Auf dem Hintergrund der aktuellen Kommunitarismus-Debatte setzt sich der Autor mit zwei unterschiedlichen Positionen zum Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit kritisch auseinander. Während auf der einen Seite behauptet wird, dass die öffentliche Sphäre durch den Rückzug des Individuums in die Privatheit einen 'prinzipiellen Ressourcenentzug' erleidet, wird auf der anderen Seite die Bedeutung des privaten Lebensbereichs als großes soziales Reservoir betrachtet, welches durch die Selbstverwirklichung des Individuums das öffentliche Leben überhaupt erst ermögliche. Der Autor zeigt im folgenden, dass beide Positionen im Prozess der Ausdifferenzierung der Moderne ihre Berechtigung haben. Er beschreibt ferner den Entstehungsprozess von 'Intimität' aus mikrosoziologischer Perspektive, den Wandel der Paarbeziehungen und Familienstrukturen sowie die 'Inflation der kommunizierten und zu kommunizierenden Aufrichtigkeiten' in der heutigen Informationsgesellschaft. (ICI)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 3671-3676
"So plausibel die Annahmen sind, dass Familienbeziehungen den herausgehobenen gesellschaftlichen Ort des Anerkennungsmodus 'Liebe' bilden und dass dieser Modus konstitutiv für Beziehungen dieses Typs ist - es besteht vor allem im Hinblick auf die Paarbeziehung ein Bedarf an empirischer Konkretisierung und Spezifizierung. Es ist empirisch nachzuweisen, inwieweit eine wechselseitige 'Anerkennung der Individualität' die Realität des Paares kennzeichnet. Darüber ließe sich auch der mögliche Vorwurf einer idealistischen Überzeichnung der theoretischen Bestimmungen entkräften. In diesem Vortrag wird dem Zusammenhang von Liebe und Anerkennung in der häuslichen Arbeitsteilung nachgegangen, einem Bereich, der auf den ersten Blick gar nicht dafür geeignet scheint, werden doch in der aktuellen paarsoziologischen Diskussion Liebe und Hausarbeit, Liebe und Partnerschaft in der Regel als Gegensätze verstanden. Demgegenüber wird hier ein theoretisches Modell vorgestellt (und anhand von Fallbeispielen illustriert), nach dem die emotionale Grundierung der Beziehung und die wechselseitige Anerkennung der Individualität auf spezifische Weise in der häuslichen Arbeitsteilung selbst verankert sind. Möglich wird dieser Perspektivenwechsel, wenn man a) berücksichtig, dass das äußere Arbeitsteilungsarrangement, das Paare jeweils ausgebildet haben, auf einen geteilten Kooperationsmodus verweist (der z.B. die geteilten Standards der Haushaltsführung enthält und bestimmt, welche Tätigkeiten als 'Leistung' gelten), und man b) diesen Kooperationsmodus als Ergebnis eines Sozialisationsprozesses betrachtet, in dem die jeweilige Individualität integriert ist, ohne die Differenzen zwischen den Individuen aufzuheben." (Autorenreferat)
Bei der Suche nach Anerkennungsstrukturen in Paarbeziehungen sind nach Meinung des Autors weniger die "großen" Anerkennungsthemen im Zusammenhang mit der häuslichen Arbeitsteilung zu fokussieren (wie die Wertschätzung von Hausarbeit im Vergleich zur Erwerbsarbeit, das Lob der guten Leistung, die Dankbarkeit für das Bemühen etc.), sondern es gilt, die Anerkennungsstruktur in der Paarinteraktion selbst herauszuarbeiten. Die leitende Frage ist somit, wie sich die Anerkennung als interaktives Geschehen in Paarbeziehungen verstehen lässt. Im vorliegenden Beitrag werden zunächst Überlegungen hinsichtlich der leistungs- und rollenbezogenen Aspekte der Anerkennung in Paarbeziehungen angestellt. Es werden ferner die zentralen Kennzeichnungen zum Anerkennungsmodus "Liebe" in der Theorie Axel Honneths zusammengefasst und das Desiderat einer materialen Konkretisierung für den Bereich der Paarbeziehungen herausgearbeitet. Die zentrale Argumentation erfolgt dann in drei Schritten: Zunächst wird verdeutlicht, in welcher Weise die Hausarbeit bzw. die gemeinsame Alltagspraxis in der Moderne einen zentralen Stellenwert für Paarbeziehungen erlangt hat. Anschließend wird dargelegt, dass moderne Paarbildungsprozesse eine nicht-konventionelle wechselseitige Anerkennung von Leistungen im Rahmen der häuslichen Arbeitsteilung implizieren. Vor diesem Hintergrund wird untersucht, inwieweit in die alltagspraktische Kooperation des Paares Liebe eingelagert ist und sich in ihr reproduziert. Die Überlegungen schließen mit einem Ausblick auf familientheoretische Implikationen des vorgestellten Konzepts. (ICI2)
