Gefahrenlagen als sektorale Krisen identifiziert. Dazu zählt ab 2005 die Einführung von Hartz IV als eine sektorale, soziale Krise für gewisse Teile der Bevölkerung, die mit Statusängsten oder auch mit sozialem Abstieg konfrontiert waren. Weiter ist ab 2008/2009 die weltweite Banken- und Finanzkrise zu nennen, die die "systemrelevante" Finanzökonomie ins Wanken brachte mit Ausstrahlungseffekten auf das Gesamtsystem als ökonomisch-politische Krise. Fürderhin wird die sogenannte "Flüchtlingskrise" 2015/2016 als sozial-kulturelle bzw. kulturell-politische Krise angesehen, die das politisch-administrative System prägte (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 46; Heitmeyer, 2022 b, S. 255).Der zweite Typus bezieht sich auf systemische Krisen. Sie erfassen das gesamte Gesellschaftssystem in sich zuspitzenden Gefahrenlagen. Als langsame bzw. schleichende systemische Krise kann die Klimakrise angesehen werden, als "schnelle" systemische Krise die COVID-19 Pandemie. Hier werden die Potenziale für autoritäre Entwicklungen besonders offen sichtbar, da zahlreiche "Einhegungsinstrumente" nicht greifen, wodurch politische, individuell-biografische und kollektive Kontrollverluste auftreten, die politisch instrumentalisiert und mit Verschwörungstheorien und Wahnvorstellungen verbunden werden können (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 46 f.). Krisen lösen je nach Gefahrenlage individuelle und kollektive Befürchtungen aus, die sich in der Vorstellung einer "kollektiven Hilflosigkeit" verdichten können.In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach Krisenängsten, ob und wie sie zu Treibern autoritärer Entwicklungen werden können. Ängste, unabhängig davon, ob eingebildet oder realistisch, ob auf Wissen oder Unwissen beruhend, lassen sich schwerlich von einer politischen Klasse, von Unternehmen oder dem freien Markt abfangen. Je mehr sich Gefahrenlagen häufen und sich Wahrnehmungen von Kontrollverlusten sowie Unsicherheiten ausbreiten, fallen auch Rechtsprechung und Verfassung als Orientierungsmedien aus und auch Wissenschaften können diese nicht mit der Lieferung von Begleitgewissheit neutralisieren.In solchen Situationen "[...] mutieren selbst Realängste, die vor greifbaren, konkreten Gefahren warnen, zu frei flottierenden, allfälligen Befürchtungen, die jede Risikoeinschätzung verhindern und irrationale Rettungsbedürfnisse wecken" (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 53). Diese Situationen können dann von autoritären Bewegungen, Organisationen und Regimen ausgebeutet werden, indem zunächst Ängste geschürt und im zweiten Schritt die Anhänger:innen mit wahnhaften Rettungsphantasien "versorgt" werden. Alexander Gaulands Aussage, "Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen", liefert ein entsprechendes prominentes Beispiel für das Versprechen, die Kontrolle wieder herzustellen (Reuters Staff, 2017; Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 53; Nickschas, 2023).Eine Annahme von Heitmeyer & Heyder lautet hier, dass die Faktoren der Standortlosigkeit und Kontrollverluste Autoritarismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bestärken. Eine Variante zur Wiederherstellung von Stabilität stellt die Demonstration von Überlegenheit dar, die durch autoritäre Aggression ausgeübt werden kann. Um wirklich Überlegenheit demonstrieren zu können, muss diese möglichst risikoarm sein; dies ist dann gegeben, wenn besonders schwache, machtlose Gruppen als Gegner:innen ausgewählt werden (Heitmeyer & Heyder, 2002, S. 62). Empirisch stehen Abstiegsängste in einem signifikanten Zusammenhang mit einerseits Kontrollverlust-Situationen und andererseits der Abwertung schwacher Gruppen:"Wenn jemandem das eigene Leben außer Kontrolle gerät (oder zu geraten scheint), kann das Panik erzeugen. Zur Panikbekämpfung erfolgt dann eine Selbstaufwertung, die gleichzeitig die Abwertung von ungleichwertig markierten Gruppen bedeutet (Flüchtlinge, Migranten, Langzeitarbeitslose etc.)" (Heitmeyer, 2018, S. 109).Die individuellen Verarbeitungsmuster von Krisen und (gefühlten) Kontrollverlusten lassen sich durch entsprechende autoritäre Angebote von "rechtspopulistischen Mobilisierungsexperten" – mittels scharf konturierter Feindbilder und Kontrollversprechen - politisch aufladen und