Beruflichkeit – Betrachtungen aus der Perspektive einer „Pä;dagogik des Erwerbs“
In: Beruflichkeit zwischen institutionellem Wandel und biographischem Projekt, S. 249-268
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In: Beruflichkeit zwischen institutionellem Wandel und biographischem Projekt, S. 249-268
Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges zeigte sich in vielen Bereichen und bei vielen Nationen eine immense ErschÃtterung des europÃ$ischen Bewusstseins. Mit diesem einhergehend entstand auch ein Prozess tiefgrÃndigen Fragens, wie es zu diesen, im RÃckblick kultivierter Staaten zu vÃllig kontradiktorischen militÃ$rischen Ausschreitungen hat kommen kÃnnen. Hans Jochen Gamm beschreibt diesen damaligen Ansatz des intensiven Nachdenkens, diese Umsinnung, als `Metanoia . So begann in den zwanziger Jahren, insbesondere im Bereich der Bildung und der artverwandten, damals neuaufkommenden Wissenschaften wie der Psychologie und Soziologie, ein sich Ãber die Disziplinen spannendes, intensives Nachdenken Ãber die Bildsamkeit des Menschen, wie es seitdem mit vergleichbarer IntensitÃ$t und Ernsthaftigkeit nicht wieder zu verzeichnen ist. In dieser Zeit der revolutionÃ$ren Erwartungen und SehnsÃchte einer Bildsamkeit des Menschen entstand auch erstmals eine breite Diskussion um eine RevolutionÃ$re PÃ$dagogik. Grundlage all dieser pÃ$dagogischen Diskussionen war die Wiederentdeckung der bildungstheoretischen Motive der Éberlegungen von Marx. Denn seine Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus lieà sich perfekt in die damalige metanoische Diskussion setzen: Grundlage seiner Theorie war die Feststellung, dass die bestehenden gesellschaftlichen VerhÃ$ltnisse sich nur durch eine Umgestaltung aller gesellschaftlichen Bedingungen verÃ$ndern lieÃen, der Bildung des Menschen kam hierbei eine zentrale Rolle zu. Dieser in den zwanziger Jahren offene, geistige und gesellschaftliche Raum ermÃglichte es, dass sich eine bemerkenswerte pÃ$dagogische Reflexionsebene - eben im Sinne einer gesellschaftskritischen Sozialwissenschaft bildete, die sich als Gegenbewegung zur bÃrgerlichen PÃ$dagogik etablierte, die Sozialistische/ Kritische PÃ$dagogik. Dass dieses pÃ$dagogische Vorhaben von den dominierenden erziehungshistorischen Fo der damals vorherrschenden Geisteswissenschaftlichen PÃ$dagogik - nicht gewÃnscht und daher weitgehend ...
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In: UTB; 3781
In: Sozialwirtschaft
In: Studienkurs Management in der Sozialwirtschaft
In: Leuphana-Schriften zur Berufs- und Wirtschaftspädagogik Bd. 5
In: Leuphana-Schriften zur Berufs- und Wirtschaftspädagogik
In: Reihe Fachbuch Nonverbale Kommunikation
Michael Argyle legt mit diesem Standardwerk eine breit angelegte Darstellung der nonverbalen Kommunikation, ihrer Ph�nomene und ihrer Bedeutungen vor. Unter Bezugnahme auf Erkenntnisse der Verhaltensforschung, der Ethnologie und der experimentellen Sozialpsychologie beschreibt er, wie in den verschiedensten Bereichen des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens nonverbale Mitteilungen eine wesentliche Rolle spielen. Dabei werden nicht nur die Ph�nomene behandelt, die meist nicht bewusst wahrgenommen werden, sondern auch M�glichkeiten der praktischen Anwendung in P�dagogik, Therapie und Berufsausbildung aufgezeigt. Das Buch wendet sich einerseits an den psychologischen Fachmann, der hier eine F�lle von Ergebnissen der experimentellen Forschung vorfindet, andererseits an jeden interessierten Leser, der sich allt�gliche Erfahrungen ins Bewusstsein rufen m�chte. Bei dieser Ausgabe handelt es sich um eine Neu�bersetzung der 1988 erschienenen zweiten Auflage des Originalbuches. Biographische Informationen Michael Argyle, (1925-2002), studierte in Cambridge Psychologie und lehrte an der Universit�t Oxford Sozialpsychologie. Ein Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit lag im Bereich des nonverbalen Verhaltens.
Im Rahmen der Dissertationsschrift werden das Leben und ein Teil des Werkes der Individualpsychologin Sofie Lazarsfeld (1881-1976) vorgestellt, diskutiert und historisch eingeordnet. Der erste Teil der Dissertation beinhaltet eine ausfÃhrliche Biografie, die hauptsÃ$chlich aus einer unverÃffentlichten Autobiographie, Interviews mit Enkeln, unverÃffentlichten Briefwechseln zwischen Friedrich Adler (Ãsterreichischer Politiker) und Sofie Lazarsfeld als auch Elin WÃ$gner (schwedische Schriftstellerin) und Sofie Lazarsfeld erstellt werden konnte. In zweiten Teil werden die Schriften Sofie Lazarsfelds zur individualpsychologischen PÃ$dagogik und weiblichen PersÃnlichkeitsentwicklung in der Zeit des Roten Wien vorgestellt. Ihre Biographie zeigt eindrÃcklich wie ihr soziales Umfeld sich auf ihre PersÃnlichkeitsentwicklung auswirkte. Durch Freundschaften mit geistig und kulturell tÃ$tigen Frauen fÃhlte sie sich ermutigt und wurde selbst zur Autorin. Sie verÃffentlichlichte in beratender Form Artikel in Zeitungen und in individualpsychologischen Zeitschriften. In der Praxis war sie eine anerkannte Erziehungsberaterin, die sowohl theoretisch als auch praktisch fÃr die VerÃ$nderung von autoritÃ$ren Erziehungsstilen stand. Angelehnt an reformpÃ$dagogische StrÃmungen der Zeit forderte sie eine Erziehung mit stetigem Perspektivwechsel in die Welt Kinder. Die VerÃ$nderung des Erziehungsstils war fÃr Sofie Lazarsfeld eine SchlÃsselposition, um eine selbstbewusste Sozialisation fÃr Kinder zu erreichen. Ebenso hartnÃ$ckig und aufklÃ$rend setzte sie sich in ihrer BeratungstÃ$tigkeit fÃr ein Umdenken in ehelichen Beziehungen ein. Sie scheute nicht davor zurÃck, Aufgabenverteilungen in Ehen neu zu diskutieren. Damit forderte sie gleichzeitig auch einen gesellschaftlichen Umbruch. Die politische Intention war neben der individualpsychologischen Haltung immer spÃrbar. Das Selbstbewusstsein von Frauen in F fÃr sie zusammen. ; This thesis describes the life and work of Individualpsychologist Sofie Lazarsfeld (1881-1976). It containes an ...
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Einer Studie zufolge teilen viele Studierende der Islamischen Theologie und Religionspädagogik fundamentalistische Ansichten. Doch es gibt auch positive Tendenzen.
Universität Münster. Foto: PxHere, CC0.
DIE ZAHLEN sind beunruhigend: Die Universität Münster hat Studierende der Islamischen Theologie und Islamischen Religionspädagogik befragt, von denen 37 Prozent eingeschränkt oder voll der
Aussage zustimmten, dass Juden zu viel Macht und Einfluss in der Welt hätten; 48 Prozent, dass Israel keine Existenzberechtigung habe, 56 Prozent, dass der Westen alles tun werde, um den erneuten
Aufstieg des Islam zur Hochkultur zu verhindern.
60 Prozent waren eher oder ganz der Meinung, dass der Westen für die schlechten Umstände in vielen islamischen Ländern verantwortlich sei. Und 25 Prozent befürworteten die Einführung der
Scharia.
Überraschend sind die Zahlen allerdings nicht, schon andere Studien kommen seit Jahren zu ähnlichen Ergebnissen. So berichtete im März 2024 etwa die AG Hochschulforschung der Universität
Konstanz, dass in ihrer Studierendenbefragung 33 Prozent der Muslime allgemein antisemitische Haltungen gezeigt hätten und 37 Prozent einen israelbezogenen Antisemitismus – im Gegensatz zu vier
bzw. sechs Prozent der befragten christlichen Studierenden. Auch deuten Untersuchungen darauf hin, dass stärkere Religiosität die Empfänglichkeit für antisemitische Ressentiments intensiviert,
besonders bei Muslimen.