In: Differenz und Integration: die Zukunft moderner Gesellschaften ; Verhandlungen des 28. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Dresden 1996, S. 298-308
"Kein anderer Begriff hat sich zur Kennzeichnung von gesellschaftlicher Modernisierung und Fortschritt so selbstverständlich durchgesetzt wie der der Individualisierung - verstanden als 'Freisetzung von traditionalen Bindungen'. Vertreter der 'Individualisierungsthese' meinen damit in der Regel, daß Herkunftsbindungen durch neue, selbstgewählte Bindungen ersetzt werden. Ihre Vision ist die einer Gesellschaft, die ihre Grundstruktur von herkunftsbestimmten auf frei gewählte Kollektivitäten umstellt. Sozialen Zwang gäbe es demzufolge nur noch als Restbestand von Traditionen, als strukturelle Randbedingungen und als Zwang zur Wahl. Versucht man Individualisierung phänomenologisch anhand konkreter Prozesse - zum Beispiel Bildung und Trennung von Paaren - nachzuzeichnen, dann erweist sich die Vision als Illusion: jeder Schritt zur Individualisierung impliziert - offen oder verdeckt, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, sogleich oder später, in demselben oder in einem weiter gespannten sozialen Gebilde - auch Prozesse der Kollektivisierung. Das individuelle Handeln nach freier Wahl führt zu kollektiven Strukturen, die die freie Wahl einschränken. In diesem Sinne verhalten sich neue Kollektivitäten, die in Individualisierungsprozessen entstehen, genauso einschränkend, traditionalistisch und traditionsbildend wie die alten auch. Aber auch in einem viel konkreteren Sinne fährt Individualisierung in alte Kollektivitäten zurück: die Individuen wählen ihre alten Herkunftsbindungen neu, weil sie keine andere oder keine bessere Wahl haben. Daß aus dem dialektischen Zusammenhang von Individualisierung und Kollektivisierung nur der Begriff der Individualisierung herausgegriffen und zum Signum der Moderne gemacht wurde, ist das eigentlich zu erklärende Problem. Wie kommen ausgerechnet Soziologen dazu, ein solch individualistisch halbiertes Verständnis von Modernität zu entwickeln? Warum hat Individualisierung als Illusion einen solchen gesellschaftlichen Erfolg? Und was ist die Zukunft dieser Illusion? In meinem Beitrag werde ich Antworten auf diese Fragen suchen." (Autorenreferat)
Die Verfasser geben zunächst einen Überblick über den theoretischen Hintergrund ihrer Untersuchung und den Stand der Forschung. Im Folgenden wird untersucht, in welchem Ausmaß und unter welchen Bedingungen stabilitäts- und trennungsbezogene Wahrnehmungen die spätere formale Partnerschaftsstabilität prädizieren. Gestützt auf Daten des pairfam-Minipanels werden der Effekt stabilitätsbezogener Kognitionen (subjektive Instabilität, Commitment) auf die formale Partnerschaftsstabilität sowie die Auswirkungen der Rahmenbedingungen (Stärke des Framings, Alternativen und Höhe partnerschaftsspezifischer Investitionen) auf die Stärke des Zusammenhangs zwischen subjektiver und formaler Stabilität analysiert. Zunächst wird dabei möglichen Geschlechts- und Kohortenunterschieden und der Stärke des Framings nachgegangen. Im Anschluss daran werden Moderatoreffekte der Auswirkungen der Alternativen auf dem Partnermarkt und schließlich der beziehungsspezifischen Investitionen behandelt. Es zeigt sich, dass stabilitätsbezogene Kognitionen innerhalb von Paarbeziehungen in vielen Fällen Hinweise auf spätere Trennungstendenzen geben können. Weiterführende Analysen deuten jedoch auf deutliche Einschränkungen dieses Befundes hin. (ICE2)
In: Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2, S. 4025-4037
