In: Soziologie in der Gesellschaft: Referate aus den Veranstaltungen der Sektionen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, der Ad-hoc-Gruppen und des Berufsverbandes Deutscher Soziologen beim 20. Deutschen Soziologentag in Bremen 1980, S. 156-160
Die politischen Auswirkungen der fortschreitenden Alterung der Bevölkerung sind ein Thema, mit dem sich die Sozialwissenschaften heute konfrontiert sehen. Die Frage lautet: Wie wahrscheinlich ist es, dass die künftige Politik der reichen postindustriellen Gesellschaften von einem Verteilungskonflikt zwischen pensionierten Alten und erwerbstätigen Jungen geprägt sein wird? Welche Folgen die gewachsene Mobilisierbarkeit der Alten und der überproportionale Alterungsprozess der Mitglieder von Parteien und Gewerkschaften haben wird, lässt sich allerdings nicht mit Gewissheit sagen. Der Verfasser vermutet, dass die Politik der gealterten Gesellschaft nicht radikal anders sein wird als die Politik von heute. Als Gebot der Stunde erscheint jedenfalls die Neuverhandlung des Generationenvertrages als Interessenausgleich zwischen Alt und Jung unter veränderten demographischen Vorzeichen. (ICE2)
In: Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2, S. 3099-3106
"Globale Umweltforschung erzeugt einen universalistischen Referenzrahmen zur Beschreibung, Beobachtung und Bewertung ökologischer Krisen mit planetaren Ausmaßen. Das Konstrukt einer globalen Umwelt unterstellt eine weltweit geteilte gemeinsame Bedrohung im Sinne der ökologischen Selbstgefährdung der Menschheit. Es bildet die Voraussetzung für das politische Projekt zur Rettung des Planeten Erde, zu dessen Verwirklichung zahlreiche internationale Umweltschutzabkommen verabschiedet werden. Eng damit verbunden ist die weltweite Standardisierung wissenschaftlicher Beobachtungsverfahren. Dieser gemeinsame Referenzrahmen entfaltet sich jedoch im Kontext massiver ökonomischer, politischer und kultureller Ungleichheiten. Globale Umweltforschung birgt die Gefahr, durch die Orientierungan einer scheinbar einheitlichen Ökosystemrationalität diese Ungleichheitsbedingungen zu verdecken und dadurch gerade zu ihrer Zementierung beizutragen. Der Vortrag stellt Ergebnisse zur Diskussion, die aus der Analyse von Globalisierungsprozessen in Wissenschaft und Politik gewonnen wurden. Darin geht es um die zugleich egalisierende und Ungleichheit stiftende Wirkung von Wissenschaft. Der Vortrag beruht auf einer Auseinandersetzung mit dem world polity-Ansatz von John Meyer et al., in dem Verwissenschaftlichungs- und Rationalisierungsprozesse von zentraler Bedeutung sind. Die Implikationen dieser als kulturell verstandenen Prozesse für die Erzeugung oder Überwindung von Ungleichheit bleiben innerhalb des Ansatzes typischerweise ausgeklammert. Empirisch basiert der Vortrag auf zwei Projekten zur Globalisierung von Wissenschaft: einem abgeschlossenen Promotionsprojekt über die Rolle von Wissenschaft in der Globalisierung von Umweltpolitik am Beispiel der senegalesischen Klimaschutzpolitik, sowie einem laufenden DFG-Projekt über die Internationalisierung globaler Umweltforschung im Vergleich Deutschland-USA." (Autorenreferat)
In: Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2, S. 4815-4825
"Das Internet hat in die Prozesse der sozialwissenschaftlichen Datenerhebung Einzug gehalten. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich dabei Online-Umfragen, was verständlich ist, liegen ihre Vorteile doch vermeintlich auf der Hand: Online-Umfragen sparen vor allem Zeit und Geld. Zu befürchten ist allerdings, dass diese Vorteile mit geringerer Datenqualität erkauft werden. Der Beitrag vergleicht Ergebnisse dreier Umfragen, die anlässlich der Bundestagswahl 2002 auf methodisch sehr unterschiedliche Weise durchgeführt wurden. Es handelt sich erstens um eine repräsentative mündliche Bevölkerungsumfrage, zweitens um eine repräsentative Online-Erhebung unter Internet-Nutzern sowie drittens um eine Online-Erhebung mit selbst rekrutierten Teilnehmern. Der Vergleich dieser drei Umfragen zeigt, dass sich die Umfragen sowohl hinsichtlich sozialstruktureller Variablen (Alter, Bildung und Geschlecht) als auch hinsichtlich substanzieller Fragen (Wahlverhalten, politisches Interesse) deutlich voneinander unterscheiden. Auch eine sozialstrukturelle Gewichtung nach Alter und Geschlecht kann diese substanziellen Unterschiede der Randverteilungen nicht beseitigen. Positiver sieht das Bild aus, wenn man anstelle von Randverteilungen Zusammenhänge zwischen Variablen betrachtet: Zwar treten auch hier erwartete systematische Unterschiede zwischen den drei Umfragen auf, die aber im Vergleich zu den Unterschieden in Randverteilungen weitaus geringer (man könnte fast sagen: vernachlässigbar klein) ausfallen." (Autorenreferat)
