"Die weitere Karibik, einschließlich der Küstenstaaten im Süden der USA, stellt eine soziologisch sehr interessante Weltregion dar: Vom Naturraum her ähnlich, findet sich hier auf relativ kleinem Gebiet ein Flickenteppich aus kleineren und größeren Staaten und Territorien, die hinsichtlich ihrer Wirtschaftskraft, ihrer politischen Verfassung, der zivilgesellschaftlichen Organisation sowie der Kultur deutliche Unterschiede aufweisen. Eine Paraderegion des Vergleichs also, und in mancher Hinsicht die große Welt im Kleinen. Die Natur - oder, wie viele Klimawissenschaftler behaupten, in wachendem Maße 'der Mensch' - unterzieht diese Region alljährlich einem entsetzlichen Prozess: der Hurrikansaison. Die Hurrikansaison 2005 war eine besonders intensive und folgenschwere: 28 tropische Stürme wurden registriert, davon 15 Hurrikans. 7 davon wiederum waren der besonders zerstörerischen Kategorie 3-5 zuzurechnen. Die Schäden in der weiteren Karibikregion belaufen sich auf rd. 166 Mrd. US Dollar, über 2.500 Menschen kamen um, die Zahl der Obdachlosen beträgt mehrere Zehntausende." (Autorenreferat)
"Die besondere Natur der Weltgesellschaft zeigt sich auch in einem sehr besonderen Verhältnis zur primären resp. als primär geltenden Natur. Neben - und in Verbindung mit - der allgemeinmenschlichen und insofern unvermeidlich 'formalen' Rationalität ist eine so verstandene Natur nämlich der wichtigste universelle Bezugsrahmen eines alle Menschen einschließenden und verbindenden Kommunikations- und Handlungszusammenhangs, und zwar in Gestalt der allgemeinmenschlichen Natürlichkeit (Leiblichkeit/ Sinnlichkeit/ elementare Emotionalität) einerseits, der natürlichen 'Umwelt' andererseits. Dies erklärt, warum Ernährung und Nahrungsmangel, Gesundheit, Krankheit und medizinische Versorgung, Sexualität und Sport ebenso zu vorherrschenden Themen der welt-gesellschaftlichen Kommunikation geworden sind wie ökologische Probleme und Naturkatastrophen. Der Prozess der Herausbildung einer erdumspannenden Weltzivilisation erweist sich insofern tatsächlich, und aus einsichtigen Gründen, als ein Prozess der 'Naturalisierung des Menschen'. Ob damit, wie Marx annahm, eine 'Humanisierung der Natur' einhergeht, erscheint fraglich. Jedenfalls ist unklar, was 'Humanisierung' bedeutet, wenn der weltgesellschaftlich existierende, also allgemeine Mensch sich selbst als Naturwesen auffasst - und auffassen muss." (Autorenreferat)
Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Postmodernisierungsprozesse muss auch die Praxis der Einrichtung und Entwicklung von Großschutzgebieten reflektiert werden. Ein wesentlicher Aspekt aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen ist die Akzeptanz, sogar die Erwünschtheit, von Hybridbildungen auf unterschiedlichen Ebenen (so von Stadt und Land oder auch Natur und Kultur). Während Naturparke mit ihrer eher kommunikativen Ausrichtung konzeptionell postmodernen gesellschaftlichen Bedürfnissen deutlicher entsprechen, sind Nationalparke stark von einer modernistischen Logik der exklusivistischen Durchsetzung der stark auf die 'Reinheit' von Natur beruhenden Logik ausgerichtet. Biosphärenreservate ordnen sich zwischen diesen beiden Polen ein.
