Das Verhältnis Medien und Politik wird unter dem Aspekt der Interaktion von Politikern, Journalisten und Öffentlichkeitsarbeitern diskutiert. Um einen Überblick über den Stand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema zu erhalten, wird die einschlägige Literatur vorgestellt. Die systematische Bestandsaufnahme basiert auf einem differenzierten Politikbegriff, mit dem der politische Stellenwert von Medien auf drei Dimensionen bestimmt werden kann: (1) die polity-Ebene, d.h. die institutionelle Verankerung von Medien (u.a. Meinungs- und Informationsfreiheit), (2) die politics-Ebene, u.a. die Rolle der Medien im politischen Kräfteverhältnis (u.a. Parteien, Medien und Wahlkampf) und (3) die policy-Ebene. Die dritte Dimension wird an Einzelfallstudien wie der politischen Kommunikation in den USA und einer Expertenbefragung ("Hamburg-Studie") von Politikern, Journalisten und Öffentlichkeitsarbeitern beschrieben.(BM)
In: Differenz und Integration: die Zukunft moderner Gesellschaften ; Verhandlungen des 28. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im Oktober 1996 in Dresden ; Band 2: Sektionen, Arbeitsgruppen, Foren, Fedor-Stepun-Tagung, S. 875-878
Die kommunistische Kaderpartei versuchte die Literaten zu einer kollektiven Künstleragentur zu formen, welche den Anforderungen des sozialistischen Realismus zu genügen und als Parteisoldaten im Klassenkampf ihren Kampfauftrag zu erfüllen hatte. Alle Prozesse freier Selbstorganisation werden von der Parteiführung als Disziplinbruch stigmatisiert. Unter Berufung auf ihre künstlerische Identität als Literaturproduzenten sollen die Literaten auch als Parteisoldaten kämpfen, dabei sollten die Mitglieder der deutschsprachigen Sektion des sowjetischen Schriftstellerverbandes im Exil als Virtuosen des sozialistischen Realismus ihren Klassenkampfauftrag wahrnehmen. In Anlehnung an Max Webers Theorie der Virtuosengemeinschaft von religiös Qualifizierten kann die leninistische Kaderpartei als eine Virtuosengemeinschaft gekennzeichnet werden. Die stalinistische Anstaltskirche formt den "Anstaltsgehorsam" (Weber) über Inquisitionstribunale. Die stalinistischen Säuberungswellen erfassen auch die Exilschriftsteller. Nach festen Inszenierungsregeln sind Läuterungs- und Säuberungsprozeduren dokumentiert. (ICB2)
In: Kultur und Gesellschaft: Verhandlungen des 24. Deutschen Soziologentags, des 11. Österreichischen Soziologentags und des 8. Kongresses der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie in Zürich 1988, S. 381-391
Am Beispiel der Schweiz wird gezeigt, wie die globale Perspektive nationales Selbstverständnis überlagert, in Frage stellt und verändern kann. Dargelegt wird, daß die Sicht des Eignenen, das Bild der nationalen Gesellschaft, im Ausblick auf die globale Gesellschaft, zum Weltgesellschaftsbild, in ein Spannungsverhältnis gerät. Unter Weltgesellschaft wird weniger ein Gegenstand als das Ensemble jener Prozesse verstanden, die einmal durch (kompositorische) Kräfte bewegt zu globalen Strukturen hinführen, ein anderes Mal als (dekompositorische) Gegenkräfte das Geschehen der Gesellschaften mit historischer Identität, von Nationalkulturen und Regionen beeinflussen. Auf vier Ebenen werden Prozesse unterschieden, die entsprechende Kräfte und Gegenkräfte beeinhalten: Weltgesellschaft als militärisch-politische Hegemonialstruktur, als wirtschaftliches, technologisches, zivilisatorisches Statussystem, als kulturell, symbolisch und kommunikativ artikuliertes System und Weltgesellschaft als durch Probleme und Risiken konstituierter physischer Raum. (GF)
In: Kultur und Gesellschaft: Verhandlungen des 24. Deutschen Soziologentags, des 11. Österreichischen Soziologentags und des 8. Kongresses der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie in Zürich 1988, S. 142-155