Der Verfasser zieht in seinem Kommentar ein Fazit der vier vorstehend abgedruckten Beiträge von Berger (Verteidigung des Marktes gegen die Kritik der soziologischen Tradition), Beckert (Verteidigung der soziologischen Tradition gegen die Kritik der Marktliberalisten), Alber (soziologische Befürwortung des Wohlfahrtsstaats) und Leisering (soziologische Kritik am Wohlfahrtsstaat). Er entwickelt die These, dass bestimmte moralische Ungewissheiten der Verteidiger des Wohlfahrtsstaats ebenso wie die wachsende moralische Zuversicht seiner Gegner auf ein objektives Problem des Wohlfahrtsstaats als Institution verweisen: moralisches Fundament und sozialer Bezugsrahmen des Wohlfahrtsstaats scheinen verloren zu gehen. Auf dieser Basis eröffnet der Verfasser eine neue Perspektive in der Debatte über Markt und Wohlfahrtsstaat, die mit der zunehmenden Schwäche des Nationalstaats auch die Konturen der Solidargemeinschaft verblassen sieht, welche Korrekturen von Marktergebnissen aushandeln oder tragen kann. Dies wird anhand zweier Beispiele verdeutlicht, die sich auf die Sozialpolitik im vereinten Europa sowie den Einfluss der Immigration auf den nationalen Wohlfahrtsstaat beziehen. (ICE2)
In: Technikfolgen und sozialer Wandel: zur politischen Steuerbarkeit der Technik; Symposion des Fachbereichs Sozialwissenschaften der Hochschule der Bundeswehr München, S. 125-141
Der Wandel der Risikoperzeption und -akzeptanz breiter Bevölkerungskreise ist ein für technologische Innovationen unmittelbar entscheidungsrelevanter Faktor geworden. Der Verfasser benennt die wesentlichen Elemente der aktuellen Diskussion um technologische Risiken und zeigt die Perspektive einer "sozialwissenschaftlichen Risikoforschung". Im Anschluß daran werden "Modelle einer gesellschaftlichen Konsensfindung" dargestellt und aus der Sicht der "sozialwissenschaftlichen Risikoforschung" erörtert. Die anschließende Diskussion thematisiert vor allem die Frage der interdisziplinären Kommunikation zwischen Sozialwissenschaftlern und "technischer Intelligenz".
Die Vergleichsstudie über die unterschiedliche Verarbeitung der Judenverfolgung in jüdischen Familien mit Holocaustopfern und deutschen Familien mit Nazivergangenheit beruht auf biographischen Interviews. So hat die Autorin im ersten Schritt mit der Darstellung der jüdischen Familie Zweig auch eine Familie gewählt, die in einem Familienteil eine Verbindung zu Familien von Nationalsozialisten hat. Der empirische Befund der nachträglichen Wirksamkeit der Familienvergangenheit und insbesondere der Familiengeheimnisse auf die Biographien der Nachgeborenen und auf den Familiendialog zeigt sich nun auch in Familien von Nazi-Tätern, der im zweiten Schritt untersucht wird. Doch wird in diesen Familien im Unterschied zu Familien von Überlebenden weniger geschwiegen als vielmehr die Vergangenheit geleugnet und umgeschrieben. Im zweiten Schritt werden diese Befunde sowohl in Familien von Überlebenden als auch in Familien von Nazi-Tätern dargelegt. Des Weiteren wird aufgezeigt, dass sich die Familiengeheimnisse sowohl in ihrer Funktion im Familiendialog, als auch in den biographischen Folgen für die Nachgeborenen, in Familien von Überlebenden erheblich von denen in Familien von Nazi-Tätern unterscheiden. Mit den Ausführungen über die bei allen befragten Familien so deutlich zu beobachtende Wirksamkeit der spezifischen Familienvergangenheit vor 1945 ist deutlich geworden, dass damit auch erhebliche Unterschiede in den transgenerationellen Folgen bei Familien mit einer Verfolgungsvergangenheit und bei Familien mit einer Verfolgervergangenheit verbunden sind. Diese Differenzen werden im dritten Schritt bei der Diskussion über die Wirksamkeit der Familiengeheimnisse bzw. der Verleugnungen noch deutlicher. Sowohl in Familien von Nazi-Tätern als auch