Deshalb sind die Umfragedaten aus Münster, erhoben vom dortigen Exzellenzcluster Religion und dem Zentrum für Islamische Theologie, auch politisch so brisant, wollen doch die befragten
Studierenden unter anderem Religionslehrer werden, ansonsten Sozialarbeiter oder Seelsorger.
In jedem Fall handelt es sich um künftige Autoritäten für die nächste Generation junger Muslime in Deutschland. Ein Sprecher des Zentralrats der Juden in Deutschland sagt: "Wir haben die
Ergebnisse der Studie mit etwas Irritation zur Kenntnis genommen und sind dabei, uns ein umfassenderes Bild über die Situation zu machen."
Tatsächlich sind die zugrundeliegenden Befragungsdaten schon zwei Jahre alt, doch die vor zwei Monaten im British Journal of Religous Education erschienene Studie drückt jetzt
mitten hinein in eine ohnehin schon engagierte Debatte über die Zukunft des islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen. Die nordrhein-westfälische Schulministerin Dorothee Feller
(CDU) will das Modell in ihrem Bundesland weiter ausbauen.
Die damalige Forschungsministerin Schavan
sah einen "Meilenstein für die Integration"
Angefangen hatte die Ausbildung islamischer Religionslehrer und Seelsorger vor über einem Jahrzehnt mit Unterstützung der damaligen Bundesforschungsministerin Annette Schavan, die den Aufbau von
zunächst vier Islam-Zentren an staatlichen Universitäten förderte, von Anfang an dabei: Münster/Osnabrück. Schavan sprach von einem "Meilenstein für die Integration" und äußerte die Erwartung,
dass sich in der islamischen Theologie eine historisch-kritische Methode im Umgang mit dem Koran entwickele.
Die Zentren sollten einen weltoffenen, aufgeklärten Islam und den Dialog mit anderen Religionen fördern. "Wir wollen mit der großen Erfahrung, die wir an deutschen Universitäten mit der Theologie
haben, auch einen Beitrag zur Weiterentwicklung der islamischen Theologie leisten", sagte Schavan damals.
Inzwischen kann an bundesweit neun Universitäten und mehreren Pädagogischen Hochschulen Islamische Theologie studiert werden. Die Münsteraner Wissenschaftler hatten mit ihrer Umfrage 252
Studierende an allen elf zu diesem Zeitpunkt bestehenden Standorten erreicht, was elf Prozent aller Studierenden der Fächer Islamischen Theologie und Islamische Religionspädagogik entsprach. Eine
hohe Quote, wobei gut die Hälfte der Befragten aus Münster selbst stammte.
Professoren-Vertretung zweifelt
Aussagekraft der Studie an
Genau diesen hohen Anteil führt die Deutsche Gesellschaft für Islamisch-Theologische Studien (DEGITS) in einer Erklärung als Grund an, "Zweifel hinsichtlich der Belastbarkeit" der Daten und der
Verallgemeinerbarkeit der Studie anzumelden. Das Thema Antisemitismus stelle ein großes und zunehmendes gesellschaftliches Problem dar, auch unter Muslimen.
Doch: "Die mögliche Tragweite der öffentlichen Diskussion dieser Zahlen, die fundamental das Vertrauen in Studierende der Islamischen Theologie und Lehrer:innen im islamischen Religionsunterricht
gefährden kann, steht in keinem Verhältnis zu der Aussagekraft der Studie." Der die DEGITS noch dazu Einseitigkeit vorwirft, etwa in "Schwarz-Weiß-Formulierungen der Fragen und Vorannahmen, die
diesen zugrunde liegen".
Sarah Demmrich ist eine der Autorinnen der Studie und sagt, sie habe sich sowohl über die öffentliche Berichterstattung als auch über die harsche Kritik der DEGITS gewundert. "Unser Ziel war
nicht, die islamischen Religionsstudierenden in die Pfanne zu hauen, sondern ihre Reformorientierung zu messen." In der Umfrage hätten sich sowohl problematische als auch positive Einstellungen
gezeigt, "doch berichtet wurden bislang fast nur die besorgniserregenden".
Erwähnenswert sei zum Beispiel die primäre Studienmotivation vieler Studierender, neben mehr religiösem Wissen auch mehr Wissen zum interreligiösen Dialog zu erlangen. Also genau im Sinne dessen,
was Ex-Ministerin Schavan einst als ein Ziel ausgegeben hatte. Auch habe es eine starke Zustimmung zu demokratischen Werten gegeben und überwiegend eine Unterstützung der Geschlechtergleichheit.
Fundamentalistische Tendenz
sinkt mit Studiendauer
Auffällig sei, dass der Studienabschnitt eine Rolle spiele, sagt Demmrich: "Die fundamentalistischen Einstellungen sind bei Masterstudierenden signifikant geringer ausgeprägt als im Bachelor,
auch antisemitische Haltungen scheinen in der Tendenz abzunehmen." Allerdings sei der gemessene Unterschied hier nicht statistisch bedeutsam gewesen.
Anzeichen dafür, dass das Konzept der staatlichen Islam-Studiengänge doch aufgeht? Bülent Ucar ist Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Osnabrück und einer der
bekanntesten Korangelehrten in Deutschland.
Er sagt: "Unsere Studienanfänger sind konservativer und deutlich religiöser als andere junge Muslime. Die Konfrontation mit der Wissenschaft und kritischer Reflexion führt dazu, dass ein
beträchtlicher Teil das Studium wieder abbricht. Ein anderer Teil aber verändert mit den Semestern seine Positionen und Einstellungen, das Studium wirkt sich auf ihr Denken, Wirken und Leben
aus."
An die Grundprinzipien
der Demokratie gebunden
Also ja, sagt Ucar: Die Studierenden verträten im Schnitt problematischere Positionen, aber Sinn und Erfolg des Studiums bestünden ja genau darin, "dass sie am Ende auf der Basis ihres Glaubens,
der wissenschaftlichen Methoden und auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Kontext der Schule Religionsunterricht gestalten können." Dies, fügt Ucar hinzu, seien am Ende
die glaubwürdigen Vorbilder, auf die junge Muslime hörten – "weil sie ihren Glauben teilen, ihnen zugleich aber neue Perspektiven eröffnen können."
Nordrhein-Westfalen hatte 2012 als erstes Bundesland islamischen Religionsunterricht als Regelfach an öffentlichen Schulen angeboten, zunächst an 33 Grundschulen. Inzwischen sind 246 – auch
weiterführende – Schulen dabei, doch selbst nach zwölf Jahren werden lediglich sechs Prozent der knappen halben Million muslimischer Schüler in NRW erreicht.
Und zwischen 2018 und 2022 gab es nur 97 (alle aus Münster stammende) Lehramtsabsolventen für dieses Fach. Seit 2019 seien die Plätze für islamische Theologie nicht voll ausgeschöpft, zitiert der
WDR die Universität Münster. Im laufenden Semester seien 70 Lehramtsstudierende für islamische Religion eingeschrieben.
Zu der Umfrage aus Münster heißt es aus dem NRW-Schulministerium, diese enthalte Daten aus dem Jahr 2022, sei nicht vom Ministerium in Auftrag gegeben worden und betreffe "primär das Studium der
islamischen Theologie im BA-Studiengang und damit nicht nur das Lehramtsstudium".
Der Islamische Religionsunterricht unterliege in Nordrhein-Westfalen staatlicher Kontrolle und werde gemäß Schulgesetz regelmäßig evaluiert. Er werde in deutscher Sprache auf der Grundlage
staatlicher Lehrpläne erteilt. Die Schulaufsicht begleite die Schulen.
"Der Unterricht ist wie alle anderen Fächer auch an die Grundprinzipien der Demokratie gebunden. Studienabsolventinnen und Studienabsolventen, die in die schulpraktische Lehrerausbildung des
Vorbereitungsdienstes eintreten, werden unabhängig davon, ob sie als Beamte auf Probe oder als Tarifbeschäftigte beschäftigt werden, dienstrechtlich zu einem Bekenntnis zum Grundgesetz
verpflichtet." Im Fall von Pflichtverletzungen würden erforderlichenfalls auch dienstrechtliche Konsequenzen gezogen.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Tagesspiegel.
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Wann kommt der Masterplan Lehramtsstudium?
Jedes Bundesland geht seinen eigenen Weg, die Hochschulen stricken munter Studienmodelle – und wo bleibt die Koordination? Was für Ärzte möglich ist, sollte auch bei künftigen Lehrern
funktionieren –
erschienen im WIARDA-BLOG am 10. April 2017.
