Die Prozesse kultureller Transformation in den gegenwärtigen Demokratien lassen sich mit den traditionellen Ansätzen der politischen Kulturforschung, bei denen vor allem politische Präferenzen untersucht werden, nicht mehr adäquat erfassen. Um die Wirksamkeit kultureller Dispositionen der Wahrnehmung und Beurteilung des Politischen sowie politischen Entscheidens und Handelns heute verstehen und analysieren zu können, bedarf es neuer Konzepte. Dieser Band versammelt Beiträge mit Befunden aktueller Forschung zu den politischen Dimensionen von Kultur und den kulturellen Dimensionen von Politik sowie mit innovativen theoretischen, programmatischen und methodischen Ansätzen.
Es geht um den Zusammenhang zwischen wissenschaftlichen Forschungsansätzen, deren Leistungen und den vergleichenden Bewertungen derselben. Manche Leistungsmaße (z.B. wirtschaftliche Verwertbarkeit, Publikationsanzahl, Zitationsindex) sind so beschaffen, dass mit ihnen bestimmte Forschungsansätze systematisch bevor- bzw. benachteilt werden. Dies ergibt sich schlicht aus den strukturellen Eigenarten der jeweiligen Ansätze. In der Psychologie heißt dies, dass z.B. biopsychologische Forschungsansätze gegenüber z.B. kulturpsychologischen klar bevorteilt werden, wenn derzeit gebräuchliche Evaluationsmaße verbindlich werden. Statt Erkenntnisqualitäten werden dann Erkenntnismodi bewertet, mit a priori absehbarem Ergebnis. Vergleichende Evaluationen geraten in die Nähe pseudo-empirischer Unternehmungen. Wenn diese Evaluationspraxis um sich greift und wenn deren Ergebnisse wissenschaftspolitische Entscheidungen lenken, dann führt dies in der Psychologie zu einer starken Engführung ihres Erkenntnisfeldes. Dies hat massive Kompetenzverluste zur Folge, verbunden mit wichtigen berufspolitischen Konsequenzen.
In empirischen politikwissenschaftlichen Studien wird die teilnehmende Beobachtung nicht nur selten angewendet, bislang wurde sie innerhalb der deutschen Politikwissenschaft auch nur unzureichend theoretisch und methodisch reflektiert. Nach einer wissenschaftstheoretischen Einführung zeigt der Artikel aufbauend auf die praktisch-methodischen Erfahrungen aus zwei Forschungsprojekten zur Parlamentarismusforschung, wie sich die teilnehmende Beobachtung in der politikwissenschaftlichen Forschung einsetzen lässt. Der Beitrag diskutiert die mit der teilnehmenden Beobachtung verbundenen Erkenntnischancen und zeigt Lösungen für jene Probleme auf, die u.a. bei der Erstellung der Datenerhebungsinstrumente, bei der Datenerhebung und bei der Datenauswertung auftreten können.
This paper analyses the concept of 'Volkskultur' (folk culture) as an invention of the 20th century, using perspectives from social history and the history of knowledge. It is demonstrated how 'Volkskultur' was constituted in the space between the poles of science, cultural policy, public discourse and popular practice, and how the concept was used as a symbolic resource. First, the disciplinary discourse of German-speaking European Ethnology (which grew out of 'Volkskunde') is explored in it's interdisciplinary relations and it's historical development. Second, conceptual proposals for the empirical study of the eld of 'Volkskultur' in the present are presented. Concluding, this article argues for a praxeological approach on the actors, social usages and political implications of 'Volkskultur'. ; This paper analyses the concept of 'Volkskultur' (folk culture) as an invention of the 20th century, using perspectives from social history and the history of knowledge. It is demonstrated how 'Volkskultur' was constituted in the space between the poles of science, cultural policy, public discourse and popular practice, and how the concept was used as a symbolic resource. First, the disciplinary discourse of German-speaking European Ethnology (which grew out of 'Volkskunde') is explored in it's interdisciplinary relations and it's historical development. Second, conceptual proposals for the empirical study of the eld of 'Volkskultur' in the present are presented. Concluding, this article argues for a praxeological approach on the actors, social usages and political implications of 'Volkskultur'.