in Familien von Überlebenden der Shoah lässt sich die erhebliche Wirksamkeit von Geheimnissen und damit verbundenen Familienmythen beobachten. Die Inhalte der Geheimnisse, ihre Funktion und damit auch ihre Wirkung auf die Nachgeborenen, unterscheiden sich bei Familien von Überlebenden und bei Familien von Nazi-Tätern. Überlebende fürchten sich vor dem Erzählen ihrer belastenden Erinnerungen, haben Angst davor, von ihren Gefühlen überwältigt zu werden, verschweigen Bestandteile der Vergangenheit, die mit Scham und Schuldgefühlen besetzt sind. Täter und Täterinnen hingegen schützen sich vor möglicher Strafverfolgung, aber auch vor einer Ablehnung und Anklage ihrer Nachkommen. (ICG)
In: On social evolution : contributions to anthropological concepts ; proceedings of the symposium held on the occasion of the 50th anniversary of the Wiener Institut für Völkerkunde in Vienna, 12th - 16th December 1979, S. 110-140
Gegenstand der Untersuchung ist der Einfluss soziokultureller Faktoren auf die Entwicklung des modernen Staates. Ziel ist es, die Grundannahmen des Historischen Materialismus als allgemeiner Theorie der sozialen Entwicklung zu überprüfen. Der Verfasser setzt sich dementsprechend mit der Frage auseinander, ob eine Erklärung der Entstehung des Staates durch Entwicklungsprozesse in primitiven Gesellschaften möglich ist. Er erläutert zunächst die soziologische Konzeption der "sozialen Formation" und zeigt, welche Bedeutung sie für die Erklärung der Entstehung von Staaten hat. Er fragt vor diesem Hintergrund nach dem ideellen Element der Existenz sozialer Beziehungen im Denken und zeigt, dass dieses ideelle Element konstitutiv für staatliche Strukturen ist. Die Frage nach dem Ursprung kognitiver Strukturen im realen gesellschaftlichen Leben führt zu einer theoretischen Konzeption, die die kulturellen Ursprünge und die historische Entstehung des traditionalen Staates erklären kann. (ICE)
In: Soziologie in der Gesellschaft: Referate aus den Veranstaltungen der Sektionen der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, der Ad-hoc-Gruppen und des Berufsverbandes Deutscher Soziologen beim 20. Deutschen Soziologentag in Bremen 1980, S. 161-166
Der Beitrag verfolgt die Fragestellung, in welcher Beziehung Wesensmerkmale und Erscheinungsformen von Geschlechterverhältnissen zur Struktur und Entwicklung von öffentlichen Räumen in europäischen Städten stehen und inwiefern die feststellbaren Ausprägungen in ein umfangreicheres Geflecht von gesellschaftlichen Differenzierungsprozessen eingebettet sind. Die Reflexion dieser Beziehungen zeigt zum einen, dass öffentlicher Raum bis heute eine hierarchische Differenzierung aufweist, und zum anderen, dass diese einhergeht mit einer Naturalisierung der Geschlechterkonstruktion, die durch politische, ökonomische und sozio-strukturelle Entwicklungen der Gesellschaft geprägt und in ihrer Wirkungsmacht verschleiert ist. Die faktische Beschränktheit öffentlichen Raums hat Folgen sowohl für die Qualität urbaner Orte als auch für die politische Kultur unserer Gesellschaft(en).
How do three generations of families live today with the family and the collective past during the Nazi period? What influences does this past of the first generation, and their own ways of dealing with it, have upon the lives of their offspring and on the ways in which the latter come to terms with their family history? These are the general empirical questions put forward by our current researchi. The specific focus of our study lies in comparing different family constellations based on whether the first generation can be categorized as victims, perpetrators, or Nazifollowers during the Nazi period. Particulary form a sociological perspective we also investigate how biographically different family histories after 1945 - in Israel, in West Germany (FRG) and in the one-time East Germany (GDR) - affect the process of transmission from one generation to the next. In three generations of Jewish and non-Jewish German and Israeli families we examine the process by which the famliy history is passed down through the generations. The aim is to reconstruct constellations in life-stories which may facilitate the psychological and social integration of people burdened with a threatening collective and family past.