Sharon Hinchliffe: "teacher",
CC BY-NC-ND 2.0
ZUGEGEBEN, AM ENDE der Verhandlungen hatte der Masterplan, der das Medizinstudium revolutionieren sollte, ein bisschen an Glanz eingebüßt. Schuld war ein ärgerlicher Streit zwischen Wissenschafts- und
Gesundheitsministern über die ungesicherte Finanzierung des Großprojekts. Ärgerlich insofern, weil jede gute Idee nur so viel wert ist wie ihre Umsetzung, und die wird im Falle des "Masterplan
Medizinstudium 2020" nach ersten internen Schätzungen mit rund 250 Millionen Euro jährlich zu Buche schlagen.
Trotzdem war die Begeisterung über das Erreichte, die besonders Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) bei der Präsentation Ende März zur Schau trug, mehr als die Selbstinszenierung von
Politikern im Vorwahlkampfmodus. Wer weiß, wie vielfältig, wie unterschiedlich und häufig genug konträr die Interessen im Gesundheitssektor sind, der kann erst so recht einzuschätzen, was es
bedeutet, das Ziel und die Inhalte der gesamten Ärzteausbildung von Grund auf neu zu formulieren (die Details finden Sie hier). Aber es ist möglich.
Warum redet
keiner drüber?
Warum diese Erkenntnis so wichtig ist: Es gibt einen zweiten Sektor öffentlichen Gemeinwohls, dessen Ausbildungsgrundlagen einer dringenden und nicht weniger grundlegenden Überholung bedürfen.
"Wann wird es einen Masterplan Lehramtsstudium geben?", fragte vorvergangene Woche jemand auf Twitter. Auf den ersten Blick mag man darüber schmunzeln. Und auf den zweiten fragen: Ja, wann
eigentlich? Und warum redet keiner drüber? >>>
Seit 25 Jahren beschäftigte ich mich mit Hochschulen, Bildung und Wissenschaft. Viel ist passiert in dieser Zeit, vieles davon durfte ich als Journalist
begleiten. Der Blick zurück zeigt, wie aktuell einige meiner Themen von einst geblieben sind – obwohl sich fast alles verändert hat. Machmal
allerdings auch, weil sich fast gar nichts verändert hat. Der 21. Teil einer Serie. Einen Überblick über die gesamte Serie "Blick zurück" finden Sie hier.
>>> Von der zielgenaueren (Selbst-)Auswahl künftiger Lehrer über ihre Beratung vor Studienbeginn und die Orientierung in den ersten Semestern bis hin zur richtigen Verknüpfung
frühzeitiger Unterrichtspraxis mit den fachlichen Inhalten, den Fachdidaktiken und der allgemeinen Pädagogik: Jedes Bundesland geht seinen eigenen Weg. Und es mangelt an mutigen Ideen, die das
Lehramtsstudium endlich ins 21. Jahrhundert (vielleicht sogar gleich ins Jahr 2020?) katapultieren. Ein Jahrhundert, in dem die Vielfalt der Schüler immer weiter wächst und die soziale
Zusammensetzung der Elternhäuser genauso im Wandel begriffen ist wie die Gesellschaft, deren aktive Mitgestalter die Schulabgänger werden wollen.
Es ist schon ein frappierender Gegensatz: Während Bildungsstandards für eine stärkere Vergleichbarkeit des im Unterricht Gelernten sorgen sollen, und zwar über ganz Deutschland hinweg, während
landauf, landab über die zentrale Bedeutung des Lehrerberufs für die Zukunft unseres Landes schwadroniert wird, listet der "Monitor Lehrerbildung" nach eigenen Angaben „mehr als 8000 relevante Daten und Fakten“ auf, um das Lehramtsstudium in Deutschland auch
nur halbwegs erfassen zu können.
Wie viele weitere Daten wären wohl nötig, um auch die zweite Phase der Lehrerbildung (Referendariat) und danach die Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte deutschlandweit beschreiben zu können?
Zu wenig, zu zerfasert,
zu allgemein
Worauf sich die Kultusminister in den vergangenen 15 Jahren geeinigt haben, sind elf mit so genannten "Standards" gekoppelte Kernkompetenzen für die Bildungswissenschaften, deren
Verbindlichkeitsgrad schon aus den Formulierungen deutlich wird. Beispiel Kompetenz 1: "Lehrerinnen und Lehrer planen Unterricht unter Berücksichtigung unterschiedlicher Lernvoraussetzungen und
Entwicklungsprozesse fach- und sachgerecht und führen ihn sachlich und fachlich korrekt durch." Oder Kompetenz 10: "Lehrerinnen und Lehrer verstehen ihren Beruf als ständige Lernaufgabe."
Auf die einzelnen Fächer heruntergebrochen gibt es die "ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung", aber die stammen schon
von 2008. Darüber hinaus existiert lediglich eine Reihe kurzer Empfehlungen zur Inklusion oder zur "Eignungsabklärung" von Studienanfängern.
Bei den Vorgaben zum Referendariat (Vorbereitungsdienst) und dem Staatsexamen wird es noch dünner, die diesbezüglichen "Ländergemeinsamen Anforderungen" sind inklusive Titelblatt gerade mal vier
Seiten lang, und in Bezug auf die Fort- und Weiterbildung findet sich auf der Website der Kultusministerkonferenz (KMK) nur ein Link zu den zuständigen Landesinstituten.
Zu wenig, zu zerfasert, zu allgemein: So lassen sich die bisherigen Anstrengungen der Kultusminister zusammenfassen, die Lehrerbildung, diese ewige, aber nie richtig umgegrabene Reformbaustelle,
strategisch abzustimmen und auf die Zukunft auszurichten. Und selbst das Bisschen, was sie machen, wird mitunter von den Hochschulen konterkarriert, die sich dank ihrer (an sich sinnvollen)
Autonomie jeweils ganz eigene Versionen des Lehramtsstudiums stricken können.
Groß denken
lohnt sich
Immerhin: Angestoßen ausgerechnet von der eigentlich gar nicht zuständigen Bundesregierung, fördern Bund und Länder in der zeitlich befristeten "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" neue
Studienmodelle. Ertrag: offen. Und sonst? Müssen Studenten, Lehrer und Schulen sich also hilflos seufzend dem Schicksal beugen, das der Föderalismus ihnen zugedacht hat? Werden die Kultusminister
auch künftig entschuldigend mit den Händen ringen, wann immer die Rede auf die immer noch ausstehende grundsätzliche Reform des Lehramtsstudiums kommt?
Der "Masterplan Medizinstudium 2020" sagt: Nein. Groß denken lohnt sich. Die Entgegnung, dass sich dafür nicht nur die Wissenschafts-, sondern auch die Schulminister aus allen 16 Ländern einig
werden müssten, überzeugt nicht wirklich. Denn auch wenn beim Masterplan am Ende vor allem über den Streit berichtet wurde, gehört zur Bilanz, dass sich über die inhaltliche Neuausrichtung des
Medizinstudiums nicht nur 16 Wissenschaftsminister und 16 Gesundheitsminister, sondern sogar Bund und Länder einig geworden sind. Und beim Lehramt hat der Bund noch nicht einmal etwas zu sagen.
Ein Masterplan Lehramtsstudium wäre mehr als ein Zusammenfassen verstreuter Einzelempfehlungen. Er wäre mehr als das Sammeln zukunftweisender Ideen aus Pädagogik und Bildungsforschung als
Reaktion auf Inklusion, Digitalisierung und die Etablierung neuer Schulformen. Ein Masterplan Lehramtsstudium wäre ein Symbol, ein Signal der Bildungspolitik: Wir wollen nicht nur immer ein
besseres Lehramtsstudium. Wir gehen es an. Und zwar gemeinsam.
siehe auch:
Gastbeitrag: "Nehmen wir die Medizin als
Ansporn!"