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 1858-1879
"Die Naturnutzung in der Landwirtschaft wird maßgeblich von zentralen staatlichen Regelungen bestimmt, welche sowohl direkt als auch indirekt den Produktionsumfang sowie die Produktionsintensität beeinflussen. Nach der Regelung der Milch- und Zuckerrübenproduktion (Milchquote, Zuckerrübenquote) und der Einführung der Direktzahlungen als Ausgleich für gesenkte Preise und in Abhängigkeit von bestimmten Produktionsausstattungen (ha, Tierzahl) folgte ab 2005 durch die 'Entkopplung' die Einführung der sogenannten 'Zahlungsansprüche'. Die ersten beiden eingeführten Regelungen hatten zentral eine Marktanpassung durch Drosselung der Produktion und damit indirekt einen positiven Effekt zur Naturnutzung zum Ziel. Mit letzterer Regelung soll hingegen eine bessere individuelle Marktanpassung (durch die Produzenten) erreicht werden. Die eingeführten Regelungen bedeuteten einen massiven Eingriff in die landwirtschaftliche Primärproduktion dahingehend, dass ein vollständiges Regulierungs- und Kontrollsystem in der Landwirtschaft aufgebaut wurde. Dieses wirkte aber nicht vordergründig im Sinne von Marktanpassung durch Produktionsdrosselung, sondern im Gegenteil: Die intensive Produktion wurde weiter forciert. Trotzdem wurden und werden die Regelungen - welche als marktanpassende hauptsächlich ökonomische sind - nach wie vor von den Vertretern der Agrarökonomie weiter vertreten bzw. deren Fortführung (z.B. als Entkopplung) propagiert. In diesem Beitrag soll gefragt werden, warum dies so ist. Dabei wird an wissenschaftssoziologische Ansätze zur Entstehung von Paradigmen und Theorien angeknüpft (Fleck, Kuhn). Neben einer Diskurs- und Dogmenanalyse werden wichtige Vertreter deutscher Agrarökonomen, welche die Einführung der Regelungsgrößen mit unterstützt/ gefördert/ begrüßt haben, zu den zu bilanzierenden Wirkungen und ihrer Position dazu sowie ihrer Haltung zu agrarökonomischen Grundauffassungen heute befragt." (Autorenreferat)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 2826-2836
"Der in Deutschland seit Anfang der 1990er Jahre institutionalisierte umweltsoziologische Diskurs ist geprägt vom Topos der aus der Soziologie ausgegrenzten Natur. Der Soziologie wird vorgeworfen, mit der Perspektive auf die soziale Realität die andere Realität der Natur aus dem Blick verloren zu haben. Seither testet die Umweltsoziologie verschiedene soziologische Theorieprogramme daraufhin, ob in ihnen Natur eine Rolle spielt oder nicht. Niklas Luhmanns Systemtheorie hat in diesem Test besonders schlecht abgeschnitten. Der systemtheoretische Umweltbegriff, so der Vorwurf, blende den ökologischen und physischen Umweltbegriff völlig aus. Diese Kritik an Luhmann hat dazu geführt, dass eine systematische Auseinandersetzung mit dem umweltsoziologischen Potenzial der Systemtheorie Desiderat geblieben ist. Die Schwierigkeit einer umweltsoziologischen Rezeption der Systemtheorie besteht darin, dass diese die Begriffe Umwelt und Natur schlicht anders verwendet als die Umweltforschung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ›Natur‹ im Sinne einer nicht sozialen Realität in der Systemtheorie nicht vorkommt. Eine umweltsoziologische Lektüre der Systemtheorie muss deshalb nicht nur auf die Verwendung der Begriffe Umwelt und Natur achten, sondern untersuchen, welche Kategorien darüber hinaus von umweltsoziologischer Relevanz sind. Im Rahmen des Beitrags möchte der Verfasser die These vorstellen, dass die Konzeptualisierung von Natur in der Systemtheorie im Zusammenhang mit einer bislang kaum geklärten Realitätssemantik stattfindet. Der späte Luhmann hat einen dreiteiligen Realitätsbegriff entwickelt, der - wenn auch auf einer sehr abstrakten Ebene - als Rekonzeptualisierung der klassischen Unterscheidung von Natur und Gesellschaft gelesen werden kann. Er unterscheidet zwischen einem 'Realitätsunterbau', einer 'operativen Realität' und einer 'semiotischen Realität'. Ausgehend von einer Erläuterung der Architektur dieser Begriffe soll die Frage aufgeworfen werden, ob es Luhmann gelingt, im Spannungsfeld zwischen Realismus und Konstruktivismus den klassischen Naturbegriff durch das Konzept des Realitätsunterbaus zu ersetzen." (Autorenreferat)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 2815-2825