bedienen zur vermeintlichen "Wiederherstellung von Ordnung" (Heitmeyer, 2018, S. 106).2022 stützt Heitmeyer also die oben erwähnte These von Krisen als besondere Treiber autoritärer Entwicklungen und rechtsextremer Aktivitäten, indem er formuliert, dass der Blick auf Veränderungen in Richtung autoritärer Entwicklungen in gesellschaftlichen und politischen Verläufen geweitet werden soll, die unter verstärktem Einfluss zeitlich verdichteter Krisen stattfinden (Heitmeyer, 2022 b, S. 251). Das soziologische Analysekonzept von 2018 wird entsprechend angepasst um die zwei zentralen Eskalationstreiber Krisen und Kontrollverluste bzw. "Kontrollverluste als Krisenfolgen" (siehe Abbildung 6).Dies geht aus der Abbildung insofern deutlich hervor, als in die Strukturentwicklungen der ökonomischen, sozialen und politischen Dimension "[...] verschiedene Krisen mit unterschiedlichen Auswirkungen "hineingewirkt" und Einfluss genommen haben auf die individuellen psychologischen und sozialen Verarbeitungen, die wiederum mit Kontrollverlusten durchsetzt waren – immer auch je nach Krisenbetroffenheit" (Heitmeyer, 2022 b, S. 252 f.). Hierdurch entstanden durch das generelle Bedürfnis nach Realitätskontrolle Handlungsoptionen, die mehrfach variieren und auch autoritäre Versuchungen bzw. Gefahren beinhalten können.Abbildung 6: Analyseschema, erweitert und angepasst (Quelle: eigene Darstellung nach Heitmeyer, 2018, S. 21; Heitmeyer, 2022 b, S. 254)Fürderhin ist anzufügen, dass sich Kontrollverluste in Krisen verschiedenartig ausdrücken und sich Verhaltensmöglichkeiten zur Realitätskontrolle, also zur Lösung von Problemen, massiv verengen, insbesondere in systemischen Krisen. Individuelle Suchbewegungen setzen ein, um das grundlegende Bedürfnis nach Realitätskontrolle zu befriedigen. Diese Suchbewegungen schließen politische Suchbewegungen nach autoritären Akteur:innen mit ein, die die Wiederherstellung von Kontrolle durch Reduktion der Krisenkomplexität versprechen (Heitmeyer, 2022 b, S. 256).Krisen und Kontrollverluste treten daher als Treiber autoritärer politischer sowie gesellschaftlicher Entwicklungspfade in Erscheinung, da indes eine kritische Masse entstanden ist, die nicht mehr in der Lage ist, ihr zentrale Bedürfnis nach Realitätskontrolle im "bisher gewohnten Maße" zu realisieren. Genau das bieten autoritäre Akteur:innen im Gegensatz zur abnehmenden Kapazität liberaler Demokratien, geeignete Lösungen schnell zu finden und die Kontrolle wiederherzustellen (Heitmeyer, 2022 b, S. 257). Zudem ist diese versprochene Wiederherstellung keine Wiederherstellung des vorhergehenden Prä-Krisenzustandes, "[...] sondern eine autoritäre Veränderung von Kontrolle und damit auch veränderte ökonomische, soziale, kulturelle und politische Verhältnisse" (Heitmeyer, 2022 b, S. 257).Als Indiz sieht Heitmeyer zwei Mechanismen, die besonders hervorstechen: Einerseits die Ambivalenz, dass zahllose Widersprüche zunehmen, und andererseits die Ambiguität, dass zunehmende Komplexität von modernen Gesellschaften gepaart sind mit uneindeutigen Situationen und Zukünften. Ambivalenz- und Ambiguitätstoleranz kristallisieren sich also als unabdingbar heraus, um autoritären Versuchungen nicht nachzugeben."Denn wenn Sitationen [sic] oder auch die Anwesenheit von fremden Menschen als unberechenbar oder unkontrollierbar wahrgenommen werden, dann reagieren Personen, deren Ambiguitätstoleranz niedrig ist, mit vereinfachten Weltsichten oder Stereotypen, um wieder Ordnung, Struktur und Kontrolle zu erreichen" (Heitmeyer, 2018, S. 80).Hinzu tritt das Verschwimmen von gesellschaftlichen Koordinaten, die eigentlich als Vergewisserungen der jeweils eigenen Position in der Gesellschaft dienen, welches die Suchbewegungen nach politischen Akteur:innen aktiviert, die vorgeben, Widersprüche zu lösen, Unklarheiten in Klarheiten verwandeln und Kontrolle wiederherzustellen versprechen (Heitmeyer, 2018, S. 109 ff.; Heitmeyer, 2022 b, S. 258 f.).Hieraus könnte die Folgerung gezogen werden, dass das Potenzial von autoritären Versuchungen in der Moderne angelegt sei: "Ambivalenzen und Ambiguitäten als Grundparadigma der Moderne entfalten unter dem Druck von Krisen und damit verbundenen Kontrollverlusten eine neue Wucht, die ins Autoritäre drängt" (Heitmeyer, 2022 b, S. 259). Beispielsweise