Das Lehramtsstudium braucht auch einen Masterplan, fordert Manfred Prenzel. (04. Mai
2017) >>>
Schlüsselwörter: Pflegepädagogik, Pflegedidaktik, Pflegeausbildung, Pflegegeschichte, Paradigmenwechsel MedizinDie Masterarbeit befasst sich mit dem Paradigmenwechsel in der Berufspä-dagogik der Gesundheits- und Krankenpflege auf Grundlage eines historischen Diskurses auf Basis einer Literaturanalyse und einer Expertenbefragung in Form Leitfaden-gestützter Expertinnen und Experteninterviews. Kapitel 4 befasst sich mit den Anforderungen der Pflegeausbildung und den Ausbildungswegen. In Kapitel 5 wird ein historischer Rückblick der Pflegepädagogik vom Ersten Weltkrieg bis zur Nachkriegszeit bzw. den 1950er Jahren ausgeführt. Kapitel 6 zeigt die Veränderungen der 1960er und 1970er Jahre, die vor allem auf der Gesetzgebung von 1969 und 1973 beruhen. Eine Rolle spielt auch der Wandel des Patientenbildes, der sich von paternalistischen Modell hin zum partnerschaftlichen Modell vollzieht und eine Reihe an Fragen auch für die Pflege aufwirft, die in Kapitel 8 diskutiert werden. Kapitel 9 beschreibt die letzte große Rechtsreform im Zuge des Pflegegesetzes von 1997. Insgesamt ist die aktuelle Pflegepädagogik wie auch der Transfer des Wissens in die Praxis durch die Absolventen noch von Problemen gezeichnet. Die Verwissenschaftlichung und Professionalisierung trägt zwar zu einer Steigerung des Selbstbewusstseins der Pflege bei, führt aber noch zu Problemen bei der Überleitung in die Praxis. Die Forderung an die Pflegepädagogik ist mehr Spezialisierung, eine praxisgerechtere Gestaltung der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Einbeziehung neuer didaktischer Erkenntnisse sowie eine bessere Kommunikation und effektivere Schulung technischer und qualitativer Möglichkeiten. ; Keywords: nursing education, nursing teaching, nursing school, nursing history, paradigm shift medicineThe thesis deals with the paradigm shift in the pedagogy of health and medical care in Austria. It is built on an historical discourse on the basis of literature analysis and expert interviews in form of guide-based expert interviews. Chapter 4 deals with the demands on the general conditions of nursing education. In Chapter 5, a historical review of nursing education by the First World War to the post-war period and the 1950s is executed. Chapter 6 shows the changes of the 1960s and 1970s, which are mainly based on the legislation of 1969 and 1973. Another factor is the change of the patient image, which takes place from the paternalistic model to the partnership model and set of questions for the care results are being discussed in Chapter 8. Chapter 9 describes the last major legal reform of the nursing act of 1997. All in all there is a problem in the current Austrian nursing education as well as the transfer of knowledge into practice by the graduates. The scientific nature and professionalization contributes to an increase in self-awareness of care, but still leads to problems with the transition into practice. The demand for the actual nursing education is more specialization, a practical reshaping of scientific knowledge, the incorporation of new educational insights, better communication and more effective technical and quality training opportunities. ; Reinhard Pfeiffer ; Graz, Univ., Masterarb., 2014 ; (VLID)242760
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Soziale Ungleichheit, Lernrückstände, Geflüchtete: Die Herausforderungen in den Schulen sind groß, die Zahl der Lehrkräfte zu klein, ihre Ausbildung hat mit den Veränderungen nicht Schritt gehalten. Wie kommen wir weg vom Flickwerk? Ein Interview über einen Plan, das Lehramtsstudium neu zu erfinden.
Karin Vach (rechts) ist Rektorin der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Havva Engin (links) ist dort Professorin für Allgemeine
Pädagogik. Fotos: privat.
Deutschlands Kultusminister wollen die Lehrerbildung reformieren. An der Pädagogischen Hochschule Heidelberg
hätten Sie da ein paar Vorschläge im Angebot, richtig?
Havva Engin: Es ist doch so: Uns alle treibt die Sorge um, was da gerade in unserem Bildungssystem passiert. Die Schülerschaft verändert sich rasant, die sozialen Unterschiede
wachsen, mehr und mehr Schülerinnen und Schüler verlieren den Anschluss. Und dann sind da über 300.000 Kinder und Jugendliche, die seit Februar 2022 allein aus der Ukraine eingewandert sind. All
das trifft auf einen immer eklatanter werdenden Lehrkräftemangel. Die Politik in allen Bundesländern reagiert mit Notmaßnahmen, mit immer neuem Flickwerk. Das geht zwangsläufig auf Kosten der
Qualität. Was fehlt, ist ein ganzheitliches Konzept der Lehrerbildung, das flexibel auf all diese Bedarfe reagiert, aber gleichzeitig hohen inhaltlichen und wissenschaftlichen Standards genügt.
Karin Vach: Wir nennen es das Integrierte Lehramt, und wir meinen damit eine Integration auf verschiedenen Ebenen. Die Wichtigste: In unserem Modell bringen wir eine
Qualifizierung von Quereinsteigern mit einem grundständigen Lehramtsstudium zusammen. Das heißt: Sie können nach dem Abitur einsteigen im ersten Semester oder als Quereinsteigerin zu einem
späteren Zeitpunkt; zum Beispiel wenn Sie Germanistik studiert haben und bei uns die Didaktik und ein zweites Fach nachholen.
Engin: Wir schauen uns jeden Studienbewerber und jede Studienbewerberin genau an und stufen sie ein entsprechend ihrer individuellen Voraussetzungen und Kompetenzen. Solche, die
sich durch Zeugnisse und Zertifikate nachweisen lassen, und andere mehr informelle, die wir selbst anerkennen.
"Wir sind quasi startklar."
Ist das nur ein Gedankenspiel oder mehr?
Vach: Wir sind quasi startklar. Wir könnten zum Wintersemester 2024 mit dem ersten Studienjahrgang loslegen. "Integriertes Lehramt" meint aber noch viel mehr: Unsere Studierenden
sind vom ersten Semester an in der Hochschule und in der Schule, und auch hier gilt: Jede:r bekommt in der Schule die Aufgabe, die zu ihrer Erfahrung hat. Das heißt, Studienanfänger werden zur
Unterstützung der Lehrkraft eingesetzt, während etwa Lehrkräfte aus dem Ausland schon eigene Unterrichtseinheiten gestalten.
Engin: In den ersten drei Semestern sind das nur ein oder zwei Tage die Woche in der Schule. Doch schon hier beginnt die besondere Herausforderung für unsere Studierenden:
Berufspraxis und Wissenschaft zusammendenken, Schule und Studium miteinander organisieren. Ab dem 4. Bachelorsemester sind es dann zum Beispiel 13 Stunden in der Schule, das ist die eine Hälfte,
die andere ist an der Hochschule und im Studienseminar. Im Master bleibt es bei dieser Verteilung, aber der praktische Anteil wird dann durch den Vorbereitungsdienst ausgefüllt.
Das Referendariat ist also auch noch ins Studium integriert?
Vach: Das Referendariat ist eingerechnet in die Studiengangsplanung, ja.
Und trotzdem schaffen Sie das alles in den üblichen fünf Jahren? Drei Jahre bis zum Bachelor, zwei weitere bis zum Master? Das klingt so, als ob Sie die bisherigen Inhalte eines
Lehramtsstudiums ziemlich zusammenkürzen müssten.
Engin: In einem herkömmlichen Lehramtsstudium gibt es ja auch Praxisanteile. Darum kürzen wir eigentlich nur an einer Stelle: beim Referendariat. Normalerweise dauert das 17 oder
18 Monate, bei uns sind es studienintegriert zwölf Monate. Wir können das, weil in unserem Modell Referendariat und Studium miteinander abwechseln, also eine Verzahnung und gegenseitiges
Reflektieren möglich wird, die in der normalen Lehrerbildung fehlt. Was habe ich schon im Studium gelernt, das mir jetzt in der Praxis hilft? Und wo stoße ich im Unterricht noch an Grenzen, weil
mir die theoretischen Grundlagen fehlen? Aus der Forschung wissen wir, dass genau hierin ein großes Defizit des traditionellen Modells besteht. Da sind sie als Referendarin schon komplett raus
aus der Hochschule.
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Und wie funktioniert das jetzt mit den Quereinsteigern?
Engin: Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Da ist eine Kollegin, eine Deutschlehrerin, die 14 Jahre lang in der Ukraine Deutschunterricht gegeben hat. Ihr fehlt aber das zweite Fach, um
sich in Deutschland für eine reguläre Stelle bewerben zu können. Da würden wir alles erheben, was sie mitbringt, Didaktik, Methodik, Fachlichkeit, und vielleicht kämen wir zum Ergebnis, das sie
nur noch die vier Mastersemester macht und darin integriert das Referendariat in der Schule. Das heißt, sie könnte sofort in die Schule, was sie ja will, und die Schule hätte eine versierte
Referendarin, die nebenher in Studienseminar und Hochschule begleitet wird. Am wichtigsten ist, dass wir Menschen, die mit teilweise großartigen Qualifikationen zu uns kommen, nicht in einer
Warteposition lassen wollen. Sie können von Anfang an ihrer Expertise an den Schulen einbringen und erhalten nebenher all das bei uns, was ihnen noch fehlt.
