Mittlerweile ist es ruhig geworden um Pussy Riot – hier und da noch ein Artikel über die Degeneration des russischen Rechtsstaates, der Kritiker zu langjährigen Haftstrafen verurteilt und zur Besserung ins Arbeitslager schickt (FAZ, 6.9.2012).Dabei sind die Aktionen von Pussy Riot ein Paradebeispiel für die politische Ambivalenz von Kunst.
Die Kernfrage der vorliegenden Arbeit lautet: Artikuliert sich in den verschiedenen Formen des politischen Protests in der BRD gegenwärtig eine fundamentale Systemkritik? Zur Bearbeitung wurde ein Mikromodell als Erklärungsversuch verwendet. Zuvor erfolgte jedoch eine Reformulierung des Problems im Rahmen der funktionalistischen Systemtheorie und einer Variante der Modernitätstheorie. Politischer Protest wurde interpretiert als ein Interaktionsproblem des politischen Systems mit seiner Umwelt. Eine Mehrvariablenanalyse diente zur Verarbeitung der empirischen Daten. Auf der Ebene individueller Einstellungen der Durchschnittsbürger konnte ein antisystemisches Protestpotential nicht aufgefunden werden. Das wird vom Autor auf die eher konkrete politische Konzeptualisierung der Bürger zurückgeführt. Andererseits könnte grundsätzliche Systemkritik nur wirksam werden, wenn sie von politischen Elitegruppen aktiv vertreten würde. Bisher ist das offensichtlich nicht der Fall. Der derzeitige politische Protest in der BRD ist keine Bedrohung für die Stabilität des politischen Systems. Wahrscheinlich wird sich durch ihn das Parteiensystem differenzieren, sodaß ein Teil der Protestbewegung längerfristig integriert wird. Der Protest hätte dann eher eine positiv-funktionale Wirkung für das System. (HA)
Die Autorin skizziert methodische Überlegungen und inhaltliche Ergebnisse einer empirischen Studie zum politischen Protest in der BRD. Die Wahl der qualitativen Methode wurde von der Natur des Gegenstandes bestimmt, so davon, daß eine weitverbreitete Abneigung der Teilnehmer des politischen Protestes besteht, sich als Gegenstand soziologischer Studien zur Verfügung zu stellen. Aus der Untersuchung ergaben sich folgende Hauptgesichtspunkte: (1) Ausschlaggebend für viele Verknüpfungen innerhalb der Protestbewegung ist die allgemeine Ablehnung von Theorie und Ideologie. Einzelne Ideen werden bejaht, sind aber nicht in zusammenhängende Ideologien eingebunden. (2) In der Bewegung gegenüber dem Establishment zeichnet sich ein Wertwandel ab, der über die von Inglehart gekennzeichneten materialistischen und postmaterialistischen Werte hinausgeht. (3) Sprachliche Kommunikation wird abgelehnt und damit auch Theorie, die Sprache als Träger benötigt. (UH)
Wie entsteht politischer Protest in einer politisch durchorganisierten Gesellschaft? Diese Frage wird untersucht anhand des Aufkommens politisch alternativer Gruppierungen im Umfeld der evangelischen Kirchen in der DDR. Was waren die sozialen und politischen Bedingungen, unter denen sich politischer Protest in der DDR formieren konnte? Ausgehend von einer Analyse der politischen Verfaßtheit der DDR-Gesellschaft wird diese Frage unter Rückgriff auf geläufige Ansätze der Bewegungsforschung (political opportunity structure approach, Ressourcenmobilisierungsansatz, framing-Konzepte) untersucht. Die empirische Materialgrundlage bilden Interviews mit führenden Vertretern der politisch alternativen Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen in der DDR. Ihre Aussagen dienen dazu, Motive für das politische Engagement in diesen Gruppen herauszuarbeiten, sowie Ziele und Mittel ihres Handelns, ihre interne Kommunikationsstrukturen und ihre externen Beziehungen zur SED, zur Kirche, zu den Ausreisewilligen und zur Bevölkerung zu analysieren. Den Abschluß bildet eine Analyse der Rolle der Opposition im Prozeß des gesellschaftlichen Umbruchs im Herbst 1989, die auf der Grundlage eines Modells von Pierre Bourdieu zu einer neuen Erklärung dieses Prozesses kommt. - Seit Ende der achtziger Jahre versuchen Politik- und Sozialwissenschaftler, das Aufkommen der politisch alternativen Gruppen in der DDR in das Phänomen der neuen sozialen Bewegungen einzuordnen und als Folge modernisierungsgenerierter Probleme darzustellen. Der hier vorgeschlagene Ansatz beachtet stärker die DDR-spezifischen Voraussetzungen des Entstehens dieser Gruppen. Auf breiter empirischer Grundlage werden die Geschichte der alternativen Gruppierungen, ihre Strukturtypik sowie die Handlungsmotive und Einstellungen ihrer Mitglieder analysiert.
Anhand der 1993 in Ostdeutschland durchgeführten, repräsentativen KSPW- Mehrthemenbefragung weist der Autor nach, daß sich nach den vorliegenden Daten das neue politische System in Ostdeutschland noch nicht auf die unangefochtene Unterstützung der Bevölkerung stützen kann. Offenbar haben sich die mit dem Beitritt verbundenen Erwartungen eines Teils der Bevölkerung nicht erfüllt. Entsprechend negativ fallen die Implikationen für das Verhältnis zur Gesellschaft, zur Demokratie und ihren Institutionen aus. Der Autor gibt einen Überblick über die Zufriedenheit der Bevölkerung mit Aspekten des politischen und gesellschaftlichen Zusammenlebens und über das Protestpotential in Ostdeutschland. Analysiert werden Zusammenhänge zwischen politischer Unzufriedenheit und politischem Protest. Er überprüft dabei die in der politikwissenschaftlichen Forschung verwendete "Efficacy-Distrust-Hypothese" und bringt ein erweitertes Modell zur Erklärung politischen Protestes zur Anwendung. (rk)
Demonstrationen und Kundgebungen bleiben bundesweit die häufigste Form nicht-institutionalisierter politischer Beteiligung in der Zeit von 1975 bis 2018. Umweltthemen gewinnen in den letzten Jahren wieder an Popularität, vor allem in Westdeutschland. Migrationsbezogene Themen (inklusive Rechtsextremismus und Rassismus) dominieren jedoch die deutsche Protestlandschaft.