"Die Frage nach der Konstitution von Gesellschaft steht im Mittelpunkt der modernen soziologischen Theorie. Handlungs-, Konflikt-, kommunikations- und systemtheoretische Ansätze verfolgen hierbei ganz unterschiedliche Strategien und Zugänge. Je nach erkenntnistheoretischem Interesse und konzeptioneller Architektonik werden grundverschiedene Aspekte der Konstitutionsproblematik von Gesellschaft aufgeworfen. Bereits allen verwendeten Grundbegriffen wie Handlung und Struktur, Individuum und Gruppe, Klasse und Schicht, Konflikt und Herrschaft, System und Kommunikation ist jedoch gemeinsam, dass die Relation Natur-Gesellschaft - im Sinne der Vergesellschaftung von Natur und der Materialität von Gesellschaft - kaum hinreichend reflektiert und in die Konstitutionsproblematik eingearbeitet wird. In Abgrenzung zur environmental sociology und im Anschluss an zentrale Grundannahmen der soziologischen Tradition möchte der Verfasser in diesem Beitrag begründen, warum physische Zustände oder Ereignisse als außersoziale Tatbestände anzusehen sind und diese deswegen auch nicht den Untersuchungsbereichen der Soziologie zugerechnet werden können. Zugleich ist allerdings darauf zu insistieren, dass soziale Akteure immer schon in lokalen physischen Umwelten situiert sind, welche in modernen noch mehr als in traditionalen Gesellschaften alles andere als 'natürlich' vorgegeben sind, sondern in aller Regel durch sinnvermitteltes, praktisches Handeln planmäßig oder ungeplant transformiert werden. In Auseinandersetzung mit der soziologischen Handlungstheorie in der Tradition Webers, unter Rückgriff auf Gehlens Begriff des Handelns, der durch Weltoffenheit, Plastizität und Umweltentbundenheit gekennzeichnet ist, sowie im Anschluss an Giddens sozialtheoretische Überlegungen zur transformativen Fähigkeit sozialer Akteure (transformative capability) möchte er einen Handlungsbegriff fruchtbar machen, der auf das praktische, sinnhafte Vermögen von Handelnden abstellt, in natürliche Gegebenheiten oder Ereignisabläufe einzugreifen, um einen vorgefundenen Zustand zu verändern oder einen neuen Zustand zukonstituieren. Im Einzelnen soll aufgezeigt werden, dass die Bestimmung des Handelns als sinnhaftes, einwirkendes 'Tun' gegenüber dem klassischen, auf eine Subjekt-Subjekt-Konstellation abhebenden Handlungsbegriff in der Tradition Webers den Vorteil hat, dass soziales Handeln nicht primär über den subjektiv gemeinten und auf Dritte bezogenen Sinn definiert wird, sondern ebenso das sinnhafte Herstellen von Differenzen in der sozialen und natürlichen Umwelt einschließt. Diese Überlegungen zielen darauf ab, einen handlungstheoretischen Zugang zur 'Sozialität' von Naturzuständen zu erschließen, wobei der Terminus 'Sozialität' auf die soziale Dimension der Konstitution, Modifikation und Transformation von Naturbedingungen anspielt." (Autorenreferat)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 1640-1658
"Beschleunigter Abbau natürlicher Ressourcen vermittelt sich in wachsendem Maße global. Unterschiedliche lokale Formen, Natur zu nutzen, haben - historisch gesehen - konträre Auswirkungen auf globale Lebensbedingungen gehabt: 1. Verlust des Naturbezuges: lokale Nutzungen gefährden globale Lebensbedingungen a) Naturkatastrophen haben genauer betrachtet oft einen anthropogenen Auslöser (Beispiele von Auswirkungsketten einseitiger großflächiger Eingriffe in tropischen Regenwäldern von Plantagenanbau, Bergbau, etc. vgl. Ab Saber, WRM, IRN u.a.). b) Beschleunigter Rohstoffraubau und Ausdehnung des Handels führen zu globalen Rückwirkungen auf das Klima und zum Abbau von biologischer Vielfalt sowie dem Verlust des Zugangs immer größerer Bevölkerungsgruppen zu frischem Wasser. 