Es wird versucht, die soziologischen Fragen um weibliche und/ oder männliche Kultur durch eine historische Perspektive zu ergänzen und zu repräsentieren. Innerhalb von zwei zentralen Zeiträumen - um 1800 und um 1900 - wird die moderne Verschränkung von Kultur und Geschlecht als Produkt einer Dialektik von Alltagswissen und Wissenschaft, von Politik und Moral untersucht und auf unmittelbare wie paradoxe Folgen für gegenwärtige Thematisierungen geschlechtsspezifischer Kulturen hingewiesen. Durch die Analyse des Entstehungskontextes wird eine bestimmte Definition von "Kultur", von "Geschlecht" und von "Geschlecht und Kultur" als kulturelle Selbstverständlichkeit decodiert. Die These ist: Kultur und Geschlecht im modernen Sinne sind gleich ursprünglich. Sie verdanken ihre Entdeckung derselben kulturellen Lage und sozialpolitischen Konstellation; ihrer Systematisierung und Ausdifferenzierung liegen ähnliche Erkenntnisinteressen und Wissensverschiebungen zugrunde. (GF2)
"Der Beitrag skizziert am Beispiel der Urheberrechtsdiskussionen um die Musikin-dustrie und das wissenschaftliche Publizieren die sozialen Prozesse, in denen die Grenzen zwischen Märkten und Öffentlichkeiten, zwischen Recht, Wirtschaft, Technik und Kultur gezogen und verhandelt werden. Dies geschieht zur Zeit bei der Novellierung des Urheberrechts, aber auch in den globalen öffentlichen Debatten um Patente auf "Leben" oder auf Software, um Privatkopien und Piraterie. In Prozessen der Regulierung geistigen Eigentums handeln Wissensgesellschaften ihren Umgang mit den mutmaßlich zentralen Ressourcen Wissen, Kultur, Innovation und Innovativität aus. In der hier vertretenen Perspektive geht es darum, diese Prozesse nicht von vornherein als marktlich, als strukturiert durch Interessen und Eigentumsrechte zu begreifen. Wissenssoziologisch und sozialkonstruktivistisch betrachtet, spezifizieren die Akteure diese Ressourcen im Prozess der Aushandlung erst als solche – und sie spezifizieren nicht nur die Ressourcen, sondern unterschiedliche Akteure konfigurieren Ensembles aus Regulierungen und Praxen des Schaffens und Konsumierens aus sozialen und ökonomischen Tauschbeziehungen, aus Produkten, Diensten und Leistungen. Die Diskussion um das geistige Eigentum wird dabei bislang nicht in erster Linie in den Sozialwissenschaften geführt. Damit befassen sich eher JuristInnen, Rechts- und WirtschaftswissenschaftlerInnen, aber auch AutorInnen aus den Informations- und Kommunikationswissenschaften (Kuhlen 1995; 2002a; 2002b; Grassmuck 2000; Lutterbeck 2002). In der Soziologie findet sich das Thema bislang verstreut. In der sozialwissenschaftlichen Wissenschafts- und Technikforschung gibt es eine Diskussion über "commodification of knowledge" (zum Beispiel die Beiträge in den Science Studies 2/2001, prokla 126; Nentwich 2003) in kritischer Abgrenzung zur These eines vernetzten und konextoffenen "mode 2" der Wissensproduktion (Gibbons u.a. 1994; Nowotny u.a. 2001). In der Untersuchung von Märkten, Institutionen und Governancebeziehungen um das Internet herum (Hofmann 2002; Lieckweg 2002) taucht es auf, in Untersuchungen von Interessen, Diskursen und Verhandlungsprozessen (Döbert/van den Daele 2002) und bei der Analyse wissens-intensiver Industrien (Giesecke 2001), in denen geistiges Eigentum zum Produkt wird. Das hat zur Folge, dass diese Diskussion überwiegend in Begriffen von Gütern stattfindet, also von "Dingen", auf die sich dann Verfügungsrechte beziehen können. Die These dieses Beitrags ist dabei: "Die" public domain löst sich, soziologisch betrachtet, auf in heterogene Ensembles von marktlichen, staatlichen, zivilgesellschaftlichen und professionellen Akteuren, Praxen und Orientierungen. Wissen und Informationsgüter sind kontextuiert und situiert. Sie stellen einstweilige Resultate technisch-institutioneller Einklammerungen dar, die im Fluss von Wissen, Kultur und Sinn immer wieder de- und rekontextuiert werden. Geistige Eigentumsrechte bilden jedoch nicht einfach einen institutionellen Rahmen, sondern greifen tief in die Produktion und Nutzung von Wissen und Kultur ein. Die rechtliche und zu-nehmend technische Ausgestaltung geistiger Eigentumsrechte prämiert deutlich be-stimmte Strategien und Produktionsweisen auf Kosten anderer, macht bestimmte Nebenfolgen und Strukturbildungen wahrscheinlicher." (Textauszug)