ist die erwähnte "Entweder-Oder" Logik im Vergleich zu "Mehr-oder-weniger" darauf angelegt, Ambivalenzen und Ambiguitäten zu beseitigen. "Das Autoritäre dient dann als Strategie zur Reduzierung von ökonomischer, sozialer und politischer Komplexität – und gleichzeitig von Freiheitsräumen" (Heitmeyer, 2022 b, S. 259).Heitmeyers Analysen zeigen, dass die Fähigkeiten zum Aushalten von Ambiguitäten und zum Umgang mit Ambivalenzen über zukünftige soziale, politische und ökonomische Entwicklungspfade in Teilen der Bevölkerung abnehmen. Dies ist passgenau für das Angebot vonseiten der autoritär-nationalradikalen Akteur:innen mit ihren dichotomischen Welt- und Gesellschaftsbildern (siehe Kapitel 2.2); das Angebot eignet sich hervorragend für mobilisierende Ideologien und rhetorische Eskalation (Heitmeyer, 2018, S. 246 f.).Erfolge rechter Parteien und Bewegungen wären demnach also nicht möglich gewesen ohne bestimmte Entwicklungen im sozialen System der Gesellschaft, im politischen System der Demokratie und im ökonomischen System des globalisierten Kapitalismus (Heitmeyer, 2018, S. 16). Konkreter ist es das Zusammenwirken eines autoritären Kapitalismus, sozialer Desintegrationsprozesse und politischer Demokratieentleerung als Ursachenmuster für die "Realisierung autoritärer Sehnsüchte" (Heitmeyer, 2018, S. 17).5. Die Partei "Alternative für Deutschland"Mit der inhaltlichen Neuausrichtung der vormals liberal-konservativen, eurokritischen Partei ab 2015 sowie mit dem immer weiter um sich greifenden Einfluss von rechtsextremistischen Akteur:innen innerhalb der AfD hält Heitmeyer es nicht mehr für angemessen, die AfD als rechtspopulistisch zu "verharmlosen", noch die Partei als vollständig rechtsextrem oder neonazistisch zu bezeichnen (Heitmeyer, 2022 a, S. 302; Heitmeyer, 2022 b, S. 265 f.; Heitmeyer & Piorkowski, 2023). Mit der herkömmlichen Typologie sei die AfD, als Typ einer neuen Partei, nicht zu beschreiben. Ebenso reichen die bisherigen Begriffe und Kategorien nicht aus, um "analytische Klarheit" über Zustand und Entwicklung der AfD zu gewinnen (Heitmeyer, 2018, S. 233).Seit dieser Neuausrichtung zieht die AfD Teile der Bevölkerung an, die unter den oben beschriebenen Krisen Kontrollverluste wahrnehmen oder empfinden und eine Wiedererlangung der Kontrolle forcieren. Das Autoritäre ist dann ein Weg zur Realitätskontrolle. Insofern lässt sich deutlich machen, dass die AfD nicht der Grund für die Entstehung von autoritären Versuchungen in der Bevölkerung ist. Diese autoritären Einstellungsmuster "schlummern" in Teilen der Bevölkerung bereits über einen längeren Zeitraum als Gefahrenpotenzial für die offene Gesellschaft (Heitmeyer, 2018, S. 113):"Ein Zwischenfazit zum Zusammenwirken von strukturellen Entsicherungen und individuellen Verunsicherungen zeigt, dass aufgrund der Krisen und ihrer Verarbeitungen, aufgrund von veränderten Lebensumständen und von Verschiebungen der gesellschaftlichen Koordinaten in entsicherten Zeiten bei Teilen der Bevölkerung ein erheblicher "Vorrat" an gruppenbezogen-menschenfeindlichen Einstellungen existiert, an die autoritäre politische Akteure bloß noch anzuknüpfen brauchten" (Heitmeyer, 2018, S. 117).Dies bedeutet, dass die Erfolgsvoraussetzungen des autoritären Nationalradikalismus der AfD eine längere Vorgeschichte haben, die in den letzten Jahrzehnten geformt und vorangetrieben wurden durch neue Entwicklungen des kapitalistischen Systems. Die Wähler:innen der AfD waren zuvor Wechselwähler:innen oder wählten gar nicht (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 115). Sie verharrten dann in "wutgetränkter Apathie", was folgenlos blieb für die Politik, da diese Teile der Bevölkerung keinen wahlpolitischen Ausdruck fanden.Dieser in der Bevölkerung existierende Autoritarismus, der laut Heitmeyer "[...] vagabundierte, mal auf diese, mal auf jene im Bundestag vertretene Partei setzte oder aber gar nicht offen zutage trat, sondern in der politischen Apathie verharrte [...]" (2018, S. 237), hat durch das Aufkommen der Partei "Alternative für Deutschland" und ihren autoritären Nationalradikalismus ein neues politisches "Ortsangebot" bekommen. Hinsichtlich des oben beschriebenen Zwischenfazits lässt sich konstatieren, dass es der AfD offensichtlich gelungen ist, "[...] Personen aus ihrer