2. Erhalt des Naturbezuges: lokale Nutzungen erhalten globale Lebensbedingungen a) Gleichzeitig wird deutlich, dass andere Gesellschaften schützend in die Natureingreifen und ihre Handlungsstrategien bereits über Jahrtausende lebenswichtige Ökosysteme weiter diversifizierten und stärkten (Beispiele von Techniken des Erhalts und der Vermehrung der Vielfalt, der Anreicherung der Böden, der Wälder u.a. vgl. G. Budowski, P. Clastres, V. Shiva vgl. auch kulturelle Symbole, Bilder, Gleichnisse). b) Diese anderen Gesellschaften in tropischen Regenwäldern bestehen jedoch auf ihren Territorien seien es Indigene, Schwarzengemeinschaften, Sammler (Kautschukzapfer, etc.) oder Fischer, da diese für sie Ausgangspunkte der Geschichte, des Wissens über Bewirtschaftung und seiner Erweiterung sind. 3. Gesellschaftliche Naturbezüge lokal und global erlernen bzw. neu verankern a) Es ist daher unumgänglich, dass die Bedingungen für den Erhalt der Potentiale des Lebens auch global erlernt werden. Also ist eine gesellschaftliche Verständigung über schützende Eingriffe in die Natur lokal und global eine lebenserhaltende Erfahrung. b) Die Lernprozesse globalen und lokalen Naturbezuges haben eine Priorität auf für gesellschaftliche Vermittlungsprozesse in Schulen, an Universitäten, in den Medien. Wissen über Naturbezüge ist der Rohstoff aus dem neue gesellschaftliche Werte entstehen und alte gefestigt werden. Hier sind sozialwissenschaftliche interkulturelle interdisziplinäre Forschungen erforderlich." (Autorenreferat)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 1629-1639
"Die modernen und in der Praxis oft techno- und bürokratisierten 'conservation'-Konzepte stoßen in indigenen Dorfgemeinschaften auf Unverständnis. Die indigenen Völker besitzen eigene kulturspezifische Naturvorstellungen, Wissenssysteme und Formen der Naturaneignung. Die 'Naturschutzagenda' indigener Dorfgemeinschaften ist zudem nicht an die Existenz staatlicher Naturschutzgebiete gekoppelt, sondern eng mit gesellschaftlichen Themen verknüpft wie die Verbesserung elementarer Lebensbedingungen, die Erhaltung tragfähiger Wirtschaftssysteme (in der Regel unter Einschluss der Marktproduktion), der Verteidigung ihrer Lebensräume gegenüber externen Einflüssen wie Großprojekten und Umweltzerstörung sowie die Überwindung ihrer sozialen und politischen Marginalisierung innerhalb der nationalen Gesellschaft. Im Rahmen des Beitrages werden zunächst die Veränderungen des westlichen Naturschutzkonzeptes und daraus resultierender Naturschutzstrategien in Amazonien im Hinblick auf den Umgang mit indigenen Völkern von den frühen 1970-Jahren bis heute nachgezeichnet. Anschließend werden anhand von Beispielen indigene Vorstellungen von 'Natur' und 'Naturaneignung' charakterisiert. Es wird auf die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Sichtweise des Naturbezuges hingewiesen sowie auf die enge Verknüpfung mit Konzepten wie 'Kultur' und 'sozialer Gerechtigkeit'. Um handlungsrelevant zu sein, muss der Naturbezug in den Lebenszusammenhang der indigenen Völker eingebunden werden und diesen eine Zukunftsperspektive bieten. Abschließend werden aktuelle Konfliktfelder bei der Bewirtschaftung von Naturschutzgebieten, aber auch mögliche Brücken für eine interkulturelle Zusammenarbeit herausgestellt." (Autorenreferat)
In: Nachhaltige Raumentwicklung für die große Transformation - Herausforderungen, Barrieren und Perspektiven für Raumwissenschaften und Raumplanung, S. 190-213
Die Autorinnen fragen nach den Inhalten und Formen von Wissen über Raum und Raumentwicklung für die große Transformation sowie nach den Bedingungen für dessen Produktion und Verbreitung. Vor dem Hintergrund der frühen Debatten um nachhaltige Raumentwicklung werden die Hemmnisse und Blockaden dargestellt, die sich aus einem verkürzten Raumverständnis ergeben können. Die Rolle wissenschaftlicher Institutionen bei der Produktion und Verbreitung von Transformations- und transformativem Raumwissen - insbesondere der Hochschulen, in welche die Raum- und Planungswissenschaften eingebunden sind - wird diskutiert. Der Beitrag mündet ein in fünf zusammenfassende Thesen, mit denen zugleich weiterführende Forschungsbedarfe zum Thema formuliert werden.
