Diese Arbeit hat das Ziel, den Politischen Islam in seinen weltweiten Ausprägungen darzustellen und seine vielfältigen, auch kontrastreichen Entwicklungen auf lokaler und nationaler Ebene zu beleuchten. Dabei kommt es darauf an, die Wechselwirkungen zwischen dem Politischen Islam und dem gesellschaftlichen Umfeld zu unterstreichen.
Schon bald nach dem Beginn des "arabischen Frühlings" wurde die éxception marocaine, die Ausnahme Marokko, eines der beliebtesten Themen in den Medien und den öffentlichen Diskussionen in Marokko. Welchen Anteil hat der Islam am Transformationsprozess des Landes? Und welche Rolle kommt dem parteipolitisch organisierten Islam - im Unterschied zu anderen nordafrikanischen Staaten - derzeit für die Entwicklung Marokkos zu? (KAS-Auslandsinformationen / SWP)
"Der Islam in Westafrika gilt traditionell als liberaler, friedlicher und weniger orthodox als der arabische Islam. Zwar gibt es auch in Westafrika interreligiöse Konflikte und die Gefahr einer 'Talibanisierung' ist nicht völlig von der Hand zu weisen. Trotzdem scheint die friedliche Koexistenz von Christen, Animisten und Muslimen grundsätzlich möglich. In Mali und Senegal haben sich die institutionellen Arrangements der 'islamische Demokratie' bewährt. Und in Nigeria und Elfenbeinküste, wo politische Konflikte oft als interreligiöse Konflikte ausgetragen werden, haben muslimische Organisationen zumeist zur Deeskalation beigetragen." (Autorenreferat)
"Modernisierung und Öffnung bestimmen die aktuelle politische Agenda in Marokko, dessen Erbe doch problematisch ist: Drückende Arbeitslosigkeit, eine große Kluft zwischen Arm und Reich sowie eine ausufernde Korruption sind nur ein Teil der Probleme. Wirtschaftliche Sorgen und das lange Warten auf Fortschritte im Bildungs- und Sozialbereich lassen viele Marokkaner ihr Heil im Islam suchen. In der Tat hat Marokko die soziale Frage lange vernachlässigt, doch zeigt das ambitionierte Reformprogramm unter dem neuen König Mohammed VI., der den Demokratisierungsprozess aktiv stützt, bereits erste Erfolge. Bemerkenswert sind die Beziehungen zwischen den islamischen Kräften und dem Staat in dem nordafrikanischen Land: Durchaus verwurzelt in der Zivilgesellschaft ist die 'dynamische', moderat-islamistische PJD, der es weniger um die Einführung der Scharia als um die 'Moralisierung' der Politik geht. Ihr steht mit Al Adl wal Ihsan eine starke und selbstbewusste islamistische Kraft gegenüber, die ein Engagement im Rahmen des Staates klar ablehnt. Tot ist der politische Islam in Marokko also nicht. Doch hat es Mohammed VI. erfolgreich verstanden, gesellschaftliche Reformen mit der islamischen Identität des Landes zu versöhnen. Und so hat es der politische Islam mit einer reformorientierten Gesellschaft, aber auch mit einer auf Einbindung der Opposition bedachten Monarchie zu tun, was ihn zur Anpassung zwingt." (Autorenreferat)
"Schon bald nach dem Beginn des 'arabischen Frühlings' wurde die éxception marocaine, die Ausnahme Marokko, eines der beliebtesten Themen in den Medien und den öffentlichen Diskussionen in Marokko. Welchen Anteil hat der Islam am Transformationsprozess des Landes? Und welche Rolle kommt dem parteipolitisch organisierten Islam - im Unterschied zu anderen nordafrikanischen Staaten - derzeit für die Entwicklung Marokkos zu?" (Autorenreferat)
"Die Demokratisierung Indonesiens hat islamistischen Kräften neue Möglichkeiten zur Verbreitung ihrer Ideen gegeben. Doch gibt es Hinweise darauf, dass bestimmte Formen radikalen Islams in den vergangenen Jahren schwächer geworden sind." (Autorenreferat)
In: Orient: deutsche Zeitschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur des Orients = German journal for politics, economics and culture of the Middle East, Band 37, S. 35-57
Traces development of political Islam in Turkey, differentiating between liberal, conservative, and militant parties and groups. Summary in English p. 202.
