Die Sowjetunion 1953-1991
In: Informationen zur politischen Bildung: izpb, Heft 236, S. 1-48
ISSN: 0046-9408
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In: Informationen zur politischen Bildung: izpb, Heft 236, S. 1-48
ISSN: 0046-9408
World Affairs Online
In: Deutschland Archiv, Band 25, Heft 6, S. 567-579
ISSN: 0012-1428
World Affairs Online
In: Europäische Rundschau: Vierteljahreszeitschrift für Politik, Wirtschaft und Zeitgeschichte, Band 18, Heft 1, S. 11-24
ISSN: 0304-2782
World Affairs Online
In: NATO-Brief, Band 37, Heft 2, S. 13-18
ISSN: 0255-3821
World Affairs Online
In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Band 34, Heft 38, S. 25-37
ISSN: 0479-611X
World Affairs Online
In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Heft 18, S. 3-20
ISSN: 0479-611X
World Affairs Online
In: Europa-Archiv / Beiträge und Berichte, Band 37, Heft 12, S. 357-368
World Affairs Online
In: Soziologie in der Gesellschaft: Referate aus den Veranstaltungen der Sektionen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, der Ad-hoc-Gruppen und des Berufsverbandes Deutscher Soziologen beim 20. Deutschen Soziologentag in Bremen 1980, S. 759-763
In: Europa-Archiv / Beiträge und Berichte, Band 35, Heft 2, S. D49-D55
World Affairs Online
In: Magisterarbeit
Inhaltsangabe:Einleitung: 'Ein Schlachtfeld, das scheint für einige Reporter so etwas zu sein wie ein Abenteuerspielplatz, illuminiert von einem Feuerwerk, ein aufregendes Lichterspiel mit einer bombigen Geräuschkulisse. Das Bild vom Kriegsreporter, das in den Köpfen mancher meiner Kollegen irrlichtert, sieht ungefähr so aus: Lederjacke, düsterer Blick, der sagt: ,Ich habe schon so ziemlich alles gesehen', dazu noch ordentlicher Alkoholkonsum, Whiskey natürlich passend zu rauen Stimmen und den drei Scheidungen, die der ,verdammte Beruf' halt so mit sich gebracht hat. Andere verstehen das Wort vom Kriegsspiel allzu wörtlich. Sie meinen, ein Kurzeinsatz in Afghanistan könne sie von der angeblichen Langeweile der Regionalberichterstattung erlösen, wenn auch nur für drei Wochen. Schließlich gibt es noch jene Kollegen, die glauben, durch einen Einsatz als Kriegsreporter ihre Karriere beschleunigen zu können. Gerade die letzteren sind nicht wenige.' (Armbruster 2007; ARD-Kriegsreporter vor dem zweiten Irakkrieg in Bagdad). Mythische Vorstellungen über das Berufsbild des Krisen- bzw. Kriegsreporters gibt es nicht nur auf Seiten der Journalisten, sondern auch auf Seiten der Rezipienten medialer Informationen aus weltweiten Kriegsgebieten: Kriegsreporter gelten als ,coole' Helden in weißen Hemden, die im mutigen Alleingang an der Front leben und arbeiten - weit entfernt von der sicheren Heimat. Sie haben keine Angst und scheuen sich nicht, nur ,bewaffnet mit einem Presseausweis' im Schützengraben zu liegen, um unter Einsatz ihres eigenen Lebens ,live' für ,ihr' Publikum aus dem Ausland Bericht erstatten zu können. Für Kriegsreporter ist der Ausnahmezustand Normalzustand. Ihre Arbeit ist ein ständiger Adrenalin-Kick. Kehrt der Kriegsreporter in seine Heimatredaktion zurück, bringt der Auslandseinsatz unter Gefechtsbedingungen einen Karriere-Kick, heißt es. Im Extremfall stirbt der Kriegsreporter einen ,heroischen', weil unschuldigen und öffentlichen Tod, denn Kriege werden oftmals zu globalen Medienereignissen stilisiert. Vielleicht sind es gerade die außergewöhnlichen Arbeitsbedingungen im Krieg und Verantwortlichkeiten des Kriegsreporters, die die mythischen Elemente im Selbstbild dieser Profession begründen. Weil Krieg für Rezipienten aus Westeuropa häufig ein von der Heimat weit entferntes Spektakel ist, fungieren Kriegsberichterstatter als die einzigen Augenzeugen vor Ort mit öffentlichem Informationsauftrag. Sie tragen außerhalb des heimatlichen Einflussbereiches der Rezipienten dafür Sorge, dass das Publikum in der Heimat wie ,selbstverständlich' von den kriegerischen Auseinandersetzungen im Ausland erfährt. Als Spezialkorrespondenten im Ausland sind Kriegsreporter oft die Ersten, die am Ort einer Katastrophe eintreffen. Ihr Einsatz im Kriegsgebiet zählt zu den gefährlichsten und schwierigsten Auslandseinsätzen eines Journalisten. Momente und Bilder von Tod, Barbarei und Sinnlosigkeit gehören von Berufs wegen zu ihrem riskanten Arbeitsalltag. Sprachlosigkeit können sich Kriegsreporter angesichts der Omnipräsenz von Tod und Gewalt aber nicht leisten, denn ,Krieg' ist ein Wort, das die Agenda der Medien tagtäglich dominiert. Mit seiner Dominanz wächst die Nachfrage der Rezipienten nach vertrauenswürdigen Informationen aus dem Ausland, die durch eine Orientierung bietende Kriegsberichterstattung gestillt werden muss. Für viele Menschen beginnen Kriege zudem erst dort, wo die Medien auftreten. Eine professionelle und unabhängige Kriegsberichterstattung ist besonders wichtig, weil Kriegsberichterstattung nicht nur für die Strukturierung der Realität des Rezipienten und für seine Vorstellungen von der Welt von besonderer Relevanz ist, sondern auch dafür, wie die am Krieg beteiligten Länder, Völker und Politiker massenmedial wahrgenommen werden. Weil Kriegsparteien die Macht der Medien erkannt haben, wirkt diese Tatsache unmittelbar auf die Kriegsberichterstatter zurück. So reagieren die Kriegsparteien mit einem immer professioneller ausgestalteten Informationsmanagement und versuchen, die Nachfrage nach Informationen mit möglichst produktionsgerechtem Informationsmaterial oder durch mediengerechte Inszenierung von Ereignissen zu befriedigen. Zu den besonderen Herausforderungen eines Kriegsberichterstatters gehört es folglich, den Überblick in Zeiten der desorientierenden Informationsflut und der Instrumentalisierungs- und Abschirmungsversuche zu bewahren. Im Sinne des allgegenwärtigen journalistischen Objektivitäts-Primats müssen Journalisten auch unter verschärften Arbeitsbedingungen im Kriegsgebiet nach der ,Wahrheit' suchen. Gleichzeitig müssen die Kriegsreporter die Erwartungshaltungen der Redaktionen und des Publikums im Rahmen ihrer Berichterstattung erfüllen, die sich in Abhängigkeit von den Tendenzen und Trends in der Auslandsberichterstattung des 21. Jahrhunderts herauskristallisieren. Verstärkte Kommerzialisierungstendenzen und technologische Innovationen haben seither einen markanten Einfluss auf die Art der journalistischen Berichterstattung und erhöhen nicht nur den Selektions- und Aktualitätsdruck, sondern provozieren vor allem scharfe Kritik am Journalismus. Ereignisorientierung statt Hintergrundberichterstattung, Abhängigkeit vom militärischen Informationsmanagement, Spekulationen statt Fakten, überflüssige oder übertrieben-dramatische Berichterstattung lauten häufige Vorwürfe im speziellen Kontext der Kriegsberichterstattung (vgl. Löffelholz 2003, S. 11). In Anbetracht der verschärften Arbeitsbedingungen und Herausforderungen im fernen Ausland ist es nachvollziehbar, dass Kriegsreporter zu den prominentesten Journalisten zählen und diese ,Sonderform' der journalistischen Auslandsberichterstattung viele Klischees und Mythen hervorgebracht hat. Das mythische Bild vom Kriegsreporter ist auch im 21. Jahrhundert noch existent, weil der Forschungsstand speziell rund um die Person des Kriegsberichterstatters als rudimentär subsumiert werden kann. Nach Beham ist die Kriegsberichterstattung selbst in der Journalistenausbildung eine 'terra incognita' (Beham 1996, S. 234). Statt wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen zu den Rahmenbedingungen des journalistischen Kriegseinsatzes und den Urhebern der ausländischen Berichte existieren primär (kommerzielle) Berichte von einzelnen Kriegsreportern in Tagebuchform über ihre Arbeit im Kriegsgebiet. Es ist auffallend, dass sich zahlreiche Studien allgemein dem journalistischen Berufsstand an sich widmen, die wenigen Studien im speziellen Kontext der Kriegsberichterstattung den Journalisten selbst aber regelmäßig ausblenden. Die Mehrzahl dieser analytischen Studien beschäftigt sich nicht mit dem Kommunikatorverhalten, sondern mit dem Rezipientenverhalten (vgl. Bentele 1993, S. 121 f.). Hinzu kommt, dass die wenigen Kommunikatorstudien entweder den Auslandsberichterstatter allgemein fokussieren (siehe z. B. Hahn et al. 2008) und ihn nur an einzelnen Nachrichtenplätzen erforschen (siehe z. B. Mükke 2009) oder sich lediglich mit speziellen Kriegsreportern wie den ,Embedded Journalists' auseinandersetzen (siehe z. B. Kryszons 2007; Richter 1999). Zwar haben die Kriegserfahrungen der jüngsten Vergangenheit das Thema Kriegsberichterstattung mit neuer Dringlichkeit auf die wissenschaftliche Agenda gesetzt (vgl. Daniel 2006, S. 8), jedoch wirft sie aufgrund der oben beschriebenen Lücken in der Forschung (,gap of research') auch im Jahre 2010 noch eine Reihe von zu untersuchenden Fragen auf (vgl. Kleffel 1994, S. 76). Forschungsgegenstand dieser Arbeit sind daher die Protagonisten, die im Kern des Verhältnisses von Medien und Krieg an verschiedenen Kriegsschauplätzen weltweit stehen. Aus einer akteurszentrierten Perspektive sollen deutschsprachige Kriegsberichterstatter als Berufskommunikatoren näher beleuchtet werden, die vor Ort in weltweiten Kriegsgebieten arbeiten. Die vorliegende explorative Untersuchung ist als eine Fallstudie der Kommunikatorforschung zu verstehen. Forschungsziel ist, Erkenntnisse über deutschsprachige Kriegsberichterstatter und die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit vor Ort sowie vor und nach ihrem Kriegseinsatz zu gewinnen. Dazu sollen die theoretischen Behauptungen in der Literatur durch einen Vergleich der Aussagen von Praktikern in Bezug auf personenbezogene Dispositionen sowie Arbeitsweisen und Arbeitsumstände angereichert werden, um etwaige Tendenzen innerhalb eines weltweiten Kontextes aufzeigen zu können. Die zum Vergleich benötigten Daten werden mittels einer Befragung von deutschsprachigen Kriegsberichterstattern gesammelt, durch die der Zielgruppe die Gelegenheit gegeben wird, individuelle Meinungen bzw. Einstellungen zu äußern sowie Überzeugungen, Verhaltensweisen und personenbezogene Eigenschaften darzulegen. Die folgenden Forschungsfragen, die den Fokus insbesondere auf Selbstwahrnehmung, Meinungen und Verhaltensweisen der Kriegsreporter legen, spezifizieren das Forschungsziel und verdeutlichen, welche Aspekte in der vorliegenden Studie von zentralem Interesse sind: Personenbezogene Dispositionen: Wie sieht das Profil der befragten deutschsprachigen Kriegsberichterstatter aus? Welches Motiv bewegt den Journalisten, als Kriegsreporter vor Ort arbeiten zu wollen? Welches Rollenbild hat der Journalist in Bezug auf seine Aufgabe im Kriegsgebiet? Arbeitsumstände: Wie sind die infrastrukturellen und logistischen Arbeitsbedingungen vor Ort zu bewerten? Wie lässt sich das Verhältnis der Kriegsberichterstatter untereinander charakterisieren? Welche Rolle spielt die Heimatredaktion für den Kriegsreporter vor Ort? Wie lässt sich das kommunikative Verhältnis zwischen Heimatredaktion und Kriegsreporter vor Ort beschreiben? Hat die Heimatredaktion eine Ordnungsfunktion inne? Welche Vor- und Nachsorgemaßnahmen werden getroffen? Welche physischen und psycho-sozialen Gefahren birgt der Einsatz im Kriegsgebiet? Arbeitsweisen: Wie generieren die Journalisten ihr Fachwissen über das Einsatzgebiet? Aus welchen Quellen gewinnt der Reporter seine Informationen und wie überprüft er deren Vertrauenswürdigkeit? Wie häufig werden unverifizierte Informationen weitergeleitet? Welche Meinung vertritt der Reporter in Bezug auf kontrovers diskutierte visuelle und verbale Darstellungsoptionen in seinen Kriegsberichten? Zur Beantwortung der Forschungsfragen ist die Arbeit in fünf Kapitel gegliedert. Nach der Einleitung (I.) wird in Kapitel II. das theoretische Fundament zum Verständnis von Kriegsberichterstattung gelegt. Weil Kriegsberichterstattung zur Auslandsberichterstattung gehört, liefert Kapitel II.1. zunächst eine kurze Einführung in dieses Feld, damit in Kapitel II.2. die Kriegsberichterstattung als eine ,Sonderform' der Auslandsberichterstattung verortet und näher beleuchtet werden kann. Kapitel III. skizziert praktische Implikationen der Kriegsberichterstattung und bildet mit der Fokussierung der besonderen Modalitäten vor (III.1.), während (III.2.; III.3.; III.4.) und nach (III.5.) dem journalistischen Einsatz im Kriegsgebiet den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. In Kapitel IV. wird die empirische Untersuchung vorgestellt (IV.1.) und ein exklusives Meinungsbild von weltweit tätigen Kriegsreportern präsentiert und diskutiert (IV.2.), um die forschungsleitenden Fragestellungen in der Einleitung zu beantworten. Die Arbeit schließt mit einem Fazit (V.), in dem das Ziel der Arbeit rekapituliert und der Versuch unternommen wird, Empfehlungen für die künftige Praxis der Kriegsberichterstattung zu geben.