'Wie kann man eine Geschichte der Bevölkerungen schreiben? In den Jahrzehnten nach dem Krieg kommt die Antwort von Louis Henry am INED, der eine historische und überwiegend statistische Demographie begründet, die in den Arbeiten von Fernand Braudel und der Schule der Annales aufgegriffen werden. In den 1980er Jahren jedoch durchläuft die Disziplin eine Periode der Verunsicherung: die von Michel Foucault beeinflusste Dekonstruktion der Kategorien, die Kritik des Objektivismus, die von der Statistikgeschichte aufgedeckten, unsicheren ideologischen Wurzeln der Demographie (Natalismus, Eugenik, Wille zur biopolitischen Kontrolle). Um zu verhindern, dass die Reflexivität an die Stelle der Wissensproduktion tritt, werden neue Methoden (die Mikrogeschichte) und neue Studienobjekte (die Institutionen) eingeführt. Auf die frühere historische Demographie folgt eine soziale und politische Bevölkerungsgeschichte. Ihr Ziel ist die gleichzeitige Konstruktion von Institutionen, Politiken und Wissen im Bereich der Bevölkerung. Der von Malthus bekämpfte Condorcet, Achille Guillard, Erfinder des Wortes Demographie und selbstverständlich Maurice Halbwachs haben die 'soziale' Beschaffenheit der Bevölkerung formalisiert. Im Gegensatz zu den soziobiologischen Versuchungen der Gegenwart stellt die organische Verbindung zwischen Bevölkerung und sozialer Sicherung die Frage nach der Selbst-Kreierung der Gesellschaft.' Autorenreferat)
In: TATuP - Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis / Journal for Technology Assessment in Theory and Practice, Band 26, Heft 1-2, S. 18-24
This article analyzes core attributes of the concepts of Open Science and Citizen Science in European science policy and relates them to one another. Both concepts postulate and advocate a future opening of science – with Open Science policy focusing on the research process and the conceptualization of Citizen Science placing more emphasis on the actors and their interactions. Both approaches claim transparency with regard to both the research process itself and its results. There are synergies in terms of the involvement of citizens and the accessibility of research results and processes. And there are risks when Citizen Science is merely instrumentalized without allowing for effective participation by citizens.
Die aktuelle Debatte um das Anthropozän wird bislang von den Naturwissenschaften dominiert. Dies führt zu einer verkürzten Analyse von Naturzerstörungen und der zugrundliegenden Veränderungen der Mensch-Umwelt-Beziehungen. In diesem Kommentar fordern wir die Politikwissenschaft auf, sich an der Debatte über das sogenannte Menschenzeitalter und seine weitreichenden Implikationen stärker zu beteiligen. Das Anthropozän zeichnet sich insbesondere durch komplexe Wechselwirkungen, nicht-lineare Dynamiken und Kipppunkte aus, an denen Entwicklungen umschlagen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es im Anthropozän kein einfaches Management des menschlichen Einflusses auf das Erdsystem geben kann. Um die Ursachen und potenziellen Lösungen menschengemachter Umweltprobleme zu erforschen, sind Fragen nach Machtverhältnissen, Interessengegensätzen sowie Normkonflikten zentral. Die Politische Theorie ist zudem für die Beantwortung der Frage, wie sich die existierenden politischen Institutionen im Anthropozän reformieren lassen, höchst relevant. Der Politikwissenschaft kommt daher in der Anthropozän-Debatte eine besondere Rolle zu. Das Anthropozän sollte dabei nicht nur ein Thema für die umweltpolitikwissenschaftliche Forschung bleiben. Vielmehr ist ein Beitrag der Politikwissenschaft in der gesamten Breite der Disziplin notwendig, um in einem interdisziplinären Dialog adäquate Antwortstrategien auf systemgefährdende globale Umweltveränderungen zu entwickeln.
In: Beck , M 2013 , ' Der "Arabische Fruehling" als Herausforderung fuer die Politikwissenschaft ' , Politische Vierteljahresschrift , bind 54 , nr. 4 , s. 641-661 . https://doi.org/10.5771/0032-3470-2013-4-641
Political Science has failed to predict the Arab Spring. The present article aims at using this insight in a productive way by identifying and critically discussing crucial research questions, particularly: Is the Arab Spring of epochal significance, what role do civil society and Islamism play, in what way is the Arab Spring connected with globalization, how to describe and explain the new political diversification of the Arab Middle East and what are the conditions for future political development of the region? The present article heavily relies on the transition paradigm and the rentier state approach: In parts of the Middle East, the Arab Spring has caused open-ended political change, which has been shaped to a high degree by rent income and institutional settings.