individuellen Ohnmacht herauszuholen und mit kollektiven Machtfantasien auszustatten. Dazu gehört es auch, gruppenbezogen-menschenfeindliche Einstellungen zu kanalisieren und gegen schwache Gruppen zu richten" (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 116).In diesen Prozessen ist die Ideologie der Ungleichwertig eingelagert und wird genutzt, um sich selbst aufzuwerten durch Abwertung und Ausgrenzung der vermeintlich "Anderen". Für die sogenannte "rohe Bürgerlichkeit" entstehen neue Anschlussmöglichkeiten. Unter diesem Begriff verbirgt sich keine soziale Klassenzugehörigkeit, sondern es handelt sich um eine verachtende Haltung gegenüber Schwächeren, geäußert in einer rabiaten Rhetorik und gepaart mit einer Ideologie, in der bestimmte Gruppen als ungleichwertig angesehen werden, während sich die eigentlichen autoritären Haltungen hinter einer dünnen Schicht zivilisiert-vornehmen, also bürgerlichen äußeren Umgangsformen, verbergen (Heitmeyer, 2018, S. 310; Heitmeyer, 2022 b, S. 273).6. Der autoritäre Nationalradikalismus der AfDSo folgert Heitmeyer, dass die AfD vorrangig für jenes Publikum attraktiv ist, "[...] das sich einerseits von den flachen Sprüchen rechtspopulistischer Akteure, die nur auf schnelle Erregungszustände fixiert sind, nichts verspricht, und sich andererseits von der Brutalität des Rechtsextremismus distanziert, um seine Bürgerlichkeit zu unterstreichen" (Heitmeyer, 2018, S. 235). Er weist zurecht auf ihre "bürgerliche Patina" hin, die die AfD für viele gesellschaftliche Gruppen wählbar macht (Heitmeyer & Piorkowski, 2023).Vor diesem Hintergrund überrascht der empirische Befund nicht, dass die bereits benannten 19,6 % der Bevölkerung mit Einstellungen zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sich selbst in der "politischen Mitte" einordnet, weshalb sich die "bürgerliche Patina" für die AfD als unentbehrlich erweist (Schaefer, Mansel & Heitmeyer, 2002, S. 132 f.).Die neue begriffliche Rahmung dient dazu, unterschiedliche inhaltliche und formale Ebenen zusammenzufassen, wie prägende Einstellungsmuster, der Mobilisierungsstil sowie zentrale programmatische Aussagen zu "bewegenden Themen" (Heitmeyer, 2018, S. 234). Daher ordnet Heitmeyer die AfD als autoritäre nationalradikale Partei ein, die gleichzeitig als Kern des autoritären Nationalradikalismus in Deutschland fungiert. Im Folgenden wird das Agieren der Partei als Protagonistin des autoritären Nationalradikalismus anhand der in Kapitel 2.4 erklärten Charakteristika erläutert:Als autoritär wird sie charakterisiert, da das Kontrollparadigma grundsätzlich ihre Vorstellungen von Politik sowie Gesellschaft durchzieht. Beispiele sind Forderungen nach einer streng hierarchisch organisierten sozialen Ordnung sowie nach rigider Führung in politischen Institutionen. Auch beruht das Verständnis von Politik und Gesellschaft wesentlich auf den Kategorien "Kampf und Konflikt", womit dichotomische Gesellschaftsbilder und strenge Freund-Feind-Schemata einhergehen (Heitmeyer, 2018, S. 234).Als national wird sie aufgrund der "[...] Betonung der außerordentlichen Stellung des deutschen Volkes" bezeichnet (Heitmeyer, 2018, S. 234). Hinzu kommt auch die Beanspruchung einer "neuen deutschen" Vergangenheitsdeutung sowie eines Überlegenheitsanspruchs gegenüber anderen Nationen oder ethnischen und religiösen Gruppen (Heitmeyer, 2018, S. 235).Das radikale Moment liegt in der Bekämpfung der offenen Gesellschaft und dem Ziel, die liberale Demokratie grundlegend umzubauen. Somit positioniert sich die Partei gegen zwei zentrale politisch-gesellschaftliche Errungenschaften. Hierzu dient ein rabiater und emotionalisierter Mobilisierungsstil der AfD, der mit menschenfeindlichen Grenzüberschreitungen arbeitet (Heitmeyer, 2018, S. 235).Die AfD hat die Destabilisierung gesellschaftlicher und politischer Institutionen zum Ziel, was entscheidend für die Erfolgsgeschichte der Partei ist, es geht um Militär, Polizei, Gerichte, Gewerkschaften, Rundfunkräte, politische Bildung, Theater oder auch Feuerwehrverbände (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 107). Hierin besteht nach Heitmeyer die eigentliche Gefahr. Das Fiasko rund um die Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen 2020 zeigt, dass mittlerweile auch das parlamentarische System