"Ausgangspunkt der Analyse ist ein Datensatz mit nichtstandardisierten Interviews und standardisierten Fragebögen aus einem DFG-Projekt zur häuslichen Arbeitsteilung in verschiedenen paargemeinschaftlichen Lebensformen im Ost-West-Vergleich. Untersucht werden Strategien der Stressbewältigung im Umgang mit der Arbeitsteilung in Paarbeziehungen. Dabei ist von Interesse, zu welchen individuellen Bewältigungsstrategien die Wahrnehmung einer Diskrepanz zwischen erwarteter und realisierter Hausarbeitsteilung führt, wie die Strategien der Partner zusammenspielen und wie dadurch die Arbeitsteilung des Paares verändert bzw. stabilisiert wird. Ausgehend von der methodenkombinierenden Anlage der Untersuchung werden zwei Wege der Auswertung beschritten: Zum einen wird überprüft, inwieweit die aus Interviewtexten identifizierten individuellen Bewältigungsmuster mit der Ausprägung der für das Modell der Bewältigungsstrategien relevanten psychosozialen Merkmalskategorien (z.B. Kontrollüberzeugungen), die im standardisierten Frageboden erhoben wurden, übereinstimmen. Anhand der Kombination der Bewältigungsmuster wird eine Paartypologie gebildet, die mit einem aus den standardisierten Daten gewonnenen Index verglichen wird, der die Größe des Unterschieds zwischen den Einschätzungen der Partner zur Verteilung der Hausarbeit misst. Neben diesem Versuch, die aus nichtstandardisierten Daten gewonnene Typologie mit standardisierten Daten zu reproduzieren, werden zum zweiten die Ergebnisse der interpretativen Interviewanalyse zur Anreicherung und Präzisierung der psychosozialen Merkmalskategorien genutzt." (Autorenreferat)
"Die AutorInnen zeigen, dass das selbst verdiente einkommen von Frauen keineswegs einfach als 'eigenes Geld' Einzug in die Paarbeziehung und Familie hält und durch eine gleichsam automatische Reduktion von Abhängigkeit die Egalisierung von Geschlechterverhältnissen im Privaten befördert. Bei dem hier vermittelten Blick auf die alltagspraktische Organisation des Umgangs mit Geld bei Doppelverdienerpaaren werden im Text zunächst die wichtigsten Eckpfeiler der modernen Ordnung von 'Geld' und 'Liebe' in Ehe und Familie einschließlich aktueller Veränderungstendenzen ausgewiesen. Im nächsten Schritt skizzieren die AutorInnen eigene Befunde zur alltagspraktischen Organisation des Umgangs mit Geld bei solchen Paaren, in denen Frauen über selbst verdientes einkommen verfügen und diskutieren damit einhergehende Individualisierungseffekte. Abschließend interpretieren sie die gewonnenen Ergebnisse im Hinblick auf Ungleichheitsfolgen und daraus zu ziehende geschlechterpolitische Konsequenzen." (Autorenreferat, IAB-Doku)
"Die AutorInnen zeigen, dass das selbst verdiente einkommen von Frauen keineswegs einfach als 'eigenes Geld' Einzug in die Paarbeziehung und Familie hält und durch eine gleichsam automatische Reduktion von Abhängigkeit die Egalisierung von Geschlechterverhältnissen im Privaten befördert. Bei dem hier vermittelten Blick auf die alltagspraktische Organisation des Umgangs mit Geld bei Doppelverdienerpaaren werden im Text zunächst die wichtigsten Eckpfeiler der modernen Ordnung von 'Geld' und 'Liebe' in Ehe und Familie einschließlich aktueller Veränderungstendenzen ausgewiesen. Im nächsten Schritt skizzieren die AutorInnen eigene Befunde zur alltagspraktischen Organisation des Umgangs mit Geld bei solchen Paaren, in denen Frauen über selbst verdientes einkommen verfügen und diskutieren damit einhergehende Individualisierungseffekte. Abschließend interpretieren sie die gewonnenen Ergebnisse im Hinblick auf Ungleichheitsfolgen und daraus zu ziehende geschlechterpolitische Konsequenzen." (Autorenreferat)
"Die Ausarbeitung dieses Blickwinkels erfolgt in drei Schritten: Ein erster Schritt versucht die Metapher der 'Geschäftsgrundlage' in die Basistheoreme der Theorie reflexiver Modernisierung zu übersetzen, indem der Individualisierungsbegriff für die hier verfolgte Argumentation 'operationalisiert' wird. Dabei werden mit dem Normalarbeitsverhältnis, dem Wohlfahrtsstaat und dem bürgerlichen Geschlechterarrangement im Privaten drei zentrale 'Grundlagen' der modernen Gesellschaft ausgewiesen, auf die sich die 'Politik' reflexiver Modernisierung richtet. Der zweite Schritt soll der im Titel gestellten Frage nach dem Wandel - besser: der damit behaupteten Umordnung - dieser Grundlagen insbesondere mit Blick auf deren Bedeutung für die Geschlechterverhältnisse im Privaten nachgehen. Dabei beziehen wir uns auf eine der modernen Kerninstitutionen, die heterosexuelle Paarbeziehung, als jenem Nukleus, um den herum sich die moderne Kleinfamilie als die vielfach beschworene 'Keimzelle der Gesellschaft' bilden soll. Im dritten, abschließenden Schritt versuchen wir kurz die aus dem behaupteten Wandel der Geschäftsgrundlagen resultierenden möglichen Folgen zu resümieren." (Textauszug)