Klingt faszinierend. Aber mal ehrlich: Das klappt doch nur, wenn zufällig alle ideal zusammenwirken: Hochschule, Studienseminar – und ein ganzes Netzwerk eingebundener Schulen. Vielleicht
gibt es diesen Glücksfall bei Ihnen in Heidelberg, dann herzlichen Glückwunsch. Aber wie übertragbar ist so ein Idealmodell in die Fläche?
Vach: Sie sprechen da einen wichtigen Punkt an. Wir müssen mehr herausfinden über die Gelingensbedingungen. Darum wollen wir ja ein Pilotprojekt mit zwei aufeinanderfolgenden
Studienjahrgängen starten, also mit zwei Kohorten. Außerdem lassen wir von Anfang an eine Evaluation mitlaufen, um solide Daten zu erhalten. Vor allem kommt es auf die Rückmeldungen aus den
Schulen an, was brauchen sie, was hilft ihnen wirklich? Mit den Studienseminaren wird der Kommunikationsbedarf sicher auch groß sein. Aber seien wir mal ehrlich: Wenn wir wirklich eine Innovation
erreichen wollen, wenn wir wirklich etwas für die Schule, für die Bildung, für die Gesellschaft als Ganzes tun wollen, dann müssen wir alle weg von unserem gewohnten
Revierverteidigungsverhalten.
"Im Moment ist es doch so, dass oft einer auf den anderen wartet und so gute Ideen zur Reform der Lehrerbildung ausgebremst werden."
Engin: Das wird nicht gehen ohne einen Runden Tisch, an dem Ansprechpersonen von allen Partnerinstitutionen sitzen, vom ersten bis zum letzten Semester zusammenarbeiten und sich
abstimmen. Am Ende müssen eine Struktur und ein Prozess entstehen, die weiter funktionieren, wenn die Verantwortlichen irgendwann wechseln. Wenn wir das schaffen, kann unser Modell auch schnell
auf sich abzeichnende neue Bedarfe in den Schulen reagieren. Im Moment ist es doch so, dass oft einer auf den anderen wartet und so gute Ideen zur Reform der Lehrerbildung ausgebremst
werden.
Was sagen denn die für Wissenschaft und Kultus zuständigen Ministerinnen in Stuttgart zu Ihrem Projekt?
Vach: Wir hatten die Gelegenheit, unser Konzept beiden Ministerinnen vorzustellen, und haben in den Gesprächen eine gewisse Wertschätzung wahrgenommen. Dann haben wir allerdings
eine Weile nichts gehört. Bis vergangene Woche der Auftrag aus dem Wissenschaftsministerium kam, unser Modell weiter zu konkretisieren und die anderen Pädagogischen Hochschulen in
Baden-Württemberg einzubeziehen – und Schulen und Studienseminare außerhalb Heidelbergs. Das freut uns sehr.
Engin: Sie haben es selbst am Anfang gesagt. Nicht nur Baden-Württemberg, ganz Deutschland hat erkannt, dass die Lehrerbildung grundlegend reformbedürftig ist. Wir glauben, dass
die Antwort ein Konzept ist, das sich um den konkreten Bedarf an den Schulen herum entwickelt und die Schulpraxis wirklich in einen Austausch mit der Wissenschaft und der Pädagogik bringt. Die
Alternative, die wir fürchten, ist, dass angesichts des Lehrkräftemangels Schmalspur-Modelle entstehen – eigens konzipiert für Quereinsteiger, die dann zwar auch schnell, aber ohne ausreichenden
Forschungsbezug und wissenschaftliche Fundierung qualifiziert werden. Dann wären wir zurück in den 60er Jahren bei den damaligen Lehrerausbildungsseminaren. Das kann keiner wollen, oder?
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Eine schnelle Lösung zeichnen sich nicht ab. Ein erster Schritt wäre aber, die Krise in den Kitas genauso ernst zu nehmen wie die in den Schulen. Die deutsche Bildungsmisere nimmt dort ihren Anfang.
Foto: Pxfuel.com, CC0.
ES SIND DIE ZAHLEN eines beachtlichen gesellschaftspolitischen Erfolgs. Und zugleich Anzeichen einer Personalkrise, die den viel diskutierten Lehrkräftemangel locker in den Schatten stellt.
2022 arbeiteten in Deutschlands Kitas inklusive Leitung rund 722.000 Erzieherinnen und Erzieher, ein Anstieg um satte 55 Prozent – oder 258.000 Personen – gegenüber 2012. Im gleichen Zeitraum
stieg die Zahl der Kitas um 7.300 auf über 59.000, die der betreuten Kinder um 690.000 auf 3,85 Millionen. Was – nebenbei bemerkt – bedeutet, dass sich der Betreuungsschlüssel sogar verbessert
hat. Nachlesen kann man die Zahlen im neuen "Fachkräftebarometer Frühe Bildung", das alle zwei Jahre von der "Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte" am Deutschen Jugendinstitut und an der Technischen
Universität Dortmund erstellt wird. Sie sind ein Beleg dafür, welches Veränderungspotenzial eine politische Zielsetzung – die Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz für unter
Dreijährige 2013 – entfalten kann.
Nur zeigt die Analyse genauso eindrucksvoll, dass selbst dieses dramatische Personalwachstum nicht ausreicht, um den Bedarf zu befriedigen. Trotz 44 neugegründeten Fachschulen für Sozialpädagogik in den
vergangenen zwei Jahren: Das Ausbildungssystem stoße an Kapazitätsgrenzen, warnen die Forscher:innen. Es fehlt an Räumlichkeiten und Lehrkräften für die angehenden Fachkräfte. Und trotz deutlich
gestiegener Gehälter und kaum noch befristeter Arbeitsverträge: Die Kitas würden noch deutlich mehr Kräfte einstellen, aber sie können es nicht. Die Arbeitslosenquote unter Erzieher:innen ist mit
1,1 Prozent quasi nicht mehr existent. Auf 100 freie Stellen kommen 62 arbeitslos Gemeldete. "Weggeschmolzen" sei das Arbeitskräftereservoir.
Die nächste Herausforderung
kommt erst noch
Und dabei steht die nächste große Herausforderung erst noch bevor: Von 2026 an gilt der nächste Rechtsanspruch: für Ganztagsbetreuung in der Grundschule, was bedeutet, dass die Schulen nochmal
verstärkt in den Wettbewerb um pädagogische Fachkräfte einsteigen.
Der Bund unterstützt die Länder über das Kita-Qualitätsgesetz in den nächsten zwei Jahren mit weiteren vier Milliarden Euro, während Experten seit langem fordern, die Kitas als Orte der
frühkindlichen Bildung zu stärken. Doch droht in der Realität durch die Personalnot vielerorts das Gegenteil: die Sicherstellung der Betreuung als oberste Priorität. Der Ausbau der
kindheitspädagogischen Studiengänge stockt derweil, die ohnehin geringe Zahl der jährlichen Bachelorabsolventen geht seit 2019 sogar zurück. Auf bundesweit gerade noch 2.162.
Schnelle Lösungen zeichnen sich nicht ab. Doch ein erster Schritt wäre, die Krise in den Kitas in Medien und Öffentlichkeit endlich genauso ernst zu nehmen wie die Krise in den Schulen. Die
deutsche Bildungsmisere nimmt dort ihren Anfang.
Dieser Kommentar erschien zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's
wissen" im Tagesspiegel.
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Da mache er sich überhaupt keine Sorgen, kommentiert der Bildungsforscher Olaf Köller Forderungen, aus dem internationalen Schulvergleich auszusteigen: "Nicht wissen zu wollen, was ist, passt nicht in die heutige Zeit." Zur Kritik von Lehrerverbänden an Andreas Schleicher sagt Köller, in der Substanz liege der OECD-Bildungsdirektor "oft gar nicht falsch".
Olaf Köller ist Geschäftsführender Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der
Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) in Kiel und Ko-Vorsitzender der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz. Foto: IPN/Davids/Sven Darmer.
Herr Köller, der Lehrerverband wirft OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher nach dessen Interviews in der Stuttgarter Zeitung und anderswo Unwissenschaftlichkeit vor, der Philologenverband fordert die Aussetzung von PISA, solange Schleicher internationaler PISA-Koordinator
ist. Die FAZ will sogar unabhängig von Schleicher den Ausstieg Deutschlands aus der weltweit größten Bildungsstudie. Was ist da los?