von der forcierten Destabilisierung betroffen ist (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 107). Der autoritäre Nationalradikalismus der AfD und das Agieren der Partei soll im folgenden exemplarisch an zwei Krisen der vergangenen Jahre behandelt werden.Die Fluchtbewegungen ab 2015 bezeichnete Alexander Gauland als "Geschenk" für seine Partei, die AfD (Decker, 2022). In der Tat diente sie AfD und PEGIDA, um Personen, die vorrangig unter Anerkennungsdefiziten litten, mittels dichotomischer Weltbilder und der Emotionalisierung sozial-kultureller Probleme zu instrumentalisieren. Der anhaltende Erfolgsmechanismus von Parteien und Bewegungen wie AfD und PEGIDA besteht demnach darin, Anerkennungsprobleme zu bearbeiten und so Selbstwirksamkeit erfahren zu lassen. Als (potenzielle) Wähler:in würde man wahrgenommen werden und dies ließ Handlungsbereitschaften entstehen, die einerseits autoritäre Ausrichtungen entwickelten und andererseits themengebunden immer wieder neu aktiviert werden können (Heitmeyer, 2022 b, S. 275). Dies ist bei dem bereits genannten "Entweder-Oder"-Mechanismus der Fall, da es um "Alles" geht und Kompromisse von vornherein ausschließt.Weiter führt Heitmeyer aus, dass die Verbindungen von einem systemischen Krisentypus, wie beispielsweise der COVID-19-Pandemie, mit einer "Entweder-Oder"-Konfliktstruktur gesellschaftliche Entwicklungen begünstigen, die zwar nicht die Gesellschaft spalten, jedoch asymmetrisch polarisieren zwischen einer Bevölkerungsmehrheit und einer Minderheit (Beispiel: Geimpfte vs. Impfgegner:innen). In solchen Konstellationen enthüllt sich das Zusammenwirken und gemeinsame Auftreten der aufgeführten Mechanismen als äußerst gewaltanfällig (Heitmeyer, 2022 b, S. 275 f.).Im Jahr 2015 war der "Kampf um die Opferrolle" ein zentraler Mechanismus der AfD, um die Mobilisierung gegenüber Geflüchteten und staatlicher sowie gesellschaftlicher Integrationspolitik voranzubringen. Entsprechend entstanden Kampfbegriffe wie "Umvolkung" oder das Propagieren des "Untergangs der deutschen Kultur". Die Opferrolle kann nach Heitmeyer als Schlüsselkategorie interpretiert werden, "[...] denn wer [sich] in der öffentlichen Wahrnehmung glaubhaft als Opfer darstellen kann, schafft damit eine zentrale "moralgetränkte" Kategorie, um Widerstand als Notwehrrecht einschließlich Gewalt zu legitimieren" (Heitmeyer, 2022 b, S. 266). Insofern gilt der Opferstatus als eines der wichtigsten Instrumente, um Anhänger:innen an sich zu binden.Im Verlauf der COVID-19-Pandemie verkehren sich die Verhältnisse in den digitalen Medien, auf radikalisierten Demonstrationen und in der öffentlichen Debatte, was auch darauf zurückzuführen ist, dass der Mechanismus einer veränderten "Täter-Opfer"-Konstruktion sich ausbreitet. Neue Gelegenheitsstrukturen und Mobilisierungsaktivitäten werden in Figuren von "Freiheitskämpfern" ausgebaut und radikalisiert.Während der sogenannten "Flüchtlingskrise" waren es vor allem männliche Geflüchtete, die in der öffentlichen Wahrnehmung als bedrohliche Täter, die Verbrechen wie Vergewaltigungen und Tötungen begehen, dargestellt wurden. Staatliche Institutionen ließen sie "gewähren" im Sinne einer bevorstehenden "Umvolkung" (Heitmeyer, 2022 b, S. 266). In der COVID-19-Krise trat der Staat als Haupttäter auf: Die Bevölkerung wurde in den Lockdown getrieben, massiven Freiheitsbeschränkungen unterworfen und Ungeimpfte – ob Gegner:in oder nur Zweifelnde – wurden durch eine "Corona-Diktatur" in die Knie gezwungen.In diesem Strukturwandel wirken Verschwörungstheorien passgenau auf ideologische Konzeptionen ein, die an Krisen sowie an Kontrollverluste andockt. Verschwörungstheorien bilden hier als quasi-religiöses, glaubensbasiertes Kampfinstrument eine Art Ersatzlösung für die in der Moderne verloren gegangenen Gewissheiten und markieren gleichzeitig Feindgruppen für autoritäre politische "Lösungen", meist auch antisemitisch aufgeladen.Im Sinne des angeführten konzentrischen Eskalationskontinuums sind es unter anderem solche Parolen und Kampfbegriffe, die als begrifflich "notwehrrelevante" Legitimationsbrücken dienen. So wurden während der COVID-19-Pandemie von parlamentarisch einflussreichen Positionen weitere eskalationsorientierte Handlungsweisen beflügelt (Heitmeyer, 2022 b, S. 267). Die