In: Totalitarismus und Demokratie: Zeitschrift für internationale Diktatur- und Freiheitsforschung = Totalitarianism and democracy, Band 9, Heft 1, S. 57-82
"This paper shows that ideocracies, especially communist ideocracies, have a specific pattern of cooptation and incorporation of elites and ordinary citizens, which is different from all other political regime types. Ideocracies dominate society through and through by a net of measures that make the citizens materially dependent on the state, from which the individual citizen cannot escape. The strong concentration of the distribution of goods and positions in the hands of the ideocratic state goes hand in glove with the great power to repress non - co - opted people. However, there are trade - offs in the ideocratic pattern of cooptation. The tendency of ideocracies to infantilize its citizens, may provoke reluctance even among otherwise politically indifferent citizens. Nevertheless, despite the trade - offs, the specific pattern of cooptation and incorporation of citizens and elites might help to explain why communist ideocracies were very durable in comparison to other types of political regimes." (author's abstract)
"Die Erklärung des Wahlverhaltens gehört zu den meist beschriebenen Feldern in den Sozialwissenschaften. Wahlverhalten ist durch seinen ständigen Wandel und seine Komplexität immer von aktuellem Interesse. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit zwei Ansätzen der Wahlforschung, die auf unterschiedliche Weise die Auswirkungen psychologischer Widersprüche, sogenannter cross pressures, auf die Konstanz von Wahlverhalten erklären. Hierbei wird eine Variante des in der Wahlforschung etablierten mikrosoziologischen Ansatzes der Columbia School vorgeschlagen. Mit den Daten des Bayernbarometers 2011 werden die cross pressures des sozialen Umfelds nicht über soziale Stratifikatoren, sondern über die ideologische Verortung des Netzwerkes erfasst. Zudem wird anhand eines eher seltener angewandten Modells, dem Retrospective-Voting-Modell von Morris P. Fiorina, untersucht, inwiefern Inkonsistenzen bei Einstellungen zu politischen Streitfragen (issues) im Verhältnis zur vergangenen Parteiwahl, die Chance zur Wechselwahl beeinflussen. Auf Basis der vorliegenden Analysen werden die Hypothesen Fiorinas bestätigt, wobei kein Einfluss der cross pressures in den politischen Einstellungen des sozialen Netzwerkesfestgestellt werden kann." (Autorenreferat)
"Ausgehend von der These der Anschlussfähigkeit von Clausewitz' Kriegstheorie an die modernen Sozialwissenschaften werden in dieser Arbeit die Erkenntnisse der frühen organisationssoziologischen Systemtheorie Luhmanns genutzt, um die Handlungstheorie von Clausewitz (gegründet auf die Begriffe von Zweck, Ziel und Mittel) zu präzisieren und zu vertiefen. Dazu wird in einem ersten Schritt Clausewitz' Handlungstheorie mithilfe von Erkenntnissen der klassischen Handlungstheorie nach Weber herausgearbeitet und zu einem Modell strategischen Handelns (MSH) verdichtet. Im zweiten Schritt werden die Grundzüge der systemtheoretischen Handlungstheorie dargestellt, um schließlich zu einer systemtheoretischen Interpretation des MSH zu gelangen. Ergänzt wird diese Interpretation durch die Heranziehung der sozialwissenschaftlichen Konzepte des 'Gegenhandelns' (Vollrath) und der 'linearen' bzw. 'komplexen Interaktion' sowie der 'engen' bzw. 'losen Kopplung' (Perrow). Im Ergebnis gelingt durch die systemtheoretische Fundierung erstens eine Bestimmung des theoretischen Stellenwerts der Kriegstheorie von Clausewitz als Entscheidungstheorie, welche die Funktion der geordneten Reduktion von Komplexität für die Handelnden im Krieg erfüllen soll. Zweitens können Clausewitz' Zweck/ Ziel/ Mittel-Schema und sein 'Methodismus' (Handeln nach Methoden) zwei unterschiedlichen Entscheidungsverfahren von organisierten Sozialsystemen - nämlich dem Zweckprogramm und der Routine - zugeordnet werden. Drittens ermöglicht die Schärfung der Begriffe des MSH eine Verallgemeinerung von Clausewitz' Kriegstheorie, die den Weg öffnet für eine künftige empirische Anwendung auf ein breites Spektrum aktueller außen- und sicherheitspolitischer Fragestellungen." (Autorenreferat)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 5537-5550