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 4618-4627
"Anlässlich des Deutschen Soziologentages 2006 bietet es sich an, auf Luhmann's Ökologische Kommunikation kurz einzugehen. Bekanntlich erschien dieses eher programmatische Bändchen im Jahre 1986, wenn es auch - nach Luhmann'scher Art - bereits vorher als Manuskript für einen gewissen Zeitraum in der Community zirkulierte. Interessant ist diese Publikation in zweierlei Hinsicht: Zum einen wurde in einer Phase intensiver Auseinandersetzung mit ökologischen Fragestellungen (im gleichen Jahr erschien Beck's 'Riskiogesellschaft') der Versuch vorgelegt, eine ambitiöse gesellschaftstheoretische Fundierung dieses 'Umweltdiskurses' zu leisten, zum anderen markiert die Veröffentlichung auch in Luhmann's eigener Theorieentwicklung eine interessante Übergangsposition, wurde doch erst zwei Jahre vorher Luhmann's 'autopoietische Wende' mit der Veröffentlichung der 'Sozialen Systeme' eingeleitet. Im Folgenden geht es weniger um die inhaltlichen Aspekte, etwa im Sinne der einleitenden Fragestellung 'wie kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einstellen?'. Sondern es geht um die Rezeption kybernetischer bzw. soziokybernetischer Theorie und Methodenangebote und ihre Verwendung in der Auseinandersetzung mit Umweltfragestellungen. Luhmann stand der Entwicklung einer Soziolkybernetik durchaus positiv gegenüber, was auch seine Beiträge zu 'frühen' Sammelbänden zur Soziokybernetik belegten (vgl. 'Temporalization of complexity' 1978 und 'The autopoiesis of social systems' 1984). Und es ist ja auch nicht zu übersehen, dass Luhmann eine intensive Auseinandersetzung mit den kybernetischen Klassikern (Ashby, Bateson) geführt hat und an der Entwicklung der Kybernetik selbst ein großes Interesse zeigte (insbesondere die Bezugnahme auf von Foerster, aber auch, mehr die philosophischen Grundlagen betreffend, G. Günther). Es soll also darum gehen, die Spuren aufzuzeigen, die in der Ökologischen Kommunikation zu finden sind und die sich mehr oder weniger explizit auf die Kybernetik in ihren verschiedenen Spielarten und Entwicklungsstufenbeziehen. Da ist einmal, mit Bezug auf Parsons, die Frage nach dem Umweltbezug in einer allgemeinen System-Umwelt-Unterscheidung, mit der Soziologie als die Einheit der Differenz von Gesellschaftssystem und seiner Umwelt konzeptualisiert wird. Und es geht um die Umstellung von substantiellen Einheiten auf selbst referentielle Operationen. Aus den eher 'klassischen' Fragestellungen wird die nach der Rolle der requisite variety und der Komplexität allgemein aufgegriffen. Als neueres Thema wird die Frage nach den Kopplungsmöglichkeiten über das Konzept der Resonanz behandelt, und in diesem Zusammenhang auch das 'Modell' der Informationsverarbeitung einer Revision unterzogen. Schließlich werden Überlegungen zu einer 'Kybernetik zweiter Ordnung' aufgegriffen und diese u.a. mit den Herausforderungen verbunden, die mit der Systemdifferenzierung einhergehen. Der Text von Luhmann bietet die Möglichkeit, die Theorie- und Methodenangebote 'der (Sozio-)Kybernetik' in Aktion zu sehen - und das für ein nach wie vor 'gesellschaftlich' relevantes Thema." (Autorenreferat)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 3035-3046