Es gab in Deutschland schon häufiger Empörung von Lehrerverbänden und Politikern über Aussagen von Andreas Schleicher. Doch auch wenn diese im Ton manchmal überzogen und im aktuellen Fall sicher
mit Absicht provokant formuliert waren, in der Substanz liegt er oft gar nicht so falsch.
Zum Beispiel?
Dass wir in Deutschland im internationalen Vergleich sehr hohe Lehrergehälter haben. Nehmen Sie eine 50 Jahre alte Studienrätin, verheiratet, zwei Kinder, privat krankenversichert, mit einem
Nettogehalt von über 5000 Euro im Monat. Wenn sie krank ist, bekommt sie schnell einen Arzttermin, und wenn sie in Ruhestand geht, kann sie mit 3500 Euro und mehr Pension rechnen. Damit steht sie
im Vergleich zu fast allen ihren internationalen Kolleginnen und Kollegen extrem gut da. Und wenn Andreas Schleicher sagt, wir hätten in Deutschland ein Problem mit der Unterrichtsqualität, muss
man das nicht so drastisch ausdrücken wie er, aber für die Feststellung an sich gibt es empirische Evidenz, auch in der aktuellen Pisastudie.
"Wenn wir sehen, dass die mathematikbezogene Motivation erneut heruntergegangen ist, kann man schon mit einiger Plausibilität die Hypothese ableiten, dass das
mit der Qualität das Unterrichts zu tun hat."
Evidenz welcher Art?
Rund 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland, die ein Gymnasium besuchen, berichten davon, dass ihr Mathematikunterricht wenig unterstützend und kaum kognitiv aktivierend sei. Und
bei Pisa 2022 haben wir eine Ergänzungsstudie durchgeführt, die Aufschluss über die Qualität der Klassenarbeiten gibt: meist relativ triviale mathematische Routine und kaum Aufgaben, die zur
Problemlösung herausfordern.
Die Philologenverband-Bundesvorsitzende Susanne Lin-Klitzing wirft Schleicher vor, mit seinem fortgesetzten Lob der Schulsysteme undemokratischer Staaten wie China "könnte man zudem
annehmen, dass der PISA-Koordinator dem Missbrauch schulischer Bildung durch totalitäre Systeme nachgerade das Wort rede".
Ich würde wirklich allen Seiten raten, die Polemik herauszunehmen. Wir wissen seit der ersten Timms-Studie Mitte der 90er Jahre, dass viele asiatische Länder sehr, sehr guten und aktivierenden
Unterricht anbieten. Und das nicht nur in Mathematik. Auch in den Naturwissenschaften oder in Englisch folgt der Unterricht einer anderen Choreographie als bei uns. Das betrifft die Volksrepublik
China, das betrifft aber auch demokratische Staaten wie Japan oder Taiwan. Überall gibt es einen klaren Blick dafür, welche Aufgaben ich als Lehrkraft wählen muss, um in 45 oder 60 Minuten das
Unterrichtsziel zu erreichen, das ich mir selbst gesteckt habe. Klar bekommen wir bei Besuchen zum Teil einstudierte Vorführstunden gezeigt, aber auch wenn wir das einpreisen, bleibt die
Feststellung: Viele asiatische Schulsysteme wissen, was guten Unterricht ausmacht, und wir können einiges von ihnen lernen.
Auch die FAZ kommentierte, Schleicher
nutze jede Gelegenheit, Kausalitäten aus PISA-Daten abzuleiten, die es überhaupt nicht gebe.
Den Vorwurf halte ich für überzogen. Natürlich wissen wir, dass Pisa-Daten in der Regel keine kausalen Schlüsse zulassen. Aber Hinweise geben sie schon. Wenn wir etwa sehen, dass die
mathematikbezogene Motivation zwischen 2018 und 2022 in Deutschland erneut deutlich heruntergegangen ist, kann man daraus schon mit einiger Plausibilität die Hypothese ableiten, dass das etwas
mit der Qualität das Unterrichts zu tun hat. Natürlich ist das dann nur eine Hypothese, die man weiter untersuchen muss. Und das tun wir. Das Quamath-Programm, das über zehn Jahre hinweg die
Qualität mathematischen Unterrichts in Deutschland verbessern soll, hat die Kultusministerkonferenz übrigens auch nicht gestartet, weil wir hierzulande so einen Bombenunterricht haben.
"Herr Schleicher trägt zur
Bildungsforschung in Deutschland nichts
bei. Er schadet ihr aber auch nicht."
Der Philologenverband befindet: "Ob sich die seriöse empirische Bildungsforschung von dem Schaden und Vertrauensverlust erholt, den Andreas Schleicher ihr in Deutschland zufügt,
bezweifeln wir."
Wenn Sie in Deutschland herumfragen, wer die Protagonisten der empirischen Bildungsforschung sind, würde der Name Andreas Schleicher gar nicht fallen. Er ist als Leiter des OECD-Direktorats für
Bildung primär dafür verantwortlich, dass PISA weltweit administrativ klappt. Sogar er selbst hat, glaube ich, nicht den Anspruch, Bildungsforscher im engeren Sinne zu sein. Wenn Sie nach
Deutschland schauen, Tina Seidel von der TU München, die ist eine Bildungsforscherin, oder Nele McElvany von der TU Dortmund. Soll heißen: Die deutsche Bildungsforschung ist viel breiter
aufgestellt als nur mit PISA, wobei ich ich persönlich auch die deutschen PISA-Koordinatorinnen dazu zählen würde. Herr Schleicher aber trägt zur Bildungsforschung in Deutschland nichts bei. Er
schadet ihr aber auch nicht.
Der Lehrerverband fragt trotzdem: "Wenn man den PISA-Macher nicht mehr ernstnehmen kann, kann man dann noch PISA ernstnehmen?"
Andreas Schleicher ist nicht verantwortlich für die Feldarbeit in den Ländern, nicht für die Erhebung der Daten. Er schreibt auch nicht den PISA-Bericht. Er zieht Schlussfolgerungen aus den
Ergebnissen wie viele andere auch. Der frühere Hamburger Bildungssenator Ties Rabe zum Beispiel. Oder Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger. PISA spielt in der Gesamtstrategie der
Kultusministerkonferenz (KMK) eine zentrale Rolle, weil diese Studie über die Jahre hinweg immer wieder verlässliche Information über die Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems liefert.
Aber wie verlässlich sind die? Es gebe gute Gründe, an der Aussagefähigkeit der Daten zu zweifeln, schreibt die FAZ. Deutschland sei das einzige Teilnehmerland, das eine
Zielpopulation von über 99 Prozent im Jahr 2018 und über 90 Prozent im Jahr 2022 hatte. "Das bedeutet, dass auch Förderschüler dabei sind. Andere Länder haben deutlich niedrigere Zielpopulationen
und deshalb bessere Ergebnisse."
Diesem FAZ-Kommentar liegt ein Missverständnis zugrunde, eine Verwechslung zwischen Zielpopulation und Teilnahmequoten. Die meisten PISA-Staaten haben eine Zielpopulation von über 90
Prozent, das ist der Anteil der 15jährigen Schülerinnen und Schüler, der potenziell getestet wird. Bei den tatsächlich getesteten liegt Deutschland wie viele andere Staaten zwischen 85 und 90
Prozent. Man kann sich also nicht einfach damit herausreden, dass in Deutschland andere Schülerpopulationsanteile getestet würden. Und selbst wenn wir sagen würden, wir lassen einfach alle
internationalen Vergleiche weg, müssten wir immer noch konstatieren: Das deutsche Gymnasium hat in Mathematik zwischen 2012 und 2022 im Vergleich mit sich selbst rund 50 Punkte verloren, das
entspricht dem Lernzuwachs von mehr als anderthalb Schuljahren.
Genau das fordert die FAZ ja: Deutschland soll aus PISA und weiteren internationalen Studien wie IGLU und Timss aussteigen und dafür den nationalen Vergleich des
IQB-Bildungstrends ausweiten.
Dann hätten wir aber nicht mehr den Benchmark mit Ländern, die ganz ähnliche Bildungssysteme haben wie wir: Österreich, die Schweiz, Luxemburg. Und wenn wir den Blick etwas weiten, sehen wir
viele EU-Länder, die bei PISA ähnlich hohe Teilnahmequoten erreichen wie wir und wo trotzdem immer wieder interessante Reformen stattfinden. Polen oder Estland, um nur zwei zu nennen. Insofern
würden uns ohne PISA-Teilnahme viele Erkenntnisse entgehen: etwa auch, dass es in den vergangenen Jahren in vielen Ländern abwärts ging, aber in Deutschland eben stärker als im internationalen
Durchschnitt. Das sind Informationen, die man hinsichtlich ihrer Bedeutung nicht unterschätzen sollte, auch zur Einordnung bildungspolitischer Weichenstellungen in Deutschland.
