In dem Beitrag wird über eine Konferenz zur vergleichenden europäischen Faschismusforschung in Bergen berichtet, auf der vor allem drei Themenbereiche diskutiert wurden: (1) Wer wurde Mitglieder der faschistischen bzw. nationalsozialistischen Bewegungen und Parteien in Europa vor und während des Zweiten Weltkriegs? (2) Warum wurden sie Mitglieder? (3) Was passierte danach mit ihnen? Es wird nicht als ein Versehen der Konferenz eingeschätzt, daß die meisten Wortmeldungen das Ziel aus den Augen verloren haben, sich erfolgreich mit der dritten Frage der Konferenz zu beschäftigen, wohingegen die meisten in der Lage waren, die ersten beiden Fragen zu beantworten. (KW)
Der Autor gibt einen Zwischenbericht über ein Projekt, das der räumlich und zeitlich differenzierten Erfassung der nationalsozialistischen Bewegung in Österreich dient. Zunächst werden die Methoden und Probleme der quantitativen Analyse dargestellt. Es werden die verschiedenen faschistischen Strömungen und Organisationen in Österreich während einzelner Zeitabschnitte dargestellt. Zeitliche und räumliche Dimensionen müssen für die Analyse der österreichischen nationalsozialistischen Bewegung besonders beachtet werden, um die Spezifik der einzelnen Phasen erfassen zu können. Auf Basis der Dokumente des Berlin Document Centers über die Parteimitglieder der NSDAP nimmt der Autor eine differenzierte Analyse der österreichischen Parteimitglieder vor. Analysiert werden die soziale Herkunft in unterschiedlichen Zeitabschnitten, Dauer und Permanenz der Mitgliedschaft sowie regionale Unterschiede. Die Sozialgliederung wird am Beispiel Wiens dargestellt. (BG)
Drei Momente machen eine Analyse der SA notwendig: Bis 1933 vereinigte sie die aktivsten Elemente der nationalsozialistischen Bewegung, ihre soziale Zusammensetzung war "proletarisch" und trotz ihres Beitrags zur Durchsetzung des Nationalsozialismus war sie in der Phase der Stabilisierung der Herrschaft der dezidierte Verlierer. Auf der Basis von Daten über die SA-Führerschaft - höhere Offiziere und solche, die während der Disziplinarverhandlungen der Jahre 1934 und 1935 verurteilt wurden, analysiert die Autorin die Daten nach vier Variablen: soziale Stratifikation, politische Sozialisation, NSDAP- und SA-Mitgliedschaft und Karriereverlauf in der SA. Das Ergebnis der Untersuchung zeigt, daß statische Konzepte der sozio-strukturellen Determination infrage gestellt werden müssen. Die Untersuchung ergibt, daß die Nationalsozialisten einen hohen Grad sozialer Mobilität aufweisen, der sie in eine Position zwischen den sozialen Klassen stellt. Es gibt Hinweise, daß dieses Phänomen für die Weimarer Republik charakteristisch ist. (BG)
Der Beitrag zum Problem des Faschismus in Japan, Italien und Deutschland versucht zum ersten Mal einen Vergleich zwischen den politisch-ideologischen Strömungen und den Herrschaftssystemen in den drei Staaten, die seit 1936/37 politisch und seit 1940 militärisch verbündet waren und von der antifaschistischen Propaganda wie auch von der Forschung als "faschistisch" bezeichnet werden. Der empirische Vergleich stützt sich auf die Ergebnisse der nationalgeschichtlichen Forschung und unterscheidet zwischen "Bewegungsphase" und "Regimephase". Der Vergleich zeigt, daß ein Faschismusbegriff, der Terror zum konstititiven Element eines jeden faschistischen Regimes erklärt, lediglich für Deutschland zutrifft. Faschismus eignet sich als Gattungsbegriff allenfalls für die Bewegungsphasen der drei genuin entstandenen