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: AbbildungsverzeichnisVII AbkürzungsverzeichnisVIII AnhangsverzeichnisIX I.Einleitung1 II.Theoretische Grundlagen der Auslandskorrespondenz6 1.Auslandsberichterstattung6 1.1Einführung: Bedeutung der Auslandsberichterstattung6 1.2Tendenzen und Trends: Auslandsberichterstattung heute8 1.3Selbstdefinition: Rollenbilder von Auslandskorrespondenten11 2.Kriegsberichterstattung14 2.1Spezialkorrespondent: Der Kriegsberichterstatter14 2.2Beruf Kriegsreporter: Mythen und Motive16 2.3Dilemma: Wahrheit und Objektivität im Kriegsgebiet19 III.Praxis der Kriegsberichterstattung22 1.Vorbereitung: Verantwortlichkeiten und Sicherheit22 1.1Verantwortung: Einsatzorganisation und Vorsorgemaßnahmen22 1.2Formalien: Bürokratische Modalitäten25 1.3Sicherheit: Potenzielle Gefahren vor Ort26 2.Produktion: Freiheitsgrade und Einflussnahmen28 2.1Reisen und Unterkunft: Infrastruktur und Logistik28 2.2Recherche: Informationsquellen und -gruppen30 2.3Hürden der Pressefreiheit: Propaganda und Zensur32 2.4Kommunikation: Das Verhältnis der Reporter zur Redaktion35 2.5Arbeitsklima: Die Beziehung der Reporter untereinander36 3.Inhalte: Auswahl und Thematisierung39 3.1Kriegsberichte: Einflussfaktoren auf Inhalte39 3.2Angstpotenzierung: Das Dilemma der Terrorberichterstattung41 4.Darstellung: Visualisierung und Verbalisierung44 4.1Selbstzensur: Ethische Fragen der Bilddarstellung44 4.2Sprache: Problematik der Polarisierung und Dämonisierung46 5.Nachbereitung: Verdrängung und Verarbeitung50 5.1Trauma: Psycho-soziale Risiken des Berufes50 5.2Betreuung: Fürsorgepflicht der Redaktion53 IV.Befragung deutschsprachiger Kriegsreporter weltweit55 1.Methodik: Das Untersuchungsdesign55 1.1Untersuchungsinstrument: Die Befragung55 1.2Operationalisierung: Konzeption des Fragebogens59 1.3Zielgruppe: Bildung der Stichprobe63 1.4Feld-Phase: Durchführung der Befragung65 1.5Analyse: Auswertung der empirischen Daten66 2.Untersuchungsergebnisse: Präsentation und Diskussion67 2.1Profil deutschsprachiger Kriegsberichterstatter67 2.1.1Soziodemographische Angaben und Berufserfahrung67 2.1.2Motive für den Beruf des Kriegsreporters71 2.1.3Rollenverständnisse der Reporter vor Ort75 2.2Vorbereitung79 2.2.1Vorsorge- und Sicherheitsmaßnahmen79 2.2.2Wissensaneignung über das Einsatzgebiet82 2.3Produktion84 2.3.1Aufenthaltsdauer der Reporter vor Ort84 2.3.2Infrastrukturelle und logistische Arbeitsumstände85 2.3.3Informationsquellen und Informationsüberprüfung86 2.3.4Arbeitsklima der Reporter vor Ort92 2.3.5Rolle der Heimatredaktion im Kriegszustand95 2.3.6Kommunikation zwischen Heimatredaktion und Reporter97 2.4Inhalte und Darstellung98 2.4.1Individuelle inhaltliche Kriterien der Reporter98 2.4.2Kriegsreporter als Multiplikatoren des Terrors102 2.4.3Selbstzensur des Reporters zum Schutz der Rezipienten104 2.5Nachbereitung107 2.5.1Durchlebte Gefahrensituationen der Reporter107 2.5.2Psycho-soziale Einsatz-Folgen und Unterstützung109 2.6Zusammenfassende Betrachtung113 V.Fazit Kriegsreporter zwischen Mythos und Arbeitsrealität118 Literaturverzeichnis123 Anhang143Textprobe:Textprobe: Kapitel 2.2, Beruf Kriegsreporter: Mythen und Motive: Im Kontext des übermittelten Mythos ziehen es Kriegsberichterstatter vor, sich als Einzelkämpfer zu präsentieren, die zu Helden werden können, indem sie den Tod eines unschuldigen Kriegsberichterstatters sterben oder entsprechende heroische Taten vollbringen. Befördert wurde die mythische Betrachtungsweise der Person des Kriegsreporters dadurch, dass er zu damaliger Zeit traditionsgemäß aus der Oberschicht oder den oberen Mittelschichten stammte und damit auch oftmals aus der gleichen sozialen Schicht wie die angesehenen Offiziere der damaligen Truppen, die ihn begleiteten. Überlappende Bekanntschaftskreise und geteilte Männlichkeitsvorstellungen sowie Ehrenkodizes verfestigten das Verhältnis zwischen den militärischen Befehlshabern und den Kriegsberichterstattern zusätzlich. Kriegsberichterstatter waren 'Gentlemen unter Gentlemen' (Daniel 2006, S. 13), die den Kontakt mit einfachen Soldaten mieden und privilegiert mit Diener, Pferd und Wagen reisten. Erst um 1900 sei diese elitäre Gruppe der Kriegsberichterstatter mit einem weniger elitären Typus konfrontiert worden, der später als ,freelancer' bezeichnet wurde. Sein vorrangiges Ziel ist es gewesen, durch seine Berichte vom Schlachtfeld Karriere zu machen (Vgl. ebda.): 'Sie brachten einen neuen, von der Generation der Älteren und Erfahrenen nicht goutierten Stil in die Korrespondentenschar, da sie sich ihren Namen erst noch machen mussten und deswegen die einvernehmlichen Umgangsweisen zwischen Korrespondenten und Militärs durch Umgehen von Zensurvorschriften und ähnliches störten.' (Daniel 2006, S.13). Zwar habe sich im Verlaufe des 20. Jahrhunderts die soziale Einzugsbasis beider Berufsgruppen erweitert, durch die sich der 'soziale Konnex zwischen Offizierskorps und Journalisten' (ebda.) auflöste, dennoch ist der Mythos Kriegsreporter auch heute noch beständig. Nach Klein und Steinsieck sind die um das Berufsbild kursierenden Mythen insbesondere im Zusammenhang mit dem damals gängigen Bild des 'archetypischen' (Klein/Steinsieck 2006, S. 9) Kriegsberichterstatters, welches sich auf einer fortwährend suggerierten Kompetenz und Glaubwürdigkeit gründen würde, auch heute nicht überholt. Klein und Steinsieck sind überzeugt, dass Kriegsberichterstatter auch im 21. Jahrhundert noch bemüht sind, Vertrauen aufzubauen, indem sie ein spezifisches Bild von ihrer Persönlichkeit und ihrem Beruf zu vermitteln versuchen. In autobiographischen Diskursen würden Kriegsreporter deshalb vorzugsweise ihre unmittelbare Augenzeugenschaft vor Ort betonen, mit dem Ziel, ihre Glaubwürdigkeit auf diese Weise nachhaltig unterstreichen zu können. In diesem Zusammenhang würden Kriegsreporter mit Vorliebe nicht über ihren Alltag, der meist eher langweilig sei, sondern vor allem von außergewöhnlichen Momenten erzählen, in denen sie als Kriegsreporter selbst im Mittelpunkt explosiver Gewalt stünden. (Vgl. ebda.) Kriegsreporter Pedelty argumentiert in ähnlicher Weise die mythischen Elemente im Selbstbild seiner Profession: 'The mythological core of press corps culture contains a shared narrative of adventure, independence, and truth that imbues the correspondents` heavily controlled practice with sense of magic and purpose. The myths become anodynes, narcotic fantasies (and ?phalluses?) which assuage the pangs of mundane, difficult, and disciplined labor.' (Pedelty 1995, S. 39). Spekuliert werden kann, ob mit dieser bewussten Betonung der persönlichen Augenzeugenschaft ein Grund für den klischeegeprägten Mythos des beinahe unverwundbaren und coolen Berichterstatters gegeben ist (vgl. Hoff 2008), 'der notfalls abends an der Bar die gruseligen Bilder des Tages herunterspült' (Staun 2010; vgl. auch Hoff 2008). Darüber hinaus hat aber auch die Frage nach Beweggründen für die persönliche Grundsatzentscheidung des Journalisten aus einem Kriegsgebiet zu reportieren und damit das eigene Leben bei der Berufsausübung zu riskieren, schon viele Spekulationen befördert: Ist es 'Sensationsgier, Effekthascherei, um durch Heldentum seiner Karriere einen Schub zu verpassen?' (Armbruster 2008, S. 55) Doch neben den eigentlichen Motiven sind auch die Charakterzüge eines Kriegsreporters wichtig. Brase (2008, S. 42), selbst Kriegsreporter im damaligen Kosovo-Krieg, mahnt eindringlich: 'Der Einsatz in einem Krisengebiet ist nichts für Zartbesaitete, genauso wenig wie der journalistische Einsatz etwas für Draufgänger und Abenteurer ist'. Eine ähnliche Ansicht vertritt Limbourg (2008, S. 171 f.), der als verantwortlicher Chefredakteur auch für die Auswahl von Kriegsreportern zuständig ist: 'Bei Kriseneinsätzen gilt: viele Kollegen fühlen sich berufen – wenige sind ausersehen. Natürlich wissen Reporter, dass bei einem gelungenem Einsatz Ruhm und Ehre warten. Die Aufmerksamkeit von Redaktion und Chefs ist sicher. Tägliche Präsenz in den Hauptnachrichten ist gewiss. Man kann es sogar selbst zum Medienereignis bringen [...] Aber im Vordergrund müssen immer der Journalismus und die Geschichte stehen. Lawrence of Arabia-Darsteller und Bruce Willis-Imitate sollen schön zu Hause bleiben. An der Front braucht es den besonnenen Kollegen'. Verantwortliche Entscheidungen bei der Rekrutierung von Kriegsreportern sind folglich auch auf Redaktionsseite notwendig, die feststellen sollte, ob die Charakterzüge und Motive eines Journalisten nicht im Widerspruch zum eigentlichen öffentlichen Informationsauftrag stehen. Allerdings werfen manche selbstkommunizierten Motive von Kriegsreportern Fragen in Bezug auf die Eignung des Journalisten für die Besetzung des Auslandpostens auf. Wenig kritisch reflektiert erscheint beispielsweise das Motiv von Kriegsreporter Judah, der offen zugibt, primär den Wunsch nach einem Ausbruch aus der alltäglichen Arbeitsroutine der Heimatredaktion verspürt zu haben und im Rahmen eines 'Spaßfaktors' auch persönlich dabei sein wollte, wenn Geschichte geschrieben wird: 'I became a journalist because I wanted to see history being made, and I certainly didn`t want to while away my working years behind a flickering screen in an office while everyone else had fun.' (Judah 2002, S. 39) Ebenso offenbart der junge Kriegsreporter Reichelt, was für ihn den 'wirklichen' Reiz an seinem Job ausmacht: 'Ich wollte schon immer da sein, wo Menschen Leid ertragen müssen. Warum? Die gute Antwort lautet: Um darüber zu berichten, etwas zu ändern, zu bewegen, einen Unterschied zu machen. Die nicht so gute Antwort ist, dass ich dachte, es wäre irgendwie cool. Cool, an Orten zu sein, an die sonst kein Mensch fahren würde. Man will wissen, wie viel Leid man ertragen kann. Es ist, als würde man die Hand über eine Flamme halten.' (Reichelt 2009, S. 49). Herkel (2000) sieht hinter dieser besonderen und riskanten Berufswahl den Wunsch mancher (junger) Journalisten, sich in der Redaktion etablieren zu wollen, indem ein spannender Kriegsbericht den lang ersehnten Karrieresprung einleiten und so der Redaktion zur erhofften Einschalt- und Leserquote verhelfen würde. Eine gute Quote aufgrund eines sensationellen Fotos oder ein Berichtes kann folglich auch unter Umständen bereits ,über Nacht' zum schnellen, persönlichen Profit des Kriegsreporters führen. Himmelstein und Faithorn (2002, S. 553) konstatieren, dass sich besonders am frühen Anfang des 21. Jahrhunderts viele junge Journalisten für den Job des Kriegsreporters beworben hätten: 'The wars in Afghanistan in 2001 and Israel/Palestine in 2002 produced a waiting list of young general assignment reporters who felt they could advance their careers by covering war'. Klein und Steinsieck kommen in ihrer Studie aus dem Jahr 2006 zu dem Schluss, dass die Motivation der Kriegsberichterstatter am Anfang und Ende des 20. Jahrhunderts Kontinuitäten aufweise. Motive der Kriegsreporter sind demnach 'in wesentlichen Punkten unverändert geblieben: Abenteuerlust, der Wunsch nach Anerkennung und die Hoffnung, Karriere zu machen.' (Klein/Steinsieck 2006, S. 4) Nach Auffassung von Himmelstein und Faithorn basieren die Motive für den Kriegseinsatz allerdings bei berufserfahrenen Reportern auf einem weitgefächerten Set von Beweggründen. Diese reichen von altruistischen bzw. empathischen Motiven für (unter anderem) das menschliche Leid im Kriegsgebiet bis hin zu Neugierde und dem Wunsch nach Lernen bzw. Wissenserweiterung in Zusammenhang mit kulturellen und geschichtlichen Ereignissen: 'Many top reporters share a conviction that their work has purpose, specifically that they can help their audience gain greater insight into the larger social meaning of the events they report. Their concern with the human condition and desire to contribute to its improvement whenever possible inevitably involve an underlying altruistic motive based in empathy for human suffering, ignorance and confusion. Other reporters have a more self-enhancing sense of purpose - for example, an intense curiosity and desire to learn about cultures and history - and consider the benefit their audiences may derive from their reporting to be a positive by-product of their primary motivation.' (Himmelstein/Faithorn 2002, S. 54).
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Das BMBF-Papier hängt die Latte für eine schnelle Einigung beim geplanten neuen Milliardenprogramm hoch – zu hoch?
Foto: Luisella Planeta /
Pixabay.
NORMALERWEISE betont das BMBF bei Nachfragen zu den Digitalpakt-Verhandlungen stets, dass diese vertraulich seien. Nachdem jedoch das Ministerium von Bettina Stark-Watzinger (FDP) am
Freitagnachmittag seinen neuen Vorschlag an die Länder versandt hatte, dauerte es nur wenige Stunden, bis in der Welt am Sonntag ein Bericht zu dem Konzept erschien, der als Entwurf
einer "Gesamtvereinbarung zwischen Bund und Ländern über den Digitalpakt 2.0 (2025-2030)" tituliert ist. Dieser, prophezeite die Welt am Sonntag, dürfte "für harte Diskussionen sorgen" –
was noch untertrieben sein könnte.
Denn bei der Lektüre der acht Seiten wird klar: Hier ist ein – durchaus mutiges – Papier entstanden, das allerdings an vielen Stellen den Bildungsföderalismus so sehr herausfordert und die Latte
dabei so hochlegt, dass nur eine Interpretation möglich ist: Im BMBF ist man, um seine Ziele zu erreichen, sogar bereit, das komplette Scheitern der Verhandlungen zu riskieren. Weil
Stark-Watzinger von der Richtigkeit der eigenen Mission derart überzeugt ist? Weil sie weiß, wie unbeliebt der Bildungsföderalismus und die Kultusministerkonferenz in der Öffentlichkeit sind
– und dass die Kultusminister das auch wissen? Weil sie deshalb darauf setzt, dass die Kultusminister am Ende einlenken werden, weil für sie der Imageschaden noch größer wäre als für den
Bund?
Dass da etwas auf sie zukommt, hatten die Kultusminister spätestens seit Februar (also nach Abschluss der Startchancen-Vereinbarung) verschiedenen Interviews Stark-Watzingers
entnehmen können und, allerdings immer nur in Teilen, auch in Staatssekretärsrunden erfahren: spürbar andere Akzente als in den zuvor bereits gelaufenen Bund-Länder-Verhandlungsrunden zur
Fortsetzung des 2019 gestarteten Milliardenprogramms. Im März kam es fast zu einem Eklat, dann zu einem Krisengespräch
in der KMK – und vorübergehend zu einer gewissen Beruhigung. Doch zuletzt warfen die Kultusminister der Ministerin erneut vor, auf Zeit zu
spielen. Womöglich, so die Vermutung, weil sie gar nicht das Geld für einen Digitalpakt 2.0 von Finanzminister Christian Lindner (ebenfalls FDP) bekomme. Stark-Watzinger selbst betonte
stets, sich für die Fortsetzung einzusetzen und sich in den Verhandlungen an alle, auch die terminlichen, Abmachungen zu halten. Doch, schrieb sie beispielsweise vor einer Woche an die KMK, müsse der "Sorgfaltsmaßstab"
berücksichtigt werden, der an die Erstellung eines solchen Dokuments, des angekündigten "ausformulierten Gesamtkonzepts", anzulegen sei. In dem die Länder jetzt erstmals in der Gesamtschau
präsentiert bekommen, was Stark-Watzinger als Gegenleistung für einen Digitalpakt 2.0 will.
Den Bildungsföderalismus in
seinen Beschränkungen vorführen
Dass das BMBF von den Ländern eine 50-50-Finanzierung des neuen Programms erwartet, während die Länder beim Vorgänger nur zehn Prozent drauflegen mussten, entspricht dem seit
langem Kommunizierten. Ebenso dass der Bund zum 1. Januar 2025 starten will und nicht, worauf die Kultusminister anfangs, aber vergeblich gedrängt hatten, schon zum Ende des Digitalpakts
1.0. im Mai/Juni.
Auf die Palme bringen wird die Kultusminister allerdings, dass die Länder laut Vereinbarungsentwurf des Bundes nichts von dem, was sie bislang für digitale Bildung ausgeben, anrechnen dürfen
sollen auf ihre 50 Prozent. Auch dass die Kommunen, die eigentlichen Schulträger, für die Finanzierung des Länderanteils nicht mit in die Pflicht genommen werden dürfen, klingt erstmal
gut – widerspricht aber völlig den bisherigen Gepflogenheiten und wäre wohl vor allem für ärmere Länder kaum finanzierbar. Als krassen Eingriff in ihre inneren Angelegenheiten werden die Länder
schließlich die Forderung werten, dass sie mit den Kommunen das Kompetenzverhältnis bei den inneren und äußeren Schulangelegenheiten neu bestimmen sollen. So sinnvoll das tatsächlich sein
könnte.
