"Thomas Saretzki befasst sich rückblickend mit der Entwicklung policyanalytischer Forschung im Ausgang von Lasswell. Dabei wird deutlich, dass sich die amerikanische Policy-Analyse im Spannungsverhältnis zwischen den unterschiedlichen Ansprüchen von Demokratieförderung und Wissenschaftlichkeit ausdifferenziert hat. Die Unterteilung der Theorieentwicklung in drei Phasen veranschaulicht ein Hin- und Herpendeln wesentlicher policy-analytischer Entwicklungsstränge zwischen diesen beiden Polen. Weist das ursprüngliche Konzept der 'policy sciences of democracy' dem selbstkritisch reflektierenden 'policy scientist' eine intellektuell führende Rolle bei der Sicherung der Zukunft liberaler Demokratie zu, so setzen die Kritiker am positivistisch verkürzten und ökonomisch dominierten Hauptstrom der Policy-Analyse dem Konzept der 'policy analysis for democracy' die Forderung nach der Demokratisierung der Policy-Analyse ('policy analysis by democracy') entgegen. Schließlich führt die Frage nach der Integration dieser Formen von Policy-Analyse in die etablierten Institutionen politischer Problemverarbeitung zum Konzept einer demokratisierten 'Policy-Analyse in der Demokratie', was Saretzki zufolge Anlass gibt zu der stärkeren Rückbesinnung auf ein kontextorientiertes, (selbst-)kritisches Verständnis von Policy Sciences, dessen Elemente bereits bei Lasswell vorfindbar sind." (Autorenreferat)
"Dieses WZB Discussion paper umfasst Beiträge, die sich mit aktuellen Veränderungen im Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik und deren Konsequenzen für Governance-Ansätze der Wissenschaftspolitik beschäftigen. Dietmar Braun analysiert in seinem Beitrag internationale Entwicklungen in öffentlich finanzierten Forschungssystemen. Er diagnostiziert die Herausbildung eines Modells von 'Netzwerk Governance' - ein Politikansatz, der auf dem Management der Interdependenzen von unabhängigen öffentlichen (und privaten) Einrichtungen in horizontalen Beziehungen beruht. Daniel Barben untersucht in einer international komparativen und transnationalen Perspektive Veränderungen im Wissenschafts- und im Politikregime sowie die Interaktionen zwischen beiden. Sein Beitrag unterstreicht den Wert des Regimekonzepts für die Analyse komplexer und interdependenter Transformationen in Wissenschaft und Politik. Henry Etzkowitz diskutiert sein 'Triple Helix'-Modell, das zum Verständnis der wechselseitigen Innovationsprozesse von Wissenschaft, Industrie und Staat entwickelt wurde. Ein spezielles Augenmerk gilt den Folgen von Triple-Helix-Innovationsprozessen für die Politik, wie sie sich etwa in der Wirtschaftspolitik oder auf regionalpolitischer Ebene manifestieren. Peter Weingart schließlich kritisiert die zahlreichen nicht-intendierten Nebenfolgen von Evaluationsverfahren und biliometrischen Messtechniken auf das Wissenschaftssystem. Er fordert eine kritische Reflexion und Reform des Peer-review-Systems zur Verbesserung der Evaluations- und Qualitätssicherungsinstrumente in der Wissenschaft. Die hier versammelten Beiträge stehen für ein viel versprechendes und wachsendes Forschungsfeld, das Ansätze der Science Policy Studies mit solchen der Wissenschafts- und Technikforschung verbindet." (Autorenreferat). Inhaltsverzeichnis: Martin Lengwiler, Dagmar Simon: Shifting boundaries between science and politics - recent work on new governance arrangements in science policy (5-10); Dietmar Braun: How to govern research in the "Age of Innovation": compatibilities and incompatibilities of policy rationales (11-38); Daniel Barben: Changing regimes of science and politics: comparative and transnational perspectives for a world in transition (39-64); Henry Etzkowitz: Meta-Innovation: the optimum role of the state in the Triple Helix (65-80); Peter Weingart: Das Ritual der Evaluierung und die Verführung der Zahlen (81-99).
In: TATuP - Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis / Journal for Technology Assessment in Theory and Practice, Band 29, Heft 1, S. 52-55
Gesellschaftliche Transformationsprozesse stellen Wissenschaft und Politik gleichermaßen vor Herausforderungen. Damit ergeben sich neue und immer komplexere Anforderungen an die Technikfolgenabschätzung (TA) als wissenschaftliche und politikberatende Praxis. Ernst Dieter Rossmann, Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, spricht über veränderte Ansprüche an die TA, ihre Rolle in der Demokratie und die Praxis am Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB).