"Es verlangt auch keiner von den Wirtschaftsweisen, keine Prognosen mehr zum Wirtschaftswachstum abzugeben, weil wir uns in einer Konjunkturkrise
befinden."
Die heftige Kritik an PISA erinnert an Grundsatzdebatten in den ersten Jahren nach Einführung der Studie in den Nullerjahren. Kommen die jetzt wieder?
Wir haben schon nach dem IQB-Bildungstrends 2021 und 2022 erlebt, dass die Rolle der Lehrkräfte und die Qualität des Unterrichts in den Fokus rückte. Was nicht wundert bei einem solchen
Leistungsrückgang auch an den Gymnasien. Was mich wundert ist, dass die Lehrerverbände sich in Reaktion darauf gleich in solch eine defensive Haltung begeben haben. Man kann ja über einzelne
Punkte und Methodiken diskutieren, aber jetzt einfach den Ausstieg aus PISA zu fordern, und das dann noch mit Äußerungen von Andreas Schleicher zu begründen, erscheint mir nicht zielführend. Es
verlangt auch keiner von den Wirtschaftsweisen, keine Prognosen mehr zum Wirtschaftswachstum abzugeben, weil wir uns in einer Konjunkturkrise befinden. Nicht wissen zu wollen, was ist, passt
nicht in die heutige Zeit. In keinen Politikbereich. Ohne Informationen über Problemlagen, etwa dass in Mathematik in Deutschland 30 Prozent zur Risikogruppe zählen, ziehen wir den Karren nicht
aus dem Dreck. Das muss auch den Lehrerverbänden klar sein.
Der Deutsche Lehrerverband nutzt die Informationen aus den Studien selbst durchaus für seine Argumentation. So stellt er fest, dass der steigernde Leistungsabfall in den PISA-Studien
parallel zur Implementierung zu "Änderungen in Pädagogik, Methodik und Didaktik" gelaufen sei, wobei als Beispiele "Kompetenzorientierung, selbstgesteuertes Lernen, Absage an Leistungsprinzip,
Gründung neuer Gesamt- und Gemeinschaftsschulen" genannt werden. Diese Änderungen müsse die deutsche Bildungspolitik daher überprüfen, fordert der Lehrerverband.
Die Kompetenzorientierung war vielen schon immer ein Dorn im Auge. Da liegt es natürlich nahe zu sagen: Die Ergebnisse sind deshalb schlecht, weil wir die Dinge nicht mehr so machen, wie wir sie
früher gemacht haben. Aber wie ich schon erwähnte: Wenn wir uns den tatsächlichen Unterricht anschauen, wie er vielerorts an deutschen Schulen läuft, lautet die Diagnose eher, dass dort noch
ziemlich viel so gemacht wird wie immer. Wir Bildungsforscher wären richtig glücklich, wenn wir im Matheunterricht beobachten könnten, dass dort eine stärkere Ausrichtung am Leben außerhalb der
Schule erfolgen würde. In Englisch ist das der Fall, der Englischunterricht hat Antworten gegeben auf die sich verändernde Welt, und die Leistungen der Schülerinnen und Schüler im
IQB-Bildungstrend sind zwischen 2016 und 2022 gestiegen.
Ist PISA in Deutschland ein Auslaufmodell, Herr Köller?
Nein, da mache ich mir gar keine Sorgen. Die nächste Erhebungsrunde für PISA 2025 ist in Vorbereitung, die KMK bekennt sich zur Qualitätssicherung im Bildungssystem, bei dem PISA, Timss und CO
eine ebenso wichtige Rolle spielen wie der IQB-Bildungstrend. Im Übrigen steht PISA nicht nur in Deutschland auf festem Boden, sondern ist international eine Riesen-Erfolgsgeschichte. 2000 sind
wir mit 32 Staaten gestartet, inzwischen sind wir bei fast 90 Ländern und Regionen weltweit angelangt. Überall herrscht der Eindruck, dass PISA keinen Blödsinn produziert, sondern ein wichtiger
Indikator ist zur Feststellung der Leistungsfähigkeit der Bildungssysteme.
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Der Bildungsforscher Olaf Köller sagt, warum er positiv überrascht ist vom Startchancen-Verhandlungsergebnis, wie die Wissenschaft zum Erfolg des Programms konkret beitragen und welche Rolle dabei die Ständige Wissenschaftliche Kommission spielen könnte.
Olaf Köller ist Geschäftsführender Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN)
in Kiel und Ko-Vorsitzender der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK). Foto: IPN/Davids/Sven Darmer.
Herr Köller, die Verhandlungsführer von Bund und Ländern haben sich auf Eckpunkte zum Startchancen-Programm geeinigt. Hat der
Bildungsföderalismus herausgeholt, was er aus sich herausholen kann?
Eine Milliarde Euro Bundesgeld pro Jahr ist nicht viel, da muss man sich nichts vormachen, das sind 250.000 Euro pro Schule. Trotzdem finde ich: Bund und Länder haben eine Menge herausgeholt. Ich
war positiv überrascht, als ich das Papier gelesen habe. Alle Länder haben sich verpflichtet, Sozialkriterien für die Auswahl ihrer Schulen zu bestimmen. Auch diejenigen, die bislang keinen
eigenen Sozialindex haben. Einigkeit herrscht über das wichtigste Ziel: Die Zahl derjenigen, die die Mindeststandards in den Kernfächern nicht erreichen, soll in zehn Jahren halbiert werden. Für
schlau halte ich es, dass man nicht mit allen 4000 Schulen auf einmal beginnt, sondern mit 1000. Dadurch wird es wahrscheinlicher, dass der Einstieg überhaupt noch zum Schuljahr 2024/25 gelingt.
Besonders erfreulich ist schließlich, dass Bund und Länder den Erfolg des Programms nicht nur behaupten, sondern messen lassen wollen.
"Es war absehbar, dass, wenn man den
Königsteiner Schlüssel aufgibt, ein anderer Mechanismus sicherstellt, dass kein Land zu kurz kommt."
Stört Sie, dass das Bundesgeld zu großen Teilen weiter per Gießkanne auf die Länder verteilt wird? Und widerspricht das nicht dem immer wieder behaupteten Paradigmenwechsel?
Es war absehbar, dass alle Länder ordentlich etwas abhaben wollen und dass, wenn man schon den Königsteiner Schlüssel aufgibt, jetzt ein anderer Mechanismus sicherstellt, dass kein Land zu kurz
kommt. Darum ist der eigentliche Paradigmenwechsel für mich ein anderer: dass Bund und Länder sich zu einer wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation des Programms verpflichtet haben, und zwar
mit explizitem Bezug auf ein Impulspapier, das wir als Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) vergangenes Jahr vorgelegt haben. Wir haben viele große bildungspolitische Reformen erlebt in
den Jahrzehnten nach Pisa 2000, von der Einführung der Ganztagsschulen über G8 bis zurück nach G9, doch hat es fast immer und in fast allen Ländern an der Bereitschaft gefehlt, mit harten
Indikatoren die Wirkung dessen zu überprüfen, was man da beschlossen hat. Genau das passiert jetzt mit dem Startchancen-Programm, ausgestattet mit einem eigenen Evaluationsbudget. Das ist der
Paradigmenwechsel. Wenn es denn so kommt und die Länder nicht vor ihrem eigenen Mut zur Empirie zurückschrecken.
Aber was genau kommt denn? Die Eckpunkte sprechen von einem "verbindlichen Berichtswesen", von "wissenschaftlicher Begleitung" und "Evaluation", die getrennt voneinander laufen
sollen.
Ich habe mich auch gefragt, wie es genau gemeint ist. Persönlich würde ich wissenschaftliche Begleitung als formative Evaluation begreifen, bei der man schaut, für welche der ergriffenen
pädagogischen Maßnahmen es Evidenz gibt und wie sie in den Schulen implementiert werden. Man kann dann auch die Schulen bei der Auswahl und Implementation wirksamer Programme unterstützen.
Während das, was im Papier als Evaluation bezeichnet wird, vermutlich summativ verstanden wird: Man misst nach einer bestimmten Zeit, welche Kompetenzstände Schülerinnen und Schülern erreicht
haben.