Vorschläge wie diese sind geeignet, den Bildungsföderalismus in seinen Beschränkungen vorzuführen. Aber erhöhen sie tatsächlich die Erfolgsaussichten der Digitalpakt-Verhandlungen?
Ähnlich verhält es sich, wenn das BMBF in seinem Konzept ankündigt, dass die Pakt-Mittel nur zum jährlichen Abruf bereitstehen sollen, eine Überjährigkeit, die bei der Realisierung großer
Investitionsvorhaben im Grunde eine Voraussetzung darstellt, soll also nicht vorgesehen sein. Was aber passt zu der ebenfalls im Papier enthaltenen Ansage, die Länder seien für eine
Beschleunigung und Entbürokratisierung des Antrags- und Bewilligungsverfahrens verantwortlich – als habe es beim Digitalpakt 1.0 nicht auch deshalb mit der Mittelvergabe so lange gedauert, weil
die Vorgaben des Bundes so detailliert waren. "Die Länder bekennen sich zu dieser Zielsetzung, indem sie eine Verbesserung der Beratungs- und Bewilligungsstrukturen, einschließlich deren
Digitalisierung, sowie Fristen zur Antragsbearbeitung vorsehen", so formuliert es jedenfalls der BMBF-Entwurf.
Druck macht der Bund auch, was eine Fortbildungsverpflichtung für Lehrkräfte angeht: 30 Stunden pro Jahr und Person "insbesondere im Bereich digitales Lehren und Lernen", dazu höhere
Fortbildungs- und Qualitätsbudgets an den Schulen. Außerdem sollen die Länder die digitale Bildung in die Curricula aller Schulformen aufnehmen, und an allen Hochschulen sollen Inhalte zur
digitalen Bildung zum verpflichtenden Bestandteil des Lehramtsstudiums werden, inklusive einer Verständigung auf "ambitionierte, verpflichtende gemeinsame Standards bei den Digital- und
Medienkompetenzen zwischen allen Ländern". So nachvollziehbar all das ist (und übrigens bei den Curricula zum Teil schon umgesetzt), den Ländern wird es kaum gefallen, dass der Bund mit
solchen Forderungen impliziert, ohne sein Mittun seien sie zu solchen Schritten nicht in der Lage gewesen.
Und wenn Stark-Watzingers Ministerium für die Verteilung der Digitalpakt-Gelder wie schon im März berichtet einen programmspezifischen Verteilschlüssel fordert, "der die aktuellen Schüler und
Schülerinnen-Zahlen bezogen auf die grundsätzlich antragsberechtigten Schulen widerspiegelt", wird es dafür ebenfalls den Applaus vieler Bildungsexperten erhalten und fordert die Länder doch
bewusst heraus. Weil ein solcher Mechanismus im Gegensatz um Königsteiner Schlüssel nicht einfach mal kurz festzulegen ist, sondern zu einem Feilschen zwischen kinderstarken und kinderärmeren
Bundesländern führen wird.
"Bis zu X Mrd.
zu gleichen Teilen"
Auf jeden Fall dürfte auch das dauern und die Erwartung der Länder, spätestens bis zum KMK-Ministertreffen im Juni durch zu sein, weiter in Frage stellen. Was aber wiederum, nachdem
Stark-Watzinger aus Sicht der Kultusminister bereits ihren Konzeptvorschlag verspätet eingereicht hatte (was diese bestreitet), die nächste Etappe in dem von den Ländern vermuteten Zeitspiel des
BMBF wäre. Weil sie, so die Kultusminister, sich ja erst noch das Geld sichern muss und offen sei, ob ihr das überhaupt gelinge.
Der Bundesparteitag am Wochenende bescherte neue Nahrung für die diesbezüglichen Zweifel der Länder. Er lehnte, wie TableBildung berichtete, einen Antrag der Jungen Liberalen für
den Digitalpakt 2.0 ab. Bemerkenswert war, dass sich mit Florian Toncar, dem Parlamentarischen Staatssekretär im Finanzministerium, ausgerechnet ein Vertrauter für die Ablehnung eingesetzt hatte:
"Wir können nicht lauter Sachen beschließen, die es uns nachher immer schwerer machen, die Schuldenbremse einzuhalten."
Auch im Entwurfstext, den Stark-Watzinger am Freitag vorgelegt hat, fehlte immer noch jede Angabe, wieviele Milliarden der Digitalpakt 2.0 umfassen soll. Bund und Länder investierten
"über die Laufzeit dieser Vereinbarung insgesamt bis zu X Mrd. zu gleichen Teilen", heißt es da. Geradezu dreist sei das von der Bundesbildungsministerin, ereifern sich einige Kultusminister: ein
Papier mit Maximalforderungen abzuliefern und gleichzeitig die entscheidende Frage, wieviel Geld der Bund überhaupt auf den Tisch legen will, immer noch schuldig zu bleiben. Bis Freitag sollen
alle Bundesministerien ihre Budgetvorstellungen für 2025 bei Finanzminister Lindner anmelden, damit naht auch der Moment der Wahrheit für das finanzielle Commitment des Bundes.
Nur an einer Stelle ist der BMBF-Text schon jetzt haushalterisch gesehen erstaunlich konkret: wenn das BMBF eine neue, von Bund und Ländern ebenfalls hälftig finanzierte "Forschungs- und
Transferinitiative digitales Lehren und Lernen" anregt, als Nachfolge der "Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten in Schule und Weiterbildung". Die bezahlt der Bund
bislang allein, aber ausschließlich mit EU-Geldern, die sehr kurzfristig schon 2025/2026 auslaufen. Insgesamt 500 Millionen Euro sollen Bund und Länder hier für die Jahre 2025 bis 2030
investieren, womit Stark-Watzinger den Digitalpakt als Vehikel einsetzen würde, um ihr kurzfristiges Geldproblem mit den Kompetenzzentren zu lösen. Allerdings müsste sie dafür auch die für
die Kompetenzzentren zuständigen Wissenschaftsminister an den Verhandlungstisch holen, wie realistisch ist das bis Juni?
Und was die Länder wohl davon halten, wenn das BMBF den Digitalpakt 2.0 zur definitiv "letztmaligen Unterstützung des Bundes" deklarieren will – mit der klaren Ansage, dass Ende 2029 Schluss
ist? "Es ist daher alleinige Pflicht der Länder, für die nachhaltige Finanzierung des digitalen Wandels in den Schulen Sorge zu tragen", steht im Entwurf – in Form einer in jedem Land bis Ende
2029 mit den Schulträgern abgestimmten verbindlichen Planung "zur dauerhaften Finanzierung der genuinen Länderaufgabe digitaler Bildung". Und wenn gute digitale Bildung wirklich allein
Ländersache wäre, warum hätte sich der Bund dann all die Jahre engagieren sollen? Und wieso sollten sich jetzige Regierungen in Bund und Ländern binden in Bezug auf mögliche Vereinbarungen, die
ihre Amtsnachfolger in etlichen Jahren zu schließen oder nicht zu schließen bereit sind?
Erste Reaktionen
aus den Ländern
Die ersten offiziellen Reaktionen der Kultusminister fallen parteiübergreifend einheitlich aus – und deutlich. KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot (SPD) sagte auf Anfrage, das BMBF-Papier
spiegele den bisherigen Verhandlungsstand zum Digitalpakt 2.0 nicht wider". Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien, die die Bildungspolitik der CDU-regierten Länder koordiniert,
kommentierte, das das vorgelegte Konzept enthalte "manchen neuen Vorschlag, über den man reden kann. Viele andere Stellen jedoch widersprechen so grundsätzlich dem bisherigen
Verhandlungsstand zum Digitalpakt 2.0 und auch den etablierten Bund-Länder-Kommunal-Beziehungen, dass sie nicht verhandelbar sind."
War's das also? Nein, denn die Länder wissen, siehe oben, dass der Bund mit etlichen Vorschlägen die öffentliche Meinung auf seiner Seite hat und dass sie auf das Geld des Bundes angewiesen sind.
Aber worauf genau ist eigentlich der Bund angewiesen? Und was von den Vorschlägen im Papier ginge verfassungs- und finanzrechtlich überhaupt?
Prien sagt: "Dennoch verhandeln wir weiter, denn Bund und Länder stehen in einer gemeinsamen Verantwortung, den Schulen Perspektiven und Planungssicherheit bei der digitalen Bildung zu
geben. Auch wenn angesichts des Papiers Zweifel angebracht sind, hoffen wir, dass der Bund ebenfalls die ernsthafte Absicht hat, mit den Ländern zu einer zeitnahen Verständigung zu kommen."
Streichert-Clivot, im Hauptberuf Bildungsministerin im Saarland, fordert "jetzt verlässliche Leitplanken. Dazu gehören die finanziellen Mittel und ein klarer Zeitplan." Strukturen zugunsten der
digitalen Bildung einer ganzen Generation nachhaltig zu unterstützen, "das ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Unter Pakt verstehe ich ein gemeinsames Bündnis. Da müssen wir
jetzt hinkommen."
Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig, die die SPD-Bildungsministerien koordiniert, sagte, es sei gut, dass der Bund nun endlich ein Vorschlag zu seiner Vorstellung eines
Digitalpaktes 2.0 vorgelegt habe. Das am Freitagnachmittag übermittelte Papier des Bundes werde eingehend und zügig durch die Länder geprüft. "Wir halten an dem Verhandlungstermin am kommenden
Dienstag fest und wollen dort auch zu Kompromissen finden, damit wir jetzt in dieser wichtigen Frage weiterkommen". Allerdings sagt auch Hubig, das Papier enthalte Punkte, "die unter den Ländern
in dieser Form keine Zustimmung finden werden können".
Was die Forderung des Bundes nach weniger Bürokratie und Berichtswesen angehe, fügt Hubig hinzu, "sind wir sicherlich auf einer Linie". Zur Absicht im BMBF, nach dem Digitalpakt 2.0 auszusteigen,
sagt die SPD-Politikerin hingegen: "Das Grundgesetz wurde in der vergangenen Legislatur geändert, um die Zusammenarbeit in der Bildung zu erleichtern. Bildung ist von wesentlicher und
gesamtgesellschaftlicher Bedeutung, für alle: Bund, Länder und Kommunen."
Anmerkung: Ich habe diesen Beitrag am 29. April um 8.30 Uhr um eine Stellungnahme von KMK-Präsidentin Streichert-Clivot ergänzt sowie um einen Hinweis auf einen
Parteitagsbeschluss der FDP am Wochenende.
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Die drei "Handlungsstränge" im BMBF-Konzept
"Die Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern eng mit den Bereichen Schul- und Unterrichtsentwicklung verknüpft", führt das BMBF-Konzept aus. Digitale Bildung
könne daher nur in Verbindung von Ausstattung, Qualifizierung und Konzept gelingen. Der Digitalpakt 2.0 beinhaltet laut Entwurf deshalb "drei prioritäre
Handlungsstränge". Erstens: "Digitale Ausstattung und Infrastruktur", wobei der Begriff Infrastruktur im digitalen Zusammenhang weiter gefasst werden soll, "da Hardware und
IT-Infrastruktur nur mittels Werkzeugen, Software und Bildungsmedien nutzbar gemacht werden können." Alle Schulen sollen gleichermaßen zum Zuge kommen, digitale Vorreiter wie Nachzügler. Auch die
länderübergreifenden Vorhaben des bisherigen Digitalpakts, gepriesen als "Erfolgsmodell", sollen weitergehen, denn "die Entwicklung gemeinschaftlicher Lösung hat den größten Hebeleffekt für
systematische Veränderung und muss nur einmal (für alle) finanziert werden".
Zweiter Handlungsstrang: "Qualifizierung". Unter diesem Punkt führt das BMBF das von ihm geforderte Nachfolgeprogramm zu den digitalen
Kompetenzzentren aus, außerdem seine Anforderungen an eine Fortbildungsverpflichtung und digitale Inhalte in den
Curricula.
Im dritten Handlungsstrang ("Strategie, Unterstützung und Nachhaltigkeit") pocht der Bund vor allem darauf, dass die Länder sich auf die Zeit nach dem Digitalpakt
2.0 auf ihre alleinige (finanzielle) Verantwortung für digitale Bildung vorbereiten sollen, ebenso auf eine effektive Steuerung und Evaluation und einen "Monitoring"-Prozess, der für jeden
Handlungsstrang jährliche Berichte über Mitteleinsatz und umgesetzte Maßnahmen umfassen soll, veröffentlicht in einem öffentlich zugänglichen digitalen "Dashboard".
Das BMBF betont: "Die Verzahnung und das effiziente Zusammenwirken aller Maßnahmen, die diese drei Handlungsstränge unterlegen, ist die zentrale Gelingensbedingung
für den digitalen Wandel in den Schulen." Die Vereinbarung solle sicherstellen, dass die im Digitalpakt 2.0 getätigten Investitionen ineinandergriffen "und eine sichtbare und nachhaltige Wirkung
für das Bildungssystem haben".
