HipHop in Deutschland: Analyse einer Jugendkultur aus pädagogischer Perspektive
In: MA-thesis/Master
Diese Arbeit widmet sich einer eingehenden Analyse der Jugendkultur des HipHop. Da diese, wie im Verlauf der Ausführungen dargelegt werden wird, die aktuell größte jugendkulturelle Strömung der Neuzeit darstellt, ist die Auseinandersetzung mit den vielfältigen Ausdrucks- und Erscheinungsformen dieses Phänomens, sowie mit seinen Hintergründen und den mit HipHop verknüpften Chancen und Gefährdungspotentialen aus pädagogischer Sicht ein durchaus relevantes Thema. Eine Eingrenzung der Detailausführungen auf die Bundesrepublik Deutschland ist dabei aus Gründen des pädagogischen Blicks der Arbeit sinnvoll, der sich auf die nationalen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen bezieht. Bevor auf das relativ junge Phänomen 'HipHop' eingegangen wird, soll zunächst die diesbezüglich vorausgegangene Entwicklung der Jugendkulturen in Deutschland betrachtet werden. So wird in Kapitel 2.1. zunächst der Begriff 'Jugend' und seine Entstehung und Definitionsumfang untersucht, sowie aktuelle Tendenzen, von denen Jugend heute beeinflusst wird. Auch die wichtigen Funktionen, welche die Jugendphase im Leben eines Menschen hat, werden eingehend betrachtet und mit den herrschenden Verhältnissen in Relation gesetzt. Anschließend wird der Begriff 'Kultur' in seiner Bedeutung einer bestimmten Lebensweise genauer beleuchtet, um 'Jugend' und 'Kultur' in Kapitel 2.3. schließlich miteinander zu verbinden. Nachdem so der Begriff der 'Jugendkultur' eingeführt wurde, wird auch seine Geschichte in Form der Entwicklung der ersten Jugendkulturen bis in die Neuzeit behandelt, bevor das zweite Kapitel im Abschnitt 2.5. mit einer genaueren Darstellung aktueller jugendkultureller Merkmale schließt. Die Wurzeln von HipHop als in New York entstandene Kulturform und die verschiedenen Inhalte, die unter diesem Oberbegriff vereint sind, werden zu Beginn des dritten Kapitels dargelegt. Die Rapmusik als diejenige HipHop-Kulturform, die sowohl am meisten Aufmerksam auf sich zieht, als auch kommerziell die erfolgreichste Form von HipHop darstellt, wird mit ihren verschiedenen Subgenres im Abschnitt 3.2. noch einmal genauer betrachtet. Anschließend wird die HipHop-typische Eigenschaft der Präsentation mit ihren, für die Jugendkultur charakteristischen Ausformungen, analysiert, bevor das Kapitel 3.4. auf den Verlauf der weltweiten Ausdehnung von HipHop eingeht. Nach den gewonnenen Erkenntnissen der vorausgegangenen Abschnitte beschäftigt sich das vierte Kapitel speziell mit HipHop in Deutschland. Zunächst wird hier nachvollzogen, wie sich die Jugendkultur sowohl unter den Bedingungen des geteilten und des später wiedervereinigten Deutschlands etabliert hat, um schließlich in ihrer aktuellen Form als größte jugendkulturelle Strömung präsent zu sein. Auf den in diesem Verlauf eingetretenen Generationskonflikt innerhalb der HipHop-Kultur wird anschließend ebenso eingegangen wie auf den großen, und aus pädagogischer Sicht als teilweise bedenklich eingestuften Erfolg von Gangster-Rap, der im Kapitel 4.3. stellvertretend am Beispiel der einflussreichen Berliner Musikvermarktungsfirma 'Aggro Berlin' untersucht wird. Aus Gründen einer besseren Verdeutlichung der auf die Jugend einwirkenden Inhalte der momentan sehr erfolgreichen Gangster-Rapmusik, die das Bild von HipHop aufgrund des diesbezüglich bestehenden medialen Fokus deutlich prägen, wird im Abschnitt 4.4. exemplarisch je ein Textauszug aus besonders bekannten Songs der drei kommerziell erfolgreichsten deutschen Rapmusiker vorgestellt. Nachdem durch die vorangegangenen Ausführungen ein umfassendes Bild der deutschen HipHop-Jugendkultur dargestellt wurde, werden im fünften Kapitel schließlich diesbezüglich relevante pädagogische Überlegungen angestellt. An dieser Stelle soll zunächst ein kritischer Blick auf die Gefährdungspotentiale der zuvor näher untersuchten, sehr erfolgreichen Formen