Aufbauen, Transferieren und ÜbersetzenKomplexe Konstellationen im Zweiten Weltkrieg; Der Weg zur Rehabilitierung; Abstract; Ein feines Netz. Polnische Wirtschaft -ein Diskurs (in) der deutsch-polnischen Beziehungsgeschichte; Abstract; IV. HISTORIE DER ERINNERUNG; Kollektives Gedächtnis in der Politikwissenschaft -- von Distanz zur Symbiose. Ein Forschungsbericht; 1. Einleitung; 2. Erinnerung und kollektive Identität; 2.1. Identität und internationale Organisationen; 2.2. Die Identität des Nationalstaates; 2.2.1. Die internationale Dimension; 2.2.2. Die innenpolitische Dimension.
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The manuscript deals with the elections to the Austrian Constituent Diet in June 1848, compared with those to the French National Assembly in April of the same year, with a focus on the dissemination of new concepts and practices of politics – particularly electoral and representative politics – in rural areas. The approach is based on concepts from the debate on the "politicisation" of rural populations which has been conducted in France during the past decades. To facilitate a detailed analysis closely based on primary sources, the study is limited to the province of Lower Austria (excluding Vienna) and the former department of Seine-et-Oise, surrounding Paris. The manuscript is based on a dissertation accepted in 2010, which has been revised in both content and form. Additional archival research in France in January and February 2011 has allowed an augmentation of the primary source basis. After a summary of theoretical and methodical positions regarding the use of international comparison, a brief presentation of the debates on "politicisation" is intended to familiarize the reader both with the concept and with recent criticisms of it (Chapter 2). The resulting approach is based on the idea not of "politicization" versus a prior "apolitical" condition of rural populations, but rather of a complex of interconnected but not identical shifts in rural concepts and practices of politics. In a first section, demographic, economic and social conditions of the two regions are presented and compared (Chapter 3), as are intellectual preconditions regarding mobility, literacy, religious behavior, and prior experiences with political participation (Chapter 4). The revolutions of 1848 are described with particular attention devoted to the forms they took in rural areas (Chapter 5). The legal and normative framework of the elections is compared in detail, as are administrative prepa¬rations and the processes of electoral information (Chapter 6). These are viewed as efforts by which models of electoral politics, proposed by new and old political elites in both countries, were put before the populations using the power and communicative resources at the disposal of the elites. The elections themselves are first closely described under their procedural aspect; then an analysis of voting behaviour is attempted (Chapter 7). These multiple perspectives demonstrate that divergent notions of the meaning and function of elections competed, but also intermixed. This concerns not only rivalry between the elite-proposed models described in Chapter 6, but also their meeting with concepts held by members of the wider population. In Lower Austria, large numbers of rural voters either rejected or, more frequently, reinterpreted and subverted the proposed electoral model on the basis older practices of political articu¬lation predicated on a corporate subdivision of society. In Seine-et-Oise, behaviors pointing to divergent notions of election are comparatively marginal next to a widespread acceptance of the proposed model. Although the two cases studied differ considerably from one another, and both have only quite limited resemblance to late 20th-century ideals of democratic elections, both can be situated within a complex history of the gradual displacement of older concepts of elections specifically and of politics in general by elements of those familiar in the present.
Die Verfasser definieren die wissenschaftliche Forschung als Dialog zwischen Theorie und Daten: Wissenschaftlerinnen formulieren eine Theorie, analysieren Daten, um die Theorie zu testen, und modifizieren die Theorie anhand der neugewonnen empirischen Befunde. Der gleiche Prozess kann auch bei den Daten beginnen: Wissenschaftler machen Beobachtungen, entwickeln Theorien, um diese Beobachtungen zu erklären, und sammeln dann zusätzliche Daten, um ihre Theorien zu testen. Nicht jedes Forschungsprojekt muss alle Schritte innerhalb dieses Zyklus durchlaufen, denn Forschung ist ein kollektives Unterfangen. Während sich einige Projekte auf das Testen bestehender Hypothesen konzentrieren, erklären andere einzelne Beobachtungen und generieren neue Hypothesen. Es wird die These vertreten, dass alle Forschungsprojekte, die Teil des Dialogs zwischen Theorie und Daten sind, die gleichen Kernprobleme des Forschungsdesigns bearbeiten und lösen müssen: die Definition der Forschungsfrage, die Spezifikation von Konzepten und Theorien, Operationalisierung und Messung, die Auswahl der Fälle und Beobachtungen, die Kontrolle von alternativen Erklärungen und theoretische Schlussfolgerungen. Diese Fragen stellen einzelne Schwerpunkte der Studie dar. Abschließend werden die einzelnen Beiträge des Bandes präsentiert. (ICF2)