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In: Diplomarbeit
Aus der Einleitung: Die Rekrutierung und Freistellung von Mitarbeitern in traditionell organisierten Unternehmen sind bereits umfassend erforscht und in der allgemeinen Personalmanagement-Literatur beschrieben. Im Vergleich dazu existiert für projektorientierte Unternehmen kaum Forschung, obwohl Personal auch in projektorientierten Unternehmen ein zentraler Erfolgsfaktor ist und die Personalmanagement-Prozesse Rekrutierung und Freistellung somit eine hohe Bedeutung aufweisen. Ziel dieser Untersuchung ist es, die spezifischen Herausforderungen eines projektorientierten Unternehmens an die Prozesse Rekrutierung und Freistellung von Projektmanagern zu beleuchten, Anlassfälle herauszuarbeiten, die Prozesse darzustellen und zu beschreiben und konkrete Methoden aufzuzeigen. Dazu werden in einem ersten Schritt die Literaturgrundlagen zu projektorientierten Unternehmen, zu Geschäftsprozess-Management, Rekrutierung und Freistellung aufgearbeitet und zusammengefasst. Danach werden Interviews mit Human Resources Managern in projektorientierten Unternehmen, Freelance Projektmanagern und PMO-Managern bzw. Expert Pool Managern geführt, um die Praxisperspektive in diese Arbeit zu integrieren. Abschließend werden die Spezifika für Rekrutierung und Freistellung in projektorientierten Unternehmen kurz zusammengefasst und Ansatzpunkte für weiterführende Forschung identifiziert. Die Arbeit beruht auf folgenden Thesen: Rekrutierung und Freistellung sind zentrale Personalmanagement-Prozesse in projektorientierten Unternehmen; Thesen zur Rekrutierung von Projektmanagern in projektorientierten Unternehmen; Es gibt spezifische Anlassfälle für die Rekrutierung von Projektmanagern in projektorientierten Unternehmen. Der Rekrutierungsprozess von Projektmanagern für ein spezifisches Projekt unterscheidet sich vom Rekrutierungsprozess für das projektorientierte Unternehmen; In projektorientierten Unternehmen bestehen spezifische Herausforderungen für die Rekrutierung; Die Rekrutierung von Projektmanagern erfolgt anhand eines Prozesses, der beschrieben werden kann durch: Ziele und Organisation, Prozessschritte, Methoden, Hilfsmittel; Für die Rekrutierung von Projektmanagern in projektorientierten Unternehmen bestehen spezifische Methoden, wie z.B. der Aufbau und das Aufrechterhalten eines Netzwerkes an Freelance Projektmanagern. Bei der Rekrutierung von Projektmanagern werden bestimmte Hilfsmittel wie bspw. Anforderungsprofile verwendet. Thesen zur Freistellung von Projektmanagern in projektorientierten Unternehmen. Es gibt spezifische Anlassfälle für die Freistellung von Projektmanagern in projektorientierten Unternehmen. Der Freistellungsprozess von Projektmanagern für ein spezifisches Projekt unterscheidet sich vom Freistellungsprozess für das projektorientierte Unternehmen. In projektorientierten Unternehmen bestehen spezifische Herausforderungen für die Freistellung. Die Freistellung von Projektmanagern erfolgt anhand eines Prozesses, der beschrieben werden kann durch: Ziele und Organisation, Prozessschritte, Methoden, Hilfsmittel. Für die Freistellung von Projektmanagern in projektorientierten Unternehmen bestehen spezifische Methoden; Bei der Freistellung von Projektmanagern werden bestimmte Hilfsmittel verwendet;Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: 1.Einleitung4 1.1Problemstellung der Arbeit4 1.2Ziele der Arbeit und grundlegende Thesen4 1.3Forschungsansatz6 1.3.1Erkenntnistheoretisches Paradigma: Radikaler Konstruktivismus6 1.3.2Organisationstheoretisches Paradigma: Sozialwissenschaftliche Systemtheorie9 1.3.3Forschungsmethodologisches Paradigma: Qualitative Sozialforschung11 1.3.4Methoden qualitativer Sozialforschung13 1.4Umsetzung des Forschungsansatzes in dieser Arbeit14 1.4.1Erstellung der Diplomarbeit in projektähnlicher Form15 1.4.2Beschreibung der Forschungsmethodik der vorliegenden Diplomarbeit16 2.projektorientierte Unternehmen18 2.1Projektbegriff18 2.2Management-by-Projects als Organisationsstrategie19 2.3Rolle des Projektmanagers21 2.4Spezifische Herausforderungen für das Personalmanagement in projektorientierten Unternehmen24 3.Geschäftsprozessmanagement31 3.1Prozess31 3.2Geschäftsprozessmanagement32 3.3Ziele und Aufgaben von Geschäftsprozessmanagement34 3.4Beschreibung und Darstellung von Geschäftsprozessen35 3.5Geschäftsprozesse in projektorientierten Unternehmen40 3.5.1Überblick über Geschäftsprozesse in projektorientierten Unternehmen40 3.5.2Rollen und Organisation zur Umsetzung der Prozessorientierung42 3.5.3Kompetenzen43 4.Rekrutierung45 4.1Ziele und Organisation von Rekrutierung45 4.1.1Ziele von Rekrutierung45 4.1.2Organisation von Rekrutierung48 4.2Beschreibung des Rekrutierungsprozesses51 4.3Herausforderungen bei der Rekrutierung54 4.4Methoden der Rekrutierung56 4.4.1Methoden der Personalbeschaffung56 4.4.2Methoden der Personalauswahl60 5.Freistellung64 5.1Ziele und Organisation der Freistellung64 5.2Beschreibung des Personalfreistellungsprozesses66 5.3Herausforderungen bei der Personalfreistellung72 5.4Methoden der Personalfreistellung75 5.4.1Methoden der Personalfreistellung ohne Reduktion des Personalbestandes75 5.4.2Methoden der Personalfreistellung mit Reduktion des Personalbestandes76 6.Rekrutierungsprozess von Projektmanagern in projektorientierten Unternehmen79 6.1Bedeutung des Prozesses Rekrutierung von Projektmanagern79 6.2Anlassfälle für die Rekrutierung von Projektmanagern83 6.3Spezifische Herausforderungen bei der Rekrutierung von Projektmanagern84 6.4Ziele und Organisation der Rekrutierung von Projektmanagern91 6.5Beschreibung des Prozesses Rekrutierung von Projektmanagern93 6.6Methoden für die Rekrutierung von Projektmanagern98 6.7Hilfsmittel für die Rekrutierung von Projektmanagern103 7.Freistellungsprozess von Projektmanagern in projektorientierten Unternehmen106 7.1Bedeutung des Prozesses Freistellung von Projektmanagern106 7.2Anlassfälle für die Freistellung von Projektmanagern106 7.3Spezifische Herausforderungen bei der Freistellung von Projektmanagern109 7.4Ziele und Organisation der Freistellung von Projektmanagern111 7.5Beschreibung des Prozesses Freistellung von Projektmanagern112 7.6Methoden für die Freistellung von Projektmanagern114 7.7Hilfsmittel für die Freistellung von Projektmanagern115 8.Reflexion in der Praxis117 8.1Ziele117 8.2Interviewpartner117 8.3Interviewdurchführung118 8.4Interviewerkenntnisse: Rekrutierung von Projektmanagern in projektorientierten Unternehmen122 8.4.1Anlassfälle für die Rekrutierung von Projektmanagern122 8.4.2Spezifische Herausforderungen bei der Rekrutierung von Projektmanagern125 8.4.3Ziele und Organisation der Rekrutierung von Projektmanagern128 8.4.4Beschreibung des Prozesses: Rekrutierung von Projektmanagern129 8.4.5Methoden für die Rekrutierung von Projektmanagern131 8.4.6Hilfsmittel für die Rekrutierung von Projektmanagern133 8.5Interviewerkenntnisse: Freistellung von Projektmanagern in projektorientierten Unternehmen135 8.5.1Anlassfälle für die Freistellung von Projektmanagern136 8.5.2Spezifische Herausforderungen bei der Freistellung von Projektmanagern138 8.5.3Ziele und Organisation der Freistellung von Projektmanagern138 8.5.4Beschreibung des Prozesses: Freistellung von Projektmanagern141 8.5.5Methoden für die Freistellung von Projektmanagern142 8.5.6Hilfsmittel für die Freistellung von Projektmanagern143 9.Zusammenfassung und Ausblick144 9.1Spezifische Anlässe und Herausforderungen für die Rekrutierung und Freistellung von Projektmanagern in projektorientierten Unternehmen144 9.2Spezifika des Rekrutierungs- und Freistellungsprozesses von Projektmanagern in projektorientierten Unternehmen145 9.3Ansatzpunkte für weiterführende Forschung146 Anhang 1: Gesprächsleitfaden Rekrutierung von Projektmanagern in projektorientierten Unternehmen147 Anhang 2: Gesprächsleitfaden Freistellung von Projektmanagern in projektorientierten Unternehmen150 Darstellungsverzeichnis153 Literaturverzeichnis155Textprobe:Textprobe: Kapitel 4.1, Herausforderungen bei der Rekrutierung: Im Bereich der Rekrutierung gibt es unzählige Herausforderungen auf verschiedenen strategischen und operativen Ebenen mit geographischen Spezifika, die im Rahmen dieser Arbeit nicht vollständig abgedeckt und behandelt werden können. Aus Platzgründen kann an dieser Stelle nur auf aktuelle Kernherausforderungen der Rekrutierung eingegangen werden. The Boston Consulting Group hat in Zusammenarbeit mit der World Federation of Personnel Management Association die Zukunft von Personalmanagement und die Kernherausforderungen in Europa bis zum Jahr 2015 beleuchtet. Dazu wurde eine Umfrage in 83 Ländern durchgeführt, bei der 4.700 Führungskräfte zu 17 Themen aus dem Bereich Personalmanagement befragt wurden, darunter auch zum Thema Rekrutierung. Die Kernherausforderungen in diesem Bereich stehen in engem Zusammenhang mit dem Engpass an qualifizierten Mitarbeitern und sind demnach: Global recruiting: Um einen Engpass an qualifizierten Mitarbeitern zu verhindern, müssen europäische Unternehmen schon jetzt damit beginnen, in neue geographische Regionen vorzustoßen um dort Zugang zu qualifiziertem Personal zu bekommen. Assessment of quantitative and qualitative needs for talent in light of strategic and business requirements: Die Planung des Personalbedarfs, sowohl quantitativ als auch qualitativ, muss unter dem Aspekt der strategischen und unternehmerischen Anforderungen erfolgen. Wenn ein Unternehmen bspw. in neue geographische Regionen expandiert oder sich in einer Phase starken Wachstums befindet, müssen dafür auch die entsprechenden personellen Ressourcen vorhanden sein. Zur Vorausplanung ist es daher notwendig, die entsprechenden Arbeitsmärkte genau zu kennen. Ist absehbar, dass das benötigte Personal nicht in der erforderlichen Quantität, Qualität, Zeit und sinnvollem Aufwand zu beschaffen ist, muss eine unverzügliche Rückkoppelung mit der Unternehmensplanung erfolgen. Identification of best avenues for reaching required employees: Um die für ein Unternehmen spezifisch benötigte Expertise zu erhalten, müssen Unternehmen die entsprechenden Gruppen von Mitarbeitern identifizieren und Wege finden, diese bestmöglich zu erreichen. Ein Unternehmen, das bspw. Mitarbeiter mit Expertise in Informatik sucht, kann an entsprechenden Universitäten rekrutieren und Verbindungen zu professionellen Netzwerken in diesem Bereich aufbauen. Close alignment of value proposition for employees with their desires and the company's brand: Um für die besten Bewerber am Arbeitsmarkt und bestehende Mitarbeiter attraktiv zu sein, muss das Wertversprechen des Arbeitgebers einerseits mit den Anforderungen potentieller und bestehender Mitarbeiter, und andererseits mit der Marke des Unternehmens gut abgestimmt sein. Meet the needs and goals unique to different ethnic groups and nationalities, women, and older workers: Um das verfügbare Angebot von Arbeitskräften bestmöglich auszunützen und aus einem möglichst breiten Pool an qualifizierten Mitarbeitern schöpfen zu können, müssen Unternehmen verstärkt auf verschiedene Gruppen von Mitarbeitern Acht nehmen, wie bspw. verschiedene ethnische Gruppen und Nationalitäten, weibliche Arbeitskräfte und ältere Arbeitnehmer. Um diese Gruppen von Mitarbeitern anzusprechen, müssen entsprechende zielgruppenspezifische Angebote entwickelt und kommuniziert werden. Kapitel 4.2, Methoden der Rekrutierung: Entsprechend der Unterteilung des Rekrutierungsprozesses in Personalbeschaffung und Personalauswahl werden im Folgenden auch die Methoden nach dieser Differenzierung dargestellt. Kapitel 4.2.1, Methoden der Personalbeschaffung: Die Methoden der Personalbeschaffung lassen sich in interne und externe Methoden unterscheiden. Die Beschaffung von Personal innerhalb des Unternehmens gewinnt insgesamt an Bedeutung, da sich diese Methode einerseits positiv auf Karrierewünsche und Mitbestimmungseinflüsse der Mitarbeiter auswirkt, und andererseits der externe Arbeitsmarkt häufig nicht die entsprechenden Mitarbeiter bereithält. In vielen Fällen ist es jedoch notwendig, auf den externen Arbeitsmarkt zurückzugreifen, wenn z.B. die gesuchten Qualifikationen unternehmensintern nicht vorhanden sind oder nicht die benötigte Anzahl an verfügbaren Mitarbeitern vorhanden ist. Für die Auswahl der einzusetzenden Methode sind noch zwei weitere Kriterien von Bedeutung: Einerseits muss ein Zugang zur Zielgruppe gewährleistet sein, und andererseits ist auch die Effektivität der Maßnahmen zu bewerten. Um diese beiden Kriterien in die Auswahl von Methoden der Personalbeschaffung miteinbeziehen zu können ist eine Analyse des relevanten Arbeitsmarktes notwendig, in der geklärt wird, wo potentielle Mitarbeiter anzutreffen sind und wie diese möglichst gezielt angesprochen werden können. Nachfolgend werden die internen und externen Methoden zur Personalbeschaffung im Überblick dargestellt. Interne Methoden: Bei der internen Personalbeschaffung kann zwischen Methoden ohne Personalbewegung und mit Personalbewegung unterschieden werden. Die Personalbeschaffung ohne Personalbewegung umfasst folgende Methoden: Mehrarbeit, Überstunden, Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit und Urlaubsverschiebung: Diese Methoden dienen häufig zur Abdeckung eines kurzfristig erhöhten Arbeitsbedarfes, der grundsätzlich mit den vorhandenen Mitarbeitern abgedeckt werden kann. Wird diese Lösung über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten, kann sich dadurch eine Überbeanspruchung von Mitarbeitern mit entsprechenden negativen gesundheitlichen und sozialen Folgen ergeben. Qualifizierung der Mitarbeiter: Die Qualifizierung von Mitarbeitern kann als präventive Maßnahme gesehen werden, um die Effektivität und/oder die Effizienz zu erhöhen. Mitarbeiter können dadurch flexibler eingesetzt werden, und es kann mit quantitativ und qualitativ besseren Arbeitsergebnissen der Mitarbeiter gerechnet werden. Einarbeitung und Umschulung: Die planmäßige Einarbeitung bzw. Umschulung von ungelernten Arbeitskräften stellt eine weitere Möglichkeit der internen Personalbeschaffung dar. Die Personalbeschaffung mit Personalbewegung beinhaltet folgende Methoden: Versetzung durch Weisung oder Änderungskündigung: Bei einer horizontalen Versetzung bleibt der Mitarbeiter auf derselben Hierarchiestufe, während bei einer vertikalen Versetzung ein hierarchischer Auf- oder Abstieg erfolgt. Insbesondere bei vertikalen Versetzungen entsteht wiederum eine personelle Lücke an der ursprünglichen Stelle, die nachbesetzt werden muss und gegebenenfalls durch Kettenversetzungen weiter verschoben wird, letzten Endes aber vom externen Arbeitsmarkt nachbesetzt werden muss. Bei der Versetzung sind neben personellen auch rechtliche Aspekte zu beachten. Eine Weisung kann z.B. nur dann erfolgen, wenn dies im jeweiligen Arbeitsvertrag entsprechend vorgesehen ist. Sowohl bei der Weisung als auch bei der Änderungskündigung ist die Zustimmung des Betriebsrates einzuholen. Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten: Gibt es in einem Unternehmen teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter, so können diese darauf angesprochen werden, ob sie ihre Arbeitszeit ausdehnen möchten. Stellenclearing: Das Stellenclearing ist ein systematischer Informationsaustausch zwischen Führungskräften im Unternehmen und der Personalabteilung, um die interne Besetzung von Stellen zu diskutieren. Diese Methode hat den Vorteil, dass die Führungskräfte die jeweiligen Mitarbeiter kennen und über ihre Qualifikation Bescheid wissen, jedoch kann das Stellenclearing seitens der Mitarbeiter als intransparent erlebt werden und es können abteilungspolitische Interessen mit einfließen. Innerbetriebliche Stellenausschreibung: Diese Methode dient dazu, bestehende Mitarbeiter über zu besetzende Stellen im Unternehmen zu informieren und die Chancengleichheit auf dem innerbetrieblichen Arbeitsmarkt sicherzustellen. Der Betriebsrat kann zwar eine innerbetriebliche Stellenausschreibung verlangen, der Arbeitgeber ist jedoch nicht dazu verpflichtet, innerbetriebliche Bewerber vorrangig zu behandeln. Personalentwicklung: Die Personalentwicklung kann dazu dienen, Versetzungen zu unterstützen. Kurzfristig kann die Personalentwicklung zur Unterstützung bei der Einarbeitung an einem neuen Arbeitsplatz eingesetzt werden; mittel- und langfristig sichert eine systematische Personalentwicklung zumindest einen Teil des zukünftigen Bedarfs an qualifizierten Mitarbeitern. Externe Methoden: Bei der externen Personalbeschaffung kann wiederum zwischen passiver und aktiver Personalbeschaffung unterschieden werden. Bei der passiven Personalbeschaffung wird das Unternehmen selbst nicht aktiv. Diese Methode wird vor allem dann in Anspruch genommen werden, wenn eine hohe Arbeitslosigkeit und geringer, nicht dringlicher Personalbedarf besteht. Methoden der passiven Personalbeschaffung sind: Arbeitsmarktservice (Österreich), Bundesagentur für Arbeit (Deutschland), Regionales Arbeitsvermittlungszentrum (Schweiz): Diese Einrichtungen erbringen sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber vielfältige Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Der Fokus ihrer Arbeit liegt dabei auf der Arbeitsvermittlung. Eigenbewerbung (Blind- bzw. Initiativbewerbung): Bei der Eigenbewerbung kontaktiert ein Bewerber ein Unternehmen aus eigener Initiative. Ausgelöst werden Eigenbewerbungen häufig durch Maßnahmen wie Rekrutierungsveranstaltungen an Universitäten oder durch vorangegangene Öffentlichkeitsarbeit. Bewerberkartei: Die Bewerberkartei enthält Informationen über Bewerber, die sich bereits beim Unternehmen beworben haben und die für das Unternehmen zwar interessant waren, zum Zeitpunkt der ursprünglichen Bewerbung jedoch nicht berücksichtigt werden konnten. Auf diese Informationen kann zwar schnell zugegriffen werden, jedoch ist bei Bewerbern an der Position oftmals kein Interesse mehr vorhanden, wenn diese in der Zwischenzeit schon andere berufliche Entscheidungen getroffen haben. Die aktive Personalbeschaffung eignet sich vor allem bei einer angespannten Arbeitsmarktlage und wenn ein dringlicher und/oder größerer Personalbedarf gegeben ist. Methoden der aktiven Personalbeschaffung sind: Stellenanzeige: Die Stellenanzeige stellt nach wie vor die Hauptinformationsquelle bei der Arbeitssuche dar, auch wenn sich deutliche Verschiebung von Printmedien hin zu Stellenanzeigen im Internet abzeichnet. Die Entscheidung in welchem Medium inseriert wird muss unter Bedachtnahme darauf getroffen werden, welche Medien von der anvisierten Zielgruppe konsumiert werden. Nutzung neuer Kommunikationsmittel (Internet, etc.): Neben Stellenanzeigen im Internet hat sich vor allem auch die Website von Unternehmen als Methode zur Personalbeschaffung etabliert. Vorteile bestehen darin, dass diese Methode kostengünstig umzusetzen ist und bereits eine Selbstselektion der Bewerber stattfindet, jedoch sind in der Regel zuvor umfangreiche Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit notwendig. Persönliche Ansprache von potentiellen Mitarbeitern: Sind dem Unternehmen potentielle Mitarbeiter über diverse Informationskanäle bekannt (Jobmessen, Empfehlungen eigener Mitarbeiter, Empfehlungen über soziale Netzwerke, etc.), so können diese direkt auf kostengünstigem Wege angesprochen werden. Jobmessen bzw. Rekrutierung an Universitäten: Der enge Kontakt von Unternehmen zu Universitäten ist im angloamerikanischen Raum bereits seit vielen Jahrzehnten üblich, und gewinnt nun auch im deutschsprachigen Raum stark an Bedeutung. Bei Jobmessen oder sonstigen Veranstaltungen zur Rekrutierung an Universitäten (Unternehmenspräsentationen, Workshops, Planspiele, etc.) können sehr viele Studenten spezifisch nach Fachrichtung erreicht werden. Diese Methode ermöglicht potentiellen Bewerbern gleichzeitig, in direkten Kontakt mit dem Unternehmen zu treten und schon vorab durch gezielte Fragen zusätzliche Informationen zu erhalten. Scouting: Eine neuartige Methode zur Personalbeschaffung ist das Scouting, das häufig für die Gewinnung von High Potentials eingesetzt wird. Dabei geht es um die frühzeitige Ansprache und Bindung von Berufseinsteigern, indem auf Herausforderung, Aktivierung, Neugier und Spieltrieb im Umgang mit potentiellen Bewerbern gesetzt wird (bspw. im Rahmen von Planspielen mit zusätzlichem Rahmenprogramm). Personalberater: Häufig werden Personalberater für die Gewinnung von Führungskräften höherer Hierarchieebenen eingesetzt. Durch die Spezialisierung der Personalberater wird das Risiko einer kostspieligen Fehleinstellung deutlich reduziert, was die hohen Beraterhonorare rechtfertigen kann. Personalleasing: Das Personalleasing wird insbesondere bei kurzfristigem Personalbedarf genutzt. Eine Besonderheit besteht darin, dass das Unternehmen in einer vertraglichen Beziehung mit der Personalleasingfirma tritt, die einen Mitarbeiter für einen bestimmten oder unbestimmten Zeitraum zur Verfügung stellt. Ein wesentlicher Vorteil dieser Methode liegt in der hohen Flexibilität durch die Möglichkeit einer raschen Beschaffung sowie raschen Freisetzung der Arbeitskräfte über Personalleasing, jedoch sind diese Mitarbeiter häufig schlecht in das Unternehmen integriert und weisen oftmals eine mangelnde Loyalität gegenüber dem Unternehmen auf. Anwerbung durch Betriebsangehörige: In den USA spielt diese Methode eine wichtige Rolle. Offene Stellen werden dabei an die Mitarbeiter im Unternehmen kommuniziert, die diese wiederum in ihrem Bekanntenkreis weiterverbreiten können. In Abhängigkeit von der zu besetzenden Stelle werden häufig auch Prämien dafür bezahlt, wenn vorgeschlagene Mitarbeiter den Rekrutierungsprozess erfolgreich durchlaufen und vom Unternehmen tatsächlich eingestellt werden. Öffentlichkeitsarbeit: Die Öffentlichkeitsarbeit dient in erster Linie der Unterstützung von aktiven und passiven Personalbeschaffungsmaßnahmen und ist eine Kombination von Personal- und Imagewerbung. Mögliche Maßnahmen sind Betriebsbesichtigungen, Tag der offenen Tür, Werbung in diversen Medien etc. Kapitel 4.2.2, Methoden der Personalauswahl: Im Anschluss an die Personalbeschaffung folgt die Personalauswahl. Anhand der festgelegten Anforderungen an die Qualifikation werden typischerweise in einem nächsten Schritt die Bewerbungsunterlagen analysiert und bewertet, wodurch eine (Vor-)Selektierung der Bewerber stattfindet. Erst im Anschluss kommen die Methoden der Personalauswahl zum Einsatz, auf deren Basis die Auswahlentscheidung getroffen wird, bevor ein Mitarbeiter in das Unternehmen eintritt (siehe Darstellung 20). Bei der Auswahl von Methoden der Personalauswahl ist darauf zu achten, ob das Auswahlverfahren auch tatsächlich die Eignung des Bewerbers vorhersagen kann. Das wichtigste Kriterium zur Messung der Qualität von Auswahlverfahren ist die prognostische Validität, die zwischen 0 und 1 liegen kann. Ein Wert von 0 bedeutet, dass die Methode die spätere Eignung am Arbeitsplatz überhaupt nicht vorhersagen kann, ein Wert von 1 hingegen bedeutet, dass das Ergebnis des Auswahlverfahrens mit der späteren Arbeitsleistung vollkommen übereinstimmt. In der Praxis wird ein Wert von 0,3 bereits als ein guter Wert mit hoher Validität gesehen (siehe Darstellung 21). Neben der prognostischen Validität müssen bei der Auswahl einer Methode für die Personalauswahl einerseits auch rechtliche Aspekte, und andererseits die Akzeptanz der Methode aus Sicht der Bewerber miteinbezogen werden. Zur Vorselektion von Bewerbern werden zumeist die Bewerbungsunterlagen analysiert und bewertet. Unter Bewerbungsunterlagen werden folgende Unterlagen zusammengefasst, wobei nicht immer alle Unterlagen angefordert werden: Das Bewerbungsschreiben (Anschreiben), Schulzeugnisse, Arbeitszeugnisse, Lebenslauf, Bewerberfoto, Arbeitsproben, Referenzen, Personalfragebögen, und Graphologisches Gutachten. Nach der Analyse und Bewertung der Bewerbungsunterlagen werden die verbleibenden Bewerber meist zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen und ggf. weitere Auswahlmethoden angewandt. Die Methoden der Personalauswahl umfassen: Bewerbungsgespräch: Das Bewerbungsgespräch vermittelt dem Unternehmen persönliche Eindrücke und Informationen, die über die Bewerbungsunterlagen hinausgehen. Gleichzeitig hat der Bewerber die Möglichkeit, sich persönlich ein Bild vom Unternehmen zu machen und Antworten auf seine spezifischen Fragen zu erhalten. Tests: Um bei der Auswahlentscheidung für einen neuen Mitarbeiter die Entscheidungssicherheit zusätzlich zu erhöhen, werden häufig weitere Tests durchgeführt, wie bspw. Intelligenztests, Leistungstests, Konzentrationstests und Persönlichkeitstests. Biographischer Fragebogen: Der biographische Fragebogen wird häufig bei größeren Bewerberzahlen eingesetzt. Der Grundgedanke besteht darin, auf Basis des Verhaltens in der Vergangenheit auf das zukünftige Verhalten des Bewerbers zu schließen. Dazu muss vom Bewerber ein Fragebogen ausgefüllt werden, der spezifisch für eine Position erstellt wird. Die Antworten des Bewerbers werden mit den Antworten eines erfolgreichen Mitarbeiters in der entsprechenden Position verglichen und sollten auf diesem Weg Aufschluss über die Eignung des Bewerbers geben. Assessment Center: Wie in Darstellung 21 ersichtlich, stellt das Assessment Center eines der aussagekräftigsten Auswahlverfahren dar. Charakteristisch für ein Assessment Center ist, dass mehrere Bewerber gleichzeitig von geschulten Beurteilern in verschiedenen Beurteilungssituationen über einen längeren Zeitraum beurteilt werden. Je nach der zu besetzenden Stelle können dabei verschiedene, auch praxisnahe Übungen durchgeführt werden, um Bewerber zu beurteilen.
Eine nachhaltige Entwicklung bedeutet eine dauerhaft mögliche Entwicklung innerhalb des ökologischen Erdsystems. Durch das weltweite Bevölkerungswachstum, den ansteigenden Wohlstand und nicht-nachhaltige Lebensweisen drohen die ökologischen Belastungsgrenzen unsere Erde jedoch überschritten zu werden bzw. wurden teilweise bereits überschritten. Dies hat zur Folge, dass nachfolgende wie auch parallel existierende Generationen nicht die gleichen Möglichkeiten zur Erfüllung ihrer Bedürfnisse haben, wie die heute in den Industriestaaten lebenden. Die landwirtschaftliche Erzeugung trägt dabei einen bedeutenden Teil zu dieser Bedrohung und Überschreitung der planetaren Grenzen bei, denn insbesondere der hohe und weiter ansteigende Konsum von tierischen Produkten weltweit hat zahlreiche ökologisch, jedoch auch sozial und gesundheitlich nachteilige Folgen. Einer der grundlegenden problematischen Aspekte tierischer Produkte ist der hohe Energieverlust im Laufe des Veredlungsprozesses von pflanzlichen Futtermitteln zu Fleisch- und Milchprodukten. Die Folge sind große intensiv genutzte Landwirtschaftsflächen, die notwendig sind, um jene Futtermittel zu produzieren. Dies führt zu Biodiversitätsverlusten, Treibhausgasemissionen, Landraub und gesundheitlichen Problemen aufgrund des Pestizidgebrauchs. Weitere Konsequenzen eines hohen Konsums tierischer Produkte umfassen einen hohen Wasserbedarf, Flächenkonkurrenzen zwischen dem direkten Lebensmittel- und dem Futtermittelanbau, aber auch den ethisch bedenklichen Umgang mit Tieren sowie Gefahren für die menschliche Gesundheit, z. B. koronare Herzerkrankungen und Antibiotikaresistenzen. Begründet liegt dieser hohe und weiter wachsende Konsum tierischer Produkte in persönlichen, sozialen, ökonomischen und politischen sowie strukturellen Faktoren, wobei in vorliegender Arbeit auf den durch die westeuropäische Kultur geprägten Menschen fokussiert wird. Persönliche und soziale Hindernisse für einen reduzierten Konsum tierischer Lebensmittel liegen insbesondere in einem fehlenden Wissen, dem psychologischen Phänomen der kognitiven Dissonanz, mangelnder Achtsamkeit sowie dem Druck sozialer Normen. Wirtschaftspolitische und strukturelle Hindernisse umfassen eine wachstumsorientierte Ökonomie, fehlende Preisanreize für einen nachhaltigen Konsum sowie eine Infrastruktur, die den Konsum tierischer Produkte begünstigt. Nichtregierungsorganisationen (NRO) als Teil des sog. Dritten Sektors, neben der Wirtschaft und der Politik, und als Vertreterinnen der Gesellschaft sind essentielle Akteurinnen in nationalen und internationalen Gestaltungsprozessen. Sie werden zumeist von der Gesellschaft oder zumindest Teilen der Gesellschaft unterstützt und können durch Öffentlichkeitsarbeit und andere Maßnahmen auf politische und ökonomische Protagonisten Druck ausüben. Somit sind NRO als potentielle Schnittstelle zwischen Gesellschaft, Politik und Wirtschaft vielversprechende Einrichtungen um den Konsum tierischer Produkte zu senken. Aufgrund der o. g. multidimensionalen Auswirkungen des hohen Konsums tierischer Produkte, haben insbesondere NRO, die die Ziele Umweltschutz, Ernährungssicherung, Tierschutz und Gesundheitsförderung verfolgen, potentiell Interesse an einer Reduktion des Fleisch-, Milch- und Eikonsums. Studien über NRO in Schweden, Kanada und den USA weisen jedoch darauf hin, dass Umweltorganisationen sich in ihrer Arbeit für eine Begrenzung des Klimawandels nur in begrenztem Umfang für eine pflanzenbetonte Ernährungsweise einsetzen. Aufgrund der o. g. mehrdimensionalen Folgen eines hohen Konsums tierischer Lebensmittel weitet vorliegende Arbeit den Erhebungsumfang aus und umfasst die Untersuchung von deutschen Umwelt-, Welternährungs-, Gesundheits- und Tierschutzorganisationen in Hinblick auf deren Einsatz für eine Reduktion des Fleisch-, Milch- und Eikonsums. Die Erhebung umfasst die Untersuchung von 34 der wichtigsten deutschen NRO mittels Material- und Internetseitenanalyse, vertiefende leitfadengestützte Expert*inneninterviews mit 24 NRO sowie eine Fokusgruppendiskussion zur Ergebniskontrolle, wobei das zentrale Element dabei die Expert*inneninterviews darstellen. Insgesamt entspricht der Forschungsprozess der Grounded Theory Methodologie (GTM), einem ergebnisoffenen, induktiven Vorgehen. Die Forschungsfragen umfassen neben der Analyse des aktuellen Umfangs des Einsatzes für eine pflanzenbetonte Ernährungsweise insbesondere die Einflussfaktoren auf diesen Umfang sowie die umgesetzten Handlungsstrategien für eine Reduktion des Konsums tierischer Lebensmittel. Entsprechend der GTM steht am Ende des Forschungsprozesses vorliegender Arbeit ein Modell, das die Erkenntnisse in einer verdichteten Kernkategorie zusammenfasst. Als zentrales Ergebnis der Erhebung kann das 'Modell der abwägenden Bestandssicherung' gesehen werden. Es weist, in Übereinstimmung mit der Literatur, darauf hin, dass NRO als Teil der Gesellschaft von der Außenwelt abhängig sind, d. h. von ihren Mitgliedern und staatlichen wie privaten Geldgeber*innen, aber auch von parallel agierenden NRO, Medien und gesellschaftlichen Entwicklungen. Dies kann unter der Überschrift der 'Einstellung relevanter Interessensgruppen' zur Thematik der tierischen Lebensmittel gefasst werden. Auf der anderen Seite steht die 'Einstellung der Mitarbeitenden' einer NRO, da die Themenaufnahme der Problematik eines hohen Fleisch-, Milch- und Eikonsums auch davon abhängt, welche Bedeutung die Mitarbeitenden dieser Thematik zusprechen und inwiefern sie bereit sind sie in das Maßnahmenportfolio aufzunehmen. Wenn sowohl die Interessensgruppen als auch die Mitarbeitenden einer NRO der Themenaufnahme befürwortend gegenüber gestellt sind, so ist ein umfassender Einsatz für eine Reduktion des Konsums tierischer Lebensmittel von dieser NRO zu erwarten. Dies trifft in vorliegender Erhebung vorwiegend auf Tierschutzorganisationen und einige Umweltorganisationen zu. Der gegenteilige Fall einer fehlenden Thematisierung tierischer Produkte tritt ein, wenn weder relevante Interessensgruppen, noch die Mitarbeitenden einer NRO die Themenaufnahme befürworten oder als dringlich erachten. Dies kann insbesondere bei Welternährungs- und Gesundheitsorganisationen beobachtet werden. Wenn die Mitarbeitenden einer NRO die Thematisierung der Problematik tierischer Lebensmittel befürworten, die relevanten Interessensgruppen jedoch ablehnend gegenüber derartigen Maßnahmen stehen, ist eine zurückhaltende Thematisierung zu erwarten, die sich auf Informationstexte bspw. auf den Internetseitenauftritten der NRO beschränkt. Dies ist v. a. bei Umwelt- und Welternährungsorganisationen erkennbar. Der vierte Fall, dass die Interessensgruppen einer NRO für eine Reduktion des Konsums tierischer Produkte eintreten würden, nicht jedoch die Mitarbeitenden der NRO, konnte in vorliegender Erhebung nur in Ansätzen bei Umweltorganisationen beobachtet werden. Der Hauptgrund, warum NRO, insbesondere Welternährungs- und Gesundheitsorganisationen, die Problematik des hohen