"In der sozialwissenschaftlichen und historiographischen Forschung zur extremen Rechten in der Bundesrepublik Deutschland haben Fragen nach deren Periodisierung bisher nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Während weitgehend anerkannt wird, dass dieses politische Spektrum verschiedene Phasen durchlaufen hat, bleibt die Charakterisierung des Gesamtphänomens oder einzelner Strömungen (sog. 'Neue Rechte') mit Attributen wie 'neu', 'modern' oder 'modernisiert' umstritten. Während einige Autoren eher die Kontinuitäten in Ideologie und Auftreten der extremen Rechten betonen (z.B. Knorr), verweisen andere auf die Dimension der Modernisierung als Wechsel der Anknüpfungspunkte an veränderte cleavages (Leggewie), auf Modernisierung als allgemeine Abwendung vom Nationalsozialismus (Brodkorb) oder sehen diese in der Aufnahme neoliberaler Ideologieelemente vollzogen. Der Beitrag diskutiert die verschiedenen Perspektiven, unter denen in der sozialwissenschaftlichen Forschung zum Rechtsextremismus der Frage seiner 'Modernität' Aufmerksamkeit geschenkt wurde, plädiert auf der Grundlage einer kritischen Diskussion der bisherigen Ergebnisse für eine synchron und diachron angelegte komparative Analyse der verschiedenen Entwicklungsphasen und Strömungen der extremen Rechten unter Verwendung eines systematisierten Kriterienkataloges (Programmatik, Ideologie, Praxeologie, Propagandatechniken, Struktur der Mitgliedschaft und des Elektorats) und schlägt eine alternative Begriffsverwendung vor." (Autorenreferat)
Die Verfasser setzten sich mit den Logiken und Lösungsansätzen unterschiedlicher Forschungsdesigns auseinander. Vor diesem Hintergrund werden zwei Lehren für den Dialog zwischen Theorie und Daten hervorgehoben. Erstens steht es Forschern frei, zwischen Forschungsdesigns zu wählen. Allerdings gilt, dass unterschiedliche Forschungsdesigns auch unterschiedliche Lösungsansätze zu den gleichen Herausforderungen bieten oder erfordern, wobei jedes Design seine eigenen Stärken und Schwächen mit sich bringt. Zweitens gibt es keinen Grund, warum Forscherinnen nicht verschiedene Forschungsdesigns miteinander verbinden oder zwischen verschiedenen Forschungsdesigns hin und her wechseln sollten, um deren Schwächen und Nachteile zu kompensieren und die Stärken und Vorteile anderer Designs in einer "vernetzten Analyse" auszunutzen, falls Zeit und Geld es erlauben. Damit dies funktioniert, müssen Forscher jedoch mit den Logiken unterschiedlicher Forschungsdesigns vertraut sein und sich der Lösungen, Anforderungen und Vor- und Nachteile bewusst sein, die jede Designwahl mit sich bringt. (ICF2)
Norwegen und die Schweiz sind keine EU-Mitgliedstaaten, weil die Bevölkerungen die Integration mehrheitlich in Referenden ablehnte. Die enorme Mobilisierung und Emotionalisierung in den nationalen Integrationsdebatten kann weder durch ökonomische noch durch politische Umstände hinreichend erklärt werden, zumal die Eliten beider Länder mehrheitlich die Integration unterstützen. Die Hauptmobilisierungsressource von Euroskeptikern liegt vielmehr darin, tief verwurzelte nationale Selbst- und Fremdbilder zu reaktivieren. Diese Diskursanalyse beschreibt vergleichend, auf welche Art und Weise die größten euroskeptischen Akteure der Schweiz und Norwegens diesen Rückgriff auf das Nationale in Integrationsdebatten herstellen. Gefragt wird, wie die "Aktion für eine Unabhängige und Neutrale Schweiz" (AUNS) und die eng mit ihr verbundene "Schweizerische Volkspartei" (SVP) einerseits, und die norwegische Bewegung "Nein zur EU" (norwegisch: Nei Til EU) andererseits, ihren Integrationswiderstand mittels nationaler Narrationen und Bildersprachen als sinnvoll darstellen. Hierzu werden umfangreiche euroskeptische Bild- und Textquellen referiert und gedeutet. Damit wird ein Beitrag zur Forschung über das Selbstverständnis, die Denkweise, die Rhetorik und das Tugendsystem anti-integratorischer Bewegungen geleistet. Denn Euroskeptiker verstehen sich primär als Verteidiger der guten nationalen Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft und dessen Nationalstaat beschreiben sie als wärmer, natürlicher, näher, gerechter, effizienter, friedlicher und demokratischer als das integrierte Europa, welches als ferner, kalter, bürokratischer Superstaat EU dargestellt wird. ; Norway and Switzerland are not member states of the EU, since the majority of the people rejected integration in several referenda. The emotionality and the enormous mobilisation in national debates on integration cannot sufficiently be explained by economic and political reasons, since the majority of the elites are supporting integration. Instead, the main resource of mobilisation for Eurosceptics lies in reactivating deeply rooted descriptions of national self and other. For carving out these collective images, this discourse-analysis compares how the major Eurosceptical actors of Switzerland, the "Action for an Independent and Neutral Switzerland" (AUNS) together with the tightly connected "Swiss People's Party" (SVP), on one hand, and the Norwegian movement "No To EU" (NEI TIL EU), on the other hand, describe their actions as meaningful in their iconography and narrations. In doing so, the study refers to and interprets extensive material from Eurosceptical actors and contributes to the understanding of Eurosceptical self-perception, ways of thinking, rhetoric and virtue system. Here Eurosceptics perceive themselves mainly as defenders of the national community and its nation-state, which are regarded as warm, natural, close, justified, efficient, peaceful and democratic, while Europe is perceived as the cold, distant, bureaucratic superstate EU.