Die Autoren setzen sich sowohl theoretisch wie auch empirisch mit einer Entwicklung auseinander, die neben der ABS-Problematik ("access and benefit sharing") zentral zu werden scheint und ebenfalls eng mit den konstatierten Implementierungsdefiziten zusammenhängt: Die Frage nach der angemessenen Bereitstellung von wissenschaftlichem Wissen für einen effektiveren Prozess der "Convention on Biological Diversity" (CBD) bzw. für die Biodiversitätspolitik insgesamt. Durch die offensichtliche "Überpolitisierung" des wissenschaftlichen Gremiums der CBD - der "Subsidiary Body for Scientific, Technical and Technological Advice" - stellt sich seit 2005 die Frage, inwieweit Alternativen dazu entwickelt werden können. Theoretisch eingebettet in den Begriff des Macht-Wissen-Dispositivs von Michel Foucault und zeitdiagnostisch in die neueren Diskussionen um eine sich entwickelnde Wissensgesellschaft wird gezeigt, dass es einen politischen Willen für ein institutionalisiertes "Science-Policy Interfaces" (SPI) gibt. Der Wille zu gesichertem Wissen entwickelt sich angesichts der großen bestehenden Unsicherheiten, dem nicht-gebündelten Wissen, bestehender informeller SPI und nicht zuletzt zur Legitimation des politischen Handelns. Die Autoren zeigen die komplexen Selektions- und Marginalisierungsprozesse der Wissensproduktion auf und diskutieren die Frage, inwieweit die Wissenschaft politisch instrumentalisiert wird und/oder ein eigenständiger Akteur in der internationalen Biodiversitätspolitik ist. (ICI2)
Eine Bewertung der jetzt abgeschlossenen ersten Veränderungsinitiativen zum deutschen föderativen System und zum Stellenwert von Wissenschaftspolitik in diesen Ansätzen muß sich zunächst mit einigen Grundelementen der "Reform"-Ziele befassen. Die allgemeinen Aspekte unseres Verständnisses vom unitarischen Bundesstaat, der Politikverflechtung und der Entflechtungsvorschläge können in dem hier gegebenen Kontext nur angedeutet werden. Dies trifft ebenso auf wesentliche Punkte der Kritik an dem Föderalismusgesetzentwurf der CDU/CSU- und SPD-Fraktionen im Bundestag sowie des Bundesrats und des nach einigen Änderungen beschlossenen Gesetzes zu, die nur am Rande behandelt werden können – und zwar auch dann, wenn ein Zusammenhang mit dem Themenbereich der Wissenschaftspolitik besteht.
In: TATuP - Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis / Journal for Technology Assessment in Theory and Practice, Band 26, Heft 1-2, S. 18-24
This article analyzes core attributes of the concepts of Open Science and Citizen Science in European science policy and relates them to one another. Both concepts postulate and advocate a future opening of science – with Open Science policy focusing on the research process and the conceptualization of Citizen Science placing more emphasis on the actors and their interactions. Both approaches claim transparency with regard to both the research process itself and its results. There are synergies in terms of the involvement of citizens and the accessibility of research results and processes. And there are risks when Citizen Science is merely instrumentalized without allowing for effective participation by citizens.
'PolitologInnen sind in der gegenwärtigen kontroversen Debatte zur Biomedizinpolitik sowohl mit wissenschaftlichen Analysen als auch als ExpertInnen in einschlägigen Beratungsgremien erstaunlich abwesend. Dabei könnte die Politikwissenschaft mit ihren unterschiedlichen Teildisziplinen wichtige Beiträge zur Erforschung von Biomedizinpolitik leisten. Für das Fehlen kann ein Bündel von Faktoren identifiziert werden, von der Spezifik des Politikfeldes über methodologische und theoretische Orientierungen der Politikwissenschaft bis hin zu wissenschaftspolitischen Motiven. Ein zentraler Grund ist die Überschneidung dreier Themen- und Problemfelder, die im politikwissenschaftlichen Mainstream tendenziell als außerpolitisch gelten und/ oder in unzureichender Weise theoretisch erfasst sind: Körper, Ethik und Naturwissenschaften/ Technologie. Feministische Politikwissenschaft ist in verschiedener Hinsicht für die Analyse von Biomedizinpolitik besser gerüstet, da sie mit der Analyse von Körperpolitik und mit normativen Fragen Erfahrungen hat.' (Autorenreferat)
Zusammenfassung Der Beitrag diskutiert das Verhältnis von politikwissenschaftlicher Expertise und politischer Praxis vor allem am Beispiel der Entwicklung von Beratungsinstitutionen in der Bundesrepublik Deutschland und den Up. unter besonderer Berücksichtigung der zeitgeschichtlichen Umstände. Es wird gezeigt, dass die Nachfrage und Wertschätzung wissenschaftlicher Beratung der Politik zyklischen Schwankungen unterliegt, wobei Gründe für das bisweilen schwierige Verhältnis sowohl auf Seiten der Wissenschaft als auch bei der Politik zu finden sind. Schließlich wird konstatiert, dass ein konstruktiver Dialog zwischen den gesellschaftlichen Teilsystemen Politik und Wissenschaft (und damit eine sinnvolle wissenschaftliche Politikberatung) auf substantielle Schwierigkeiten beispielsweise bei der Institutionalisierung stößt. ; peerReviewed
Vorgelegt wird ein Bericht über ein laufendes Forschungsprojekt zur Wissenschaftspolitik in Deutschland, vor allem in Preußen, in den Jahren 1870 bis 1914. In diesem Zeitraum wurden Kooperationsmuster zwischen Regierung, scientific community und privaten Unternehmern entwickelt, die die Bedeutung der Privatwirtschaft für die Wissenschaftspolitik erheblich stärkten und das bis dahin bestehende Staatsmonopol auf diesem Gebiet beendeten. Der Verfasser skizziert die für die nächste Forschungsphase geplanten quantitativen Untersuchungen. ; The report presents the results of an on-going project on science policy in Germany, particularly in Prussia during 1870 and 1914. During these decades patterns of cooperation between government, the scientific community, and private entrepreneurs were developed which tremendously increased the importance of private industry in matters of science policy and put an end to the monopoly which so far the state had enjoyed in this field. The plans for using quantitative methods in the forthcoming research are outlined.