Faschismen in Deutschland, Italien und Japan. Als umfassender Begriff für die Regimephasen trägt der Ausdruck nicht, er wird völlig unterschiedlichen Herrschaftsabsicherung nicht gerecht und birgt die Gefahr einer Bagatellisierung des Nationalsozialismus. Der historischen Wirklichkeit und auch dem Selbstverständnis der damaligen Regime in Berlin, Rom und Tokio würde es besser entsprechen, den abgegriffenen Faschismusbegriff aufzugeben. Stattdessen sollten das Hitlerregime als nationalsozialistisch, das italienische Regime des Duce als faschistisch und die japanische Herrschaftsordnung als retaurativ-antiwestliches System charakterisiert werden. Das japanische System trug für den Westler objektiv faschistische Züge, die indessen subjektiv von den Japanern nicht als solche empfunden werden konnten. (KA)
Die Erklärung des deutschen Faschismus als eine Konsequenz der kapitalistischen Krise um 1930 reicht nicht aus. Wichtige Bestandteile der nationalsozialistischen Ideologie und Praxis wären so nicht zu begreifen, und unklar bliebe überdies, warum sich der Faschismus in Deutschland, nicht aber in anderen westlichen Ländern mit fortgeschrittener kapitalistischer Wirtschaftsordnung durchsetzte. Zum einen erklärt sich die besondere deutsche Anfälligkeit für den Faschismus aus Faktoren, die mit der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg zusammenhingen. Zum anderen: Die Krise des privatwirtschaftlichen Wirtschafts- und bürgerlichen Gesellschaftssystems endete in Deutschland deshalb in der Katastrophe, weil sich aufgrund eines spezifischen Weges der deutschen Modernisierung mehr als in anderen westlichen Ländern vorbürgerliche Reste erhalten hatten. Weil die deutsche Gesellschaft nie wirklich eine bürgerliche gewesen war, schlug deren Krise in den zwanziger Jahren so abrupt in das anti-bürgerliche System des Faschismus um. Dies wird hier vor allem an der Sozial- und Bewußtseinsgeschichte ausgewählter Sozialgruppen, die überproportional in der NS-Bewegung vertreten waren, gezeigt, insbesondere an den Angestellten. Die vorindustriellen Traditionen und Reststrukturen, die den Umschlag der kapitalistisch-bürgerlichen Krise in den Nationalsozialismus ermöglichten, sind durch dessen Sieg, vor allem aber durch den zweiten Weltkrieg wesentlich geschwächt oder ganz beseitigt worden. Dies wird als eine der Bedingungen des Erfolgs des demokratisch-parlamentarischen Systems in der Bundesrepublik beschrieben. Die Ergebnisse der Analyse werden abschließend in aktuelle Diskussionen eingeordnet. Erstens: Es erscheint als historisch unrichtig, Nationalsozialismus und Sozialismus als nah benachbart oder ähnlich zu sehen. Zweitens: Ohne die Rolle der Person Hitlers zu leugnen, ist es wissenschaftlich interessanter und politisch wichtiger, jene Strukturen und Prozesse aufzuweisen, die Hitlers Erfolge ermöglichten. Drittens: Die Untersuchung bedient sich sowohl des Begriffs "faschistisch" wie des Begriffs "totalitär", die oft überscharf gegeneinander ausgespielt worden sind, in Wirklichkeit aber miteinander zur Analyse des Nationalsozialismus verknüpft werden können. Ein sorgsam definierter Faschismusbegriff erweist sich als unverzichtbar für die sozialgeschichtliche Untersuchung des Nationalsozialismus. Er kann die deutschen Besonderheiten auf dem Hintergrund allgemeiner, auch in anderen Ländern auftretender Zusammenhänge in den Blick rücken und ermöglicht den sozialgeschichtlichen Vergleich besser als der Totalitarismusbegriff. (Autorenreferat)