bisher aufgeführten Mechanismen und Strukturen fungieren demnach also als Bestandteile von Radikalisierungsprozessen. Diese wiederum bilden die Voraussetzungen für das Aufkommen von physischer Gewalt, von Körperverletzungen bis hin zu rechtsterroristischen Vernichtungstaten. Um diese Wirkung aufzuzeigen, soll folgend das Agieren der AfD anhand des oben beschriebenen Eskalationskontinuums verdeutlicht werden.In den "Schalen" des "Zwiebelmusters" wird, wie oben erläutert, die Gewaltorientierung größer, während die eskalierenden Akteur:innengruppen kleiner werden. Als Kernmechanismus werden die verschiedenen Legitimationsbrücken angeführt. In der äußersten, der größten Schale, finden sich feindbildliche autoritäre Einstellungsmuster in Teilen der Bevölkerung gegenüber dem Staat als Ganzes und generell demokratischer Politik. Diese liefern die entsprechenden Legitimationen für das Auftreten und Agieren des autoritären Nationalradikalismus der AfD.Zu Beginn der Pandemie forderte die AfD zunächst besonders harte Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung, sie blieb bei ihrem Stil der Emotionalisierung politischer und sozialer Probleme inklusive dem autoritären Kontrollparadigma. Da hiermit keine Zustimmungserweiterungen von potenziellen Wähler:innen gewonnen werden konnten, wurde eine radikale Richtungsänderung ins Gegenteil vollzogen. Dies führt Heitmeyer an, um zu verdeutlichen, "[...] dass es der Partei nicht um sachbegründete Prinzipien, sondern um opportunistische Nutzenkalküle zur Ausbreitung von Zustimmungen bzw. Verfestigungen der Wählerschaft geht – und um die Straße" (Heitmeyer, 2022 b, S. 276). Insofern mussten Parolen geprägt werden, wie der Begriff der "Corona-Diktatur", dem Selbststilisieren als "Freiheitskämpfer:innen" oder dem Verbreiten von Verschwörungsideologien wie des "Great Resets" (Siggelkow, 2023).So trat die AfD im Herbst und Winter 2021/2022 als wesentlicher Treiber der Corona-Proteste auf und baute gleichzeitig mit diesen Parolen, wie bereits ab 2015 in Zusammenhang mit der Krise um die Flüchtlingsbewegungen, gezielt Legitimationsbrücken für ohnehin schon mit Gewalt operierende rechtsextremistische Gruppen (Heitmeyer, 2022 b, S. 277). Diese Gruppierungen können sich durch diese Parolen auf eine Art gewaltlegitimierendes "Notwehrrecht" berufen, um gegen eine "Diktatur" zu agieren, verbunden mit "Umsturzfantasien".Heitmeyer führt weiter aus, dass diese Gruppen sich öffentlich in Demonstrationen bewegen und gleichzeitig klandestine rechtsterroristische Kleingruppen bedienen, "[...] die unter anderem aus Misserfolgen gegen die staatlichen Ordnungsmächte dann Legitimationen zum Umsturz des Systems ziehen" (Heitmeyer, 2022 b, S. 277). Aus diesem Mechanismus eröffnet sich, was Heitmeyer durch das konzentrische Eskalationskontinuum eindrucksvoll darstellen kann, dass schlussendlich Teile der Bevölkerung durch die verschiedenen "Schalen" hindurch zu den Legitimationslieferant:innen zählen, auf die sich Gewaltakteur:innen berufen, wenn sie sich auf "das Volk" beziehen (Heitmeyer, 2022 b, S. 277).Die Mechanismen verweisen insgesamt auf Bedrohungen der liberalen Demokratie und der offenen Gesellschaft. Weiter führt Heitmeyer an, dass staatliche Kontrollapparate sowie die Politik samt Appellen oder Ankündigungen der "wehrhaften Demokratie" nicht in der Lage sind, mehrere dieser Mechanismen in ihren Wirkungen "in den Griff zu bekommen". Die aufgezeigten Mechanismen, die bereits während der Krise der Flüchtlingsbewegungen und der Corona-Pandemie gewirkt haben, sind etabliert und werden auch weiterhin wirken.Die so genannte "3K-Trias" - Krisen, Konfliktstruktur und Kontrollverluste - gilt mittlerweile als etabliert und wirkt als wirkungsvoller Zusammenhang für autoritäre Entwicklungen. Die zukünftigen Krisenthemen werden wechseln, jedoch bleiben die gesellschafts- und demokratiezerstörerischen Mechanismen bestehen und können durch autoritär-nationalradikale Akteur:innen immer wieder neu themenbezogen aktiviert und emotional aufgeladen werden (Heitmeyer, 2022 b, S. 277).7. Fazit & AusblickHeitmeyers Arbeiten bilden einen Meilenstein in der empirischen Forschung zu Einstellungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und zu rechten Einstellungen in der Bevölkerung. Er wies bereits zu Beginn