In: Kultur und Gesellschaft: Verhandlungen des 24. Deutschen Soziologentags, des 11. Österreichischen Soziologentags und des 8. Kongresses der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie in Zürich 1988, S. 575-586
Untersucht wird, warum alle westlichen Gesellschaften von Skandalen heimgesucht werden und welche Unterschiede es in der "Skandalkultur" von Gesellschaften gibt. Antworten auf diese Fragen werden gesucht, indem Skandale im ökonomischen Paradigma von Angebot und Nachfrage und im kultursoziologischen Paradigma normativer Regelungen analysiert werden. Drei Grundelemente des Skandals - moralische Verfehlungen, Enthüllung, Empörung - werden versucht in der Sprache von Angebot und Nachfrage zu begreifen. Gezeigt wird, welche Bedeutung die erfolgreiche, von Marktprozessen und normativ-kulturellen Regelungen gesteuerte Abwicklung von Skandalen für den moralischen Haushalt moderner Gesellschaften besitzt. (GF)
In: Kultur und Gesellschaft: Verhandlungen des 24. Deutschen Soziologentags, des 11. Österreichischen Soziologentags und des 8. Kongresses der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie in Zürich 1988, S. 247-264
Aus soziologischer Perspektive wird die Bedeutung des Nationalsozialismus für die Entwicklung verschiedener politischer Kulturen in den Nachfolgestaaten des "Großdeutschen REiches" untersucht. Gezeigt wird, daß der Neubeginn in Österreich, der Bundesrepublik Deutschland und der DDR keine positiven Orientierungen aus dem Nationalsozialismus ziehen konnte und daher nach anderen historischen Anknüpfungspunkten suchen mußte. Dargelegt wird, welche anderen historischen Bezugspunkte die drei Gesellschaften jeweils gewählt haben. Dabei wird deutlich, daß das jeweilige Ziel für die Neuformierung die Auswahl der historischen Anknüpfungspunkte und die Theoreme für die Erklärung des Nationalsozialismus beeinflußte. Dieser blieb das gemeinsame negative Bezugsereignis, das auf unterschiedliche Weise den jeweiligen Neubeginn legitimierte. Der NAtionalsozialismus zerstörte durch seine Handlungen und Folgen eine Reihe von alternativen Ordnungselementen innerhalb der Traditionen der deutschen politischen Kultur. Es wird die Bedeutung des Nationalsozialismus für die Herausbildung einer neuen politischen Moral analysiert. (GF)
Der Aufsatz handelt von der Forschung über die neuen sozialen Bewegungen, d.h. die Ökologie-, die Friedens- und die Frauenbewegung. Die analysierten Arbeiten beziehen sich auf die Themenkomplexe Wertorientierung, Sozialstruktur und Politik; aus kritisch-rationaler Sicht wird auf die Vielfalt und die teilweise Widersprüchlichkeit der gängigen theoretischen Ansätze aufmerksam gemacht. Es wird gezeigt, daß die Analyse der Wertorientierungen bisher noch nicht genügend ausgereift ist, besonders in ihrer Methodik. Die sozialstrukturelle Basis der neuen sozialen Bewegungen wird bisher bei Mittelschichten mit höherer Bildung, aber auch bei Randgruppen gesucht; beide Thesen hält der Autor für ungesichert. Die Probleme des politischen Systems werden in der Literatur ebenfalls als Ursache dieser Bewegungen gesehen. Der Verfasser verweist auf das Fehlen einer großen, deduktiven Theorie. (HA)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 2241-2251
Der Autor zeigt in seinem Vortrag, dass die Dichotomie von Natur/Geschichte auch im Hinblick auf die Definition von sozialen Gemeinschaften von Bedeutung ist. Ein analoger Gegensatz zwischen Natur und Geschichte kann zum Beispiel aus der politischen Mythologie serbischer Kulturträger abgeleitet werden. In diesen symbolischen Beschreibungen erscheint der Naturzustand als derjenige, in welchem die Bewohner ihre authentischen, von Gott gegebenen Lebensformen bewahrt haben. Im Gegensatz dazu stehen die urbanen, multi-ethnischen Ballungszentren. Folglich ließen sich die Wurzeln der nationalen Identität nicht im