des Gangster- und Porno-Rap gerichtet werden. Die unter pädagogischen Gesichtspunkten positiven Aspekte von HipHop werden hingegen in Kapitel 5.2. genauer beleuchtet, bevor die Arbeit mit einer Abhandlung über HipHop-relevante, sozialpädagogische Grundlagen für die Arbeit mit Jugendlichen, die sich der Jugendkultur zugehörig fühlen, schließt. Bezüglich der Quellen und Textbelege der Ausarbeitungen wurden neben einer umfangreichen wissenschaftlichen Literatur teilweise auch langjährig existente und hochauflagige Szenemagazine, sowie Veröffentlichungen auf etablierten und anerkannten Internetseiten mit einbezogen. Dies zum einen, um im Fall von seriösen Szenemedien eine möglichst geringe Distanz zu den tatsächlichen Gegebenheiten herzustellen, zum anderen aus dem Grund, dass wissenschaftliche Literatur zum Thema HipHop zwar mittlerweile zunehmend auch von angesehenen und etablierten wissenschaftlichen Autoren verfasst wird, die aktuellsten Strömungen aber teilweise noch nicht von ihr erschlossen wurden. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die zusätzliche Formulierung der weiblichen Form verzichtet. Obwohl im Verlauf der Arbeit deutlich werden wird, dass die HipHop-Kultur bis heute schon immer stark männlich dominiert war, sind dennoch auch in den szenespezifischen Abschnitten immer beide Geschlechtsbezeichnungen gemeint. Die männliche Form schließt dabei die weibliche Form mit ein. An die Ausführungen der aufgezählten Kapitel schließt sich ein Glossar mit Erklärungen der im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Szenebegriffe an, die in der deutschen HipHop-Kultur größtenteils in Form von Anglizismen aus dem Englischen übernommen wurden. Sie haben sich in dieser Jugendkultur neben dem allgemein gebräuchlichen Sprachgebrauch als Eigenbegriffe etabliert und wurden für die Abhandlungen als unverzichtbar angesehen. Nachdem diese Begriffe bei ihrem erstmaligen Erscheinen im Kontext erläutert werden, werden sie bei erneuter Verwendung in späteren Kapiteln oder Unterkapiteln mit einem Pfeil gekennzeichnet, um auf ihre Präsenz im Glossar hinzuweisen.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: 1.Einleitung1 2.Jugendkulturen in Deutschland5 2.1Was ist 'Jugend'?5 2.1.1Historische Entwicklung des Jugendbegriffs6 2.1.2Bestimmung der Zeitspanne 'Jugend'7 2.1.3Rückläufige Anzahl an Jugendlichen9 2.1.4Die Modernisierungstendenzen der Gegenwart10 2.1.4.1Individualisierung11 2.1.4.2Pluralisierung12 2.1.4.3Globalisierung13 2.1.5Entwicklungsaufgaben im Jugendalter14 2.1.6Modernisierung vs. jugendliche Entwicklungsaufgaben18 2.2Kultur als bestimmte Lebensweise21 2.3Die Begriffe 'Jugendkultur', 'Subkultur' und 'Szene'24 2.3.1Die Jugendkultur und ihre Ausdifferenzierungen24 2.3.2Der Subkulturbegriff 28 2.3.3Der Begriff der Szene30 2.4Die Geschichte der Jugendkulturen in Deutschland32 2.4.1Erste jugendkulturelle Strömungen in Deutschland33 2.4.2Die Jugendkulturen der Nachkriegszeit34 2.4.3Pluralisierte jugendkulturelle Situation der Neuzeit39 2.5Aktuelle jugendkulturelle Merkmale43 2.5.1Jugendkulturinterne Verhaltensweisen43 2.5.1.1Rituale und Codes44 2.5.1.2Szenesprache45 2.5.1.3Kleidungsstile46 2.5.2Symbolfunktion der Musik48 2.5.3Die Rolle der Medien49 3.Die HipHop-Jugendkultur53 3.1Entstehung von HipHop und seine Elemente54 3.1.1Graffiti 54 3.1.2DJing und der Musikstil des HipHop59 3.1.3Breakdance60 3.1.4Rap63 3.1.5Weitere HipHop-zugehörige Sparten 66 3.1.6Battles als kreatives, gewaltfreies Kräftemessen67 3.2Rap und seine Stilformen als 'Aushängeschild' der Kultur70 3.2.1Party-Rap71 3.2.2Politischer Rap und Message-Rap71 3.2.3Battle-Rap73 3.2.4Porno-Rap74 3.2.5Gangster-Rap75 3.3Performativität als Markenzeichen von HipHop77 3.3.1Der eigene 'Style'78 3.3.2'Fame Respect' als Hauptinhalte der Kultur80 3.3.3Der HipHop-Kleidungsstil82 3.3.4Die Überrepräsentation des Männlichen im HipHop85 3.4Ausbreitung und globale Ausdehnung der Kultur88 4.HipHop in Deutschland98 4.1Die Ausbreitung