seiner Studien im Jahr 2001 darauf hin, dass ein globalisierter Kapitalismus zu politischen und sozialen Kontrollverlusten führen könne, die mit Demokratieentleerung und einem Erstarken des rabiaten Rechtspopulismus einhergehen.Anhand der Ergebnisse seiner langjährigen Forschung, unter anderem der Langzeitstudie zu den "deutschen Zuständen", konnte er empirisch nachweisen, dass knapp 20 % der Bevölkerung autoritäre Einstellungen haben (Schaefer, Mansel & Heitmeyer, 2002, S. 125 f.). Diese Einstellungen "schlummerten" in diesen Bevölkerungsteilen und fanden politisch bis zum Aufkommen der AfD keine sonderliche Beachtung. Sie "vagabundierten" zwischen den Parteien - meist zwischen den Volksparteien CDU/CSU und der SPD - oder verharrten in einer "wutgetränkten Apathie" und machten von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch (Schaefer, Mansel & Heitmeyer, 2002, S. 127 f.).Die strukturellen Ursachen des autoritären Kapitalismus, also Transformationsprozesse in ökonomischen Strukturen samt den Krisen in der "Post-9/11"-Ära führen zu Veränderungen im sozialen Bereich, wie individuelle Verarbeitungsprozesse der Krisenfolgen in Form von Abstiegsängsten oder Anerkennungsverlusten, also soziale Desintegrationserfahrungen bzw. Desintegrationsgefährdungen. In Kombination mit den damit einhergehenden Kontrollverlusten sehnen sich Teile der Bevölkerung nach einem krisensicheren, kollektiven kulturell-politischen Identitätsanker und nach der "Wiederherstellung der Ordnung" (Heitmeyer, 2022 a, S. 325). Dies schafft günstige Gelegenheitsstrukturen für die AfD, die sich 2015 inhaltlich radikal neu ausrichtete und als autoritär nationalradikales Angebot wahlpolitisch von diesen Entwicklungen profitierte. Durch ihre Fokussierung auf die kulturelle Dimension hat die Partei die Möglichkeit erhalten, "[...] soziale Kontrollverluste in Versprechungen zur Wiederherstellung von politischer Kontrolle zu übersetzen" (Heitmeyer, 2022 a, S. 325).Die Frage nach dem weiteren Verlauf liegt auf der Hand. Hier spricht Heitmeyer von "Zukünften" in einer Zeit, in der viele Menschen auf tiefgreifende Verunsicherungen seit 2001 mit einer Sehnsucht nach Ordnung, Kontrolle und Sicherheit reagiert haben, die von dem autoritären Nationalradikalismus der AfD bedient wird (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 281). Zu den Entsicherungen der sozialen Zustände der letzten Jahrzehnte gesellt sich nun eine "Unübersichtlichkeit möglicher Zukünfte". Klar ist, dass die Routinen zur Bewältigung politischer, ökonomischer und sozialer Probleme und Krisen nicht länger funktionieren und es kein Zurück zu den Zuständen davor geben wird.Nach Heitmeyer muss die Frage nach der Resilienz demokratischer Einstellungen und Gegenevidenzen zum grassierenden Autoritarismus auf der Ebene der Akteur:innen angesetzt werden, bei der Bürger:innenschaft. Jedoch beschreibt er sie, die in Krisen sonst durchaus wehrhaft und spontan auf Herausforderungen reagierten und heute mehr denn je gefragt seien, als erschöpft, auch wenn in der Mehrheit der europäischen Staaten bisher nur eine Minderheit der autoritären Versuchung vollends nachgibt (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 282; Heitmeyer, 2022 b, S. 277).Dennoch haben sich quer durch die Altersgruppen und unabhängig von der sozialen Lage unterschiedliche Teile der Bevölkerung "[...] statistisch signifikant und im Erscheinungsbild deutlich autoritären Versuchungen nachgegeben [...]" (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 74). Ebenso erschöpft seien auch die politischen Eliten, die eigentlich Visionen und Ideen für individuelle und gesellschaftliche Zukünfte, die Freiheit spenden und Sicherheit verheißen, entwickeln sollten. Es benötigt also mehr visionäre und zukunftssichernde Gesellschafts- und Politikvorstellungen gepaart mit neuen Beteiligungsformen, die von den Bürger:innen wahrgenommen werden (Heitmeyer, 2022 b, S. 278).Aktuelle empirische Befunde zu weiteren demokratischen Fortschritten geben wenig Anlass zu Optimismus (Frankenberg & Heitmeyer, 2022, S. 73 f.). Insofern folgert Heitmeyer, dass sich der Höhenflug autoritärer Politikangebote weiter fortsetzen wird, insofern sich der autoritäre Nationalradikalismus nicht selbst (von innen) zerlegt und es kein massives politisches