An der Stelle bleibt das Papier ziemlich vage. Was empfehlen Sie der Bildungspolitik?
So vage ist das gar nicht. Durch die Fokussierung auf die Basiskompetenzen, den Bezug zu den Bildungsstandards und die Halbierung der Risikogruppe in zehn Jahren haben Bund und Länder sich selbst
den entscheidenden Benchmark gesetzt. Und zugleich das Instrument zu dessen Messung impliziert: den IQB-Bildungstrend, den das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen für die
Klassenstufen vier und neun entwickelt hat. Wir müssen also das Rad an der Stelle nicht neu erfinden. Es eignet sich aber auch keine andere vorhandene Methodik, die vielleicht von einzelnen
Bundesländern angewandt wird – weil nur der Testaufgabenpool des Bildungstrends so eng und valide auf die Erfüllung der Bildungsstandards abzielt. Ein Vorgehen könnte daher sein, dass das IQB im
Frühjahr 2025 eine sogenannte Null-Messung an den dann ausgewählten ersten 1000 Startchancen-Schulen durchführt, in Deutsch, Mathe und vielleicht noch Englisch. Und zwar sowohl in Klasse vier als
auch in den Klassenstufen neun und zehn, je nachdem, wann die Sekundarstufe I im jeweiligen Land und in der jeweiligen Schulart endet. Nach fünf Jahren wird die Messung in den gleichen
Klassenstufen zum ersten Mal wiederholt, nach zehn Jahren zum zweiten Mal.
Diese Art der Messung würde bedeuten, dass sich keine Aussagen über einzelne Schülerkarrieren treffen ließen.
Ein Ansatz bei der Evaluation des Startchancen-Programms wäre tatsächlich eine Trenderfassung der Schulen mit Feststellung der Leistungsniveaus der Schülerinnen und Schüler als Ganzes. Für alles
andere bräuchte man eine Längsschnittstudie, bei der dieselben Kinder bzw. Jugendlichen immer wieder getestet würden. Das halte ich in der Größenordnung, über die wir bei den Startchancen
sprechen, nicht für realistisch. Sehr wohl wäre es aber ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn, kleinere Stichproben von Schülerinnen und Schüler so, wie Sie das sagen, über einen längeren Zeitraum zu
begleiten.
"Es wird auf jeden Fall
recht uneinheitlich zugehen."
Apropos Größenordnung der Evaluation: Was passiert mit den 3000 Schulen, die später dazu kommen?
Ich würde davon abraten, alle 4000 Schulen gleichermaßen evaluieren zu wollen, das wäre zu aufwändig und wohl ebenfalls zu teuer. 1000 Schulen bieten einen großen Ausschnitt, sind für das IQB
eine zusätzliche Herkulesaufgabe, aber vermutlich handelbar, und eine Vorbereitungszeit von anderthalb Jahren erscheint realistisch. Ein weiterer Vorteil der Nullmessung wäre, dass so geprüft
würde, ob die Länder mit ihren eigenen Sozialkriterien jeweils die richtigen Schulen erwischt haben: nämlich diejenigen mit den besonders leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern – oder ob
hier einzelne Länder noch einmal nachsteuern müssen. Es ist ja kein Naturgesetz, dass sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler grundsätzlich geringe Kompetenzniveaus aufweisen.
Erwarten Sie eine stark unterschiedliche Treffsicherheit – je nachdem, ob die Länder schon etablierte Sozialindizes haben?
Es wird auf jeden Fall recht uneinheitlich zugehen. Diejenigen Länder, die bereits Programme für benachteiligte Schüler und Schulen betreiben, werden versuchen, die Schulen aus ihren Programmen
auch in die Startchancen zu bringen. Und Länder, die noch keinen Sozialindex haben, müssen erst einen Algorithmus entwickeln, von dem sie nicht wissen, wie er sich auswirkt. Schließlich wird es
Unterschiede geben zwischen Ländern mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler und anderen, die eine geringere Armutsdichte aufweisen. All das könnte durch die
Nullmessung ermittelt werden – unter der Voraussetzung, dass sie mit Fragebögen zum sozialen und familiären Hintergrund der Schülerinnen und Schüler begleitet werden, wie das IQB das beim
Bildungstrend bereits tut.
Was aber bedeuten die Ergebnisse, die bei der wiederholten Messung nach fünf oder zehn Jahren herauskommen? Wer sagt, dass die festgestellte Verbesserung oder Verschlechterungen der
Kompetenzen an einer Startchancen-Schule etwas mit dem Programm zu tun hat?
Eine berechtigte Frage – weshalb die wissenschaftliche Begleitung im Sinne formativen Assessments so wichtig ist. Wir brauchen regelmäßig erhobene Daten, wie an jeder untersuchten Schule die drei
Säulen des Programms konkret umgesetzt werden, wobei mir die Baumaßnahmen noch am wenigsten ausschlaggebend erscheinen. Aber wie genau wird die Interaktion zwischen Lehrkräften, Förderkräften,
Sozialarbeitern und Schülerinnen/Schülern gestaltet? Werden nur Maßnahmen etabliert, für deren Qualität es empirische Evidenz gibt? Werden zwar Förderkräfte eingestellt, müssen diese aber
Vertretungs- statt Förderstunden geben? Dann, das wissen wir, würde ihre Wirkung verpuffen.
Gehen wir also davon aus, dass sich bei der richtigen Kombination von wissenschaftlicher Begleitung und Evaluation nach fünf oder zehn Jahren ein Zusammenhang herstellen lässt zwischen
den ergriffenen Maßnahmen und der Entwicklung der Schülerkompetenzen, was folgt daraus?
Das ist doch klar: Nach fünf Jahren muss die Politik bei einigen Schulen nachsteuern, und das konsequent. Vermutlich werden viele Schulen nach fünf Jahren noch weit von dem Ziel der Halbierung
entfernt sein. Hoffentlich wird es auch Standorte geben, an denen man positive Effekte sieht – die sich dank der Kopplung von formativer und summativer Evaluation auf die Maßnahmen des Programms
zurückführen lassen. Die Politik wird sich Gedanken machen müssen, wie sie mit denjenigen Schulen verfahren will, die über Jahre Geld bekommen haben, ohne dass es vorangeht. Sicherlich wird man
dann verstärkt über neue Zielvereinbarungen sprechen müssen, mit einer verstärkten Kooperation zwischen Schulen und Schulaufsicht, damit auch diese Schulen die Früchte des Programms ernten. Das
wäre zumindest meine Empfehlung.
"Es wäre furchtbar, wenn das Geld
nicht bei den Richtigen ankäme und nicht
die gewünschten Effekte hätte."
Die sie als wer aussprechen? Als Chef des IPN Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik – oder als einer der Vorsitzenden der SWK?
Ich vermute, vieles von dem, was ich hier im Interview gesagt habe, wird von den meisten Bildungsforscherinnen und Bildungsforschern in Deutschland geteilt werden. Aber nichts davon ist
abgestimmt mit den übrigen 15 Mitgliedern der SWK. Letzteres auch deshalb nicht, weil wir als Ständige Wissenschaftliche Kommission bislang gar nicht explizit nach unseren konkreten Ideen zur
Evaluation des Startchancen-Programms gefragt oder beauftragt worden sind.
Würden Sie gern beauftragt werden?
Natürlich würde ich mir wünschen, dass die Bildungsforschung eingebunden und um Rat gefragt wird. Nicht, weil wir auf irgendwelche zusätzlichen Forschungsgelder aus sind, sondern weil wir ein
genuines Interesse daran haben, den Bund und die Länder in ihrem Vorhaben zu unterstützen. Der Bund will insgesamt zehn Milliarden Euro einsetzen, die Länder, in welcher Form auch immer, zehn
weitere Milliarden dazu geben. Es wäre furchtbar, wenn das Geld nicht bei den Richtigen ankäme und nicht die gewünschten Effekte hätte. Die SWK ist allerdings eine Kommission der
Kultusministerkonferenz, sie stimmt dementsprechend auch ihr Programm mit der KMK ab. Gleichwohl könnten KMK und BMBF sich zusammentun und uns in die Diskussion um eine wissenschaftliche
Begleitung beziehungsweise Evaluation einbinden. Ich kann mir vorstellen, dass die SWK dann eine Stellungnahme erarbeiten und darin ausbuchstabieren würde, wie eine wissenschaftliche Begleitung,
eine Evaluation und ein Monitoring des Startchancen-Programms aussehen könnte. Um das mit Leben zu erfüllen, was das Eckpunktepapier als ambitioniertes Ziel ausgegeben hat.
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