Europäische Liberalismen
In: Merkur: deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Band 65, Heft 11, S. 1028-1046
ISSN: 2510-4179
Die ganze Geschichte des Liberalismus hindurch gab es ein Gerangel zwischen der Freiheit, die durch Privateigentum erworben wurde, und der institutionellen und spirituellen Emanzipation, die durch politische Partizipation und menschliche Entwicklung gewonnen wurde. Und umgekehrt gab es durch dieselbe liberale Geschichte hindurch ein Gerangel zwischen den zugestandenen Gefahren der Akkumulation und der Abneigung, den Staat oder gar die Nation als Agenten der persönlichen oder kollektiven Befreiung einzusetzen. Es ist immer eine Frage, welche Menge von Komponenten in der begrifflichen Konfiguration des Liberalismus überwiegt, nicht welche vorhanden oder nicht vorhanden ist. Gelegentlich haben Liberale ihre lokalen Kulturen aufgrund von Desillusionierung durch das manifeste Scheitern des Liberalismus gemieden und stattdessen importierte intellektuelle und philosophische Modelle des Neoliberalismus und von Gerechtigkeitstheorien verfolgt. Doch in kontextuellen Begriffen ist das eine Form der Entwurzelung, da diese philosophischen Modelle selbst eine (vornehmlich amerikanische) kulturelle Spezifität durch die Sprache der universellen Vernunft maskieren. (ICF2)