Der "Arabische Frühling" hat inzwischen zu einem bemerkenswerten "Islamischen Erwachen geführt. Welche Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind von einer Politik zu erwarten, die verstärkt auf die Durchsetzung der Scharia setzt? Was bedeutet all dies für die die jugendlichen Rebellen, die säkularen, republikanischen Kräfte, die sich emanzipierenden Frauen und die religiösen und ethnischen Minderheiten?. (KAS-Auslandsinformationen / SWP)
After the rapid rise and fall of Sunni Islamist political actors following the Arab uprisings that began earlier this decade, a strong fragmentation has emerged within this political spectrum. The division exists within Islamist political groups in their national contexts as well as between them across different countries. The Tunisian Ennahdha, the Egyptian Muslim Brotherhood, and the Syrian Muslim Brotherhood stand as respective models for Islamists in power, under repression, and in civil wars. The Tunisian Ennahdha falls into the category of "Islamists in power." It acts within the political system, understands itself as a national political party, and has separated politics from religion. However, the party is in danger of losing its appeal. The Tunisian Islamist constituency is increasingly turning to jihadist Salafist actors. The Egyptian Muslim Brotherhood falls into the category of "Islamists under suppression." It suffers from serious repression by the Sisi government, which has led to a massive structural and ideological fragmentation of the organisation. Although the old guard still adheres to the principle of non-violence, younger activists are increasingly open to using violent means and clear shifts towards radicalisation have occurred. This may have spillover effects on the Islamist political spectrum beyond Egyptian borders. The Syrian Muslim Brotherhood falls into the category of "Islamists in civil wars." It has been operating from exile since 1982 and has not managed to turn itself into a major political player once again, even since the uprising against the Assad regime started in 2011. The organisation is facing a generational battle and is in danger of losing adherents to radical actors such as jihadist Salafists. European policymakers should strengthen moderate Islamist branches by suggesting to partner countries in the MENA region and the United States that increasing pressure on these actors will most probably lead to their radicalisation. Moreover, they should not push moderate Islamists too far towards moderation and a departure from Islamic values, because this might increase the divide between the Islamists and their constituencies.
Der Beitrag beleuchtet die Wahrnehmungen und Umsetzungen des Verhältnisses von Religion und Politik im Islam und in islamischen Gesellschaften. Dabei orientieren sich die Ausführungen an der These, dass dieses Verhältnis in den Ausgangsbedingungen zwar enger ist als im Christentum, daraus aber weder als religiös zwingend abgeleitet werden muss, dass ein islamischer Staat oder gar eine spezifische politische Kultur - wie etwa ein Khalifat als von Gott geforderte Herrschaftsinstitution - vorgeschrieben, noch dass eine klare Trennung von Religion und Politik in einem säkularen Staat unzulässig ist. Ausgehend vom Wahlsieg der islamisch geprägten, säkularen Partei AKP in der Türkei im November 2002 hinterfragt der Autor das Verhältnis von Religion und Politik in den religiösen Quellen des Islam (Koran) und in der frühen Geschichte der islamischen 'umma'. Ferner werden Ähnlichkeiten und Unterschiede des Islam zum Christentum in der weiteren Entwicklung herausgearbeitet. So wird hier die immer wieder behauptete Einheit von Religion und Staat im Islam als ein Ideologem entlarvt, dessen Zukunft ganz wesentlich von den globalen und regionalen Politikgestaltungen geprägt ist. (ICG2)
In: Orient: deutsche Zeitschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur des Orients = German journal for politics, economics and culture of the Middle East, Band 37, Heft 1, S. 35-57