Konsums tierischer Produkte nicht oder nur in geringem Umfang aufnehmen, liegt in der o. g. Abhängigkeit der NRO von öffentlichen Geldgeber*innen, wie auch von privaten Spender*innen und Mitgliedern ('Einstellung relevanter Interessensgruppen'). Weitere Faktoren umfassen bspw. die Arbeitsteilung wie auch den Wettbewerb zwischen NRO, insofern dass auf andere NRO verwiesen wird und Nischen für eigene Themen gesucht werden. Neben den Gründen für den Umfang der Thematisierung des hohen Konsums tierischer Lebensmittel wurden auch Strategien erfragt, die die NRO anwenden um denselben zu senken. Hierbei wurde insbesondere die Öffentlichkeitsarbeit in verschiedenen Ausrichtungen genannt und als sehr wirksam eingeschätzt. Vor allem emotional ausgerichtete, positiv formulierte, zielgruppenspezifische und anschaulich dargestellte Kampagnen können als effektiv eingeschätzt werden. Auch politische oder juristische Maßnahmen, wie Lobbyismus oder Verbandsklagen werden von den NRO durchgeführt, wobei die befragten NRO auf der bundespolitischen Ebene derzeit kaum Potential sehen Änderungen herbeizuführen; auf Regionen- oder Länderebene jedoch realistischere Einflussmöglichkeiten sehen. Als nächste Schritte für NRO im Sinne einer (verstärkten) Thematisierung der Problematik tierischer Lebensmittel können folgende Maßnahmen geraten werden: • Eine Erhebung der Meinung von Mitgliedern und Spender*innen zu der o. g. Themenaufnahme in das Maßnahmenportfolio der jeweiligen NRO. Dies ist insbesondere bei NRO sinnvoll, die unsicher über die Reaktion ihrer Mitglieder und Spender*innen auf einen Einsatz für eine Reduktion des Konsums tierischer Produkte sind. • Eine Prüfung von alternativen Finanzierungsmöglichkeiten, die eine Abhängigkeit von staatlichen Geldern verringern. Hierdurch würde der Bedeutung von NRO als Teil des Dritten Sektors neben Politik und Wirtschaft gerecht und die Einflussmöglichkeiten auf dieselben erhöht. • Eine vermehrte Kooperation zwischen NRO innerhalb einer Disziplin und zwischen Disziplinen, sodass bspw. im Rahmen eines Netzwerkes aufeinander verwiesen werden kann. Dies ermöglicht die Einhaltung der jeweiligen Organisationsphilosophien und Kernkompetenzen trotz Zusammenarbeit mit NRO, die andere Herangehensweisen an die Förderung einer pflanzenbetonten Ernährungsweise verfolgen. Zudem ermöglicht diese Netzwerkbildung eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit mit dem ökonomischen und politischen Sektor. • Die Anerkennung der Handlungsfähigkeit von NRO als Pionierinnen des Wandels. Als Dritter Sektor neben der Politik und Wirtschaft kommt NRO eine große Bedeutung in der Beeinflussung gesellschaftlicher Prozesse, insbesondere auf zwischenstaatlicher Ebene zu. Auch komplexe Themen und, angesichts der Überschreitung der planetaren Grenzen, dringliche weltumfassende Themen können von kleinen, regionalen NRO aufgegriffen werden. • Die Fortführung von bewährten Maßnahmen zur Reduktion des Konsums tierischer Produkte, wie verschiedene Formen der Öffentlichkeitsarbeit, kann als sinnvoll erachtet werden. Hinzu können neue Inhalte genommen werden, wie bspw. die Förderung eines achtsamen Konsumstils durch naturnahe Lernorte. Für eine Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu Verhaltensänderungen hinsichtlich nachhaltiger Konsumstile ist eine verstärkte Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen sinnvoll. Diese Erkenntnisse hinsichtlich der Gründe für eine Thematisierung der Problematik tierischer Produkte durch NRO lassen sich evtl. auch auf andere Themen übertragen, die von NRO aufgegriffen werden können, wie bspw. die Kritik an Flugreisen. Zudem ist es denkbar, dass die auf Deutschland beschränkte Analyse auch auf weitere, insbesondere westlich geprägte Länder übertragen werden kann. ; Sustainable development facilitates a permanently pursuable development which is within the ecological earth system. Through the worldwide population growth, the increasing wealth and unsustainable lifestyles the ecological limits are about to be or are already exceeded, so that future generations as well as parallel living generations haven't got the same possibilities to meet their needs as those living in current developed nations. Agricultural production contributes a high share to this threat to and exceedance of planetary boundaries, as in particular the high and further increasing consumption of animal source products has numerous ecological but also social and health consequences. One of the basic problematic aspects of animal source products is the high energy loss during the processing from plant animal feed to meat and dairy products. As a result large intensively used agricultural areas are necessary to feed animals leading to biodiversity loss, greenhouse gas emissions, land grabbing and health problems due to pesticide usage. Furthermore, high water usage, competition between food and fodder, as well as inhumane treatment of animals, and threats to human health by e.g. coronary heart diseases and antibiotic resistance are consequences of a meat-rich diet. Reasons for this high and increasing animal product consumption include personal, social, economic and political as well as structural factors, whereby in the thesis at hand the focus lies on people which are shaped by a Western European culture. Personal and social barriers to a reduced consumption of animal source food mainly include a lack of knowledge, the psychological phenomenon of cognitive dissonance, a lack of consciousness as well as the pressure of social norms. Political and economic barriers comprise the growth-oriented economy, a lack of price incentives for a sustainable consumption as well as an infrastructure which facilitates the consumption of animal source products. Non-governmental organizations (NGOs) as part of the so called Third Sector, besides politics and economy, and representatives of the society are a vital player in national and international governance. They are mostly supported by the society or at least by parts of it and can put pressure on political and economical protagonists through public relations activities and other means. Thus, NGOs as potential interface between society, politics and economy are one promising player for reducing animal product consumption. Due to the above named multidimensional consequences of a high consumption of animal source products especially NGOs targeting to protect the environment, improve the world nutrition situation, care for animal ethics and enhance the health status are potentially interested to reduce the consumption of meat, dairy and eggs. However, according to previous studies in Sweden, Canada and the U.S., there is a limited degree of engagement in encouraging reduced meat consumption of environmental NGOs in light of climate change. Due to the multidimensional consequences of animal source products in the thesis at hand the coverage of analysis is extended and includes the investigation of German environmental, food security, health and animal welfare organizations regarding their commitment to a reduced consumption of animal products. Research consists of a material analysis of 34 NGOs, 24 expert interviews with NGO staff and a focus group discussion testing the preliminary results of the interviews, whereby the central element is the expert interviews. Overall the research process complies with the Grounded Theory Methodology (GTM), which is an inductive procedure without fixed expectations regarding the results. In particular, the research questions include, besides the analysis of the current scope of the commitment to a plant-based nutrition, the influencing factors on this scope as well as the kind of strategies of action for a reduced consumption of animal source products. In accordance to the GTM a new model has been developed as final result of the research process which summarizes the findings in a compact core category. As central result of the research the 'model of the weighing of existence-securing' can be presented. In compliance with previous literature it indicates that NGOs as part of the society are dependent on their environment, i. e. on their members as well as public and private funders, but also on parallel existing NGOs, the media and societal developments. This can be summarized under the headline 'attitude of relevant stakeholders' to the theme of animal source products. On the other side, the 'attitude of the staff' of a NGO can be named as influencing factor, as the thematisation of the problematic of the high animal product consumption is also dependent on the importance which is awarded to this topic by the staff members and in how far they are ready to include the topic in their portfolio of action. In case of the support of the topic by both the stakeholders and the staff members of a NGO, a comprehensive thematisation of the problematic of animal source products can be expected from the respective NGO. In the investigation at hand, this is mainly true for animal welfare and environmental organisations. The contradictory case of no thematisation occurs if neither relevant stakeholders nor the staff members of a NGO support the urgency and thematisation of the reduced animal product consumption. This case can be observed mainly for food security and health organisations. If staff members of a NGO are in favour of the thematisation of the problematic of animal source products, but the stakeholders reject such measures, a restrained thematisation can be expected, which is limited to information texts e. g. on the website of the respective NGO. This is mainly for some environmental and food security organization observable. The fourth case, in which stakeholders are in favour of the thematisation, but staff members aren't, is merely true for some environmental organisation in the analysis at hand. The main reason for a restrained plaid for a reduced consumption of animal source products, mainly by food security and environmental organisations, can be detected in the dependence on financial means from the government, donors and members ('attitude of relevant stakeholders'). But there are also factors like the division of responsibility and the competition between NGOs which impede an engagement in reducing animal product consumption, as NGOs refer to other NGOs or are search for own thematic niches. Besides the reasons for the scope of animal product thematisation by NGOs, strategies of the NGOs advocating a reduced animal product consumption has been analysed. These strategies include mainly public relations work in different variants, which is estimated by the NGOs to be highly effective. In particular emotionally created, positively formulated, target group specific and vividly presented campaigns can be rated as effective. In addition political and legal measures like lobbying or representative actions are named by the interviewed NGOs, whereby they don't see any potential for change on the federal level but on regional or provincial level. As next steps for NGOs according to the reduction of the consumption of animal source products, the following measures can be advised: • A survey about the opinions of the members and donators about the inclusion of the above named topic into to portfolio of measures. Particularly this is relevant for NGOs which are not sure about the reaction of their members and donators to their commitment to a reduced consumption of animal product consumption. An analysis of alternative possibilities of the origin of financial means, which minimize the dependence on public funds. Through this change of the origin of financial means NGOs would satisfy their meaning as part of the Third Sector besides politics and the economy and would increase their possibilities of influencing them. • An increased cooperation between NGOs of the same discipline as well as between different disciplines, so that they can e.g. refer to each other within a network. This enables NGOs to follow their respective organisational philosophy and core competences while at the same time allows cooperating with NGOs following a different approach to foster a plant-based way of nutrition. In addition, this creation of networks facilitates an increased competitiveness with the economic and political sector. • The acknowledgement of NGOs possibilities for action as agents of change. As part of the Third Sector besides politics and the economy, NGOs have a high importance in the influencing of social developments, especially on the interstate level. Complex topics as well as – due to the exceedance of planetary boundaries – urgent global topics can be thematised both by small, regional and large, international NGOs. • The continuation of proven measures aiming to reduce the consumption of animal source products, like different kinds of public relations work, is reasonable. In addition, new contents can be included, like e. g. the fostering of a conscious style of consumption through learning facilities close to nature. For an implementation of scientific findings about behaviour change regarding sustainable styles of consumption an improved cooperation of NGOs and research institutions is recommendable. These findings regarding the reasons for the thematisation of the problematic of animal source products through NGOs might be able to be transferred to other topics, which are thematised by NGOs, like e. g. the criticism on air travels. Furthermore, it is conceivable to transfer the findings about German NGOs to other countries, especially Western characterised countries.
BASE
In: Bachelorarbeit
Inhaltsangabe:Einleitung: Seit der Erweiterung der Europäischen Union 2004 sticht Polen aus der Gruppe der zehn Beitrittsländer durch relativ hohe Auswanderungszahlen hervor. Während die Wanderungen aus den mittel- und osteuropäischen Ländern insgesamt gering geblieben sind, steigt die Emigrationsrate aus Polen von Jahr zu Jahr. Als neue Zielländer gewinnen in diesem Prozess insbesondere das Vereinigte Königreich und Irland an Bedeutung, so dass Deutschland seine bisher vorherrschende Stellung als Zielland polnischer Migration inzwischen verloren hat. Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Auswirkungen der EU-Mitgliedschaft auf Emigrationsprozesse aus Polen, wobei Polen beispielhaft für eines der 2004 der EU beigetretenen mittel- und osteuropäischen Länder steht. Den Wanderungen nach Großbritannien und Irland wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Diese werden sowohl den polnischen Wanderungsprozessen vom Zweiten Weltkrieg bis 2004 als auch der EU-internen Migration bis 2004 gegenübergestellt. Polen bietet sich nicht nur wegen seiner hohen Auswanderungszahlen zur Analyse von Migrationsprozessen an, sondern auch, weil es auf eine lange Tradition der Auswanderung zurückblicken kann. Ziel der Arbeit ist es, zu untersuchen, inwiefern die EU-Mitgliedschaft Polens als Vertreter der mittel- und osteuropäischen Staaten neue Migrationsstrukturen etabliert hat. Des Weiteren soll die Frage beantwortet werden, ob die existierenden Migrationstheorien in der Lage sind, EU-interne Migrationsprozesse zu deuten, oder ob neue Anfragen an sie gestellt werden müssen. Um polnische Migration zu analysieren, ist es zunächst notwendig zu klären, was unter dem Begriff der Migration zu verstehen ist. In der Literatur findet sich eine Reihe von Definitionen, deren grobe Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie Elemente der Bewegung und des Wechsels enthalten. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihres vorrangigen Interesses: Während einige Definitionen den räumlichen Aspekt in den Vordergrund stellen (Binnenwanderung vs. internationale Wanderung), konzentrieren sich andere auf den zeitlichen Aspekt (temporäre vs. permanente Wanderung), die Wanderungsursache (freiwillige vs. erzwungene Wanderung) oder ihren Umfang, d.h. die Anzahl der beteiligten Personen. Als Versuch der Vereinbarung all dieser unterschiedlicher Aspekte schlägt Annette Treibel folgende Definition vor: "Migration ist der auf Dauer angelegte bzw. dauerhaft werdende Wechsel in eine andere Gesellschaft bzw. in eine andere Region von einzelnen oder mehreren Menschen." Wie sich im Laufe der Arbeit herausstellen wird, ist der zeitliche Aspekt für die Analyse polnischer Migrationsprozesse von zentraler Bedeutung. Der Einordnung von Migration als in der Regel dauerhaftem Prozess, wie Treibel sie vorgenommen hat, kann unter Berücksichtigung dieser Tatsache nur mit Vorbehalt zugestimmt werden. Ludger Pries weist darauf hin, dass das Verständnis von Migration als zeitlich begrenzter "Wechsel von einem nationalstaatlichen 'Container' in einen anderen" modifiziert werden muss durch neuere Ansätze, die Migration in einen größeren Zusammenhang stellen. Generell gilt, dass die hohe Komplexität von Migration und die große Anzahl an wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit ihr beschäftigen, eine auf alle Fragestellungen zutreffende Definition unmöglich macht. Um so viele Aspekte wie möglich zu erfassen, wird dieser Arbeit eine recht allgemeine Definition zugrunde gelegt und internationale Migration betrachtet als "ein durch vielfältige Motive ausgelöster, temporärer oder dauerhafter Prozess der räumlichen Bewegung von Personen oder Personengruppen über Nationalgrenzen hinweg, der sowohl einmalig als auch regelmäßig stattfinden kann." Da der Schwerpunkt der Arbeit auf Prozessen innerhalb der Europäischen Union liegt und die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft als Grundlage jeglicher Migration gilt, muss hinzugefügt werden, dass sich die Betrachtungen hauptsächlich auf Arbeitsmigration beziehen. Die Begriffe 'Migration' und 'Wanderung' werden synonym verwendet. In den offiziellen Dokumenten der Europäischen Union wird durchgehend die Bezeichnung 'Mobilität' gebraucht. Laut Werner und Tassinopoulos kann Mobilität als Überbegriff von Migration und Pendeln bezeichnet werden. Während mit Migration die räumliche Bewegung von Arbeitskraft verbunden mit einem Wechsel des Wohnsitzes gemeint ist, gilt die räumliche Bewegung von Arbeitskraft ohne Wohnsitzverlagerung als Pendeln. In dieser Arbeit wird der Terminus 'Mobilität' nur im Zusammenhang mit den Fördermaßnahmen der Europäischen Union verwendet. Seit dem Inkrafttreten der Römischen Verträge, die als Gründungsdokumente der späteren Europäischen Union gelten, ist es notwendig, zwischen Migration in Europa und Migration innerhalb der EU zu unterscheiden. Ihre Unterzeichnung 1957 schuf eine neue Form der Arbeitsmigration, indem die Freizügigkeit der Arbeitnehmer als eines der Ziele formuliert wurde, die zur Verwirklichung eines gemeinsamen Marktes beitragen sollten. Spätestens mit der Ernennung des Jahres 2006 zum "Europäischen Jahr der Mobilität der Arbeitnehmer" ist deutlich geworden, dass die politischen Entscheidungsträger der Europäischen Union Migration innerhalb der Mitgliedstaaten als erstrebenswertes und förderungswürdiges Ziel ansehen. Laut der Europäischen Kommission werden "durch den Abbau der Hürden für die Mobilität der Arbeitnehmer und die Förderung ihrer Qualifikationen (...) die gesamteuropäischen Arbeitsmärkte allen geöffnet und eine bessere Übereinstimmung von Qualifikationsangebot und Qualifikationsnachfrage ermöglicht." Der Austausch von Arbeitnehmern zwischen den EU-Staaten soll intensiviert werden, um so die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu fördern. Während nämlich Waren, Kapital und Dienstleistungen in der Gemeinschaft relativ ungehindert und in großem Maße ausgetauscht werden, ist die EU-interne Migration sehr gering geblieben. Bis 2004 lebten nur etwa 2% aller EU-Bürger in einem anderen Mitgliedstaat, obwohl in der gesamten Union Arbeitnehmerfreizügigkeit herrschte und die Barrieren, die der Arbeitsaufnahme und dem Leben in einem anderen Land bei abgeschotteten Märkten entgegenstehen, in großem Maße verringert wurden. Obwohl die EU-Länder sich in den vergangenen Jahrzehnten immer stärker gegen Migration aus Ländern außerhalb ihrer Grenzen abschotteten, stammt die überwiegende Mehrzahl von Einwanderern innerhalb der EU aus Drittstaaten. Seit dem 01. Mai 2004 besteht die Europäische Union nun aus 25 Staaten. Den acht mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern wurden von Seiten der meisten alten EU-Mitglieder Übergangsbeschränkungen zum Schutz der Arbeitsmärkte auferlegt. Nur das Vereinigte Königreich, Irland und Schweden übertrugen die Arbeitnehmerfreizügigkeit sofort auf die neuen EU-Länder. Sie bildeten so einen Gegenpol zu den Ländern, die eine Überflutung ihres Arbeitsmarktes mit billigen Arbeitskräften verhindern wollten. Als Grundlage dieser Annahmen galten die relativ großen Unterschiede hinsichtlich der Wirtschaftsleistung der neuen im Vergleich zu den alten Mitgliedstaaten. Entgegen der Befürchtungen wurden in den ersten drei Jahren nach der Erweiterung jedoch auch in Bezug auf die neuen Mitgliedstaaten nur geringe Migrationsbewegungen registriert. Diese Entwicklung weist darauf hin, dass innerhalb der EU nicht allein wirtschaftliche Erwägungen zu Migrationsentscheidungen führen. Dass sie dennoch eine wichtige Rolle spielen, zeigt sich an der Rolle Polens als Land mit der schwächsten Wirtschaftslage und den höchsten Auswanderungszahlen. Drei Jahre vor der so genannten Osterweiterung wurde von der polnischen Migrationsforscherin Krystyna Iglicka folgende These aufgestellt: "International migration still seems to be a means to accumulate wealth and money." Sie bezog sich auf polnische Emigrationsprozesse vom Zweiten Weltkrieg bis zum Ende des 20. Jahrhunderts und benannte für diesen Zeitraum wirtschaftliche Interessen als den wichtigsten Faktor für das Auftreten polnischer Emigration. Fast drei Jahre nach der Erweiterung ist Polen ein Land, das sich durch relativ hohe Auswanderungszahlen deutlich von den anderen Beitrittsländern des Jahres 2004 abhebt. Die Tatsache, dass es gleichzeitig die höchste Arbeitslosenquote innerhalb dieser Gruppe aufweist, könnte als Hinweis dafür gelten, dass die zuvor genannte These nach dem EU-Beitritt noch immer zutreffend ist. Sie wird im Laufe dieser Arbeit wieder aufgegriffen und gegebenenfalls modifiziert werden. Nach der Erweiterung haben sich das Vereinigte Königreich und Irland als neue Zielländer polnischer Migration etabliert. Bisher bestehende Migrationsbeziehungen wurden dadurch jedoch nicht unterbunden. Zwar hat Deutschland seine Rolle als bedeutendstes Zielland polnischer Arbeitsmigration 2005 erstmals an das Vereinigte Königreich abgegeben, jedoch ist die Bundesrepublik weiterhin ein wichtiges Aufnahmeland polnischer Migranten. Auch andere Länder, deren Arbeitsmärkte den Neumitgliedern noch versperrt waren, gewinnen als Zielländer an Bedeutung. Allerdings sind bedeutende Unterschiede im Hinblick auf die Charakteristika der Migranten festzustellen. So wandern überdurchschnittlich viele hoch qualifizierte Polen in das Vereinigte Königreich, während die Migration in die traditionelleren Zielländer durch gering qualifizierte Arbeitskräfte geprägt ist. Im Hinblick auf polnische Migrationsprozesse ist unverkennbar, dass Arbeitsmigration den größten Anteil an allen Wanderungsbewegungen hat. Während seit der Transformationszeit jedoch vor allem gering qualifizierte Polen in Wanderungen investierten, ist seit der EU-Erweiterung ein stetig steigendes Bildungsniveau zu erkennen. Kurzzeitige Migration dominiert, auch wenn langfristige Wanderungen nach einem Einbruch zu Beginn der Transformationszeit seit 2005 wieder an Bedeutung gewinnen. In dieser Arbeit sollen die polnischen Migrationsprozesse der letzten Jahrzehnte dokumentiert und ein Vergleich zwischen sowohl den polnischen als auch den EU-internen Wanderungsbewegungen vor 2004 mit den polnischen Wanderungen nach 2004 angestellt werden. Zunächst wird eine Auswahl von Migrationstheorien und migrationstheoretischen Ansätzen vorgestellt (Kapitel 2). Um eine Vergleichsbasis für die Prozesse vor und nach 2004 zu etablieren, werden im Folgenden die Migrationsprozesse innerhalb der EU vor der Erweiterung 2004 beschrieben (Kapitel 3). Anschließend sollen am Beispiel Polens die Migrationsbewegungen eines neuen Mitgliedstaates der EU dokumentiert werden, wobei sowohl ein Überblick über die Emigration aus der gesamten Region der mittel- und osteuropäischen EU-Neumitglieder seit 2004 als auch ein historischer Abriss über polnische Auswanderungsprozesse gegeben wird. Hierbei werden die Spezifika des Transformationsprozesses in Polen als einem Land des ehemals sowjetischen Blocks berücksichtigt. Besondere Aufmerksamkeit wird Großbritannien und Irland als neuen Zielländern und Deutschland als traditionellem Zielland polnischer Migration geschenkt. Auch werden die Wanderungsgründe nach 2004 analysiert (Kapitel 4). Im Anschluss werden die Untersuchungen aus den Kapiteln 3 und 4 auf die Migrationstheorien angewandt, wobei der Vergleich zwischen den Prozessen vor und nach 2004 im Mittelpunkt steht (Kapitel 5). Abschließend soll die Frage diskutiert werden, ob die Zugehörigkeit Polens zur EU neue Wanderungsformen bzw. Wanderungsmuster geschaffen hat. Auch sollen Schlüsse gezogen werden, ob die bestehenden migrationstheoretischen Ansätze das Potential zur Erklärung EU-interner Wanderungsprozesse haben, oder ob neue Anfragen an die Theorien bzw. an die Migrationsforschung gestellt werden müssen (Kapitel 6). Um einen möglichst umfassenden Überblick über die polnische Emigration zu geben, werden verschiedene Studien aus Polen und Deutschland sowie Dokumente der Europäischen Union herangezogen und als Datengrundlage verwendet.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: AbkürzungsverzeichnisX 1.Einleitung3 2.Theoretische Grundlage: Theorien der Migration9 2.1Klassische migrationstheoretische Ansätze9 2.2Neuere migrationstheoretische Ansätze16 3.Migration innerhalb der EU bis 200423 3.1Rahmenbedingungen der EU-Binnenmigration bis 200423 3.2Migration seit Entwicklung des Binnenmarktes innerhalb der EU-1525 4.Migrationsprozesse vor und nach 2004: Das Beispiel Polen31 4.1Rahmenbedingungen der EU-Binnenmigration seit 200432 4.2Emigration aus den neuen Mitgliedstaaten seit 200433 4.3Polnische Migration: ein historischer Überblick36 4.4Polnische Migration seit 2004: Kontinuität und Wechsel45 4.4.1Auswanderungszahlen und Zeitrahmen der Migration46 4.4.2Alters- und Geschlechtsstruktur52 4.4.3Ausbildungsniveau53 4.4.4Zielländer der Migration55 4.4.5Wanderungsgründe65 5.EU-Binnenmigration im Spiegel migrationstheoretischer Ansätze72 5.1Migration innerhalb der EU vor 2004 - Einordnung in den theoretischen Kontext73 5.2Migration nach 2004 am Beispiel Polens - Einordnung in den theoretischen Kontext77 6.Diskussion: Schafft die EU-Mitgliedschaft neue Formen der Migration?86 7.Literaturverzeichnis95Textprobe:Textprobe: Kapitel 3, Migration innerhalb der EU bis 2004: Seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1957 wird die Migration innerhalb der EU gefördert. Obwohl die Gemeinschaft stetig um neue Mitgliedstaaten angewachsen ist, sind die internen Wanderungen eher zurückgegangen als gestiegen. Im Folgenden werden zunächst die Bestimmungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, die die Grundlage der EU-internen Migrationsprozesse darstellen, näher erläutert, und im Anschluss ein Überblick über die Entwicklung der Migration innerhalb der EU von 1957 bis 2004 gegeben. Kapitel 3.1, Rahmenbedingungen der EU-Binnenmigration bis 2004: Bei der EWG-Gründung 1957 wurde der freie Personenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten als eines der anzustrebenden Ziele formuliert. 1968 endete die Übergangsfrist für die Umsetzung der 1957 festgesteckten Ziele, und mit der Vollendung der Zollunion im selben Jahr wurde die Arbeitnehmerfreizügigkeit eingeführt. Sie wurde jedoch gegenüber 1957 modifiziert: Während sie laut Art. 39 Abs. 2 des Vertrags von Rom für die "Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten" galt, wurde sie 1968 auf Staatsangehörige der EU-Mitgliedsstaaten beschränkt. 1968 war also das Jahr, in dem die "doppelte Migrationspolitik" der EU begann. Von nun an wurde deutlich zwischen EU-Angehörigen und Drittstaatlern differenziert. Gegenüber Nicht-EU-Angehörigen wurden im Laufe der Zeit striktere Migrationspolitiken durchgesetzt, während die Arbeitnehmerfreizügigkeit im EU-Raum weiter erleichtert und als Ziel propagiert wurde. Sie ist in Art. 39 EGV geregelt und beinhaltet das Recht aller Bürger der Europäischen Union sowie des Europäischen Wirtschaftsraums (Island, Liechtenstein und Norwegen zusätzlich zur EU), in einem anderen Mitgliedstaat Arbeit zu suchen und auszuüben, sich zu diesem Zweck dort aufzuhalten und zu verbleiben, sowie den Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf den Zugang zur Beschäftigung, die Arbeitsbedingungen und alle anderen Vergünstigungen, die dazu beitragen, die Integration des Arbeitnehmers im Aufnahmeland zu erleichtern. Die Bestimmungen des Art. 39 EGV, die ursprünglich nur für Arbeitnehmer galten, wurden im Laufe der Zeit durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs weiter entwickelt und ausgelegt, so dass "nicht mehr wirtschaftliche Gesichtspunkte im Mittelpunkt stehen, sondern die Erweiterung des Rechtskreises der betroffenen Bürger." So wurde das Recht auf Freizügigkeit in den 1990er Jahren durch Richtlinien auf alle Angehörigen eines EU-Mitgliedstaates ausgedehnt, die einen gesicherten Lebensunterhalt sowie eine Krankenversicherung vorweisen können und betrifft nun beispielsweise auch Rentner und Studenten. Unionsbürger benötigen demnach kein Visum, um in einem anderen EU-Land zu leben und zu arbeiten, sondern erhalten auf Antrag eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis ('Aufenthaltserlaubnis/EG'). Ihr Erhalt ist gebunden an den Nachweis der oben genannten materiellen Voraussetzungen. Der Begriff 'Arbeitnehmer' wurde vom Gerichtshof dahingehend ausgelegt, dass er jede Person umfasst, die gegen Bezahlung eine tatsächliche Berufstätigkeit unter Anleitung einer anderen Person ausübt. Einige Rechte, wie beispielsweise das Recht, in einem anderen Mitgliedstaat zu wohnen, erstrecken sich auch auf die Familienangehörigen des Arbeitnehmers, unabhängig von deren nationaler Zugehörigkeit. Anzumerken ist hier, dass das Recht der Familienzusammenführung nur im Fall der Arbeitsausübung außerhalb des eigenen Heimatlandes greift. Diese Tatsache wird auch mit dem Begriff der 'Inländerdiskriminierung' bezeichnet. So können Menschen in bestimmten Situationen möglicherweise dazu gezwungen sein, von der Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU Gebrauch zu machen. Um der Inländerdiskriminierung entgegenzuwirken, hat die Kommission einen Antrag gestellt, das Recht auf Familienzusammenführung auf alle Unionsbürger unabhängig von ihrem Arbeitsort auszudehnen. Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit sind aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt; außerdem ist der öffentliche Dienst den Bürgern des jeweiligen Mitgliedstaates vorbehalten. Mit der Vollendung des Binnenmarktes 1992 durch den Vertrag von Maastricht wurden die Freizügigkeit von Arbeitnehmern sowie die Dienstleistungs-, Waren- und Kapitalfreiheit als die vier Grundfreiheiten des Europäischen Binnenmarktes formuliert, die Wirtschafts- und Währungsunion beschlossen, die Unionsbürgerschaft eingeführt und weitere Mobilitätsbarrieren abgebaut. So wurde auch die gegenseitige Anerkennung von Bildungsabschlüssen und Qualifikationen vereinbart. Kapitel 3.2, Migration seit Entwicklung des Binnenmarktes innerhalb der EU-15: Nachdem bis in die 1930er Jahre in Europa die Auswanderung nach Übersee dominiert hatte und die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts durch Wanderungs- und Vertreibungsbewegungen in Form von ethnischen Säuberungen und Umsiedlungen geprägt gewesen war, gewann die Arbeitsmigration nach 1950 "zentrale Bedeutung für das europäische Migrationsgeschehen." Durch die Unterzeichnung der Römischen Verträge 1957 wurde der Grundstein für eine neue Form der Arbeitsmigration und für die Notwendigkeit der Differenzierung zwischen Migration in Europa und Migration innerhalb der Europäischen Union gelegt. Die Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit 1968 hatte zum Ziel, die Arbeitsaufnahme eines EU-Bürgers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu vereinfachen. Grundlage des Ziels eines gemeinsamen Marktes ist die Auffassung, dass grenzüberschreitende Wanderungen innerhalb der EU Wachstumsgewinne erzeugen. Trotz vieler Bemühungen zugunsten der EU-internen Migration machten die Bürger der EU-15 von ihren Möglichkeiten relativ wenig Gebrauch: die Wanderungsströme bis 2004 blieben marginal. Um einen strukturierten Überblick über die Entwicklung der Migration seit den Anfängen des Binnenmarktes und über die Auswirkungen der EU-Politik in Bezug auf die Mobilitätsförderung zu bekommen, werden die folgenden Ausführungen in Abschnitte entsprechend der jeweiligen Erweiterungsrunden der EU geteilt. Vor Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1957 stammten 44% aller ausländischen Arbeitskräfte aus dem Gebiet der späteren EU-6. Von 1957 bis 1973 hatten fünf der sechs EU-Gründerstaaten aufgrund ihrer prosperierenden Wirtschaft erhöhten Bedarf an Arbeitskräften. Die Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft fanden also Beschäftigung in ihrem eigenen Land. Wahrscheinlich aus diesem Grund blieb die EU-Binnenmigration gering. Einzig in Italien herrschte Arbeitskräfteüberschuss verbunden mit im Vergleich zu den anderen Mitgliedstaaten niedrigen Löhnen, und es entwickelten sich Wanderungsbewegungen italienischer Arbeitskräfte besonders nach Deutschland. Von allen 1962 in Deutschland arbeitenden EU-Bürgern stammten 77% aus Italien. Mit dem Wachstum der italienischen Wirtschaft und den sich angleichenden Löhnen innerhalb der EU nahm in den Folgejahren auch die italienische Migration ab. Bis 1973 griffen die EU-Länder aus diesem Grund mit Hilfe bilateraler Verträge auf meist ungelernte oder gering qualifiziert Menschen aus Ländern außerhalb der EU zurück (die so genannten 'Gastarbeiter'), um ihren Arbeitskräftebedarf zu decken, so dass die Zahl ausländischer Arbeiter innerhalb der EU-6 bis 1973 auf fast 5 Mio. anstieg (1960: 2 Mio.). Der Beitritt des Vereinigten Königreichs, Irlands und Dänemarks 1973 fiel in dasselbe Jahr wie der Anwerbestopp für Gastarbeiter, der mit der wirtschaftlichen Stagnation in Westeuropa begründet wurde. Der Anwerbestopp zeigt deutlich, dass Migrationspolitik immer den Wandel der Rolle bzw. Wahrnehmung von Migration in einem Land widerspiegelt – sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf politischer Ebene. Da sich die Rahmenbedingungen auf den westeuropäischen Arbeitsmärkten verändert hatten (Arbeitskräfteüberschuss statt Arbeitskräftemangel), wurde eine neue Migrationspolitik eingeführt (Begrenzung statt Öffnung), um den veränderten Verhältnissen zu entsprechen. Aus Angst vor einem Ansturm von Arbeitsmigranten aus den neuen Mitgliedstaaten wurden außerdem Übergangsfristen eingeführt, in denen den diesen keine volle Freizügigkeit gewährt wurde. Nach Ablauf der Fristen wurde jedoch wider Erwarten keine verstärkte Zuwanderung aus den drei Ländern gemessen. Die EU-interne Migration (größtenteils Italiener, Iren und Angestellte multinationaler Unternehmen) belief sich innerhalb der EU-9 auf nur ca. 3 Mio. (3% Anteil an der Gesamtbeschäftigung). Die Zahl Drittstaatenangehöriger war weit höher, woran die späteren EU-Länder Griechenland, Spanien und Portugal bedeutenden Anteil hatten: 1973 waren 19% der portugiesischen, 9% der griechischen und 4% der spanischen arbeitenden Bevölkerung innerhalb der EU-9 angestellt. In den 1970er Jahren kehrten etwa 200.000 Italiener von der Arbeit in EU-Ländern in ihre Heimat zurück. Diese Rückwanderung ist auf höheres Wirtschaftswachstum und damit verbundene bessere Arbeitsmöglichkeiten in Italien sowie eine Annäherung des italienischen Lohnniveaus an das der anderen EU-Länder zurückzuführen. Während sich das deutsche Bruttoinlandsprodukt von 1960 bis 1969 auf umgerechnet 310,7 Mrd. Euro ungefähr verdoppelt hatte, wuchs das italienische BIP im selben Zeitraum um mehr als das Doppelte auf umgerechnet etwa 26,7 Mrd. Euro. Auch aus Belgien und den Niederlanden emigrierten immer weniger Menschen, um in einem anderen EU-Land Arbeit aufzunehmen. Die EU-Binnenmigration fiel über ihre ganze Entwicklung hinweg geringer aus, je weiter die Europäische Integration voranschritt. Im Zuge der Angleichung des Lohnniveaus zwischen neu beigetretenen Ländern und alten Mitgliedstaaten ging das Angebot an billigen Arbeitskräften innerhalb der EU zurück, so dass neue Herkunftsregionen an Bedeutung gewannen, d.h. Länder außerhalb der EU, besonders die inzwischen der EU zugehörigen mittel- und osteuropäischen Staaten. Nach dem Beitritt Griechenlands 1981 traten 1986 Portugal und Spanien und 1995 Finnland, Österreich und Schweden der EU bei. Den beiden Erweiterungsrunden der 1980er Jahre folgten Übergangsfristen zur Beschränkung des Arbeitsmarktes bis 1987 bzw. 1992; da jedoch in keinem Fall verstärkte Arbeitskräftewanderungen eintraten, sondern im Gegenteil die Nettomigrationsströme nach den Erweiterungsrunden stets zurückgingen, wurde den drei Beitrittsstaaten 1995 sofort volle Freizügigkeit gewährt. Der Binnenmarkt wurde schrittweise um neue Gebiete erweitert, Mobilitätshindernisse weiter abgebaut. Nachdem die Zahl der EU-Arbeitnehmer, die in einem anderen als ihrem eigenen Land arbeiteten, schon zwischen 1973 und 1984 um ein Drittel gefallen war, erlebte die EU-interne Migration in den Jahren 1985 bis 1990 einen weiteren leichten Rückgang. In den 1990er Jahren sorgte die steigende Anzahl multinationaler Firmen für eine verstärkte Migration hoch qualifizierter Arbeitnehmer innerhalb der EU. In den europäischen Großstädten sammelten sich Angestellte aus den Bereichen Finanzen, Banken- und Versicherungsmanagement, besonders in Frankfurt, Berlin, London, Paris, Madrid, Kopenhagen und Stockholm. Auch Universitäten griffen immer häufiger auf Wissenschaftler und Experten aus anderen europäischen Ländern zurück. Trotz dieser Entwicklungen betrug der Anteil der EU-Bürger an der Gesamtbeschäftigung 1990 im EU-Durchschnitt nur 2,4% gegenüber einem Anteil von 4,3% von Arbeitnehmern aus Drittstaaten. Während 1980 noch 47% aller ausländischen Arbeitskräfte innerhalb der EU aus einem anderen EU-Land kamen, sank dieser Anteil auf 42% im Jahr 1995. Zwar ist die absolute Zahl der EU-Arbeitskräfte leicht gestiegen, jedoch wuchs die Zahl der Arbeitnehmer aus Drittstaaten weit schneller, so dass der prozentuale Anteil der EU-Bürger sank. Der Anteil von EU-Arbeitnehmern an der Gesamtbeschäftigung beträgt seit nunmehr 15 Jahren im EU-Durchschnitt etwa 2%. Fast die Hälfte der EU-Migranten stammt aus südeuropäischen Ländern (Portugal, Italien, Spanien, Griechenland). Die EU-Binnenmigration ist charakterisiert durch einen hohen Anteil junger Hochqualifizierter. Am deutlichsten ist dies im Vereinigten Königreich, wo 1990 33% aller männlichen EU-Angehörigen auf Management-Ebene arbeiteten. Der Rückgang der EU-Arbeitsmigration insgesamt ist auf den Rückgang unqualifizierter Arbeit zurückzuführen, unter Anderem durch Rückkehrmigration in die Mittelmeerländer in den 1980er Jahren. Die Zahl der EU-Akademiker, die in einem anderen EU-Land arbeiten, ist hingegen gestiegen. In Deutschland beispielsweise sank die Zahl der unqualifizierten EU-Migranten im Zeitraum von 1977 bis 1992 um 40%, während die Zahl derer mit tertiärer Ausbildung um etwa 30% anstieg. Auch wenn nur knapp 2% aller EU-Bürger in einem anderen als ihrem Heimatland leben und arbeiten, hat die Errichtung des Gemeinsamen Marktes mit dem stetigen Abbau von Handelsbarrieren doch migrationsspezifische Konsequenzen nach sich gezogen, so auch die Diversifizierung von Migranten innerhalb der EU. Waren es früher vorwiegend ungelernte Kräfte, die in die EU strömten, können die Migranten heute drei Gruppen zugeteilt werden: (1) den Hochqualifizierten, die in der Regel aus anderen EU-Staaten stammen, (2) den gering qualifizierten oder ungelernten Migranten, oft ökonomisch motiviert und teilweise zur illegalen Einreise gezwungen, sowie (3) den Flüchtlingen und Asylsuchenden, häufig auf der Flucht vor politischer Verfolgung. Die Migration von EU-Bürgern, die das Ziel der EU-Mobilitätserleichterungen darstellt, macht einen sehr geringen Anteil an der europäischen Migration aus. Trotz einer deutlichen Abschottungspolitik nach außen, die zu immer größeren Schwierigkeiten für Drittstaatenangehörige führt, auf legale Weise Zutritt zu Ländern innerhalb der Europäischen Union zu finden, stammt die weit überwiegende Mehrzahl von Migranten innerhalb der EU aus Ländern außerhalb ihrer Grenzen. In der EU besteht ein wachsender Arbeitskräftemangel, ausgelöst durch Veränderungen in der Bevölkerungs- und Qualifikationsstruktur. Dieser kann nicht durch EU-Arbeitskräfte gedeckt werden, und Prognosen der demographischen Entwicklung in der EU weisen auf die Notwendigkeit weiterer Anwerbungen. Seit dem Anwerbestopp 1973 bemüht sich die EU um die Begrenzung der Zuwanderung. Dieses Bestreben kollidiert mit den wirtschaftlichen und demographischen Erfordernissen und fördert die illegale Migration in die EU. Aus diesem Grund bestehen heute in vielen Mitgliedstaaten Ausnahmeregelungen, die Arbeitsmigration von Drittstaatenangehörigen "über Umwege" ermöglichen. Die Mobilität der Arbeitnehmer innerhalb der EU wird insbesondere seit der Lissabon-Konferenz 2000 als neues Ziel propagiert. Ziel der so genannten Lissabon-Strategie, die sich u.a. der Mobilitätsförderung verschrieben hat, ist die Modernisierung der EU-Wirtschaft, um im globalen Handel wettbewerbsfähig zu bleiben. Die neue Bedeutung der Migration wird durch das folgende Zitat deutlich: "Gelingt es nicht, eine koordinierte Politik durchzusetzen, deren Ziel es ist, das Arbeitskräfteangebot zu verbessern, Qualifikationsnachfrage und -angebot in Übereinstimmung zu bringen, die Mobilität der Arbeitnehmer zu erhöhen und für ein ausgewogenes Arbeitsplatzangebot zu sorgen, so kann es angesichts der veränderten Qualifikationsstruktur und der demografischen Tendenzen in nächster Zukunft verstärkt zu einem Mangel an Arbeitskräften kommen. Sämtliche Maßnahmen zur Förderung der geografischen wie der beruflichen Mobilität müssen neu bewertet werden, um Hindernisse, die im Zusammenhang mit dem beruflichen Abschluss, dem Alter, der beruflichen Neueinstufung, den Verhältnissen am Wohnungsmarkt, familiären Gründen usw. bestehen, abbauen zu können." Es kann festgehalten werden, dass die fortschreitende Europäische Integration Migrationsprozesse bis 2004 eher gemindert als gefördert hat. Im folgenden Kapitel werden die Entwicklungen seit der Osterweiterung dargestellt, wobei Polen als dem Beitrittsland mit der höchsten Emigrationsrate besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird.
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Die Verhandlungen von Bund und Ländern ziehen sich. Die Schulen brauchen aber endlich ein Zeichen, wie es nach Auslaufen des aktuellen Digitalpakts Schule weitergeht. Ein Gastbeitrag von Franziska Krumwiede-Steiner.
Franziska Krumwiede-Steiner (Bündnis 90/Die Grünen) ist Lehrerin für Deutsch und Geschichte und seit März 2024 nachgerückte Abgeordnete im
Deutschen Bundestag. Foto: Carsten Andrea.
NOCH IM FEBRUAR stand ich, um E-Mails zu beantworten, dicht gedrängt mit meinen Kolleginnen und Kollegen am einzigen Fenster im Lehrerzimmer, an dem wir Empfang hatten. Jeden Tag bin ich
bepackt mit meinem privaten Beamer und meinem eigenen GigaCube von Raum zu Raum gewandert, um den Schülerinnen und Schülern kollaboratives Arbeiten mit digitalen Lernplattformen oder
Visualisierungen jenseits der störanfälligen Overhead-Projektoren zu ermöglichen.
Als Mitglied des städtischen Bildungsausschusses musste ich 2023 zur Kenntnis nehmen, dass der Glasfaseranschluss meiner Schule im Norden der Stadt Mülheim, die sich gerade erst aus dem
Nothaushalt befreit hatte, bis Ende 2025 dauern würde und die Stadt für mobile WLAN-Stationen keine Mittel mehr hat.
Dass an unseren Schulen immer noch Aufholbedarf bei der digitalen Ausstattung besteht, bestätigt nicht nur meine anekdotische Evidenz, das zeigen auch internationale Vergleichsstudien wie die
letzte PISA-Studie oder Erhebungen wie die letzte forsa-Schulleiterbefragung.
Angesichts dieser Herausforderungen war ich als kürzlich nachgerückte Bundestagsabgeordnete überrascht, wie lange sich die Verhandlungen von Bund und Ländern zum Digitalpakt 2.0 schon
hinziehen.
Die Qualität digitaler Bildung darf
nicht von der Postleitzahl abhängen
Die Schulen und die Kommunen als Schulträger brauchen endlich ein Zeichen, wie es nach Auslaufen des aktuellen Digitalpakts Schule Ende 2024 weitergeht. Die Qualität digitaler Bildung darf nicht
von der Postleitzahl, sprich vom städtischen Haushalt einer Kommune, abhängen. Der Digitalpakt ist daher auch ein Projekt der Bildungsgerechtigkeit.
Es wird Zeit, dass sich nicht nur das BMBF zum Anschlusspakt bekennt, sondern auch das Bundesfinanzministerium endlich Aussagen zum Volumen trifft, um die Verhandlungen voranzubringen. Das
aktuelle Aufstellungsverfahren für den Bundeshaushalt 2025 ist entscheidend, um die drohende Förderlücke zu verhindern.
Der Digitalpakt 2.0 darf nicht an der zukunftsgefährdenden Sparpolitik eines Christian Lindners scheitern, die nicht nur Schulden, sondern ganz konkret unsere Schulen bremst. Eine Reform der
Schuldenbremse ist nötig, denn ein weiteres Sparen an Zukunftsinvestitionen wie Bildung und Digitalisierung schadet nicht nur den individuellen Entwicklungschancen unserer Kinder, sondern unserer
Wirtschaft, die schon jetzt mit einem sich immer weiter verschärfenden Fachkräftemangel zu kämpfen hat – gerade im MINT-Bereich.
Was über den Erfolg des
Digitalpakts 2.0 entscheidet
Natürlich ist es mit frischem Geld von Bund und Ländern allein nicht getan. Der Digitalpakt 2.0 muss pädagogisch sinnvoll eingebettet sein. Die Konzepte zum sinnvollen Einsatz digitaler Medien
liegen bei so gut wie allen Schulen in der Schublade, einzig die Technik fehlt, um die Konzepte auch umzusetzen. Damit der Digitalpakt 2.0 zum Erfolg wird, sind für mich außerdem folgende Punkte
entscheidend:
O Die Mittel des Digitalpakt 2.0 müssen evidenzbasiert verteilt werden. Das Startchancen-Programm mit der teilweisen Abkehr vom Königsteiner Schlüssel sollte hier als Blaupause
dienen. Der Digitalpakt 2.0 könnte das zweite große Bund-Länder-Projekt werden, das im Bereich Schule nach realen Bedarfen fördert. Dafür ist ein neuer Verteilschlüssel nötig, der zum Beispiel
die Zahl der Schülerinnen und Schüler, den Nachholbedarf im Bereich Digitalisierung (etwa anhand bestehender Daten aus dem ersten Digitalpakt) und die Wirtschaftskraft der Länder berücksichtigt.
O Neben der technischen Ausstattung müssen die Digitalpakt-Mittel eine IT-Administration an den Schulen rechtssicher ermöglichen. Hier braucht es Fachleute, und die ohnehin schon
stark eingespannten Lehrkräfte müssen von diesen Zusatzaufgaben entlastet werden. Auch hier zeigt das Startchancen-Programm mit dem Fokus auf multiprofessionelle Teams den Weg in die richtige
Richtung.
O Vielleicht am wichtigsten sind Investitionen in die Lehrkräfteaus-, -fort- und -weiterbildung. Die Nutzung digitaler Technik allein ist kein Fortschritt. Ein schlechtes
Arbeitsblatt ist kein gutes, nur weil es digitalisiert wurde. Lehrkräfte müssen zielgerichtet aus- und fortgebildet werden, auch gerade im Umgang mit Künstlicher Intelligenz, die längst
angekommen ist im Klassenzimmer. Lehrerinnen und Lehrer sollten eine kritische Auseinandersetzung mit Medienangeboten und dem eigenen Medienverhalten erlernen und weitergeben können. Der Umgang
mit Hass im Netz und Desinformation gehört ebenfalls in die Curricula.
O Eine "Experimentierklausel" im Pakt könnte Freiräume für innovative Konzepte und deren Transfer ermöglichen. Denn alle Herausforderungen kann und wird der Digitalpakt 2.0
allein nicht lösen, und das muss er auch nicht. Er ist eine Ergänzung zu den vielen guten, bestehenden Programmen der Länder.
Mittelfristig die Schuldenbremse, langfristig
den Bildungsföderalismus reformieren
Investitionen in digitale Bildung sind Zukunftsinvestitionen. Kurzfristig müssen Bund und Länder die Verhandlungen zum Digitalpakt 2.0 zum Erfolg führen. Mittelfristig gehört die Schuldenbremse
reformiert, um weitere Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen. Langfristig ist eine Debatte über eine Reform des Bildungsföderalismus nötig. In meinen Augen ist die Finanzierung der digitalen
Bildungsinfrastruktur eine Daueraufgabe, die einer besseren Lösung bedarf, als in ein paar Jahren nach dem Auslaufen des Digitalpakts 2.0. schon wieder von vorn anfangen zu müssen.
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