Koloniale Zivilgesellschaft?: von der "kolonialen Gesellschaft" zur kolonialen Gewaltgemeinschaft in Deutsch-Südwestafrika
In: Krieg und Zivilgesellschaft, S. 291-317
Die Autoren betrachten in ihrem Beitrag die Rolle zivilgesellschaftlicher Institutionen und Akteure in solchen Ordnungsformen der Gewalt, in denen staatliche Herrschaftsinstanzen nur schwach wirksam sind und von einer Monopolisierung der Gewalt kaum die Rede sein kann. Die Autoren richten den Blick auf die koloniale Situation. Sie knüpfen an Edward Shils Begriff der Zivilgesellschaft an, der diese auf bürgerschaftlich orientierte Gruppen und Akteure beschränkt, die sich am Gemeinwohl orientieren. Im Rahmen eines historischen Rückblicks auf Deutsch-Südwestafrika identifizieren die Autoren die begrenzten zivilgesellschaftlichen Momente an der Siedlergesellschaft. Aber selbst diese Anteile werden letztlich durch die strukturellen Bedingungen der kolonialen Situation zerrieben. Letztere finden im rassistischen Antagonismus zusammen und waren durch die "selbstverständliche" Gewaltausübung der "Weißen" gegen die "Schwarzen" gekennzeichnet, welche sich in Deutsch-Südwestafrika bis zum "genozidalen Pazifizierungskrieg" steigerte. Der Artikel wirft nicht nur ein Schlaglicht auf die Debatte um die genozidale Gewalttätigkeit von Siedlergesellschaften, sondern auch ein neues Licht auf den an den Hereros verübten Genozid. (ICB2)