Umsteuern mit gravierenden wirtschaftspolitischen Reformen gibt, wofür derzeit keine Anzeichen bestehen (Heitmeyer, 2018, S. 368). Nach Heitmeyer müssten aus den folgenden Punkten ökonomische, soziale und politische Konsequenzen gezogen werden:"Der finanzialisierte Kapitalismus verfolgt weiter ungehindert seine globale Landnahme, ohne Rücksicht auf die gesellschaftliche Integration.Die nationalstaatliche Politik ist angesichts der ökonomischen Abhängigkeit nicht willens oder in der Lage, soziale Ungleichheit konsequent zu verringern.Ein Fortschreiten der sozialen Desintegration ist angesichts von Prozessen wie der Digitalisierung sehr wahrscheinlich.Kulturelle Konflikte entlang konfessioneller und religiöser Grenzen werden nicht dauerhaft befriedet; vielmehr ist davon auszugehen, dass sie – auch im Zusammenhang mit Migrationsbewegungen – immer wieder angefacht werden.Sozialgeografische Entwicklungen wie Abwanderung und das ökonomische Abdriften ganzer Regionen gehen ungebremst weiter" (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 283 f.).Die aufkommenden Probleme dieser auf Dauer gestellten Faktoren können von autoritär nationalradikalen Parteien und Bewegungen als "Signalereignisse" für sich ausgebeutet werden. Sie stellen also "stabile" günstige Voraussetzungen für ein weiteres Erstarken des autoritären Nationalradikalismus der AfD dar (Heitmeyer, Freiheit & Sitzer, 2021, S. 284). Es ist mittelfristig nicht abzusehen, dass die Themen, die die AfD mit ihrer eskalativen Rhetorik bearbeitet, in absehbarer Zukunft von der Bildfläche verschwinden werden.Zudem weisen die Strukturen der AfD und des sie unterstützenden Milieus mittlerweile einen hohen Organisations- und Institutionalisierungsgrad auf. Insofern ist davon auszugehen, dass die autoritär nationalradikalen Parteien und Bewegungen öffentliche Debatten weiterhin maßgeblich prägen und so das soziale Klima innerhalb der Gesellschaft dauerhaft in Richtung von mehr Aggressivität verschieben werden.Die Bedrohungen für die liberale Demokratie und die offene Gesellschaft durch den globalisierten Kapitalismus, durch Desintegrationsprozesse und dem autoritären Nationalradikalismus sind offensichtlich. Es hängt also viel von der Kraft konfliktbereiter und widerspruchstrainierter Gegenbewegungen ab, die für die offene Gesellschaft eintreten und sich nicht mit den Normalitätsverschiebungen, die aktuell bereits ablaufen, abfinden wollen (Heitmeyer, 2018, S. 372).LiteraturverzeichnisDahrendorf, R. (14. 11 1997). Die Globalisierung und ihre sozialen Folgen werden zur nächsten Herausforderung einer Politik der Freiheit. Von zeit.de: https://www.zeit.de/1997/47/thema.txt.19971114.xml/komplettansicht abgerufen am 21.10. 2023.Decker, F. (02. 12 2022). Etappen der Parteigeschichte der AfD. Von bpb.de: https://www.bpb.de/themen/parteien/parteien-in-deutschland/afd/273130/etappen-der-parteigeschichte-der-afd/ abgerufen am 21.10. 2023.Frankenberg, G., & Heitmeyer, W. (2022). Autoritäre Entwicklungen. Bedrohungen pluralistischer Gesellschaften und moderner Demokratien in Zeiten der Krisen. In G. Frankenberg, & W. Heitmeyer (Hg.), Treiber des Autoritären: Pfade von Entwicklungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts (S. 15-86). Frankfurt a. M.: Campus Verlag GmbH.Heitmeyer, W. (2001). Autoritärer Kapitalismus, Demokratieentleerung und Rechtspopulismus. Eine Analyse von Entwicklungstendenzen. In D. Loch, & W. Heitmeyer (Hg.), Schattenseiten der Globalisierung (S. 497-534). Frankfurt a. M.: Suhrkamp Verlag, 1. Auflage.Heitmeyer, W. (2018). Autoritäre Versuchungen. Berlin: Suhrkamp Verlag.Heitmeyer, W. (2022 a). Autoritärer Nationalradikalismus (2018). In K. Möller (Hg.), Populismus. Ein Reader (S. 300-328). Berlin: Suhrkamp Verlag, 1. Auflage.Heitmeyer, W. (2022 b). Krisen und Kontrollverluste - Gelegenheitsstrukturen für Treiber autoritärer gesellschaftlicher Entwicklungspfade. In G. Frankenberg, & W. Heitmeyer (Hg.), Treiber des Autoritären: Pfade von Entwicklungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts (S. 251-280). Frankfurt a. M.: Campus Verlag GmbH.Heitmeyer, W., & Heyder, A. (2002). Autoritäre Haltungen. Rabiate Forderungen in unsicheren Zeiten. In W. Heitmeyer (Hg.), Deutsche Zustände. 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