"Marktgesellschaften müssen sich zunehmend auf globaler, nationaler und lokaler Ebene der Herausforderung im Umgang mit und des Erhalts von Umweltressourcen stellen. In der Regel sind Umweltressourcen - ökonomisch gesprochen - öffentliche Güter. Bei der Bereitstellung solcher Güter liegt oft ein Marktversagen vor. Das liegt nicht zuletzt an fehlenden Preisen für Umweltressourcen, also an einem nicht vorhandenen Wertmaßstab, der für eine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit verschiedener Maßnahmen im Umgang mit Umweltressourcen herangezogen werden kann. Der Beitrag stellt vor diesem Hintergrund die theoretischen Grundlagen sowie die Methodik der Kontingenten Bewertung zur Messung des ökonomischen Gesamtwertes eines Umweltgutes vor und diskutiert soziologische Anknüpfungspunkte an einem empirischen Fallbeispiel zur Bewertung der biologischen Vielfalt im Wald. Der ökonomische Gesamtwert eines Umweltgutes beinhaltet u.a. nutzungsunabhängige Werte, die nicht am Marktverhalten von Akteuren beobachtbar sind und direkt erfragt/ermittelt werden müssen (stated preferences). Deshalb wird im Rahmen Kontingenter Bewertungen in Umfragen ein hypothetischer Markt konstruiert. Dabei wird das Umweltgut möglichst genau beschrieben, es wird kenntlich gemacht, wer für die Bereitstellung des Gutes verantwortlich ist, und es wird vorgegeben, in welcher Form und wie lange Personen für die Bereitstellung etwas bezahlen müssten. Ziel einer solchen Bewertung ist die Ermittlung des Geldbetrages, der Personen auf demselben Nutzenniveau vor und nach der Umweltveränderung belässt (maximale Zahlungsbereitschaft). Bislang gibt es weltweit über 2.000 monetäre Bewertungsstudien, die zum Teil als Unterstützung für politische Entscheidungen dienen. Diese Studien werden mit einer Vielzahl an Kritikpunkten konfrontiert. In dem Vortrag soll gezeigt werden, dass soziologische Theorien und Methoden einen Beitrag zur Erklärung von in Umfragen geäußerten Zahlungsbereitschaften leisten können. Hier erschließt sich für SoziologInnen ein theoretisch wie praktisch bedeutsames Forschungs- und Anwendungsfeld im Spannungsverhältnis zwischen Umwelt und Wirtschaft." (Autorenreferat)
Alpine open spaces are becoming noticeably scarcer. In the Alps, this applies to the inherently limited area of permanent settlement, which in the case of Tyrol covers only 11.8%. The population is growing in many of the valleys and with it the infrastructure it requires. However, the open spaces, situated at altitudes above the settlements, are also being successively broken up and exploited through technical facilities (e.g. cable cars, hydro-electric facilities) or increasingly intensive types of use (e.g. e-mountain bikes). The preservation of open spaces began in Bavaria as early as 1972 with the implementation of the Alpine Plan, which established spatial planning objectives. The Alpine Plan divided Bavaria's Alpine region into three zones of varying traffic intensity, a true legislative innovation. Zone C was intended for nature conservation, which was still in its infancy at that time, and also aimed to reduce natural Alpine hazards. Primarily, however, this planning initiative was related to the role of the landscape as a setting for recreation in open spaces, i.e. leisure and tourism activities in natural surroundings. Today, there are similar initiatives of varying success in South Tyrol (Italy), Austria and Switzerland. This paper aims to analyse, compare and describe these initiatives and to critically assess how they are formulated, how they work, and how they are implemented by planners. The focus is on comparing analyses of approaches for preserving open space for people (local residents and their traditional economic activities, but also visitors) and the natural heritage. Present-day regional and spatial planning practices related to Alpine open spaces in the Germanspeaking and Swiss Alpine regions are presented and critically evaluated and future options for harmonising approaches across the borders are discussed.