politisch-kulturellen Zentrum der Hauptstadt, sondern in der ländlichen Peripherie auffinden. Der Autor konzentriert sich bei seinen Ausführungen auf eine besondere, von Ernst Cassirer ausführlich untersuchte Welterschließungsfunktion: den Mythos. Denn diese Wahrnehmungsform wird häufig mit einem engen Verhältnis zum natürlichen Ursprung der sozialen Vorstellungswelten in Verbindung gebracht. Der Autor wendet Cassirers Beobachtungen über die Wirkungsweisen und politischen Mobilisierungsfunktionen des mythischen Bewusstseins exemplarisch auf das Verhältnis von Mythos und Krieg der Serben seit Ende der 1980er Jahre an, um einige soziokulturellen Dynamiken, die mit einer mythologischen Wahrnehmung in Verbindung stehen, zu verdeutlichen. (ICI2)
Die Frage, die ich mir gestellt habe, nämlich 'Was ist neu in den neuen sozialen Bewegungen?' möchte ich zunächst in zwei Teilfragen aufteilen: (a) was ist neu? und (b) was ist eine soziale Bewegung? Ich werde zunächst die zweite Teilfrage beiseite lassen und nur diskutieren, was wir meinen, wenn wir davon reden, daß etwas in einem soziologischen Sinn 'neu' ist. Eine Antwort auf die Frage nach dem Neuen in einer Gesellschaft ist in den Untersuchungen zum Wertwandel zu finden. Die Grundfrage lautet hier: haben Individuen auf Grund von sozialen Erfahrungen (zu denen in jüngerer Zeit insbesondere die Erfahrung der Unterbeschäftigung bzw. Arbeitslosigkeit getreten ist) ihre normativen Orientierungen, ihr Wertsystem geändert? Daß solche Erfahrungen auf der kognitiven Ebene verarbeitet werden müssen und zu Anpassungen der subjektiven Deutungsschemata zwingen, ist unbestritten. Da reicht schon eine Alltagspsychologie hin, zu vermuten, daß dann, wenn man sich nicht mehr in der erwarteten und gesellschaftlich als normal definierten Statushierarchie (insbesondere im Berufssystem) wiederfindet, diejenigen Vorstellungen eher als subjektive Identitätsstützen herangezogen werden, die sich kritisch auf das mit dem Berufssystem verbundene Wertsystem beziehen. Statt Geld würde dann verfügbare Zeit, statt Streß Selbstfindung hoch bewertet werden usw. Es hat sich sogar schon eine Idealisierung dieser Umkehrungen herausgebildet, eine Art Umkehrung der Story vom self-made-man: nämlich die Story vom Manager, der nach 10 oder mehr erfolgreichen Berufsjahren aussteigt, um ein neues, sinnvolleres und auch einfacheres Leben zu führen. Dies deutet schon auf eine gewisse gesellschaftliche Normalisierung des neuen Wertorientierungssyndroms. Es scheint sich unter dem Einfluß von zunehmender Arbeitslosigkeit zu verbreiten, und die Demoskopen unter uns versuchen nun - mit geschlossenen oder offenen Fragen bzw. Interviews-, dem Ausmaß der Verbreitung dieser neuen Story auf die Spur zu kommen. Doch was tut man hier als Soziologe? Man untersucht individuelle Wertorientierungen und deren Verteilung in der Gesellschaft. Die den Soziologen (im Gegensatz zum Psychologen) spezifischerweise interessierende Frage, inwiefern diese subjektiven Deutungsmuster ein neues Kollektivbewußtsein signalisieren, wie die subjektiven Deutungsschemata zu kollektiven Forschers überlassen. Es wird nicht als empirisch zu klärende Frage behandelt. Der individualistische Ansatz hat noch eine zweite Konsequenz, nämlich die, daß Wertwandel nur als inhaltlicher Wandel konzeptualisiert wird. Aus der Sicht der Individuen sind in der Tat nur Inhalte relevant; denn nur Inhalte kann man heranziehen, um eine soziale Erfahrung zu verarbeiten, um ein konsistentes Bild des Selbst zu stiften. Ein Individuum wird niemals Formen oder Strukturen von Wertmustern heranziehen, um sich als identisches darzustellen. Strukturen von Wertmustern verweisen auf eine intersubjektive Realität, auf die Beziehungen zwischen Individuen, nicht auf subjektive Deutungen. Wenn man aber kollektive Bewußtseinsformen erfassen will, dann muß man nicht nur die Inhalte, sondern die Form derjenigen Prozesse, die aus subjektiven Deutungen kollektive Deutungsmuster machen, der Analyse zugänglich machen.