der amerikanischen Jugendkultur in Deutschland98 4.1.1HipHop in der DDR98 4.1.2HipHop in Westdeutschland und in der wiedervereinigten BRD101 4.2Old-School vs. New-School - kulturelle Neukontextualisierung von HipHop in Deutschland110 4.2.1Die Old-School111 4.2.2Die New-School113 4.3Breite Aufmerksamkeit seitAggro Berlin und Gangster-Rap116 4.4Songtextanalyse der Berliner Rapper Bushido, Sido und Kool Savas125 4.4.1Songtextauszug 'King of Rap' von Kool Savas127 4.4.2Songtextauszug 'Endlich Wochenende' von Sido135 4.4.3Songtextauszug 'Von der Skyline zum Bordstein zurück' von Bushi-do139 5.Pädagogische Überlegungen zur HipHop-Jugendkultur143 5.1Kritischer Blick auf Aussagen und Einstellungen von Gangster- und Porno-Rap145 5.1.1Abwertendes Frauenbild145 5.1.2Schwulenfeindlichkeit150 5.1.3Gewalt und Illegalität als legitim dargestellte Problemlösungen im Gangster-Rap151 5.2HipHop als Identitätsangebot und sozialer Rückhalt für benachteiligte Jugendliche160 5.2.1Jugendkultur als Halt gebende Orientierungshilfe160 5.2.2Spezielle Potentiale im HipHop für Migranten-Jugendliche162 5.3Grundlagen und Möglichkeiten für die sozialpädagogischeArbeit mit jugendlichen HipHoppern168 Glossar der Szenebegriffe176 Literaturverzeichnis178Textprobe:Textprobe: Kapitel 2.3.1, Die Jugendkultur und ihre Ausdifferenzierungen: Nachdem die 'Jugend' in ihrer historischen Entstehung und lebenszeitlicher Spanne, sowie ihre gegenwärtige Bedeutung und Lage analysiert und der Begriff der 'Kultur' behandelt wurde, werden die beiden Begriffe nun zusammengeführt. Schon die singulare begriffliche Einführung der Jugend zum Anfang des letzten Jahrhunderts zeigt, dass die ihr zugehörige Gruppe junger Menschen zunächst nur als ein Ganzes betrachtet wurde. Nicht anders verhielt es sich mit der Wahrnehmung einer gemeinsamen Kultur dieser Jugend. Während der Emanzipation der Jugendzeit von einem 'Anhängsel der älteren Generation' zu einer eigenen und krisenhaften Entwicklungszeit setzte Wyneken mit seiner Schrift 'Was ist Jugendkultur?' im Jahr 1914 ein Startsignal der Jugendkulturdebatte. Schon die Bezeichnung 'Jugendkultur' deutet darauf hin, dass im Zuge der geschichtlichen Entwicklung ehemalige Traditionen, Gesellungsformen, etc. immer mehr verwischt und in den Hintergrund gedrängt wurden, um allmählich ein neues, eigenes Bild der zu dieser Zeit altersmäßig noch stark begrenzten Zeit der Jugend zu entwickeln. Wyneken hat dabei vor allem die Schule als wichtigen Ort für die Ausbildung einer eigenen Jugendkultur beschrieben. Hier waren seiner Ansicht nach die Bedingungen für junge Menschen vorhanden, sich von der elitären Kultur der Erwachsenen abzugrenzen und damit ihre eigene Kultur zu schaffen. In Bezug auf die Abgrenzung der Jugendlichen von der Erwachsenenwelt schreibt auch Hurrelmann, dass diese mit einer hohen Kontaktdichte unter Gleichaltrigen verbunden ist. Die Ausbildung einer eigenen Jugendkultur sieht er begünstigt, »je mehr die Jugendlichen exklusiv untereinander verkehren und dadurch eine deutlich von der Erwachsenengesellschaft und ihrer 'dominanten' Kultur abgegrenzte Umgangsform pflegenwer sich in einer Jugendkultur organisiert, orientiert sich gerade nicht an den durch die Schule vermittelten Bildungsgütern, sondern an Maßstäben und Materialien, die außerhalb der Schule produziert werden(…) persönliche, keineswegs nur sozial abgeleitete Erfahrungen zu machen, Wissen zu sammeln und Fertigkeiten zu erlernenSie verweisen zeitbezogen auf individuell und sozial bestimmte Strategien des 'Eintauchens', der Wirklichkeitsinterpretation und –verarbeitung von Jugendlichen(…) 'gesellschaftliche Seismographen' (..), die in sensibler Weise auf die sich abzeichnenden gesellschaftlichen Entwicklungen eingehen«. Damit sollten Jugendkulturen immer auch Teil zeitbezogener Gegenwarts- und Wirklichkeitsforschung sein, denn sie reflektieren ihre Zeit und helfen damit, Gegenwart und Wirklichkeit aus ihrer Perspektive verstehen zu können.