Der Beitrag verortet die Diskussion um Regionalentwicklung in Großschutzgebieten in der politikwissenschaftlichen Diskussion um Governance und Regional Governance. Ziel des Beitrages ist es aufzuzeigen, dass es drei Hauptgründe gibt, warum Governance eine Rolle für Großschutzgebiete spielt: 1. aufgrund eines veränderten Naturschutzverständnisses, 2. aufgrund einer Bedeutungszunahme von Konzepten naturschutzorientierter Regionalentwicklung und 3. aufgrund der zwangsläufigen Umsetzung von Großschutzgebieten im politischen Mehrebenensystem. Empirisch sollen diese Governance-Aspekte anhand des Bundeswettbewerbes "idee.natur" illustriert werden. Deutlich werden soll, dass Governance und Regional Governance wichtige Anknüpfungspunkte für Naturschutz und Großschutzgebiete bieten und es solche Konzeptionen mittlerweile tatsächlich in der naturschutzpolitischen Praxis gibt.
Mit der Errichtung des länderübergreifenden, gemeinsamen Nationalparks Hunsrück- Hochwald der Länder Rheinland-Pfalz und Saarland innerhalb des länderübergreifenden Naturparks Saar-Hunsrück im Frühjahr 2015 sind zahlreiche Herausforderungen der Abstimmung, Kooperation und der Arbeitsweisen, insbesondere im Rahmen der Regionalentwicklung, auf die Verwaltungen und das Management der beiden Großschutzgebiete zugekommen, die angesichts zum Teil divergierender und auch sich überschneidender Aufgaben sowie sehr unterschiedlicher personeller und finanzieller Ausstattung in Zukunft im Rahmen eines funktionierenden Schutzgebietssystems gelöst werden müssen/sollten. Insbesondere im Hinblick auf die Aufgabenerweiterung des Nationalparks Hunsrück-Hochwald um Regionalentwicklung auch außerhalb der Nationalparkfläche, in der sogenannten Nationalparkregion, bedarf es einer Betrachtung der Regionalentwicklung und der politischen Zielsetzungen für ein funktionierendes Schutzgebietssystem - Aspekte, denen der Artikel nachgeht.
"Der Alpenplan ist ein zentrales Element des Landesentwicklungsprogramms Bayern (LEP) und regelt mittels einer flächendeckenden Zonierung die (verkehrs-)infrastrukturelle Erschließung der Bayerischen Alpen, um die verschiedenen Raumnutzungsansprüche auszugleichen. 40 Jahre nach Implementierung des Alpenplans strebt dieser Aufsatz eine umfassende Evaluation dieses Instruments an. Unter Naturschutzgesichtspunkten kann die Effektivität des Alpenplans positiv beurteilt werden und im Vergleich zur Entwicklung der Schutzgebiete wird deutlich, dass der Alpenplan den Naturschutzstrategien des Freistaats Vorschub geleistet hat. Im Sinne der Tourismusentwicklung in den Bayerischen Alpen offenbart der Alpenplan kaum negative Auswirkungen. Der Alpenplan hat als raumplanerisches Zonierungsinstrument erfolgreich dem Erschließungsdruck des Massenskitourismus standgehalten und gleichzeitig bedeutende Verbesserungen für den Schutz sensibler hochalpiner Bereiche bewirkt. Zusätzlich beeinträchtigt der Alpenplan nicht die qualitative Infrastrukturentwicklung in bestehenden Destinationen." (Autorenreferat)