Rechtsextreme nehmen vermehrt Raum in der Gesellschaft ein, Soziale Arbeit ist damit vielfach konfrontiert. Das Buch ermöglicht eine Auseinandersetzung mit Aktivitäten, Strategien und Folgen des Rechtsextremismus und bietet Anregungen für die Praxis. Ergänzend werden Literaturtipps, Reflexions- und Rechercheaufgaben geboten. Das Buch ist geeignet zum Selbststudium und zur Seminargestaltung.
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Ein Bewusstsein von Gestaltungsfreiheiten gesellschaftlichen Fortschritts - das ist auch in der Zeit nach der Französischen Revolution im langen 19. Jahrhundert keine Selbstverständlichkeit. Der Autor zieht Alexis de Tocqueville, Karl Marx und Max Weber erstmals gemeinsam heran, um aus ihren verschiedenen Perspektiven zu zeigen, wie sich auch in der modernen Welt einschränkende Möglichkeitsräume oder gar die Erstarrung von Gestaltungsfreiheiten ergeben können. Damit zeigt er die fundamentale Bedeutung von Politik in der Moderne auf, und zwar als notwendiges Instrument der Bewusstwerdung sowie der Absicherung von Gestaltungsfreiheiten.
Systematische Angriffe auf die Geschlechtergerechtigkeit verschärfen sich weltweit und sind in einigen EU-Staaten bereits Teil des Regierungshandelns. Als Infragestellung basaler Menschenrechte und zumeist rechtspopulistisch bzw. fundamentalistisch motiviert gefährden sie die Demokratie. Aus internationaler und interdisziplinärer Perspektive analysieren die Beiträger*innen des Bandes Anti-Genderismus als strategisches Mittel der Emotionalisierung, Mobilisierung und Vernetzung innerhalb des rechten Spektrums und einer im Entstehen begriffenen religiösen Rechten. Mit besonderem Fokus auf die Situation einiger ostmitteleuropäischer Staaten und unter Einbezug von Erfahrungen aus dem LGBTIQ*-Aktivismus erörtern sie, wie dieser Entwicklung konstruktiv-widerständig zu begegnen ist.
"Das Reich der Freiheit beginnt in der That erst da, wo das Arbeiten, das durch Noth und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört" - so einst Karl Marx. Und heute? Trotz weitgehender Automatisierung bleibt die Norm der Vollzeitarbeit bestehen. Das Motto "Sozial ist, was Arbeit schafft" wird von fast allen politischen Akteuren getragen. Zugleich wird die bisherige Form der Vollzeitarbeitsgesellschaft in vielen Momenten brüchiger und ungleicher: Pflegekrise, Gender-Pay-Gap, prekäre Jobs oder unregulierte Crowdwork auf digitalen Plattformen offenbaren nur einige der vielfältigen Bruchlinien. Mit Blick auf die politische Ideengeschichte der freien Zeit und die aktuellen Debatten um Automatisierung und Digitalisierung entwirft der Autor ein Plädoyer für den schrittweisen Ausgang aus der bisherigen Arbeits- in eine "Multiaktivitätsgesellschaft" (André Gorz). Er zeigt: Eine Verkürzung der Arbeitszeit kann uns eine sozialere, kreativere und auch umweltschonendere Welt ermöglichen.